Paul Scheerbart
Rakkóx der Billionär
Paul Scheerbart

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Der Direktor der Rakkóxischen Erfindungsabteilung fiel bei Empfang des schwer wiegenden Telegramms unter seinen Schreibtisch. Und das Personal der Abteilung wurde beinahe wahnsinnig; drei Obergenies mußten wegen gefährlicher Tobsucht sofort einer Heilanstalt überwiesen werden.

Schultze VII. tat so, als ob ihn die Sache nichts anginge. Und dennoch wußte er sehr genau, daß ohne sein Zutun die Katastrophe ganz unmöglich gewesen wäre; aber seine Kameraden wußten das nicht, da ihr Direktor alles Wichtige für sich behielt.

Schultze VII. sah mager aus wie ein Windhund und hatte einen so starken Schnurrbart, daß der mit zwei Fingern nur mühsam zu umspannen war. Kaum hatte sich der Siebente in sein Lederzimmer zurückgezogen, so strich er seinen Schnurrbart mit allen zehn Fingern so heftig auseinander, daß einzelne Haare rausgingen und nur so rumflogen. Und er knirschte mit den Zähnen – zwar melodisch – doch nicht sanft. Und er hielt dabei einige seiner gewöhnlichen Monologe – er war an die Monologe gewöhnt.

»Es ist eigentlich«, sprach er zu seinen braunen Lederwänden, »durchaus sinnlos, mich über diesen Rakkóx zu ärgern, denn ich brauche ihn nicht. Und dennoch ärgere ich mich. Ich war ja ein Wüterich von meiner Geburt an, obgleich ich niemals einen plausiblen Grund für meine Wut hatte. Aus Wut bin ich sogar Humorist geworden – nicht aus Liebenswürdigkeit. Es ist zweifellos mein Schicksal, immerzu im Wutstadium zu leben. Andere Leute leiden an Wassersucht – ich aber leide an Wutsucht. Ich sehne mich ja danach, beleidigt zu werden, damit ich ein Recht bekomme, meinem tückischen Jähzorn freien Lauf zu lassen. Und dabei lach' ich noch.« Schultze VII. sieht wieder seine ledernen Wände und seine ledernen Möbel – fein gepreßte Sachen – an und freut sich, so ganz zwischen alten Tierhäuten zu stecken; ihm sind alle Bestien so recht sympathisch.

»Die einfachen Tiere und die menschlichen Kinder«, fährt Schultze fort, »neigen mehr zur Mordlust als zur Wollust – der entwickelte reife Mensch desgleichen. Das hängt damit zusammen, daß die einfacheren Lebewesen sich ihrer Persönlichkeit nicht bewußt werden und die komplizierteren Lebewesen erst recht nicht an ein individuelles Leben glauben – daher schätzen beide ihr Leben und damit auch das der anderen Wesen nicht hoch ein. Die Geschichte ist gräßlich einfach. Esel verstehen's allerdings nicht. Am Anfange ist die Kreatur grausam und zerstörungssüchtig – am Ende noch mal. Und daher ist Schultze VII. ein Wüterich, denn er ist ein Lebewesen, das die höchste Entwicklungsstufe erreicht hat. Die höchste Genialität ist eben nur dazu da, die Menschenbrut feste zu verhöhnen und zu verhetzen. Blut will ich, verfluchtes Biestpack – Blut! Und darum muß Rakkóx – es läßt sich leider nicht ändern – zerrissen werden – wie die Taube vom Habicht zerrissen wird. Meine Logik ist immer vernichtend.«

Er lacht – was sich wie Storchgeklapper anhört – freilich nicht ganz so. Und er kreischt auf wie ein wildes Tier, schlägt mit beiden Fäusten auf seinen kleinen Kaffeetisch, daß der zusammenknickt wie eine alte Hutschachtel. »Rhinozeros! Rhinozeros!« brüllt er.

Und dann lacht er – wie die Irrsinnigen in der Heilanstalt zu lachen pflegen. Nachdem wird er aber ganz ruhig und kalt, geht zu der Versammlung der entlassenen Genies und Obergenies, überredet sie, mit ihm nach China auszuwandern und dort den Kaiser von China gegen den gemeingefährlichen Rakkóx aufzuhetzen – und tut so affektlos wie ein stiller Waldsee.

Die Versammelten folgen dem großen Schultze; alle fahren mit dem nächsten Eilzuge nach China.

In den nächsten Monaten entwickelt sich die Geschichte auf beiden Seiten programmgemäß. In den Gebirgspalästen, die Kasimir Stummel auf der Westküste Südamerikas baut, arbeiten fünfmal hunderttausend Mann – Rakkóxens Geld kommt unter die Leute, er wird immer berühmter und beinahe vergöttert. Ein ordentlicher Unternehmer geht seinen Weg; ob die Unternehmungen vernünftig oder lächerlich sind, ist allen ganz egal – wenn nur gezahlt wird.

Nach Verlauf eines guten Jahres bemerkt aber der große Billionär ein sichtliches Schwinden seiner Popularität. Uber die Ursachen dieser Erscheinung kommt er bald ins klare. Schultze VII. telegraphiert ihm nämlich aus Peking: »Ihr Vorgehen in Südamerika wird hier an höchster Stelle scharf verurteilt, rate Ihnen, sofort Herrn Stummel ebenfalls zu entlassen, da er sich Übergriffe gegen chinesische Staatsbürger erlaubt hat. Ehrfurchtsvoll! Schultze VII.« »Aha«, ruft Rakkóx. Auf Madeira trifft er mit Kasimir Stummel zusammen, dessen glatt rasiertes Gesicht sehr braun und sehr gesund aussieht. Stummel teilt seinem Prinzipal zunächst mit, daß sich an der Westküste Südamerikas die Anzahl der chinesischen Kriegsschiffe nachgerade täglich vermehrt. Die Situation wird brenzlich. Rakkóx telegraphiert demnach an den Direktor seiner Marineabteilung: »Schnell alle fertigen submaritimen Torpedoboote zu Stummeln nach Südamerika senden. Die Geschichte eilt. Rakkóx.« Dieses Telegramm beruhigt jedoch Herrn Kasimir Stummel keineswegs.

»Ich kann mir«, führt er aus, »nicht verhehlen, Herr Rakkóx, daß Ihre Offiziere sehr unzuverlässig sind. Sie haben sämtlich nur pekuniäre Interessen und keine nationalen. Die Soldaten, die sich als Vertreter einer Nation betrachten, bieten ohne weiteres viel mehr Sicherheit als die gesamte Rakkóx-Armee. Wir müssen das nationale Element aus den feindlichen Armeen rauspumpen. Es ist mein voller Ernst. Mit internationalen Armeen werden wir immer fertig. Wir müssen aus der chinesischen Armee eine internationale Armee machen.« »Wie machen wir das?« fragt Rakkóx. »Es geht!« erwidert Stummel, »es ist eine kühne Idee – aber ich weiß, Sie schrecken vor kühnen Ideen nicht zurück – besonders wenn sie nur Defensivmaßregeln verkörpern wollen.«

»Nu reden Sie doch – was wollen Sie denn?« Also Rakkóx. Und Stummel fährt fort – bedächtig: »Es hört sich toll an – aber es geht! Wir müssen China zum internationalen Staate machen. Wir müssen durch glänzende Anerbietungen eine Vermischung aller Rassen des Erdballs durchzuführen suchen. Wir müssen die Übersiedlung sehr vieler Europäer nach China und sehr vieler Chinesen nach Europa veranlassen. Diese Tätigkeit maskieren wir dadurch, daß wir gleichzeitig die Afrikaner nach Indien und die Inder nach Australien transportieren; die Indianer können ja nach Skandinavien. Sie verstehen wohl! Wir müssen das reine Rührei aus den Nationen machen. Ich sage Ihnen, lachen Sie nicht! Es geht tatsächlich! Dazu gehören nur recht viele Personendampfer, die für die Überfahrt einen lächerlich geringen Preis beanspruchen.«

Rakkóx steht auf und telegraphiert an den Direktor seiner kaufmännischen Abteilung: »Sofort tausend Personendampfer ankaufen oder bei der Werft von Europa bestellen. Größtes Format! Rakkóx.«

Stummel stammelt seinen Dank, er ist ob seiner Erfolge ganz verwirrt. Im besten Strandhotel essen sie danach ein einfaches Abendbrot. Nach dem Abendbrot rauchen sie auf der Fürsten-Terrasse eine gute Zigarre aus Melbourne, der Mond beleuchtet ganz ausgezeichnet den Atlantischen Ozean, und Rakkóx plaudert von seinem Obergenie Schultze VII.

»Das ist ein ganz gemeingefährlicher Mensch«, sagt er heftig, »stellen Sie sich nur vor, was für geniale militaristische Ideen mir dieser freche Kerl zu unterbreiten wagte! Krokodilsregimenter in dunkelblauer Uniform – wirkliche Krokodile in dunkelblauer Uniform – wollte der Herr zum Schutze der Hafenforts dressieren lassen. Ich glaube, er schrieb auch von einer Dressur der Austern zu Kriegszwecken. Er hätte auch noch die Regenwürmer in Uniform gesteckt – wenn ich dem Satan nicht den Laufpaß gegeben hätte. Und aus Rache für den Laufpaß putscht er nun die Chinesen gegen mich auf. Ein sauberer Kunde! Er ließ keine Gelegenheit vorübergehen, die Bedeutung des Ungeziefers herauszustreichen; das Ungeziefer nannte er das natürliche Leibregiment der Menschheit. Meine zweihundert Genies glaubten immer, ich könnte mich nur am Spaß ergötzen. Weil ich's mir selten versagen mag, gelegentlich einen saftigen Ulk vom Stapel zu lassen – deswegen glaubte man, mir könnte nichts angenehmer sein, als selber ordentlich verulkt zu werden. Wenn man über die Tiefsinnigkeit dieser Genies, die das Gehirn eines Billionärs nur für ein Witzkaninchen halten, nachdenkt, so kann man beinah Bauchweh bekommen. Es gibt doch verschiedene Arten von Humor. Wir können speziell defensiven und aggressiven Humor unterscheiden; der aggressive ist eine ganz entartete Art und diesem Schultze Numero VII. eigentümlich. Sie, Herr Stummel, haben eine seltsame Abart von Humor, die ich die geschäftliche Abart nennen möchte. Nehmen Sie mir's nicht übel, mir ist die Abart durchaus nicht unsympathisch. Ich selbst habe einen Humor, der mehr unfreiwilliger Natur ist. Der unfreiwillige Humor wird ja wohl von einzelnen Gelehrten für den einzig wahren erklärt. Ich gestehe aber, daß ich sein Dasein in mir lebhaft bedaure. Seien Sie nie zu lustig, der ganze Humor ist überhaupt nur eine gute Nummer für den Armen – für den Reichen ist der Humor ein Malheur. Ich habe meinen verdammten Mitmenschen immer zu wenig übelgenommen. Ich habe das fatale Talent, bei jedem nur die lächerlichen Seiten zu sehen – und was man belachen kann, nimmt man nicht krumm. Doch durch diese Gutmütigkeit verliert man den Respekt. Die Leute glauben einem schließlich nicht, daß man mehr will – als Lachenkönnen. Und vom Lachen allein wird man doch noch nicht vergnügt.«

Die beiden Männer qualmten mächtige Rauchwolken in den Mondschein, der Atlantische Ozean lag glitzernd vor ihnen wie ein verworrenes Spiegelbild der Unendlichkeit.

Die beiden Männer schwiegen lange und waren so ernst wie diejenigen, die ihr ganzes Leben nur mit weltzerkneifenden Taten füllen möchten.

Und dann sprach Stummel von seinen großen Palastgebirgen: »Ich möchte das Bleibende schaffen!« sagt Stummel, »ich habe zunächst mit den neuen Maschinen größere Höhlungen in den Bergen vorgenommen, die dabei herausgebrachten Stein- und Kalkmassen habe ich draußen am Meeresstrande zu reich gegliederten Terrassenbauten verwandt. Es lassen sich verschiedene Berge ganz leicht in eine rechtkantige architektonische Form bringen, auch mit komplizierten Kurven lassen sich glänzende, architektonische Kompositionen schaffen. Die Säle, die im Innern der Rakkóxfelsen entstehen, werden beispiellose Dimensionen erhalten. Wir machen das Dimensionale modern. Die neuen Maschinen arbeiten so sicher, daß Einstürze nicht zu befürchten sind. Unsere Mathematiker arbeiten zudem fast viel zu sorgsam. Am Kasimirfelsen lasse ich den ganzen Gipfel abschneiden, so daß in allen Sälen Oberlicht sein kann. Ich denke mir die Wände der Säle zumeist ganz mit Wohnungen angefüllt, die hinter Vorbauten, Säulenhallen und Balkons jede beliebige Ausdehnung haben können. Gewaltig werden die Granitsäle wirken. Zweihundert Meter hohe Wände ganz spiegelglatt! Und da die Beleuchtung mit Fackellicht! In den tieferen Schichten sind riesige Baderäume unterzubringen – mit Springbrunnen, Kaskaden, Teichen und Gondeln. Sämtliche Kirchenbauten fallen vor diesen Gebirgspalästen untern Tisch, nicht wahr? Man muß lächeln, wenn man an die kleinliche Architektur der Vorzeit denkt. Um die Wohnungen wird man sich reißen und märchenhafte Summen bezahlen. Vorzüglich wirken die grandiosen Perspektiven, wenn ganze Ketten von Riesensälen neben-, hinter-, über- und untereinander liegen können. Es sind selbstverständlich durch eleganteste elektrische Bahnen die Säle zu verbinden. Die Wagen müssen allerdings ganz im Stile der Architektur gebaut sein. Wir schreiben da wohl verschiedene Konkurrenzen für die einzelnen Stilarten aus. Von außen aber werden die Gebirge einen hinreißenden Anblick gewähren. Die Natur ist tausendfach übertrumpft. Es lassen sich auch im ägyptischen Geschmack große stilisierte Skulpturen herausarbeiten. Immerhin bin ich eigentlich dagegen: die reine Architektur muß allein mit großen Rhythmen wirken und kleinlichen Zierat verschmähen, wenn er auch noch so groß ist. Die neuen Emailfarben bringen übrigens, wenn man sie vorsichtig zum Rausstreichen der Verhältnisse benutzt, einen verblüffenden Eindruck hervor – und die Farben sind wetterfest. Ich bin sehr glücklich...«

So redete Stummel bis zum Morgengrauen, und Rakkóx hörte aufmerksam zu, sie rauchten mit Genuß das Kraut von Melbourne, tranken nur kühle Limonade und begaben sich erst beim Aufgange der Sonne zur Ruhe. Der Atlantische Ozean glitzerte in tausend Farben, als die Sonne kam.

Der Krieg zwischen Rakkóx und dem Kaiser von China nahm nun seinen Fortgang. Eine Kriegserklärung fand natürlich nicht statt, denn sich gegenseitig Schlachten zu liefern, lag durchaus nicht in der Absicht der beiden Parteien. Sie lagen bloß auf der Lauer und suchten eine günstige Gelegenheit zu erspähen, ohne größeren Geld- und Blutverlust was zu erobern. Es war ein ständiges Manövrieren. Und alles konzentrierte sich dabei um Stummels Gebirgspaläste; Rakkóxens submaritime Torpedoboote kreuzten immerzu vor dem Arbeitsfelde und verhinderten das Näherkommen der chinesischen Flotte, ohne zu schießen. Und diese versuchte eigentlich nichts weiter, als Rakkóxens Admirale zu bestechen. Ein schöner Krieg! Die Bestechungsversuche gelangen aber nicht, da Rakkóx viel freigebiger war als der Chinesenkaiser. Das Hauptziel der chinesischen Diplomaten war zudem das: Stummel rumzukriegen. Indessen Stummel war nicht so leicht ins Verderben zu stürzen, da er alle persönlichen Empfindungen unterdrückte und nur für die Erhaltung seiner Gebirgspaläste kämpfte. Schultze VII., der bald die gesamte Bestechungs-Aktion gegen Stummel leitete, wußte wohl, mit welchem hochentwickelten Menschen er's zu tun hatte. Doch die bösen Menschen sind nie in Verlegenheit, wenn es gilt, tückische Pläne auszuhecken. Der rachsüchtige Schultze telegraphierte aus Peking an Herrn Kasimir Stummel: »Ich gratuliere Ihnen zu den Erfolgen Ihrer Rassenvermischungsidee. Ihre Personendampfer funktionieren ja ganz ausgezeichnet. Erklären Sie Ihre Gebirgspaläste ebenfalls für international. Begeben Sie sich unter den Schutz der vereinigten Staaten des Erdballs und die Konsistenz Ihrer Arbeit ist für alle Ewigkeit gesichert. Andernfalls können Sie sich auf das Schlimmste gefaßt machen, da sich in Ihrer nächsten Umgebung an die fünfzig Verräter befinden. Schultze VII.«

Stummel erschrickt doch ein wenig, denn am Bestehenbleiben seiner Paläste, die natürlich nicht so rasch fertig werden, liegt ihm mehr als an seinem eigenen Leben.

Stummel ist ein Diplomat und immer schnell bereit, gleich wieder mit einem anderen Herrn zu arbeiten, wenn der momentan zur Verfügung stehende Herr nicht den genügenden Schutz bietet. Der kluge Kasimir schickt also an Rakkóx eine umständliche Depesche, in der er in sehr lustiger, humorvoller Form die Idee des infamen Schultze auseinandersetzt und beleuchtet; er läßt durchblicken, daß die Gebirgspaläste im Besitze sämtlicher Nationen des Erdballs an Wert nur gewinnen – nicht verlieren dürften.

Rakkóxens Antwort lautet: »Das Lachen der Verlogenheit ist immer noch liebenswürdiger als das Lachen der Verlogenheit. Rakkóx.«

Diese grobe Antwort stößt den Stummel doch furchtbar vor den Kopf, und er zweifelt daran, daß Rakkóx nötigenfalls bereit sein könnte, für die Paläste Kopf und Kragen zu riskieren, und er beschließt, nur noch im Interesse seiner Arbeit zu handeln und sich um den Rakkóx nicht weiter zu bekümmern. Stummels internationale Unterhandlungen beginnen darauf. Rakkóx wird nicht weiter befragt.

Gleichzeitig erfährt die allgemeine Wutstimmung, die sich auf der ganzen Erde gegen den verrückten Billionär im Laufe der Jahre ausbildete, eine unheimliche Steigerung.

Und Schultze VII. wird kühner. Mit verblüffender Taktik weiß er den Stummel immer tiefer in sein Netz zu ziehen, so daß dieser schließlich öffentlich die Gebirgspaläste für internationales Eigentum erklärt und sich und seine Arbeiter unter den Schutz der vereinigten Staaten des Erdballs stellt.

Wie Rakkóx in Konstantinopel diese Proklamation liest, besteigt er sofort sein Blitzboot und fährt bei Gibraltar vorbei nach Südamerika – erklärt unterwegs die Proklamation des Kasimir Stummel für eigenmächtig und gegenstandslos. Aber Schultze VII. hat Rakkóxens Reise auf dem Blitzboot vorausgesehen. Mit den zweihundert Genies und vielen Chinesen kreuzt er so »zufällig« im Atlantischen Ozean 'rum und fängt das Blitzboot mitten auf'm Äquator ab. Das raffinierte Obergenie läßt den Rakkóx fesseln und in seine große Salonkajüte führen.

Zehn alte Indianer mit langen blanken Messern im Gürtel sitzen schweigend rechts und links neben dem großen Schultze, der dem Billionär mit gleißenden Augen nur ein einziges Wort entgegenschleudert: »Rhinozeros!« Rakkóx sieht seinen Feind ruhig an, mustert die verrückten blutgierigen Indianer und sagt milde: »Armer Schuft!«

Schultze VII. streicht seinen dicken Schnurrbart, gibt den Indianern ein Zeichen – und die Indianer stürzen sich heulend auf den Billionär, jagen ihm die langen Messer in den Leib, drehen ihm den Kopf ab und schneiden den Leichnam in zweihundert Stücke von ziemlich gleicher Größe; den Schädel und die größeren Knochen zerlegen sie mit den Streitäxten. Die zweihundert Stücke werden abgewaschen und fein säuberlich in zweihundert Emaildosen gepackt. Und diese Emaildosen mit dem Rakkóxgebein werden feierlich unter die zweihundert Genies verteilt. Die Obergenies erhalten Kopfstücke. Schultze nimmt Rakkóxens Nase. So stürzt Rakkóx von seiner Höhe.

Das Publikum der ganzen Erde schreit Hurrah und feiert Schultze VII. als Erlöser. Die Verteilung der Billionen erzeugt natürlich einen ganzen Rattenschwanz von abenteuerlichen Prozessen. Die Advokaten trinken nur noch Über-Sekt. Auch ein paar veritable Schlachten werden geschlagen – mit scheußlichem Gedonner. Das macht aber alles nichts aus – Rakkóxens Billionen werden verteilt – Rest bleibt nicht übrig. Die Todesart des reichen Mannes bleibt natürlich ein Geheimnis – dem Publikum wird was von Selbstmord und Testamentsvernichtung vorgeschwatzt – die Verwandten erhalten sämtlich Ministerstellen – einige Vettern bekommen den Herzogstitel usw. usw. usw. So stürzen Rakkóxens Billionen von ihrer Höhe.

Schultze VII. aber merkt plötzlich, daß er – zum – Götzen – der – Dummheit – geworden ist – und – – – verachtet sich. – So stürzt Schultze VII. von seiner Höhe. Die Gebirgspaläste des Kasimir Stummel verfallen, da die Nationen für derartige Baukünste kein Geld übrig haben. Schlangen und wilde Tiere nisten sich in den großen Granitsälen ein. Die Arbeiter fahren sämtlich davon, als sie keinen Lohn mehr bekommen. Und Stummel sieht, wie sein Werk zusammenbricht. Ein paar unternehmende Amerikaner betrachten die Gebirgspaläste als gute Bergwerke, finden dort Gold und – verwüsten die gesamten »architektonischen« Arbeiten von oben bis unten. Die herrlichen Terrassenanlagen werden rücksichtslos zerstört und die feinen großen Maschinen nur noch zu Bergwerkszwecken verwandt. Stummels Beschwerden werden von den z. Z. vereinigten Staaten des Erdballs mit lächelndem Bedauern entgegengenommen. So stürzt Kasimir Stummel von seiner Höhe. In Peking aber pflegt der allgemeine Genieverein jeden Sonnabend seine Sitzung mit einem Rundgesang zu beginnen, dessen Kehrreim »Sic transit gloria Rakkóxi« stets mit indianerhaftem Wutgeheule gesungen wird. Der rakkóxische Rundgesang wird mit der Zeit so populär, daß er bei jedem Siegesfeste gesungen werden muß.


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