Ferdinand von Saar
Die Heirat des Herrn Stäudl
Ferdinand von Saar

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III

»Soweit wären wir«, wiederholte Herr Stäudl mechanisch.

»Und ich muß sagen, daß ich mich zufrieden und glücklich fühlte. Denn ich lernte kennen, was das heißt, ein eigenes Hauswesen zu haben. Und die Thomasin – ich nannte sie auch nach meiner Verheiratung so- war eine ganz vortreffliche Hausfrau. In Wohnung und Küche alles immer spiegelblank wie sie selbst. Es war eigentümlich, daß an ihr niemals etwas haftenblieb, obgleich sie überall zugriff. Auf andern ist gleich jeder Fleck sichtbar, der vom Himmel fällt, trotz aller Sorgfalt. Bei ihr aber mußt ich im stillen immer an den Schwan denken, der in dem kleinen seichten Teich in einem der Gärten gehalten wurde. Sooft er auch unter das schlammige Wasser tauchte, er kam immer wieder zum Vorschein wie der frisch gefallene Schnee. Ja, so war sie. Und ich wußte nun auch, was es heißt, ein Weib zu besitzen. Den ehelichen Verkehr hatte ich mir den Umständen gemäß eingerichtet. Die Frau hatte Kinder, und die durften nicht etwa Zeugen von Zärtlichkeiten sein. Ich wies ihnen also das letzte Zimmer an, wo sie auch schliefen. In dem mittleren schlief die Thomasin; ich selbst blieb, wo ich immer gewesen, und obendrein wurde nachts die Tür zugemacht. Im übrigen waren wir eine Familie. Die Kinder, namentlich das Mädchen, waren wirklich lieb und gut; sie folgten mir auf den Wink, obgleich ich nicht ihr Vater war. Deshalb gab ich mich auch nicht viel mit ihnen ab. ›Es sind deine Kinder‹, sagte ich zur Frau; ›erziehe sie, wie du es für recht und gut hältst. Ich will nur, daß sie sich anständig benehmen.‹ Das taten sie auch, denn obgleich ich ihnen kein böses Wort gab, fürchteten sie mich wie den Teufel. Eigene Kinder wollten sich nicht einstellen, mir war es ganz recht. Denn das hätte jedenfalls Unordnung ins Haus gebracht; auch würde ich mich gewissermaßen vor den Stiefkindern geschämt haben, die ja doch schon heranwuchsen und sich jedenfalls über die Sache ihre Gedanken gemacht hätten.

So lebte ich, wie gesagt, zufrieden und behaglich über zwei Jahre. Abends ging ich nie aus. Nur alle vierzehn Tage besuchte ich einen Verein, welchen die Gärtner der ganzen Gegend gegründet hatten und wo neben geselliger Unterhaltung auch allerlei ins Fach schlagende Gegenstände zur Sprache kamen. Ich war nie ein Freund von solchen Veranstaltungen, bei denen doch nichts anderes herauskommt, als daß ein paar vorlaute Leute den Ton angeben und sich geltend zu machen suchen. Wollte also anfänglich dem Verein gar nicht beitreten. Aber da hieß es: ›Was? Sie wollen sich ausschließen, Herr Stäudl? Sie, eine unserer ersten Kapazitäten? Und wir haben die Absicht gehabt, gerade Sie zu unserem Obmann zu wählen!‹ Da konnte ich wohl nicht anders und ergab mich darein, obwohl mir die ganze Sache höchst zuwider war.

Nun, die Zusammenkünfte fanden jeden zweiten Freitag in einem Grinzinger Gasthause statt, wo bekanntlich guter Wein geschenkt wird. Eines Freitags also ging ich wie gewöhnlich so nach sechs vom Hause fort. Ich hatte schon ziemliches Stück Weges zurückgelegt, als mir plötzlich .Gedanke kam, ob meine Leute wohl das kleine Warmhaus geheizt haben möchten. Es war zwar schon im April und die Tag auch sehr sonnig gewesen, aber ein Nachtfrost w doch nicht ganz ausgeschlossen – und strikten Befehl ich nicht gegeben. Die Sache schien mir wichtig, einiger sehr seltener Keimpflanzen wegen, die dort untergebracht waren. Kehre also um, begehe mich durch ein Seitenpförtchen dessen Schlüssel ich immer bei mir trug, in den Garten, wo sich das Warmhaus befindet. Mache die Tür auf – was ich? Meine Frau steht drinnen mit einem meiner Gehilfen – und zwar in einer Art und Weise, die mir keinen Zweifel darüber läßt, was da vorgeht. Ganz starr stand ich da. Auch die beiden. Dann fingen sie zu zittern an, daß ihnen fast die Knie einbrachen. Sie dachten wohl, nun würde ich auf sie losfahren. Aber nichts da! Ich drehte mich wie damals vor der Gertrud und dem Bäckerburschen auf dem Absatz um und ging. Aufrecht, ohne jedes Gefühl in mir als das der tiefsten Verachtung, ging ich nach Grinzing. Ich war um so ruhiger, als ich bei meinem Eintritt in das Warmhaus gemerkt hatte, daß geheizt war. Machte daher ganz ordentlich den Vereinsabend mit; nur des Trinkens enthielt ich mich soweit wie möglich, denn ich wollte nicht, daß mir das Geschehene, weil es mir jetzt doch allmählich zuzusetzen begann, über den Kopf wüchse. Vielmehr überlegte ich schon auf Heimwege – obgleich ich mit ein paar andern Gärtnern, mich begleiteten, unausgesetzt reden mußte – ganz gründlich, was nun zu tun sei.

Sonst wurde ich immer von der Frau erwartet, wenn nach Hause kam. Diesmal nicht. Sie wagte es offenbar nicht mir. unter die Augen zu treten. Während ich bei mir, wo ganz finster war, Licht machte, hörte ich leises Geräusch im Nebenzimmer. Da sperrte ich die Tür gleich mit Schlüssel ab und legte mich zu Bett. Schlafen konnte ich allerdings nicht. Als aber der. Morgen graute, hatte ich meinen Entschluß gefaßt. Ich stand auf, holte mir wie früher das Wasser vom Brunnen, wusch mich und kleidete mich völlig an. Dann drehte ich den Schlüssel wieder um und ging sogleich in den Garten, wo ich, als wäre nichts vorgefallen; meinen Verrichtungen oblag. Dabei sah ich mich nach dem Gehilfen um – ich hatte deren vier –, den ich gestern bei der Frau gesehen. Er war nicht zu erblicken, er mußte sich absichtlich von. mir fernhalten. Ich ließ ihn rufen. Es dauerte lange, bis er erschien, ganz blaß wie das böse Gewissen. Ich ließ mir aber gar nichts anmerken, sondern erteilte ihm bloß einige Aufträge; der Schuft sollte nicht etwa glauben, daß mir das Vorgefallene naheging oder gar Herzweh bereitete. So gegen. acht verließ ich den Garten und ging die Hauptstraße hinunter, gegen den Ort zu. Dort hatte man in den letzten Jahren eine Unmasse neuer Häuser gebaut, wo immer Wohnungen leerstanden und sofort zu mieten waren. Fand auch bald eine, die mir passend schien. Ich nahm sie auch gleich auf und bezahlte den vierteljährigen Zins. Dann kehrte ich nach Hause zurück, wo die Thomasin am Herd stand und das Mittagessen zu kochen anfing. Ich gab ihr einen Wink, mir ins Zimmer hinein zu folgen. Als sie jetzt vor mir stand, sah sie mich mit ungewissem Blick an und wollte etwas sagen. Ich aber schnitt ihr das Wort vom Munde ab.

›Thomasin‹, sagte ich ganz kurz, ›Ihr werdet übermorgen mit den Kindern mein Haus verlassen. Ich habe Euch eine Wohnung genommen. In der Panzergasse. Zimmer, Kabinett, Küche. Der Zins ist gezahlt und wird jedes Vierteljahr von mir gezahlt werden. Außerdem erhaltet Ihr monatlich soundso viel. Keine Widerrede! Mit den Gerichten geb ich mich nicht ab. Wir sind geschiedene Leute. Übermorgen müßt Ihr mit den Kindern fort sein. Die Möbel, die sich in Eueren Zimmern befinden, könnt Ihr mitnehmen.‹

Sie erwiderte nichts, wollte aber meine Hand erfassen und vor mir auf die Knie sinken. ›Hinaus!‹ schrie ich, und zwar mit einer solchen Stimme, daß sie auch schon, wie geflogen, aus dem Zimmer war. Nun hatte ich Ruhe. In zwei Tagen war sie fort.

Ihr Wegziehen machte natürlich das größte Aufsehen Kein Mensch außer dem jungen Schurken wußte es sich erklären; vorwitzige Frager fertigte ich kurzweg ab. Aber der Herr Ritter von Artner ließ mich zu sich bescheiden und wollte wissen, was da vorgefallen sei. Ich antwortete mit al1er Ehrerbietung, doch in einem Ton, der weiteres Forscher abschnitt: ›Herr Ritter von Artner, das geht mich allein an.‹ Er stutzte und schien ungehalten. Aber er besann sich sagte: ›Allerdings geht das Sie allein an. Sie werden Ihr Gründe gehabt haben.‹ – ›Ganz gewiß‹, erwiderte ich empfahl mich. Damit war die Sache abgetan.«

»Leider noch nicht«, sagte der Richter. »Die Hauptsache kommt erst.«


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