Ludwig Rubiner
Das himmlische Licht
Ludwig Rubiner

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Der Mensch

Im heißen Rotsommer, über dem staubschäumenden Drehen der rollenden Erde, unter hockenden Bauern, stumpfen Soldaten, beim rasselnden Drängen der runden Städte

Sprang der Mensch in die Höh.

O schwebende Säule, helle Säulen der Beine und Arme, feste strahlende Säule des Leibs, leuchtende Kugel des Kopfes!

 

Er schwebte still, sein Atemzug bestrahlte die treibende Erde.

Aus seinem runden Auge ging die Sonne heraus und herein. Er schloß die gebogenen Lider, der Mond zog auf und unter. Der leise Schwung seiner Hände warf wie eine blitzende Peitschenschnur den Kreis der Sterne.

Um die kleine Erde floß der Lärm so still wie die Nässe an Veilchenbünden unter der Glasglocke.

 

Die törichte Erde zitterte in ihrem blinden Lauf.

 

Der Mensch lächelte wie feurige gläserne Höhlen durch die Welt,

Der Himmel schoß in Kometenstreif durch ihn, Mensch, feurig durchscheinender!

In ihm siedete auf und nieder das Denken, glühende Kugeln.

Das Denken floß in brennendem Schaum um ihn,

Das lohende Denken zuckt durch ihn,

Schimmernder Puls des Himmels, Mensch!

O Blut Gottes, flammendes getriebnes Riesenmeer im hellen Kristall.

Mensch, blankes Rohr: Weltkugeln, brennende Riesenaugen schwimmen wie kleine hitzende Spiegel durch ihn,

 

Mensch, seine Öffnungen sind schlürfende Münder, er schluckt und speit die blauen, herüberschlagenden Wellen des heißen Himmels.

 

Der Mensch liegt auf dem strahlenden Boden des Himmels,

Sein Atemzug stößt die Erde sanft wie eine kleine Glaskugel auf schimmernden Springbrunnen

O weiß scheinende Säulen, durch die das Denken im Blutfunkeln auf und nieder rinnt.

 

Er hebt die lichten Säulen des Leibs: er wirft um sich wildes Ausschwirren von runden Horizonten hell wie die Kreise von Schneeflocken!

 

Blitzende Dreiecke schießen aus seinem Kopf um die Sterne des Himmels,

 

Er schleudert die mächtigen verschlungenen göttlichen Kurven umher in der Welt, sie kehren zu ihm zurück, wie dem dunklen Krieger, der den Bumerang schnellt.

 

In fliegenden Leuchtnetzen aufglühend und löschend wie Pulsschlag schwebt der Mensch,

Er löscht und zündet, wenn das Denken durch ihn rinnt,

Er wiegt auf seinem strahlenden Leib den Schwung, der wiederkehrt,

 

Er dreht den flammenden Kopf und malt um sich die abgesandten, die sinkend hinglühenden Linien auf schwarze Nacht:

Kugeln dunstleuchtend brechen gekrümmt auf wie Blumenblätter, zackige Ebenen im Feuerschein rollen zu schrägen Kegeln schimmernd ein, spitze Pyramidennadeln steigen aus gelben Funken wie Sonnenlichter.

 

Der Mensch in Strahlenglorie hebt aus der Nacht seine Fackelglieder und gießt seine Wände weiß über die Erde aus,

 

Die hellen Zahlen, o sprühende Streifen wie geschmolznes Metall.

 

Aber wenn es die heiße Erde beströmt (sie wölbt sich gebäumt),

Schwirrt es nicht später zurück? dünn und verstreut hinauf, beschwert mit Erdraum:

 

Tiergeblöke. Duft von den grünen Bäumen, bunt auftanzender Blumenstaub, Sonnenfarben im Regenfall. Lange Töne Musik.

 

 

 

 

 

O Erde! Der Mensch schwebt zu seiner Erde hinab,

Gottes Blutstropfen fror im eisigen Draußen dunkel und spitz.

Sein Schnitt dringt in die Erde, und hinter ihm zischt die blaue Luft wie Wolkenschwung von tausend Geschützen.

Der Mensch drang in die Erde, die blaue Eishülle seines Willens umstrahlt ihn noch.

 

 

 

Der Mensch drang in die Erde wühlend und scharf wie ein Keim, der zum Schoß feindlich saust,

Die Erde barst klaffend, die Berge stoben zu grünem Staub, die grauen Türme der Städte tanzten in seiner Faust.

Er stieg aus den dunklen Höhlen, um ihn bebte Trümmersturz und qualmender Brand.

Er schritt durch wehende Menschenrotten. Das himmlische Licht war verborgen. Er blieb unerkannt.


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