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Frankfurt a. M.

Der Schelm von Bergen

Krönungsfeier in Frankfurt. Großen Mummenschanz hat man im Römer veranstaltet zu Ehren des Kaisers; Frauen und Fürsten wetteifern im festlichen Schmuck. Frohe Festesfreude liegt über dem wogenden Treiben; nur einer unter den zahlreichen Gästen fällt auf durch seinen sinnigen Ernst und seine gemessene Würde. Schwarz war seine Rüstung, schwarz auch die wallende Feder über dem geschlossenen Visier. Niemand kennt ihn. Nun naht er mit edlem Anstand der Kaiserin, beugt das Knie und bittet um einen Tanz. Und die hohe Frau, bezwungen von so viel Hoheit, reicht ihm ihre Hand. In zierlichem Tanz schwebt er dahin mit der Königin des Festes, und wiederum geht ein Raunen durch den Kreis der Fürsten und Frauen –, hier mehr als dort –, wer er sei, der schwarze Ritter.

Die Herrscherin war entzückt von dem gewandten Tänzer sowie der Anmut seiner Unterhaltung und gewährte ihm einen zweiten und dritten Tanz. Stärker wuchs die Neugier um den vermummten Ritter. Unterdes schlug die Stunde, wo jeder verpflichtet war, die Maske zu lüften. Mehr wie alle andern drängte es die Kaiserin, ihren Tänzer kennenzulernen. Er aber zauderte, sträubte sich sogar, bis sie schmollend ihm befahl, das Visier zu öffnen. Gehorsam, doch unfroh tat es der Kavalier; niemand aber kannte ihn. Da drängen sich zwei Hauptleute vor, die draußen mit ihren Hellebardieren machen; sie erkennen den geheimnisvollen Tänzer, und ein einstimmiger Schrei, Entrüstung und Entsetzen zugleich, bricht aus der dichtgedrängten Menge.

»Der Scharfrichter von Bergen!«

Also hatten ihn die beiden bezeichnet. Zornglühend befahl der Kaiser, den schamlosen Frevler, der die Kaiserin entwürdigt und die Krone beschimpft hatte, der schwersten Strafe zu überliefern.

Da wirft sich jener vor dem Herrscher auf die Knie und hebt unverzagt das Haupt.

»Ich habe gefrevelt, Herr,« spricht er frei, »an dir und deiner erlauchten Gemahlin. Den Schimpf, den ich ihr angetan, wäscht nicht mein Blut ab. Darum wolle, Kaiser, von deinem Knecht das Mittel anhören, womit jene Schmach getilgt werde: gib mir den Ritterschlag, und die Schmach ist gelöscht. Ich aber werfe jedem den Handschuh hin, der es wagt, jemals unehrerbietig von meiner Herrin zu sprechen.«

Sinnend steht der Kaiser. Aller Augen schweifen von ihm zu dem kühnen Mann.

»Du bist ein Schelm,« spricht er nach einer Weile, »aber deine Rede zeugt von Klugheit, wie dein Vergehen von Mut. Wohlan« –, und sein Schwert berührt des Knienden Nacken –, »erhebe dich als Ritter. Ein Schelmenstück war deine Tat; Schelm von Bergen sei dein künftiger Name.«

Ein jubelnder Heilruf brauste durch den Saal, und nochmals schwebte der neue Ritter in zierlichem Tanz daher mit der schönen Königin des Festes.

Fleißige Forscher haben festgestellt, daß zur Zeit der fränkischen Kaiser, sowohl im Jahre des Heils 1090 als auch 1102, erstmals ein Eberhard Schelm von Bergen in Urkunden genannt wird. Fast achthundert Jahre läßt das uralte Geschlecht sich dann verfolgen. Im Jahre 1844 starb auf seiner Besitzung in der Wetterau der letzte Schelm von Bergen. Viele andere Schelme aber leben noch.


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