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Vorbemerkungen

Der Ruf: Unbedingtheit! darf nicht länger Legende bleiben.

Der Grundplan allen öffentlichen Ausdrucks sei Willenshingabe. Ausgangspunkt ist: Das Leben im Unbedingten. Ziel ist: Das Leben in Unmittelbarkeit. Weg ist: Das Leben in Intensität. – Und die Erfahrung kann nur das Material sein, in dem wir arbeiten; die ewige Besonderheit des Lebens; die blosse Variation auf das Thema vom Geiste.

Jedes gesprochene Wort fällt in der Welt als ein Keim nieder, der Tatsachen zeugt. Jedes gesprochene Wort ist ein Vorwort zu den Handlungen der Menschen, und dafür ist der Sprecher verantwortlich.

Es kommt darauf an, immer im Willen zu stehen, des göttlichen Planes eingedenk zu sein, und die Tatsachen zu schaffen. Nicht: Ereignisse zu antizipieren. Sondern: Vorbild für die Ereignisse zu sein. –

Das Vorbild für die Ereignisse ist der Mensch. Der Mensch ist die Mitte der Welt. Um ihn, seinen Händen heiss entzischend von neugewonnener Gestalt, rast seine Schöpfung, die Welt der Ereignisse; stets bereit, wieder wirbelndes Chaos zu werden und den eigenen Schöpfer zu ersticken. Der Mensch die Mitte der Welt. Nicht mehr, nicht weniger. Aber das ist unendlich viel. Denn hier liegt der einzige Fall im Leben, wo höchste Vollzogenheit der Tatsachen und höchste Forderung für die Ewigkeit: sich treffen.

Der Mensch ist die Mitte der Welt – er sei die Mitte der Welt!

Die stärkste Forderung des Menschen heisst:

Der Mensch in der Mitte

Das ist der Ruf nach grösstem Recht. Nach grösster Freiheit.

Nach grösster Unmittelbarkeit. Nach grösster Menschlichkeitsnähe. Nach grösster Liebe.

*

Jede strenge und wirklich absolute Überzeugung äussert sich in Widersprüchen. Die Tatsache eines Widerspruchs zweier Stellen zeigt, dass man beide Male recht hatte. Soweit »Recht haben« überhaupt noch Sinn hat; es hat aber keinen. Die Tatsache des Widerspruchs zeigt nämlich, dass an beiden Stellen Ideenschöpfungen entstanden, die, wie alle Schöpfungen, geistigen Raum einnehmen und einander räumlich jede an ihrem Platze ausschliessen: also beide erst in einer höheren Einheit Platz haben. Widersprüche sind dazu da, um ihre gemeinsame höhere Einheit zu zeugen, innerhalb der sie vollkommen lebendige Tatsachen sind. Je reiner man eine Idee verleiblicht, um so stärker fordert sie, nicht allein gelassen zu werden.

Die Kameradschaft der Ideen ist nicht ein Widerspiel des Lebens, sondern ein Vorspiel des Lebens. Mit der höheren Einheit der Ideen beginnt das Schöpfertum des Geistes; in eine Erdball-Einheit der Völker mündet die Verwirklichung.

Zuletzt liegt es in unserer Hand, die Erdkugel aufzuteilen, nicht mehr nach Nationalitäten sondern nach Idealitäten.

Jeder Mensch auf der Erde zu unseren Lebzeiten hat einmal in einer wachen und energischen Sekunde an diese Schöpfungspläne gerührt. Nur die grosse Schlafsucht der Welt gebiert dann jene Konvention von Böswilligkeit, die ebenso mit gewaltsam herbeigewünschtem Vergessen wie mit Füsilladen die Exekutive des Geistes zum Verschwinden bringen möchte.

Diese Weltträgheit muss immer wieder durchbrochen werden. Dazu sind die Geistigen da. Es ist gleich, wer von ihnen das Wort ergreift. Nur dies gilt: Der Welt, die mit Millionen von einrauschenden Sonderklängen und nachleuchtenden Sonderfarben uns als ihr Objekt aufschlucken will, keine Eigenexistenz zuzubilligen. Sondern, umgekehrt, an ihr den göttlichen Schöpfungsplan zu gestalten; mit ihr den Wert durchzusetzen, die Heiligung des Lebens.

Zum erstenmal heisst Welt-Fremdheit nicht mehr: Idiotie, sondern: höchste Bewusstheit. Nämlich: Platz auf einem der Welt überlegenen Standpunkt. Weltfremdheit heisst aber auch nicht mehr Weltferne, sondern äusserste Weltnähe; nämlich die Nähe des Schöpfers, des Menschen, zu seiner Schöpfung, der Welt.

Nach allem bleibt uns nichts übrig als die äusserste Strenge. Dem träg Verharrenden (nur seinen Augen spiegelt das Chaos seiner Unwelt vor, er stürze in aufregenden Abenteuern durch die Welt – wie jene gemalten Wandelpanoramen, die im vorgetäuschten Eisenbahnwagen die Illusion des Reisens erregen), ihm müssen die selbstverständlichen Voraussetzungen des Lebens im Geiste als fürchterliche Askese erscheinen. Aber das hat nichts zu sagen. Wer nur sanft den Finger hebt und auf die Wunder der Weltschöpfung aus dem Geiste zeigt, der gilt schon als schrecklicher Mahner.

Es ist aber besser, den Ruf der Unerträglichkeit auf sich zu nehmen, als zu dulden, dass die Menschenerde von dem dichten, in grüner Pflanzlichkeit treibenden Urwalde des Vergessens ganz umschlungen werde, in dem nur schattenhaft letzte Fetzen von Missverständnissen aus einer Atmosphäre von Sumpfgasen hochschwirren, wie lichtgestäubte, willenlos sterbende Riesenschmetterlinge.

*

Täglich dröhnt vor uns das Jüngste Gericht auf. Täglich müssen wir uns dem Gerichtsspruch des Absoluten stellen. Einst war diese Gewissensstunde der Menschheit fürchterlichste Drohung und Henkersangst. Heut ist sie die letzte, die einzige Rettung. Trostreichste Rettung ist es, dass wir unsere grausamsten Henker hinter uns lassen, die Ausflüchte, die Zweideutigkeiten, die Versteckspiele.

Das Jüngste Gericht brüllt hinaus zur Welt mit allen Gigantenchören sternzitternder Wunderposaunen den schrillend hellen Schrei: Entscheidung!

Vor unsern Herzen ist kein Zweifel mehr möglich. Die Welt ist Gut oder Böse. Recht oder Unrecht. Liebe oder Gewalt. Freiheit oder Sklaverei. Alles, was darüber, darunter, dazwischen ist, ist Betrug. Betrug zugunsten von Böse, Unrecht, Gewalt, Sklaverei.

Entscheidung! Und jeder Mensch muss auf alle Ewigkeit sich entscheiden, täglich neu, für das Recht, die Hingabe, die Freiheit.


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