Carl Rößler
Die fünf Frankfurter
Carl Rößler

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Dritter Akt

Ein anderes Zimmer im Hause der Frau Gudula. Rechts ein großes Schreibpult. Ein Bild vom alten Meyer Amschel an der Wand. Rückwärts große Fenster, durch die man in den Garten sieht.

Gudula und Charlotte am Frühstückstisch, den Rosa abräumt; worauf sie abgeht.

Gudula. Na, mei Kindche, hat's geschmeckt?

Charlotte. Bei dir schmeckt's immer, Großmutterl. Gestern an der Hoftafel hab ich fast gar nichts essen können.

Gudula. War's net gut?

Charlotte. O ja. Aber ich kann nicht essen, wenn ich so angestarrt werde.

Gudula. Hast dich da net wohlg'fühlt?

Charlotte. Es war so ungemütlich wie bei jedem Staatsessen. Ich kenn das schon aus Wien. Man wird belauert, wie man angezogen ist, wie man ißt, was man spricht, alles wird bekrittelt. Sie sitzen stets da, sind überhöflich und warten auf die erste Entgleisung der Finanzleute. – Und die kommt auch pünktlich.

Gudula (lächelnd). Das kann ich mir schon denken.

Charlotte. Dann ist es wie eine Erlösung. Die Gesellschaft ist zufrieden und wird lustig.

Gudula. Auf unsere Kosten. – Aber laß dene Leut des Vergniege – wir denke uns unsern Teil. Leut, die net z'sammg'höre, soll ma net zusammen einlade. Die vom Hof sind alle ganz anders als wir.

Charlotte. Großmutter, ich finde den Unterschied nicht so groß. Die haben ihre Etikette – und wir haben die 66 unsere. Unsere heißt nur anders. Unfrei sind alle zwei. Nur du, Großmutterl bist vernünftig und machst, was du willst.

Gudula. Dafür bin ich auch alt und hab nix zu verliere.

Charlotte. Und der Herzog! Für den sind alle diese Dinge nicht da – der springt darüber.

Gudula. Hat sich der Herzog viel mit dir unterhalten?

Charlotte. Beinah nur mit mir, er hat mich zu Tisch geführt.

Gudula. Was hat er dir erzählt?

Charlotte. Er hat halblaut Witze gemacht – gute – wie einer von uns.

Gudula. Ich hab das viele Witzeln net gern – auch net bei unsere Leut.

Charlotte. Der Herzog hat eine Spitzbubenfrechheit, wie sie nur einer haben kann, den eben nichts hemmt. Dabei ist er so jung, trotz seiner Verdorbenheit so frisch.

Gudula. Und das gefällt dir?

Charlotte (ohne besondere Wärme). Ja. Dir wird er auch gefallen.

Gudula. Ich weiß noch net, ob ich ihn kennen lernen werd.

Charlotte. Aber Großmutterl, er kommt doch heut zu dir.

Gudula. Ich kann nur's noch net recht denke.

Charlotte. Warum denn nicht? Der Landgraf von Hessen und andere solche sind doch auch hier gewesen.

Gudula. Ich werd dir mal was sage, mei Kind. wenn sie auch an unseren Tisch gesesse sind, gegesse und getrunke hawe, zu mein Amschel »lieber Freund« g'sagt und ihm a paar Orden naufgepappt hawe, sie sind doch nur weg'm 67 Geld gekomme. Und dann waren 's immer alte Herren, a junger Fürst is noch nie in dem Haus gewese.

Zweiter Auftritt.

Salomon (kommt sehr vergnügt). Mutter! Heut ist ein großer Tag! – Es ist doch schon alles gerichtet?

Gudula. Was soll denn gerichtet sein?

Salomon. Das Haus für den Empfang!

Gudula (unwirsch). Mei Haus is in Ordnung. Wer zu mir kommt muß zufriede sei, wie's is. –

Salomon. Weißt, wer dich besucht? Bloß der Herzog vom Taunus, und der Fürst von Klausthal – (beleidigt und ironisch) sonst niemand.

Gudula (wie oben). Was wolle die bei mir? Ich bin kei Sehenswürdigkeit.

Salomon. Die hohen Herren wollen dich und unser Stammhaus kennen lernen.

Gudula. Ich weiß schon, was die wolle. Sie solle ä paar Häuser weiter, in die Fahrgaß, im Amschel sein Haus, da gibt's Geld.

Salomon (sich die Hände reibend). Diese Angelegenheit soll hier in dem Haus perfekt werden, in Vaters Glückszimmer.

Gudula (lächelnd). Ist der Herr Baron wieder mal abergläubisch?

Salomon (lachend). Das hat der Herr Baron von seiner Frau Mutter! – Laß mich nur – ich werd schon alles arrangieren. Ich bitt dich nur, Mutter, die alte Rosa muß heut unsichtbar sein.

Gudula. Ach was, in meim Haus bleibt alles, wie's is! Ich bin zu alt, um Hofsitte zu lerne. 68

Salomon. Brumm dich nur aus, Mutter, du machst heut schon ein Feiertagsgesicht. – Na und du, Lottche? (Tätschelt sie.) Hast heut dein beau jour? Das ist recht. Nur ein schöneres Kleid kannst du anziehen, wo's Hälschen frei ist für das Kollier da. (Gibt ihr ein Etui.)

Charlotte. Aber Vater, das sind ja Diamanten!

Gudula. Seit wann bist du so nobel Salomon? Ich kenn dich net wieder.

Salomon. Für mein Lottche is mir nix teuer genug.

Charlotte (mit dem Schmuck spielend). Vater – Ich könnte fast auf den Gedanken kommen, daß du etwas von mir willst.

Salomon. Im Gegenteil, mein Kind, im Gegenteil, schenken will ich dir was. – Geh, mach dich schön.

Charlotte. Auf Wiedersehen! (Ab.)

Salomon. So ein schönes Mädel ist eine gute Kapitalsanlage.

Gudula. Sie is net bloß schön, sie is auch g'scheit.

Salomon (sich vergnügt die Hände reibend). Ob sie gescheit is!

Gudula. Bist ja heut so vergnügt! Hast'n guten Abschluß gemacht?

Salomon. Eingeleitet Mutter. Die halbe Nacht hab' ich mit'm Nathan gehockt und gerechnet. Das ist besser für meine G'sundheit als eine Nervenkur. Danach fühl ich mich immer frisch. Mit dem Nathan is a Freud zu rechnen, der hat Vaters Köpfel. (Deutet dabei nach der Stirn.)

Gudula. Warum nimmst du den Jakob net zu so was, damit er sich einarbeit't?

Salomon. Der Jakob hat noch zu viel andere Dinge im Kopf. Der ist noch nicht kalt genug zum Kalkulieren. 69 – Über den Jung muß ich überhaupt mit dir reden. Warum ist der so melancholisch?

Gudula. Ich mach mir auch Gedanke.

Salomon. Gestern bei Hof hat er kein Wort geredet und ist dagesessen wie einer, der sich geniert. Durch solches Benehmen gibt er zu, daß er nicht in so 'ne Gesellschaft gehört – und das ist unklug und fällt auf uns alle zurück.

Gudula. Er ist weicher wie du. So ein junger Mensch hat eben Gefühle.

Salomon. Zu seinem Privatvergnügen kann er Gefühle haben wie er will, in unsern Geschäften und in unserm gesellschaftlichen Vorwärtskommen soll er uns damit nicht stören.

Gudula. Stell dich net kälter als du bist, du hast auch Gefühle.

Salomon. Gefühle sind 'ne Schwäche, und Schwächen soll man nicht sehen lassen.

Dritter Auftritt.

Carl (kommt). Tag Mutter! (Nickt Salomon zu.) Ich fürcht, mein Aufenthalt ist bald zu Ende. Ich muß zurück.

Salomon. Kannst du die Gratulationen zum Baron in Rom und Neapel nicht erwarten?

Carl. Was dir nicht einfällt! Ich habe Geschäfte. Ich habe wieder eine Stafette gekriegt wegen der piemontesischen Anleih.

Salomon. Ich hab dir schon einmal gesagt, daß wir mit Piemont kein Geschäft machen. Ich hab's dem 70 Metternich und dem Gentz in die Hand versprochen, daß wir denen kein Geld geben.

Gudula (zu Carl). Gib doch a paar Tag zu. Oder g'fällt's dir gar nimmer z' Haus.

Carl. Im Gegenteil. Frankfurt ist 'n schönes Städtche – mir ist mies vor Neapel. Am liebsten bliebe ich in Deutschland.

Salomon. Geh doch nach Berlin.

Carl. In dem Nest ist nix zu verdienen.

Gudula. Habt ihr da net 'n junge Mann schon sitze?

Salomon (gleichgültig). Ja, der macht sich ganz gut – es ist ein gewisser Bleichröder.

Vierter Auftritt.

Amschel kommt mit Jakob.

Amschel. Entschuldigt, daß ich so spät komme, aber ich kann mich kaum rette vor Besuch und vor Gratulatione zum Baron. Net wahr, Jakob?

Jakob. Manchmal klingen die Glückwünsche etwas ironisch. Nur in der Judengaß scheinen sie aufrichtig.

Amschel. Alle tun sie da, als ob sie mit geadelt wären. Die ganze Judengaß wird sich noch e Kron in die Wäsch sticke lasse.

Gudula. No, Jaköble, wie hat's dir gestern beim Herzog gefalle?

Jakob. Das Schloß hat mir gefallen – aber der Handel, der da eingeleitet worden ist, hat mir nicht gefallen.

Salomon. Du wirst mir doch zugeben, daß der Herzog uns wie seinesgleichen aufgenommen hat. 71

Amschel. Der Herzog ist sehr nett – schad, daß er kei Jud is.

Fünfter Auftritt.

Nathan kommt.

Salomon. Na – alles in Ordnung?

Nathan. Ich habe die Verträge mit dem Herzog im Sinne unserer Besprechung von heute nacht selbst ausgefertigt – hier sind sie.

Amschel. Hättst es auch in meim Kontor em junge Mann diktiere könne.

Nathan. Ich laß nicht gern einen fremden Menschen in so eine diskrete Sache hineingucken. Das Geld ist auch besorgt. Eine Anzahlung von einer Million Gulden in bar, das andere nach und nach.

Amschel. Warum in bar?

Salomon. Das Geld muß parat liegen, wie der Wein im Faß. Das macht ein Eindruck. –

Nathan. Dein Kassenbot bringt es im Handwagen hierher und es wird auf'n Tisch gelegt –

Salomon. Wie ein Weihnachtsgeschenk.

Gudula Kinder, wenn ihr von Geschäften red't, bin ich überflüssig. (Sie will gehen.)

Salomon. Mutter bleib, das Geschäftliche ist gleich besprochen, und für das, was dann kommt, brauchen wir deine Meinung.

Nathan. Wir haben auf das Genaueste die Finanzen des Herzogs heute nacht geprüft, und es hat sich das überraschende Resultat herausgestellt, daß der Herzog gar nicht so schlecht steht. 72

Amschel. Regieren ist immer ein einträgliches metier, aber die Leut verstehn ihr Geschäft nicht.

Salomon. Wenn ich das Geschäft erst in die Hand nehme, sollt ihr sehen, wie ich's hoch krieg.

Nathan. Das Land ist reich, Deckung für die Anleihe ist vorhanden, wenn die Verhältnisse geordnet sind. Unser Risiko beträgt tatsächlich nur die Million Anzahlung. Als Gegenleistung lassen wir uns vom Herzog das Monopol für Salz- und Kohlen-Bergbau im Lande geben. Davon verspreche ich mir sehr viel.

Amschel. Nu, und was is mit dem Lottche?

Salomon. Der Herzog wird heute hierherkonmen und um Ihre Hand anhalten.

Amschel. Ich kann's noch net recht glaube.

Nathan. Es ist so. In meiner Gegenwart hat er »Ja« gesagt.

Gudula (erschrocken). Kinder – Kinder! Ich fürcht, da ist kei Segen dabei.

Salomon. Mutter, hast du dir die Sach überschlafen?

Gudula. Salomon, ich hab drüber net schlafen können. Wenn ich mich in was net auskenn, helf ich mir damit, daß ich mich frag: was hätt mein seliger Amschel dazu gesagt? Auf dem Weg find ich immer das Richtige. Zum ersten Mal krieg ich von ihm keine Antwort. – Amschel, du bist mein Ältester, was meinst du, daß der Vater selig g'sagt hätt?

Amschel. Mutter, ich weiß es auch net. Ich selbst kann mir's net recht vorstelle – schon wegen der Religionsverschiedenheit. – Muß sie sich da am End taufe lasse? 73

Salomon. Hast du vielleicht geglaubt, er wird übertreten?

Amschel. Du denkst im Ernst daran?

Salomon. Ich kann nicht denken, daß es so schwierig ist, ein junges Mädel zu taufen. Ich find überhaupt net viel dabei. Man kann das aus verschiedenen Gründen tun. Der eine, weil er in den Staatsdienst treten will, der andere wegen einer Heirat –

Amschel. Oder aus Überzeugung.

Salomon. Gewiß – aus Überzeugung kann man sich auch taufen lassen.

Amschel. Salomon, ich kann das net vertrage, daß m'r über so was leichtfertig red't! Dann bin ich schon fertig damit! – Mich kriegst du auf kein Fall auf die Hochzeit. Ich kann net am Tisch mit Verwandten sitze, die darüber kichern, daß ich was anderes ess' als sie.

Gudula. Auf die Hochzeit geh ich auch net. Die wird in 'ner Kirch sein, und ich gehör in kei Kirch.

Carl. Ich glaube, ihr überschätzt den religiösen Teil der Frage – im Herzen kann sie immer gut jüdisch bleiben. Bedenkt, daß unsere ganze gesellschaftliche Stellung dadurch gehoben wird.

Nathan. Es wird internationales Aufsehen machen das uns geschäftlich zugute kommen wird. Wir können uns nur gratulieren.

Salomon. Was heißt »wir«? Er kann sich gratulieren. Ihr sollt sehen, was ich aus dem Herzogtum alles mach.

Gudula. Die Leut sind emal mehr als wir. 74

Salomon. Das heißt, sie geben sich seit Jahrhunderten alle Mühe, so zu tun, als ob sie mehr wären.

Gudula. Na, du, Jaköble, du sagst ja wieder gar nix?

Jakob. Es nützt natürlich wenig, wenn ich dagegen bin.

Amschel. Warum bist du dagege? Mach dein Schnabel auf! Du weißt, wie's bei uns Brauch is. A jed's soll bei so was Wichtigem sei Meinung sagen. Wir fünf gehöre zusamme.

Jakob. Ebe diese Zusammengehörigkeit, mein ich, wird durch die Heirat zerrissen. Dadurch sind wir gewachsen, daß wir fünf eins waren. Und nur, wenn wir unter uns bleiben, bleiben wir auch die, die wir sind. Jetzt willst du einen Fremden zu uns ins Haus bringen.

Gudula. Jetzt weiß ich, was mei seliger Amschel g'sagt hätt, mei Jüngster hat für ihn g'redt. Mit unserm Segen is vorbei, wenn a Fremder bei uns is.

Salomon. Das ist ein Irrtum! Unser Vater war großzügiger, als ihr glaubt. Er ist als Kaufmann neue Wege gegangen, ich tu's in der Familie.

Jakob. Unser Vater hat mit seinen Töchter keine Spekulationsheiraten gemacht.

Salomon. Die Töchter waren eben nicht danach.

Jakob. Mir tut's Lottchen leid.

Salomon. Die braucht dir nicht leid zu tun, die ist gescheiter als du und weiß, was sie will, – du kannst überhaupt nicht mitreden, was weißt du von der Ehe, bist ja selbst noch nicht verheiratet!

Gudula. Jaköble, ich denk, es wird für dich auch Zeit, daß du dran denkst. 75

Salomon. Natürlich muß er heiraten. Du mußt in Paris ein Haus machen, in deinen Salons empfangen, wenn du große Geschäfte machen willst.

Carl. Kinder, laßt ihm Zeit, ich wollt, ich hätt mir's auch zweimal überlegt.

Amschel. Kei Mensch hat von dir verlangt, daß du e Marchesa heiratest!

Carl. Ich hab eben gesellschaftlichen Einfluß gebraucht. Hätt ich gewußt, wie's ausgeht, hätte ich's nicht getan.

Jakob. Aber beim Lottchen bist du für so eine Heirat?

Carl. Bei Frauen ist das was anderes. Meine Frau ist sehr glücklich. Ich bin's nur nicht.

Amschel. Jaköble, ich wüßt e Frau für dich.

Jakob (lächelnd). Dank schön, Amschel, ich such sie mir schon selber.

Carl. Jaköble, das hab ich auch getan. Ich sag dir, es ist besser, man läßt sie sich suchen.

Jakob. Wenn sie mir aber nicht gefällt?

Amschel. Ob schön oder nicht schön, in der Eh' gewöhnt man sich an jede.

Salomon. Aber an e schöne gewöhnt man sich rascher.

Sechster Auftritt.

Rosa (meldet). Der Herr Fürst von Klausthal.

Salomon. No, was hab ich gesagt! (Geht ihm entgegen.)

Amschel. Die neue Verwandtschaft macht schon Visite.

Gudula. Mir geht die Sach mit'm Lottche emal net in Kopf. Laßt mich! Ich will niemand sehe. (Ab.) 76

Siebenter Auftritt.

Fürst mit Salomon (eintretend).

Salomon. Darf ich bitten, Durchlaucht?

Fürst (sehr höflich grüßend). Meine Herren!

Salomon. Durchlaucht, wir danken Ihnen für die Ehre Ihres Besuches.

Fürst (immer sehr kühl, aber höflich). Bitte, meine Herren, mein Besuch ist ein rein geschäftlicher.

Carl. Trotzdem freuen wir uns sehr, Sie einmal bei uns zu sehen. – Bitte, Platz zu nehmen.

Fürst (sehr höflich, aber stehen bleibend). Ich danke sehr.

Amschel (in eine kleine verlegene Pause hineinplatzend). Wie gefällt's Ihnen in Frankfurt, Durchlaucht?

Fürst (wie oben). Der Ort ist mir bekannt – dieser Teil der Stadt ist mir allerdings neu.

(Verlegene Pause.)

Fürst. Mein junger Vetter Gustav vom Taunus hat mir mitgeteilt, daß er – – in welcher Absicht er heute hierher kommen wird.

Salomon. Darf man fragen, was Durchlaucht ihm darauf geantwortet haben?

Fürst. Es blieb mir keine Zeit, mit dem Herzog darüber zu sprechen, wir sind gleich danach fortgefahren

Salomon. Es wäre für mich von ganz besonderem Interesse, wenn Durchlaucht Ihren Standpunkt in dieser Angelegenheit präzisieren wollten.

Fürst (wieder sehr höflich). Ich habe keine Veranlassung, meine Meinung einem zukünftigen Verwandten zu verheimlichen.

Salomon. Nun, Durchlaucht?

Fürst. Was in Frankreich die Herren Libertins mit 77 der Guillotine erreichen wollten, versuchen die Herren Bankiers in Frankfurt mit der Kuponschere. Ich bekenne, daß ich von Gleichheitsbestrebungen beider Art ein Gegner bin.

(Verlegenheit.)

Amschel. Wolle Durchlaucht net doch wenigstens ä bißche Platz nehme?

Fürst (wie vorhin). Vielen Dank, lieber Baron, aber ich bin gleich zu Ende. – Ich halte es unter diesen Umständen für richtig, unsere geschäftlichen Beziehungen zu lösen, bitte Sie, mein Kapital, das Sie bisher zu verwalten die Güte hatten, mir zur Verfügung zu stellen, und in Paris, wohin ich übersiedele, für mich einzuzahlen.

Salomon. Selbstverständlich, da Durchlaucht wünschen, wird dies durch Eilkurier geschehen.

Amschel. Sind Durchlaucht mit unserer Geschäftsführung vielleicht unzufriede?

Fürst. Im Gegenteil, lieber Konsul, ich war mit Ihnen als Bankier sehr zufrieden, aber ich kann unmöglich meine Verwandten, und wäre die Verwandtschaft auch nur eine entfernte, mit der Administration meiner Gelder belästigen.

Amschel. Es tut mir recht leid. Vielleicht überlegen sich's Durchlaucht noch –

Salomon (so höflich wie der Fürst). Lieber Bruder, ich bitte dich, Durchlaucht nicht beeinflussen zu wollen. Ich bin ganz Ihrer Ansicht, Durchlaucht, und Durchlaucht sind mir nur zuvorgekommen. Ich beabsichtige durchaus keine geschäftlichen Vorteile aus der Verheiratung meiner Tochter zu erzielen.

Fürst (zu Salomon). Ich freue mich sehr, lieber 78 Hofbankier, daß wir in dieser Angelegenheit d'accord sein werden. (Zu allen.) Aber in vollem Ernst, meine Herren: Der Kaiser hat die Gnade gehabt, Sie zu seinen Baronen zu erheben, der deutsche Adel hat nach meiner Meinung andere Verpflichtungen, als Wechselgeschäfte zu machen. – Ich bedauere sehr, die Damen des Hauses nicht angetroffen zu haben. Darf ich bitten, mich Ihrer Frau Mutter zu empfehlen.

Salomon (verbeugt sich stumm).

Fürst. Meine Herren Barone, ich habe die Ehre mich zu verabschieden. (Verbeugung.)

Carl. Gestatten mir Durchlaucht, Sie zu begleiten.

Fürst. Danke sehr. (Beide ab.)

Amschel. Auf die Weis hab ich noch kei Kundschaft verloren.

Nathan. Wenn alle Fürsten aus diesem Grund ihr Geld aus unserm Geschäft nehmen, können wir zusperren.

Salomon. Er hat sich mehr geschadet als uns. Wo er auch sein Geld anlegt – es wird dem alten Narren doch noch leid tun.

Nathan. Schimpf nicht, der hat dir doch imponiert!

Salomon. Natürlich imponiert mir die Art Leut – deshalb suche ich ja Verbindung mit ihnen.

Jakob. Die zukünftige Verwandtschaft scheint nicht sehr für dich zu sein.

Salomon. Der Herzog ist ganz anders – was geht mich sei Verwandtschaft an!

Jakob. Der Fürst ist um seine Ansicht gefragt worden und hat sie mit größter Höflichkeit gesagt.

Nathan. Ich danke schön, daß war die Höflichkeit von einem Scharfrichter, der einen König köpft. 79

Amschel. Seine Meinung is mir wurscht, aber sein Kapital zurückzuzahlen, ist uns allen augenblicklich wohl nicht besonders angenehm.

Salomon. Das Kapital muß unbedingt sofort flüssig gemacht werden, das Geld muß vor ihm in Paris sein. Er soll sehen, daß uns an seinem Geld nichts liegt. – Verlaß dich drauf, der Mann kommt wieder zu uns.

Achter Auftritt.

Carl führt Gustav und Fehrenberg herein.

Carl. Hier, bitte, Hoheit, sind meine Brüder.

Gustav. Guten Morgen, meine Herren.

Alle (verbeugen sich).

Salomon. Verzeihen Hoheit, daß wir Ihnen nicht auf der Straße entgegenkamen, wir erwarteten etwas später die Auszeichnung Ihres Besuches.

Gustav. Wir müssen um Entschuldigung bitten, daß wir zu früh kommen, aber ich war zu neugierig, Ihr Stammhaus kennen zu lernen.

Salomon. Das Haus geht noch, aber die Gaß, in der es steht. –

Gustav. Oh bitte, Herr Baron, diese Gasse ist auch eine alte Tradition – (ihm die Hand schüttelnd) zwei Traditionen kommen eben zusammen.

Carl. Es ist sehr komplaisant von Hoheit, unsere schmutzige Gaß eine Tradition zu nennen.

Gustav. Herr Baron, in dieser altertümlichen Gasse, in der man anfangs den Eindruck hat, als ob die Zeit still gestanden wäre, leben die modernsten Menschen, die es heute gibt.

Amschel. Wolle Hoheit net Platz nehme? 80

Gustav. Gerne, lieber Herr Konsul. (Will sich setzen.)

Fehrenberg (der fünf kleine Etuis trägt). Wollen Hoheit nicht erst –?

Gustav. Ganz recht, lieber Hofmarschall. – Meine Herren Barone, ich ernenne Sie hiermit zu Rittern meines Hausordens und überreiche Ihnen das Ordenskreuz. (Es Amschel an die Brust steckend.) Sie finden darauf, lieber Konsul, die Worte: »Pour la vertu militaire.« Ich habe mit Absicht grade diesen Orden gewählt. Sie haben im hohen Grade die militärische Eigenschaft des Mutes, denn Sie wollen mir Geld borgen. – Ihnen, lieber Salomon, verleihe ich das Komthurkreuz dieses Ordens, Sie haben mir gestern bewiesen, daß Ihr Mut bis zur Verwegenheit geht. (Hängt ihm das Großkreuz an einem breiten roten Band um.) Im Vertrauen mache ich Sie darauf aufmerksam – das Band ist so breit, daß man die Weste ersparen kann, wovon ich selbst bei großer Hitze Gebrauch mache.

Salomon. Hoheit, ich danke Ihnen, im Namen meiner Brüder. Vielleicht ist mein Mut größer als Sie es annehmen.

Neunter Auftritt.

Gudula kommt mit Charlottchen.

Gudula (ganz damenhaft und sicher). Willkommen, Herzog Gustav, in meinem Hause. –

Gustav. Ich habe gestern leider vergebens gehofft, Sie, gnädige Frau Baronin, bei mir zu sehen.

Gudula. Wir kennen uns wohl trotzdem schon, meine Söhne und mein Enkelkind haben mir von Ihnen erzählt.

Gustav (küßt ihr die Hand). Ich hoffe, Baronin, wir werden uns besser kennen lernen. 81

Gudula (sich zu Fehrenberg wendend). Guten Tag, Graf Fehrenberg. (Spricht mit ihm.)

Gustav (zu Charlotte). Meine liebe Baronesse!

Charlottchen (knixend). Hoheit!

Gustav. Ich würde Ihnen jetzt gern ein ganz besonderes Kompliment machen, aber meine Randbemerkungen zu den Dingen des Lebens versagen leider immer, wenn meine Sentiments ernst werden.

Charlotte. Vielleicht überschätzen Sie den Ernst Ihrer Sentiment, Hoheit?

Salomon. Ich möchte vorschlagen, Hoheit, daß wir erst unsere Geschäfte erledigen.

Gustav. Ich überlasse Ihnen das Programm, lieber Baron.

Salomon. Wenn Hoheit vielleicht ins Nebenzimmer kommen wollen. Wir wollen die Verträge durchsprechen und unterschreiben. Die Anzahlung von einer Million liegt in Goldrollen und Hundertguldenscheinen auf dem Tisch. Sobald der Vertrag unterschrieben ist, bringt sie der Kassenbote in Ihre Staatskasse. (Öffnet die Tür.)

Gustav (im Abgehen). Welch sinnige Überraschung!

Gustav, Graf Fehrenberg und die vier Brüder ab. Jakob bleibt an der Tür stehen.

Gudula. Na, Jaköble, warum gehst du denn nicht rein? Bei so ein wichtigem Geschäft sollst du dabei sein.

Jakob. Ich versprech mir nichts von dem, was die da drin vorhaben. An dem Gewinn will ich auch kein Anteil haben.

Gudula. Jaköble, mir g'fällts auch nicht, die Leut bei mir im Haus zu haben, deshalb tu ich doch mei Schuldigkeit. (zu Charlotte) Wenn ich nur wüßt, was ich dem Herzog für Wein vorsetz. Was gebt ihr immer? 82

Charlotte. Solche Leute trinken gern Champagner.

Gudula. So was is mir zu üppig. Grad vor die Leut will ich nit protzig tun. Ich geb ihnen von mein Amschel sein alten Burgunder (ab).

Charlotte. Onkel Jakob, ich versteh nicht recht, warum du dich so gegen das Geschäft mit dem Herzog wehrst.

Jakob. Es ist vielleicht unrecht, aber ich kann's dir nicht verschweigen, Lottchen, es ist dein Schicksal, das da drin unterschrieben wird.

Charlotte. Mein Schicksal! Glaubst du, daß das ohne mich entschieden werden kann?

Jakob. Der Herzog wird als Revanche für den Dienst, den ihm dein Vater erweist, noch heute um deine Hand anhalten.

Charlotte. Ich danke dir, Onkel Jakob, für deine Offenheit. Ich habe so etwas geahnt, aber daß es so rasch geschieht.

Jakob (bitter). Dein Vater ist für Promptheit in allen geschäftlichen Angelegenheiten.

Charlotte (ernst). Jakob, ich hab schon gestern gemerkt, daß du gegen meinen Vater gereizt bist. Ich muß dich dringend bitten, nichts gegen ihn zu sagen. Er liebt mich auf seine Weise und sucht eben das Beste für mich.

Jakob. Der Herzog gefällt dir also.

Charlotte. Gewiß. Er ist klug. Er sieht die Menschen und die Dinge von oben. Hinter seiner Ironie steht eine herzhafte Lustigkeit. Er ist ein schöner, schlank gewachsener junger Mensch und es stört nicht, daß er das weiß. Wenn sein Land auch klein ist, er ist ein richtiger Herzog; seine Frau wird eine Krone tragen.

Jakob. Nun, weiß ich, was du ihm antworten wirst. 83

Charlotte. Jaköble, ich weiß das noch nicht. Ich habe mir meine Zukunft bis jetzt anders gedacht. Stiller, träumerischer. Keine Ironie, dafür Gefühle. Kein Hofstaat, nein, ein Leben ohne große Kulisse und ohne Galerie. Ich möchte schenken können, so aus ganzer Seele und mit vollen Händen schenken. Das kann ich beim Herzog nicht. – (Plötzlich.) Sag mir Onkel Jakob. Aus welchem Grund bist du eigentlich gegen den Herzog? Gefällt er dir nicht?

Jakob. Vielleicht bin ich nur neidisch auf ihn. Er ist so daseinssicher – wie ich unsicher bin. – Du hast recht, Charlotte, es ist kein Grund gegen ihn zu sein, und eben weil ich keinen Grund weiß – gerade darum bin ich so unglücklich.

Charlotte. Jaköble, ist das alles was dir fehlt?

Jakob. Ach mir fehlt nichts!

Charlotte. Das finde ich eigentlich auch. Denk wie viele dich beneiden.

Jakob. Ich hab keine Sorgen. gewiß! Aber – ich habe mir meinen Beruf nicht ausgesucht. So ein Bankiersleben ist doch – wie soll ich es sagen – ein Leben ohne Farbe, ohne Musik.

Charlotte (lächelnd). Musik! Natürlich! Möchst auch so was sein wie dein Freund Rossini.

Jakob. Ach was Rossini! Wenn ich im Theater sitz, möcht' ich mit jedem kleinen Geiger unten im Orchester tauschen, der seine Musik machen darf und sonst nichts von der Welt weiß.

Charlotte. Der kleine Geiger würde gewiß ganz gerne auch mit dir tauschen! – Das sind allerdings seltsame Wünsche für einen Bankier aus diesem Hause.

Jakob. Lach nur Lottchen, lach mich nur aus. 84 Das tut mir wohl! Das macht mir Mut. (Nach Worten suchend.) Lottchen, wenn ich dir sagen könnte –

Charlotte (bewegt). Brauchst nichts zu sagen, Jaköble, gar nichts! Ich weiß schon alles!

Jakob (küßt Charlottes Hände). Lottchen.

Charlotte (ihm das Haar streichend). So jung bist du! So jung.

Zehnter Auftritt.

Aus dem Nebenzimmer kommen Herzog Fehrenberg die vier Brüder, gleich darnach Gudula.

Salomon (zu Gustav im Auftreten). Also, die Sache ist abgemacht, Hoheit.

Gustav. Gewiß, lieber Baron, ich habe ja hier den Vertrag. (Steckt ihn ein.)

Salomon. Und das Geld wird gleich von einem Kurier in Ihrer Staatskasse einbezahlt.

Gustav. Ich vermute, daß Platz dafür da sein wird.

Gudula (die inzwischen auch eingetreten ist). Ich hoffe, die Herren erweisen mir die Ehre, im Garten ein Glas Wein bei mir zu trinken.

Gustav (verbeugt sich).

Gudula. Hoheit, ich habe eine Bitte an Sie, Sie dürfen es mir aber nicht übel nehmen – könnten Sie ich nicht entschließen, ein paar Minuten mit mir alten Frau allein zu plaudern?

Gustav. Aber verehrte Frau Baronin, Sie erfüllen mir einen Wunsch, wenn Sie mir das erlauben.

Gudula. Salomon, du bist so freundlich und gehst mit dem Herrn Grafen und den andern in den Garten voraus.

Salomon (mit allen andern in den Garten ab. Der Herzog und Frau Gudula bleiben allein). 85

Gudula mit Gustav allein.

Gudula. Kommen Sie, Herzog Gustav, setzen Sie sich zu mir, so ganz nah, daß ich Ihnen ins Gesicht sehen kann. Wenn's Ihnen recht is wollen wir jetzt ä mal fünf Minuten vergesse, daß ich ä alte Judenfrau bin und Sie ä Herzog. – Darf ich das?

Gustav. Frau Baronin ich vergesse oft und gern daran, daß ich ein Herzog bin!

Gudula. Ich möcht über Charlottche mit Ihnen reden. Nehmen Sie mir's nicht übel wenn ich ä bißche schwerfällig dabei bin. Ich amtiere nämlich zum erstenmal als Großmutter und noch dazu in so ä wichtige Sach. Das macht mich zaghaft. Wisse Sie, Herzog Gustav, mei Sohn Salomon sieht von aller Sach nur das was er sehn will, sei Mutter hat mei gutes Charlottche schon lange verlorn, da muß ich mich um das Kind kümmern. Da möcht ich Sie Verschiedenes fragen! Sagen Sie mir, Herzog Gustav, ist die ganze Art, wie mei' Enkelche mit Ihne zusammengebracht wird, net e bißchen gar abenteuerlich?

Gustav. Das gebe ich gerne zu, Frau Baronin, aber grade das Abenteuerliche ist es, das mir die Verbindung mit Ihrem schönen Enkelkinde so reizvoll macht.

Gudula. Das verstehe ich nit recht.

Gustav. Ich will mein Schicksal nicht so nach den alten Regeln ausrechnen und austüfteln wie ein geheimer Kanzleisekretär seine Karriere. So eine Ehe, nach der Tradition zwischen Hochgeborenen, das ist vieux jeu. Die Welt ist der alten Spiele müde, ich bin es auch und will es mit neuen Spielregeln versuchen.

Gudula. Das ist alles so spielerisch. Und wir sind 86 so schwerlebige Leut! Was für ein Leben müssen Sie geführt haben?

Gustav. Es war von Beginn an ein buntes Abenteuer. In meiner Knabenzeit wackelten die Throne meiner Verwandten wie Häuser beim Erdbeben. Eines Tages wurde auch das Thrönchen meines Vaters in den großen korsischen Sack gesteckt. Wir gingen nach Wien in die Verbannung. Dann starb mein Vater. Ich ging nach Paris und lebte frisch drauf los, so lange runde Goldstücke und unsaubere Banknoten da waren. Wie ich eben mit meinem Gelde fertig war, da war Napoleon auch mit seinem Kaisertum vis-à-vis de rien. Wir hatten beide gleich rasch verschwendet. Aber bitte beruhigen Sie sich, das ist die einzige Ähnlichkeit von uns beiden. Ich bekam mein Herzogtum wieder und neues Geld. Mit dem Geld bin ich wieder fertig und wenn Ihre Söhne mir nicht geholfen hätten, so wäre ich es auch mit meiner Krone. Sie begreifen, daß ich daran gewöhnt bin, mein Leben als Abenteuer zu sehen.

Gudula. Herzog Gustav, Sie spielen mit dem Leben. Mir wird ganz schwindlig. Ich fürcht, das wird kei Glück für mei Enkelche werden. Die Ehe ist doch was Ernstes. Ich darf das wohl sage, ich hab e sehr glückliche Ehe mit meim Meyer Amschel geführt, und die war ganz anders.

Gustav. Wenn ich auch bekennen muß, daß Gefühl und Rührung nicht mein Lebensstil sind, so bitte ich Sie überzeugt zu sein, Frau Baronin –

Gudula (ihn unterbrechend, unwirsch). Herzog Gustav, sage Sie nit immer Frau Baronin zu mir, das ist doch ä Maskerade.

Gustav. Meine Gnädigste, der Kaiser – 87

Gudula. Ach was, – aus mir kann kei Kaiser mit meine einundsiebzig Jahr mit einem Mal ä Edelfrau machen.

Gustav. Vielleicht ist Ihr Adel, gnädige Frau, doch vom allerältesten.

Gudula. Hebe Sie sich Ihre Komplimente für mei Lottche auf. Bei der nützt's Ihne vielleicht was. Bei mir nicht!! Die Sach is mir zu kompliziert. Da mag ich net Vorsehung spiele! Mei Enkelche soll selbst entscheide –

Elfter Auftritt.

Charlotte kommt mit Salomon, später Nathan, Amschel und Jakob.

Salomon. Nun ist das kleine Tête-à-Tête zu Ende.

Gudula. Mir haben uns leider nicht viel zu sagen gehabt.

Gustav. Herr Baron, Sie wissen, weshalb ich gekommen bin. Ich habe die Ehre, Sie um die Hand Ihrer Tochter zu bitten.

Salomon. Ich danke Ihnen, Herzog vom Taunus, für die Ehre, die Sie unserm Hause erweisen. Selbstverständlich nehmen wir an. Bitte umarmen Sie Ihre Braut.

Charlotte. Vater, du hast einen falschen Begriff von meiner Selbständigkeit. Ich weiß schon seit gestern, was vorgeht und schäme mich.

Salomon. Schämen! warum?

Charlotte. Weil ich jemandem angeboten werde.

Salomon. Das sind Übertriebenheiten, es ist in unseren Kreisen Sitte, daß Ehen zusammengebracht werden.

Charlotte. Das ist eine abscheuliche Sitte. Was denkt sich Herzog Gustav von uns. 88

Gustav. Aber liebe Baronesse, das ist bei uns genau so. Nur nennt man das nicht »zusammenbringen«, sondern Familienpolitik.

Charlotte. Herzog Gustav, ich glaube uns beiden einen Dienst zu erweisen, wenn ich nein sage.

Salomon. Was heißt das?

Charlotte. Was weißt du, wie es in mir aussieht? Glaubst du denn, daß ich mit dem Herzog glücklich sein kann? Ich will bei meinem Mann einmal eine Heimat haben und die find ich in seinem Schloß nicht, wo jeder Diener hinter mir herspottet, jedes Ahnenbild mich auslacht, als wollte es sagen, mein Fräulein, Sie kommen zu früh, warten Sie noch ein Jahrhundert. Ich will einen Mann, der – (sie flüchtet sich zur Großmutter) Großmutterl, hilf mir doch. (Gudula beruhigt sie. Einstweilen sind Amschel und Jakob eingetreten. Jakob hat sich in einen Lehnstuhl in die Ecke gesetzt.)

Salomon. Hoheit, entschuldigen Sie, aber ich garantiere, daß meine Tochter ihren Entschluß bald ändern und mir folgen wird.

Gustav. Lieber Herr Baron, ich bitte dringend, nicht zureden. Ich kann unmöglich zugeben, daß Ihre Tochter gegen ihren Willen –

Salomon (unterbrechend). Meine Tochter hat keinen Willen! In unserer Familie haben die Kinder ihren Eltern zu folgen.

Gudula. So? Dann folg' du gefälligst mir und laß dem Mädel sein' Willen! Herzog Gustav, Sie sind klug genug, das zu verstehen.

Gustav. Ich bekenne offen, daß ich mich der Baronesse 89 nicht ganz sicher gefühlt habe. (Zu Salomon.) Aber Herr Baron, wie ist es denn mit unserem Vertrag.

Salomon (verblüfft). Dunnerwetter! – Das Geld ist schon in Ihrer Staatskasse eingezahlt.

Gustav. Ich stelle es Ihnen selbstverständlich wieder zur Verfügung – das heißt, wenn noch etwas davon da ist. Ich kann Ihnen nicht verhehlen, daß ziemlich darauf gewartet wurde, – hier ist Ihr Vertrag.

Gudula (energisch). Behalten Sie Ihr Sach! Hoheit. Seien Sie froh, daß sie's hawe. Wie ich meine Herrn Söhne kenne, werde die schon dafür gesorgt habe, daß sie nix dabei verliere.

Amschel. Meine Mutter hat ganz recht. Wir haben noch nie eine Unterschrift zurückgenomme. Komme Sie Hoheit, wir bespreche die Sach ohne alle Aufregung. (Zieht ihn ab.)

Salomon. Ist das zu glauben! – Ein leichtsinniger junger Mensch, der das Geld zum Fenster hinausschmeißt – grade so einer legt mich herein. – Es muß doch e Vorsehung geben.

Gudula. Salomonche, der ist vielleicht gescheiter als du glaubst.

Salomon. Dann tut mir's erst recht leid, daß er nicht mein Schwiegersohn geworden ist. (Mehr zu Charlotte.) Aber dahinter steckt etwas. Das wollen wir einmal gleich auf der Stelle aufklären. (Zu Charlotte.) Wir sind jetzt unter uns, willst du mir endlich deine Gründe sagen.

Charlotte (halb zu Jakob, der aufsteht und bewegt Lottchens Worten folgt). Du kennst sie schon. Ich will keinen Hofherrn, der nur spöttelt, sondern einen Menschen wie ich, einen lieben, treuen Menschen, mit dem ich mein 90 Leben teilen kann, dem ich mehr geben kann als dem Herzog.

Salomon. Noch mehr! Ich danke schön –

Charlotte. Ja Vater, Kraft und Freude am Leben will ich ihm geben. Ich will mit ihm leben, wie Großmutter mit Großvater gehaust hat.

Salomon. 's ist mir ganz klar, daß du an jemand Bestimmten denkst.

Charlotte. Ja.

Salomon. Willst du mir sagen, wer es ist.

Charlotte. Noch nicht.

Salomon. Da stimmt also etwas nicht! Was ist denn dein Auserwählter?

Charlotte. Kaufmann.

Salomon (geringschätzig). Kaufmann? Jeder Mützenhändler nennt sich so. Was für ein Geschäft hat er denn?

Charlotte. Ein Bankgeschäft wie du!

Salomon. Ein Bankgeschäft. So! Dann werd ich ihn wohl kennen.

Charlotte (vergnügt). Schon lange.

Salomon. Hat er Geld?

Charlotte. Ebensoviel wie du!

Salomon. Du überschätzt den Unbekannten! Was hat er denn für ein Bankgeschäft?

Charlotte. Ein so großes wie dein eigenes!

Salomon. No, no! Aus was für einer Familie ist er denn?

Charlotte. Aus einer ebenso guten wie wir.

Salomon (halblaut). Is er ä Jud?

Charlotte. Ja.

Salomon (konstatierend). Natürlich! Also wer ist es denn? 91

Charlotte. Wenn du es durchaus wissen willst, der da, der still in der Ecke ist. Dein Bruder Jakob!

Jakob (umarmt Charlotte).

Salomon. Großartig! Dafür habe ich nun gespart und geschafft für meinen Bruder!

Gudula. 's ist unser Sorgenkind, Salomonche, sag nicht nein.

Salomon. Ich sag ja nicht nein! Aber es ist doch sonderbar, da kalkuliert man, rechnet und baut was auf, da kommt ein junges Mädchen, rechnet nicht, sondern fühlt und wirft mit ihren kleinen Gefühlen mein großes Rechenexempel über'n Haufen. Wie kommt das, Mutter.

Gudula. Weil wir Frauen eben wärmer leben als Ihr Kaufleute.

Salomon (auf Jakob und Charlotte deutend). Das hätt ich einfacher und billiger haben können.

Gudula. Salomonche, was willst du denn, das ist unser Haus! Da sitzt du. Da sitz ich. Da steht dein Kind und dein Bruder und sind glücklich. Sei doch endlich zufrieden.

Salomon (behaglich lächelnd, weich). Ich bin's, Mutter, ich bin's.

 

Vorhang.

 


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