Ernst Raupach
Der versiegelte Bürgermeister
Ernst Raupach

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Zweiter Aufzug.

Scene: Das Rathhaus und zwar der Vorsaal vor der Rathsstube, mit einer Mittelthüre und einer Seitenthüre links. Auf der rechten Seite steht eine Menge alten Hausrathes durch einander.

Erster Auftritt.

Lampe, hinter ihm die Rathsknechte mit dem Schranke, treten durch die Mitte ein.

Lampe (auf eine Stelle des Vordergrundes zur Rechten zeigend).
Nur hieher! Es ist das beste
Stück von allen; wie ein Hauptmann
Soll es an der Spitze stehen.

(Sie setzen den Schrank auf die bezeichnete Stelle, so daß die Thüre gerade dem Publikum zugewendet ist. Die Rathsknechte stöhnen.)

Stöhnt Ihr doch als ob der Kasten
Wunder wie viel Zentner wöge.

Erster Rathsknecht.
Leicht ist er wahrhaftig nicht. 33
Und die Sach ist gar besonders:
Das Gewicht ist bald auf dieser
Bald auf jener Seite, grade
Als ob Wasser drinnen wäre.

Lampe (stutzend).
Geh' doch, geh'! Du bist nicht klug.

Erster Rathsknecht.
Meinetwegen; doch ich sage,
'S ist nicht richtig mit dem Schranke:
Denn ich hab's d'rin seufzen hören.

Lampe (von nun an ängstlich, sich von dem Schranke entfernend).
In dem Schranke?

Erster Rathsknecht.
                                In dem Schranke.

Lampe.
Seufzen hören?

Zweiter Rathsknecht.
                            Deutlich seufzen.

Lampe.
Ei verflucht!

Erster Rathsknecht.
                      Nun, guten Morgen.

(Die Rathsknechte wollen gehen. Lampe hängt sich an sie an.)

Erster Rathsknecht.
Geht Ihr mit?

Lampe.
                        Ja, ich begleit' Euch
Vor die Thür aus Höflichkeit.

(Alle drei gehen durch die Mitte ab. Sobald sie fort sind, öffnet Braun den Schieber des Schranks.) 34

 

 
Zweiter Auftritt.

Braun allein, durch den Schieber sprechend.

Braun.
Wollte Gott, ich wär' ein Kater,
Wie der Bürstenbinder sagte!
Durch den Schieber könnt' ich kriechen,
Aus dem Sarge mich befrei'n.
Ach, war je ein Bürgermeister
In so schaudervoller Lage?
Niemand, wenn ich's nicht befehle,
Lös't das Siegel: und befehl' ich's,
So verrath' ich mich, verloren
Ist mein Ansehn, wohl mein Amt auch,
Ja, bedroht ist selbst mein Leben
Von dem wüth'gen Bürstenbinder;
Und wenn ich mich nicht entdecke,
So erstick' ich, so verhung'r ich,
Ja, ertrink' in meinem Schweiß.
Weiber! Weiber! Pest des Lebens!
O ihr wahren Belle-donne,
Judenkirschen, Fliegenschwämme,
Schierlingskraut, Arsenicum
Seid verwünscht vom höchsten Haare
Eures Scheitels bis herab zum
Nagel Eurer großen Zeh'! –
Wäre Lampe nur geblieben!
Ihm könnt' ich mich anvertrau'n,
Und entwischen unbemerkt.
Aber wenn ein Bürgermeister
Untergehen soll und muß, 35
Drängt das Unglück sich zusammen,
Weiber, Schränke, Zornesflammen
Und zuletzt ein Hasenfuß.

(Man hört Geräusch, er macht den Schieber zu.)

 
Dritter Auftritt.

Braun im Schranke. Lütke, Hinze und Lampe treten durch die Mitte ein.

Lütke.
Ausgepfändet?

Lampe.
                          Diesen Morgen,
Hochgelahrter.

Lütke.
                          Das ist Rechtens.
Schuldner, die nicht zahlen können,
Sagt das Recht, sind auszupfänden;
Atqui kann die Witwe Willmar
Ihre Schulden nicht bezahlen,
Ergo ist sie auszupfänden.

Hinze.
Es geschieht ihr Recht; ich wollte,
Daß ihr Schlimmres widerführ';
Denn bei mir steht's außer Zweifel,
Daß sie eine Hexe ist.

Lampe (erschreckend).
Eine Hexe?

Lütke.
                      Eine Striga?

Hinze.
Seht nur ihre rothen Augen. 36

Lütke.
Alle Strigae, Herr Collega,
Haben freilich rothe Augen.
Doch der Satz gehört zu denen,
Die man nicht umkehren darf;
Und nicht alle, die da rothe
Augen haben, sind auch Strigae.

 
Vierter Auftritt.

Vorige. Bokert, Markart und zwei Rathsmänner kommen durch die Mitte.

Hinze.
O ich kann euch mehr erzählen.
Vor'gen Sonntag vor acht Tagen
Geht mein Weib mit unserm lieben
Kleinen Kunzchen vor das Thor.
Da begegnet ihr die alte
Willmar, lobt den Kleinen, streichelt,
Küßt ihn, und seit diesem Tage
Kränkelt er und zehrt sich ab.

Lampe.
Schauderhaft!

Markart.
                          Ja, ohne Zweifel
Ist die Willmar eine Hexe:
Und die Nachbarn traun ihr alle
Längst schon nicht mehr über'm Weg.

Hinze.
Und der Rath bleibt unbekümmert! 37

Bokert.
Wenn sie eine Hexe wäre,
Würde sie wohl nicht so arm sein,
Und sich wohl nicht pfänden lassen.

Lütke.
Falsch geschlossen, lieber Meister!
Leset nur den Hexenhammer:
Finden werdet Ihr, daß niemals
Eine Hexe reich gewesen.
Oekonomisch ist der Böse,
Giebt auf einmal nicht zwei Dinge,
Macht und Reichthum nicht zugleich.
Aber Hora ruit; laßt uns
Uns're Sitzung nun beginnen. –
Doch der Bürgermeister fehlt.

Lampe.
Heut' ist's Mittwoch, Hochgelahrter,
Und des Mittwochs kommt er nicht.

Lütke.
Richtig, Mittwoch heut'; denn gestern
War es Dienstag; atqui folget
Auf den Dienstag stets der Mittwoch;
Atqui pflegt der Bürgermeister
Mittwochs nicht zu Rath zu kommen,
Ergo kommt er heute nicht.
Seht, so hab' ich per Soriten
Euch gezeigt, der Bürgermeister
Wird heut' nicht im Rath erscheinen. 38

Bokert.
Nun, das wußten wir ja schon.
Doch was heißt das: per Soriten?

Lütke.
Sorex heißet eine Spitzmaus:
Darum nennen wir Gelehrten
Einen feinen, spitzen Schluß,
Einen Spitzmausschluß, Soriten.

(Er geht auf die linke Seitenthüre zu, die Anderen folgen.)

Lampe (ängstlich ihn aufhaltend).
Hochgelahrter Herr, ich bitte
Um Erlaubnis, heut' einmal
Nicht hier an der Thür zu sitzen:
Mir ist ärmlich heut' zu Muthe;
Draußen hätt' ich frische Luft.

Lütke.
Nugae! nugae! Wie gewöhnlich
Sitzt Ihr hier, damit Ihr's höret,
Wenn ich nach Bedürfnis klingle.
      (Zu den Anderen.)
Kommt zur Sitzung! denn's ist Zeit.

(Alle, außer Lampe, gehen zur Linken ab.)

 
Fünfter Auftritt.

Braun im Schranke. Lampe.

Lampe.
Wahr ist's leider: hohe Würden
Sind nur Bürden. Wenn ich jetzt
Nur ein schlechter Rathsknecht wäre,
Dürft' ich hier nicht so allein 39
Mit dem Teufelsschranke bleiben.
Ja, was hilft's? ich muß gehorchen;
Doch, wenn's wieder seufzt, so halten
Mich zehn Kerle hier nicht fest.

(Er setzt sich auf einen Schemel neben der Seitenthüre. so daß er dem Schranke das Gesicht zukehrt.)

Wenn die Herren nur ein bißchen
Schreien und sich zanken wollten,
Daß ich was Lebend'ges hörte!
Sonst ist nichts als Lärm da drinnen,
Heut' ist alles todtenstill.

(Pause.)

Wenn nun plötzlich aus dem Schranke
Hörner wüchsen, oder's langte
Eine schwarze rauhe Klaue
Durch den Schieber; oder's finge
Jach der Schrank mit all' dem Hausrath
An zu tanzen: 's wär' mein Tod. –
Nein, ich will ihn gar nicht sehen.

(Er dreht sich so, daß er dem Schranke den Rücken kehrt)

Doch, wenn's nun von hinten käme?

(Er sieht sich um und fährt zusammen.)

Hei! was war das?

(Er horcht.)

                                Nichts! Ein Rathsherr
Gähnt drin – segn' ihn Gott dafür. –
Nein! so ist's noch schauerlicher:
Denn man denkt, es steht schon hinten,
Schneidet gräßliche Gesichter,
Streckt die Kralle nach dem Schopf. –

(Unterdessen hat er sich so gedreht, daß ihm der Schrank zur Seite steht.) 40

Könnt' ich nur den Schrank vergessen!
Schickte sich's, so würd' ich pfeifen.

Braun (macht vorsichtig den Schieber auf).

Lampe.
Halt! ich will das Ein mal eins –
Nein! das kann ich nicht – doch warte,
Dummer Kopf, ich zwinge dich!
      (Langsam und nach dem Versmaaß.)
A   b,   c   d,   e   f,   g   h,
I   k,   l   m,   n   o,   p   q . . . . .

Braun.
Lampe!

Lampe (erschrocken auffahrend).
              Alle guten . . . . . . .

Braun (stärker rufend).
                                            Lampe!

Lampe (fängt heftig an zu schreien, indem er unbeweglich den Schrank anstiert).

Braun (macht den Schieber zu).

(Die Rathsherren eilen aus der linken Seitenthüre herbei.)

 
Sechster Auftritt.

Die Vorigen. Lütke, Hinze, Bokert, Markart, und die beiden Rathsherren.

Lütke.
Was geschieht hier?

Hinze (zu Lampe, der noch immer schreit).
                                  Seid Ihr rasend?

Markart (den schreienden Lampe schüttelnd).
Lampe! Lampe! 41

Lampe (schreit beim Nennen seines Namens stärker).

Bokert (ihm den Mund zuhaltend).
                              G'nug gebrüllt!

Lütke.
Sagt, was ist Euch?

Lampe.
                                  's hat gerufen.

Hinze.
Wer denn?

Lampe (auf den Schrank zeigend).
                    Der da.

Lütke.
                                  Aus dem Schranke?

Lampe.
Aus dem Schrank. Er ist bezaubert.

Markart.
Pestilenz!

Lütke
                  Wie? was? verzaubert?

Lampe
Ja, auf's schändlichste behext.

Hinze.
Nun, da habt ihr's.

Lütke.
                                Herr Collega,
Laßt mich forschen, Quibus argu-
mentis
dieser Lampe
Die Behexung uns beweist. 42
      (Zu Lampe.)
Warum ist der Schrank bezaubert?

Lampe.
Als wir ihn herüber brachten,
Sagte schon der Rathsknecht Schwengel:
's wär' nicht richtig: denn es rollte
Und es brauste d'rin wie Wasser,
Und es hätte laut geseufzt.

Lütke.
Sagt er das?

Lampe.
                      Ich kann's beschwören!

Hinze.
Braucht's denn Schwüre? Nimmt's Euch Wunder,
Daß ein Schrank, der einer Hexe
Zugehöret, auch behext ist?

Lampe.
Als ich dann hier ruhig saß,
Rief es: Lampe! Alle guten
Geister loben Gott den Herrn,
Wollt' ich sagen; doch da rief es
Abermals ganz gräßlich: Lampe!

(Alle weichen ängstlich nach der Linken zurück.)

Markart.
Donnerwetter!

Bokert.
                          Ganz besonders!

Hinze.
Glaubt ihr endlich, daß die Willmar – – 43

Lütke.
Ja, nun läßt sich's demonstriren;
Daß ein Schrank erseufzt und ruft,
Kann man nicht natürlich nennen,
Was nun nicht natürlich ist,
Kommt von Himmel oder Hölle,
Atqui steht nicht zu vermuthen,
Daß der Himmel in so schlechtem
Schranke Wunder wirken sollte,
Ergo thut es hier die Hölle;
Ergo ist der Schrank behext.

Hinze.
Doch was ist nun anzufangen?
Wie viel Unheil kann es bringen,
Bleibt der Schrank noch länger hier!

Lütke (zu einem der Rathsmänner).
Geht zum Consul, lieber Meister,
Sagt, wir bäten ihn, ob's heut' auch
Mittwoch wäre, eines wicht'gen
Vorfalls wegen herzukommen.
      (Der Rathsmann geht durch die Mitte ab.)
Ein sehr wunderbarer Casus,
Und in Praxi unerhört.

(Der Schrank wackelt mit einigem Geräusch.)

Lampe.
Hei! der Schrank fängt an zu laufen!

(Sie stürzen alle nach der Seitenthüre. Lampe macht sich Bahn, so daß die Andern alle niederfallen. In dem Augenblicke tritt Wetzel durch die Mitte ein.) 44

 
Siebenter Auftritt.

Die Vorigen. Wetzel.

Wetzel.
Grüß' euch Gott, hochweise Herren!
Ei, was macht ihr an der Erde?

Lütke.
Wir rathschlagen – –

Lampe (an der Thüre stehend).
                                    Ja, wir schlagen
Hier das Rad.

Lütke (nachdem alle aufgestanden).
                        Was wollt Ihr hier?

Wetzel.
Herr, mein Weib will ich entschuld'gen,
Daß sie von der Witwe Willmar
Diesen Schrank hier angenommen,
Aus der Pfändung ihn zu retten.

Lampe.
Ja, 's ist wahr, ich hatt's vergessen.

Hinze (zu Wetzel).
Ist der Schrank bei Euch gewesen?

Wetzel.
Ja, doch keine halbe Stunde.

Hinze.
Habt Ihr nichts d'rin wahrgenommen?

Wetzel.
Nein. Was ist denn wahrzunehmen? 45

Lampe.
Er ist schauderhaft behext.

Wetzel.
Geht mir doch!

Markart.
                            Es hat erbärmlich
Drin geseufzt.

Bokert.
                          Und dann bei Namen
Unsern Lampe hier gerufen.

Lampe.
Ob bei Namen, weiß ich nicht;
Aber laut hat mich's gerufen.

Wetzel.
Ei, verdammt! geseufzt? gerufen?
Ha! nun geht ein Licht mir auf:
's steckt ein Kerl dort in dem Schranke.
'raus mit ihm! Erbrecht den Schrank.

(Er will auf den Schrank los, sie halten ihn fest.)

Markart.
Ei, das könnt' uns schön bekommen!

Lampe.
Alles ginge hier zu Grunde.

Wetzel (indem er versucht sich loszumachen)
Laßt mich, laßt! ich muß ihn haben,
Muß ihn prügeln windelweich.

Lütke.
Wen denn? wen? 46

Wetzel.
                              Den Kerl im Schranke.

Lütke.
Haltet fest, er ist von Sinnen.
      (Zu Wetzel.)
Seht, der Schrank ist ja versiegelt,
Wie denn käm' ein Mensch hinein?

Wetzel.
Er ist früher 'nein gekrochen,
Ist bei mir hinein gekrochen.

Hinze.
Er ist rasend! Haltet fest!

Wetzel.
Liebe Herr'n – um Gottes willen –
'S steckt ein Kerl d'rin, – Seid barmherzig!
Laßt mich doch den Satan morden!

Lampe.
Was? Ihr wollt den Satan morden?

Lütke.
Welch ein Furor! Haltet fest!

Wetzel.
Hört! ich zahle zwanzig Gulden
Für den Schrank, verkauft mir ihn.

Lütke.
Nein, und gäbt Ihr hundert Gulden:
Denn der Rath darf nicht gestatten,
Daß Ihr ins Verderben rennt. 47

 
Achter Auftritt.

Die Vorigen. Der Rathsmann der vorhin abgegangen ist, kommt durch die Mitte zurück.

Wetzel.
'S ist zu toll.

Rathsmann.
                      Der Bürgermeister
Ist sehr früh schon ausgegangen;
Aber niemand weiß wohin.

Wetzel.
Ha! ich hab's! Der Bürgermeister
Steckt im Schranke.

Alle (laut auflachend).
                                    Hahaha!

Wetzel.
Narren lachen – –

Bokert.
                                Nachbar! Nachbar!

Lütke.
Was? elender Bürstenbinder!

Hinze.
Sind wir Narren?

Wetzel.
                              Ausgemachte.

Lütke.
Fort mit ihm, werft ihn hinaus!

(Sie werfen Wetzel zur Mittelthüre hinaus.) 48

 
Neunter Auftritt.

Die Vorigen, ohne Wetzel.

Lütke (nachdem alle von der Thüre zurückgekommen).
Jetzo nach hinausgeworf'nem
Bürstenbinder, laßt uns reiflich
Ueberlegen, was zu thun.

Markart.
Wie der Schrank behext sein muß!
Eine halbe Stunde hat er
Bei dem Wetzel nur gestanden
Und ihn schon verrückt gemacht.

Hinze.
Je behexter, desto wicht'ger,
Daß wir schnell sein Recht ihm anthun.
      (Zu Lütke.)
Herr College, lasset hören,
Was ist recht in solchen Fällen?

Lütke.
Quaeritur ob das Behexte
Mit der Hexe gleich zu stellen;
Wird die Gleichheit statuirt,
Ist die Frage bald entschieden:
Denn das Recht sagt; eine Hexe
Soll lebendig man verbrennen.

Lampe.
Ja, verbrennt den Schrank lebendig!

Die Andern.
Ja, ins Feuer.

Lütke.
                        Fiat, sag' ich. 49

Bokert.
Aber werden sich die Gläub'ger
Nicht beschweren?

Hinze.
                                  Wenn sie's thun,
Sind sie Heiden.

Lampe.
                              Man verbrennt sie.

Bokert.
Sei es, wenn die Kämmerei
Holz zum Scheiterhaufen liefert.

Hinze
Ha! das thut sie; eine Viertel
Klafter giebt sie: gottesfürchtig
War ja stets die Kämmerei.
Fort, ins Feuer mit dem Schranke!

Die Andern.
Fort ins Feuer!

Lampe.
                            Raptim fort!

Lütke.
Lampe, sagt, daß man im Hofe
Flugs den Scheiterhaufen baue.
Wir, der weise Rath, verfassen
Unterdeß den Urtheilsspruch.

(Die Rathsherren gehen zur Linken, Lampe durch die Mitte ab.) 50

 
Zehnter Auftritt.

Braun im Schrank.

Braun (macht den Schieber auf).
Himmel, hilf mir aus der Hölle!
Gern ja will ich eine Kirche
Auf gemeine Kosten bauen,
Alle Sporteln will ich künftig
Doppelt nehmen, und die Hälfte
In die Armenkasse schenken;
Keinen will fortan ich pfänden,
Nirgends mehr versiegeln lassen,
Wenn man mir nichts schuldig ist.
Rette mich aus diesen Nöthen!
Vor dem Grimm des Bürstenbinders,
Vor der Glut des Scheiterhaufens,
Vor der Dummheit dieser Esel,
Deren Haupt ich leider bin,
Schütze mich!
      (Man hört kommen, er macht den Schieber zu.)

 
Elfter Auftritt.

Braun im Schranke. Willmar und Else treten durch die Mitte ein.

Willmar.
Alles leer, das nenn' ich glücklich;
Und hier steht der brave Schrank.

Else (an den Schrank klopfend).
Väterchen, seid Ihr lebendig?

Braun (den Schieber öffnend).
Gott sei Dank! Ihr seid es, Kinder!
Gold'nes Els'chen, liebes Herzchen! 51
Braver Junge, macht mir auf!
Denn ihr habt doch wohl den Schlüssel?

Else.
Ja, hier ist er: eben hat mir
Die Frau Wetzel ihn gebracht,
Und erzählt, was sich begeben.

Braun.
Siehst du, liebes Kind, ich wollte
Dieses Weibes Tugend prüfen;
Denn ein rechter Bürgermeister
Muß der Bürger Herzen kennen.

Else.
Ja, wir wissen's; und gekommen
Sind wir, nun Euch zu befrei'n.

Braun.
Macht nur schnell.

Else.
                                Gleich. Doch vorher
Bitten wir Euch ganz ergebenst,
Diese Schrift zu unterzeichnen.
      (Sie giebt ihm eine Schrift.)

Braun (nachdem er sie durchlaufen.)
Was? Dein Eh'contract mit Willmar?
Und zwölf tausend Gulden Mitgift?

Else.
Nur zwölf tausend.

Braun.
                                  Nimmermehr! 52

Else.
Wie Ihr wollt. Ihr habt aus Rache
Seine Mutter pfänden lassen,
Dafür strafet durch die Pfändung,
Durch den Schrank Euch nun der Himmel.
Sagt nur, soll ich wieder gehn?

Braun.
Sei es drum. Ich bin zu Grunde
Zwar gerichtet; aber hilf mir
Aus dem Höllenfutteral;
Nachher will ich unterschreiben.

Willmar.
Nein, vorher, gestrenger Herr.

(Er hat unterdessen ein Schreibzeug hervorgezogen und giebt ihm eine eingetauchte Feder. Braun unterschreibt.)

Braun.
Ach, welch theueres Quartier!
      (Er giebt Schrift und Feder an Willmar zurück.)
Löst das Siegel nun mit Vorsicht,
Daß den Bruch man nicht gewahre.

(Willmar thut es. Else schließt auf. Braun tritt heraus.)

Else (Braun die Hand küssend).
Nun willkommen, lieber Vater!
Ach, Ihr habt wohl viel gelitten?
O, ich bitt' Euch, prüfet künftig
Keines Weibes Tugend mehr!

Braun (sich böse abwendend, zu Willmar).
Klebe nun, so gut wie möglich,
Wiederum das Siegel fest! 53

 
Zwölfter Auftritt.

Die Vorigen. Lampe und Wetzel durch die Mitte. Später die Rathsherren von links.

Lampe (der Wetzel am Eintreten verhindern will).
Sagt, was wollt Ihr?

Wetzel.
                                    Laßt mich, Lampe!
Wenn sie hier den Schrank verbrennen,
Will auch ich den Braten riechen:
Einen Braten giebt's dabei.
      (Mit Erstaunen den Bürgermeister gewahrend, für sich.)
Was? der Bürgermeister? Hätt' ich
Meiner Frau zu viel gethan?

(Unterdessen kommen Lütke, Hinze, Bokert, Markart, und die Rathsmänner von der Linken.)

Lütke.
Ei, Herr Consul!

Hinze.
                              Guten Morgen!

Die Andern.
Guten Morgen!

Braun.
                            Schönen Dank!
Eine Meldung, Herr'n Collegen,
Ist von euch mir zugekommen,
Dieser Schrank hier sei bezaubert.

Lampe.
Ganz und gar. 54

Lütke.
                          Deßhalb verdammt ihn
Der hochweise Rath zum Feuer.

Braun.
Der hochweise Rath? Man möchte
Fast an dieser Weisheit zweifeln.
Sagt, wie käme Zauberei
Zu dem Schrank der gottesfürcht'gen
Alten Willmar? Und gesetzt auch,
Daß man dieß für möglich halte;
Glaubt ihr denn, der Zauber könnte
Unserm Siegel widerstehn,
Das der Kreuze drei enthält?

Bokert.
's ist auch wahr.

Lütke.
                            Ad prime dictum.

Hinze.
's ist nicht ohne.

Markart.
                            Doch bedeutet –

Braun.
Nun, um euch zu überzeugen,
Daß ein weiser Rath kann irren,
Hab' ich von der Witwe Willmar
Mir den Schlüssel holen lassen,
Und ihr sollt nun selber seh'n. 55

Lampe.
Ach! um Gott, gestrenger Herr!
Laßt uns erst das Weite suchen!
Denn der Teufel führt das Rathhaus
Sicherlich in alle Lüfte.

Braun.
Oeffne, Willmar.

Lampe.
                              Hei! Ihr Herren,
Haltet euch bereit zum Fliegen!
      (Er breitet die Arme aus und macht die Augen zu.)

Willmar (öffnet).

Lampe (erschrickt).

Braun.
Kommt nun selbst, und sehet.

(Alle, außer Lampe, nahen furchtsam und sehen in den Schrank.)

Alle.
                                                  . . . . Leer!

Lütke.
Ei, wie hat man uns genarret.

Bokert.
Lampe hier hat angefangen.

Hinze.
Ja, der Lampe!

Alle.
                          Der ist schuld. 56

Lütke.
Zücht'gen sollte man –

Lampe.
                                        Mich zücht'gen?
's hat gebraust, geseufzt, gerufen.

Braun.
Trunken war't Ihr.

Alle.
                                Ja, betrunken!

Lampe.
Nein, zum Guckuk! nur ein Schöppchen –

Lütke.
Lampe, der hochweise Rath
Decretirt, daß Ihr betrunken
Seid gewesen: also schweiget!

Else.
Lieber Vater, gebt Befehl,
Daß man diesen Hausrath wieder
Zu der guten Willmar schaffe,
Da Ihr doch für sie bezahlt.

Braun.
Ich?

Else.
          Nun ja, Ihr habt's versprochen.

Braun (mit unterdrückter Wuth).
Du hast Recht.

Hinze.
                          Ihr zahlt die Schulden?

Else.
Nichts natürlicher: Frau Willmar
Wird bald meine Schwiegermutter.

Lütke.
Welch portentum!

Hinze.
                                Gottes Wunder!

Braun (auf Else und Willmar zeigend).
Ja, ich habe sie verlobt.
Großmuth war zu allen Zeiten
Eine Tugend meines Stamm's:
Denn mein Vater war ein Kaufmann.
Und die Kinder, die sich lieben,
Baten, flehten, seufzten, weinten,
Und man hat ein Herz im Busen,
Obend'rein ein Vaterherz.

Lütke.
Gratulor!

Alle.
                  Wir gratuliren!

Else.
Vielen Dank!

Willmar.
                        Dank, werthe Herr'n!

Braun.
Laßt uns gehen. Lebet wohl!

Lampe.
Eines noch, gestrenge Herr'n!
Da der Teufel mich gerufen – 58

Lütke.
Lampe! Lampe!

Bokert und Markart (Lampe drohend).
                              Will Er wohl!

Lampe.
Nun, da mir's so vorgekommen,
Als ob mich der Teufel riefe,
Werd' ich künftig stets erschrecken,
Wenn mich einer »Lampe« ruft.
Darum bitt' ich um die Gnade,
Daß ich fürder mich statt »Lampe«
Etwa »Leuchter« nennen darf.

Braun.
Fiat!

Lütke.
            Fiat! wie gebeten.

Lampe.
Dank! Gott geb' Euch,
      (auf die Stirn deutend)
                                      was Euch frommt.
Aber laßt zurück uns treten;
Denn ihr seht, der Vorhang kommt.

 

Ende.

 


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