Paul Scheerbart
Kater-Poesie
Paul Scheerbart

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Sei sanft und höhnisch!

Charakter-Cyklus

                                Charakter ist nur Eigensinn;
Ich bin mit mir zufrieden.
Ich geh nach allen Seiten hin;
Wir sind ja so verschieden.
*
Geht mir mit der Quälerei!
Sie macht wirklich kein Vergnügen;
Mir kann nur die Wurschtigkeit
Toll und voll und ganz genügen.
*
Was wie ein Schienenpaar zerfahren ist,
Das ist noch härter als der Antichrist.
*
Ich möcht am liebsten meine Tinte
Dem Menschenvolk ins Blutgeäder spritzen.
Ich will mich bloß nicht so erhitzen.
*
Glaube mir:
Ich streichle dir
Die zarten vollen Wangen.
Glaube mir:
Ich hab nach dir
Wahrhaftig kein Verlangen.
Ich will dir immer gut sein!
Bleibe mir nur ewig fern
Wie der stille Abendstern.
*
Ich hab die ganze Nacht gelacht –
      Natürlich – nur im Traume!
Jetzt bin ich endlich aufgewacht –
      Natürlich – noch im Raume!
Ich kann nun nicht mehr lachen!
      Was soll ich also machen?
                Weiterwachen?
*
Sei klein – dann ist die Welt so groß!
Sei schwach – dann ist die Welt so stark!
Sei dumm – dann ist die Welt so klug!
Sei stumm – dann ist die Welt so laut!
Sei arm – dann ist die Welt so reich!
*
Ach, nur im Dunkeln
Funkeln die Sterne.
*
Reimerei und Schweinerei!
Mir ist alles einerlei!
Alte Katzen sind nicht blöde.
Aber jene Untermenschen,
Die ich täglich braten möchte,
Machen mir die Welt so öde.
Mir ist alles einerlei!
    Mensch, sei frei!
*
                    Freche Fratze,
                    Deine Glatze
                    Ist nicht alt,
                    Auch nicht jung,
                    Bloß voll Dung,
                    Hast du bald
                    Dung genung?
*
Die Eitelkeit, die Eitelkeit –
Die steckt ja wohl im Narrenkleid.
Doch bei den steifen ernsten Leuten –
Da steckt sie unter allen Häuten.
*
Der Nebel meiner Lebensqual
Ist dunkel, trüb und fett.
Ich liege still zu Bett.
*
Fahrig, lax, frivol und wischig
Ist die große Alterskunst –
Gräßlich ist der ganze Dunst.
*
Doch die stillen Flaggenstöcke –
Freunde, die laßt stehen,
Wenn auch die Spektakelfeste
Lichterloh vergehen.
*
Die Flaggenstöcke gingen tief
In unsre alte Erde rein.
Wir aber gingen immer schief –
Im Sonnen- wie im Mondenschein.
*
Alte böse Menschen schimpfen
Über meine Lustigkeit.
Und das ist doch weiter nichts als
Alter, dunkelgelber Neid.
*
          Du kindische Kröte,
          Dich quetsch ich zu Brei.
          Ich mag doch nicht hören
          Die Mopslitanei,
          Die sich lustig macht
          Über den, der lacht.
*
Ich schmiß einen Menschen zum Fenster hinaus –
Natürlich – nur im Traume!
Ich fragte höflich die Mama:
Wozu ist das Männchen da?
*
    Was denkt sich denn der junge Fant?
    Ich liebte nie mein Vaterland.
    Das tun ja schon so viel Soldaten!
    So selbstgefällig bin ich nicht!
*
Lieber süßer Kannibale,
Liebst du meine Tante Male?
Friß sie auf – sie ist gesund –
Ihre Welt wird ihr zu bunt.
*
Rosenstielchen, Blätterkuß!
Meine Welt ist voll Verdruß!
*
Klarheit wollt ihr?
Dicke Klarheit?
    Seid ihr echte Untermenschen?
    Wollt ihr nicht den kummervollen
    Rausch der Ewigkeit umhalsen?
    Wollt ihr nicht den götterhaften
    Allempfindungsdünkel kosten?
    Aber nein: ihr seid gescheidter;
    Eure Sehnsucht will ins Bettchen,
    Denn der liebe Sandmann kam.
*
Ich weiß, was ich begehrte;
Nie klar wird das Verklärte.
*
Mit den Ketten will ich rasseln,
Daß das Trommelfell euch platze!
Es erblüh in euern Dasseln
Alles Glück in einem Satze.
*
Ach, nur im Dunkeln
Funkeln die Sterne.
*
Breite Nachtkapuzen,
Ich will euch nur uzen!
Keiner sticht euch tot!
Alles ist im Lot!
*
Überwinden, überwinden
Wollen wir die letzten Trümpfe.
Und wenn wir das Letzte finden,
Machen wir uns auf die Strümpfe.
*
Charakter ist nur Eigensinn.
Es lebe die Zigeunerin!
              Schluß!!

 << zurück weiter >>