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Einleitung.

Zu den besonders merkwürdigen Personen, welche die Geschichte mit Bewunderung nennt, gehört auch die Königin Christina von Schweden, die Tochter Gustav Adolph's. Ihr Charakter ist so großartig, und ihr Leben bietet ein so interessantes Gemälde dar, daß wenige Biographien die der Königin an Reichhaltigkeit übertreffen, während ihr Einfluß auf die wichtigsten Begebenheiten in Europa derselben eine allgemeine historische Bedeutung verleiht.

Die Urtheile über diese seltene Fürstin sind stets sehr verschieden gewesen. Während die Einen sie mit Lobsprüchen erheben, wird sie von Andern getadelt und leidenschaftlich verleumdet. Schon bei ihren Lebzeiten und bald nach ihrem Tode erschienen in beider Richtung verschiedene Schriften. Zu letztern gehören namentlich mehrere Broschüren, die besonders ihr Privatleben betreffen und als Quelle benutzt werden. Sie sind meistens von feindlichen und schmähsüchtigen Franzosen geschrieben und verdienen keinen Glauben. Nach ihnen ist das viel verbreitete » Leben der weltberühmten Königin Christina von Schweden«, Leipzig 1705, von Prof. Chr. Stief in Breslau verfaßt.

Wichtiger dagegen sind die sogenannten Memoiren Chanut's, Paris 1675. Es ist eine Sammlung der Gesandtschaftsberichte von Chanut und seinem Nachfolger Picques, den französischen Gesandten am schwedischen Hofe während Christina's Regierungszeit. Glaubwürdig ist aber nur der erste Theil dieser Memoiren, soweit er von Chanut selbst herrührt, einem Manne von achtungswerthem Charakter, edlem Gemüthe und frommem Sinn. Dabei besaß er umfangreiches Wissen, Anmuth im Umgange und große Bescheidenheit, so daß er sich stets der Gunst der Königin zu erfreuen hatte. Sein Nachfolger Picques hatte nicht diese vorzüglichen Talente, um sich die Zuneigung der Königin in gleichem Maße zu erwerben. Persönliche Unzufriedenheit und Verdruß über Christina's damalige Abneigung gegen Frankreich haben darum vielfach seine Gesandtschaftsberichte zum Nachtheil der Königin beeinflußt. Diese zweite Hälfte, welche mit Vorsicht zu benutzen ist, hatte denn auch Frankreich im Auge, wenn es durch Herausgabe dieser Memoiren die Königin kränken wollte.

Von unschätzbarem Werthe für die Biographie der Königin Christina ist das Werk von Arckenholz: Mémoires concernant Christine, reine de Suède etc. Deutsch: Leipzig und Amsterdam 1751 und 1752, 4 Bde. Der Verfasser hat zuerst eine große Menge Briefe und Schriften der Königin und andere werthvolle Urkunden gesammelt und sie mit vielem Fleiße und kritischem Urtheil zusammengestellt. Abgesehen von Christina's Conversion denkt er über die Königin sehr ehrenvoll und hat mit gewichtigen Gründen die über sie verbreiteten ungünstigen Ansichten bestritten. So wichtig aber dieses Werk ist, so ist es doch nur eine Materialiensammlung und kann auf den Namen einer Biographie oder historischen Darstellung keinen Anspruch machen.

D'Alembert's » Mémoires et Réflexions sur Christine« in seinen Mélanges de littérature, d'histoire et de philosophie, à La Haye 1716, beruhen ganz auf Arckenholz, sind nur mit mehr Vorurtheilen und philosophischer Ungründlichkeit geschrieben.

Ebenso sind Lacombe, deutsch: »Geschichte der Königin Christina von Schweden«, Leipzig 1762, und Schröckh, »Allgemeine Biographie«, Th. II u. III, Berlin 1769, fast nur kurze Auszüge aus Arckenholz. Ersteres ist unter Berücksichtigung der französischen Literatur verfaßt; das Meiste ist angenehm und mit geschickter Beurtheilung geschrieben. Auch Schröckh ist interessant, aber keineswegs frei von Irrthümern.

Rühmliche Hervorhebung verdient Rühs' »Geschichte Schweden's«, Th. IV, Halle 1810. Er behandelt das Leben der Königin bis zu ihrer Thronentsagung und zeigt genaue Sachkenntniß und fast überall richtige Ansichten, namentlich auch über ihre Conversion.

In Geijer's »Geschichte Schweden's«, Bd. III, Hamburg 1836, ist Christina's Regierungszeit nur in den wichtigsten Punkten dargestellt, ihr Privatleben gar nicht berührt und ihre Glaubensveränderung mit vorgefaßter Meinung beurtheilt. Ueber die allgemeinen Verhältnisse Schweden's hat er viele interessante Angaben.

Leop. Ranke, »Die römischen Päpste«, Bd. III, Berlin 1836, hat eine beachtenswerthe »Digression über Königin Christina von Schweden«, welche bezüglich ihrer Conversion durch die Benutzung von Pallavicino's und Casati's Mittheilungen von besonderem Werthe ist. Sonst hat er diesen Punkt oberflächlich behandelt. Er will nicht nach Gründen und Beweisen für Christina's Uebertritt zur katholischen Kirche suchen, sondern erklärt ihn einfach aus einer »unerklärlichen Neigung und unbedingten Sympathie«; Christina's emsiges Forschen wird nicht erwähnt. Hinsichtlich der übrigen Begebenheiten ihres Lebens hat er Manches schön und geistreich zusammengestellt und die Königin im ganzen human und billig beurtheilt. Letzteres läßt sich auch sagen von K. F. Becker's »Weltgeschichte«, Leipzig 1869, Bd. XII, und von K. A. Menzel's »Neuerer Geschichte der Deutschen«, Breslau 1839, Bd. VIII.

Bedeutsames Material zu einer Lebensbeschreibung der Königin Christina enthalten ferner vier Aufsätze der historisch-politischen Blätter vom Jahr 1843, Bd. XII; sie reichen bis zum Frieden von Brömsebro, eine Fortsetzung ist nicht erfolgt. Ebenso trefflich ist die Arbeit von Höfler in Wetzer und Welte's Kirchenlexikon II, Freiburg 1848.

Raumer, »Geschichte Europa's«, Leipzig 1835, Bd. V, hat sehr nachtheilig über Christina geurtheilt, so daß Geijer ihm mit Recht den Vorwurf macht, er habe »in den wenigen Blättern, die er Christina gewidmet, gerade nicht die besten Quellen benutzt«.

Dieselben ungünstigen Ansichten finden sich in den weitverbreiteten Weltgeschichten von F. C. Schlosser, Frankfurt a. M. 1853, Bd. XIV und XV, und von G. Weber, Leipzig 1878, Bd. XII. Ohne weiteres Quellenstudium und vielleicht auch aus Confessionseifer haben sie die schlechten Urtheile, welche sich durch obengenannte Schmähbroschüren festgesetzt hatten, aufgenommen und weiter verbreitet. In den »Convertiten seit der Reformation« von Dr. A. Räß, Bischof von Straßburg, Bd. VII, Freiburg bei Herder 1868, ist hauptsächlich nur die Conversion der Königin Christina behandelt; die übrigen Begebenheiten ihres Lebens sind, soweit es dem Zweck des Werkes entsprechend ist, kurz und anziehend dargestellt.

Eine besondere Erwähnung verdient schließlich W. H. Grauert, »Christina, Königin von Schweden,« Bonn 1837-42, 2 Bde. Dieses Werk ist mit gründlicher Erforschung der Quellen, mit Geist und anziehender Darstellung geschrieben und verbreitet sich über alle Lebensbegebenheiten der Königin. Der Verfasser bekennt gern, daß er ihm Vieles verdankt, obgleich er mit seiner Auffassung nicht in allen Theilen übereinstimmt. Das gilt z. B. von dem Satze (Th. II, S. 67): »Es läßt sich nicht beweisen, daß sie wirklich überzeugt war (von dem katholischen Glauben), aber es fehlen ebenso die Beweise für das Gegentheil.« Vielleicht nicht mit Unrecht sagen daher die historisch-politischen Blätter (Bd. XII), daß Grauert's Werk mit »einer fast kalten, farblosen Ruhe« geschrieben sei.

Unter Benutzung und Prüfung obengenannter Werke ist vorliegendes Schriftchen entstanden. Möchte es recht viel zur Ehrenrettung der großen Königin beitragen; möchte es auf seinen Wegen vielem Wohlwollen und vielen Freunden begegnen.

Friedrichroda, im Juni 1880.
Fr. Schauerte.


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