Ernst Raupach
Der Platzregen als Eheprokurator
Ernst Raupach

 << zurück 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zweiter Aufzug.

Scene: Dürrfelds Wohnung mit einer Mittelthüre und einer Seitenthüre rechts. Rechts ein Tisch; links auf einer Etagère Flaschen und Gläser und dabei das Töpfchen aus dem ersten Aufzuge.

Erster Auftritt.

Köck mit Kaffeegeräth auf einem Teller tritt durch die Mitte ein.

Köck. Mein Herr will wohl heute den Tag verschlafen? Jetzt im Winter hilft es zu nichts; aber wenn die Officiere das Frühjahr und den Herbst verschlafen wollten, das wäre noch was: da gäbe es keine Manöver. (Er hat das Kaffeegeräth auf den Tisch rechts gesetzt.) Nun will ich den Herrn wecken. (Indem er einige Schritte nach der Linken geht, wird er das Töpfchen gewahr.) Blitz und Hagel! was sehen meine Augen? (Er tritt näher zu der Etagère.) Ist das Gustels Töpfchen? Oder schlafe ich noch? (Er reibt sich die Augen.) Ich mag reiben, wie ich will, es ist doch das Töpfchen; ich kenne es ja – es ist ja oft genug in meinen Händen gewesen. – Nein! – ist doch wohl unmöglich. – Halt! (Er hält sich die Augen zu.) Es hat unten einen kleinen Sprung und vom Henkel habe ich selbst ein Stückchen abgebrochen. (Er nimmt das Töpfchen herab.) Richtig, es ist's. (Er riecht daran.) Das Bratenschmalz ist auch drin – Gott erhalte mir meinen Verstand! (Er setzt 42 es wieder hin.) Wie kommt es aber hierher? Von selber kann es doch nicht hergelaufen sein. Hat es die Gustel mir wirklich gegeben und bin ich benebelt gewesen? Nein, zum Geier, nein! Ich wollte ja seelensgern benebelt gewesen sein, wenn ich nur was Rechtschaffenes getrunken hätte. Aber ich habe nicht, ich habe nicht. Wie kommt es dann hieher? Sapperment! ich will wissen, wie es hieher kommt. Wer darüber nicht den Verstand verliert, dein muß er mit Hufnägeln angenagelt sein.

 
Zweiter Auftritt.

Köck. David tritt durch die Mitte ein.

David (zufrieden und höhnisch lächelnd, wie durch die ganze Scene). Guten Morgen.

Köck. Schönen Dank.

David. Der Herr Hauptmann nicht zu Hause?

Köck. Wie sollte er nicht? Er liegt noch im Bette, da muß er doch wohl zu Hause sein.

David. Noch im Bette? Ja, ja, die liebe Morgenstunde ist auch aus der Mode gekommen. Aber, wie's Sprichwort sagt: Morgenstund' bringt Gulden, Abendstund' macht Schulden. Hehe!

Köck. Na, Sie werden unsere Schulden nicht bezahlen.

David. Nein, wahrhaftig nicht, und ich denke, niemand aus unserm Hause wird sie bezahlen. Ein schönes Compliment von der Frau Commerzienräthin, und hier schickt sie ein Billet an den Herrn Hauptmann von Dürrfeld. (Er giebt Köck ein Billet.) Von Dürrfeld – ja, ja – es wird wohl auch beim dürren Felde bleiben. Hehehe!

Köck. Was wollen Sie mit dem dürren Felde?

David. Das wird der Herr von Dürrfeld schon im Briefe finden. Na, wohl bekomme es! Ihnen will ich einen guten Rath geben. Bleiben Sie heute Ihrem Herrn drei Schritte vom Leibe: es könnte Ihnen sonst gehen wie Einem, der eine Ohrfeige kriegt. Nun Adje. (Will gehen.)

Köck (ihn haltend). Nein, warten Sie noch ein bißchen, David: ich will Sie um was fragen.

David. Nun, so fragen Sie geschwind: ich muß fort.

Köck. Haben Sie gestern Abend gesehen, daß unter dem 43 Thorwege drunten ein Mädchen einer Mannsperson um den Hals gefallen ist?

David (bei Seite). Aha! die Guste hat schon rapportirt, daß ich sie belauert habe. (Zu Köck.) Ja, das habe ich gesehen,

Köck. Haben Sie wohl die Mannsperson erkannt?

David. O recht gut habe ich sie erkannt.

Köck. Na, nicht wahr, ich bin es gewesen?

David (bei Seite). Oho! das ist verabredet: der arme Bursche soll es nun auf sich nehmen. (Zu Köck.) Ich sehe, Sie sind ein treuer Diener Ihres Herrn; das ist löblich, aber es muß nicht zu weit gehen: seines Herrn Sündenbock muß man nicht sein. Es hilft auch hier nichts: denn ich habe noch gute Augen, und habe recht wohl gesehen, daß es der feine Herr Hauptmann war, dem die Guste um den Hals fiel. Also geben Sie sich hier weiter keine Mühe. Adje. (Er geht ab.)

 
Dritter Auftritt.

Köck allein

Köck (nach einer Pause der Verblüffung). Schlagt mich lieber gleich todt; es ist alles einerlei. Die Guste ist dem Herrn um den Hals gefallen! O! diese Creatur! Habe ich denn jemals meinen Hals weggezogen, wenn sie drum fallen wollte? Warum sucht sie nun einen andern. Sage mir nur Einer warum. Und der Herr macht seinem Burschen das Mädchen abspenstig, o pfui! (Indem er hastig hin und her geht, verliert er das Billet, das David gebracht.) Wäre es nur ein Anderer, ich wollte ihm zeigen, daß ich das Schmiedehandwerk gelernt habe. – Aber schlafen soll er auch nicht mehr. (Er eilt zu der Seitenthüre rechts und schlägt mit geballten Fäusten daran.) Herr Hauptmann! Herr Hauptmann! (Man hört drinnen eine Stimme »Ja« rufen, er verläßt die Thüre.) O, ich möchte alles hier in Granatstücke zerschlagen. Aber es geht nicht: ich muß mein Unglück verschlucken. (Er kehrt sich so, daß ihm das Töpfchen wieder in die Augen fällt.) Nein, Sapperment! ich kriege es nicht hinunter. Das Töpfchen schnürt mir die Kehle zu. Also ihm hat sie das Bratenschmalz gegeben! (Weinend.) O, und ich habe sie so herzlich und schmerzlich geliebt und einem Andern schenkt sie das Bratenschmalz! – – o! – o! – o!! 44

 
Vierter Auftritt.

Köck. Dürrfeld, im Schlafrock, kommt aus der rechten Seitenthüre.

Dürrfeld. Bist du toll, Bursche, daß du an die Thüre hämmerst, als wäre Feuer im Hause?

Köck (für sich). Ich wollte, ich könnte auf was Anderes hämmern. (Zu dem Töpfchen sprechend.) Ach! du armer brauner Narr, bist du so niederträchtig in fremde Hände gekommen? Meiner Seele, wenn du ein Herz im Leibe hättest, es würde dir zu Herzen gehen wie mir.

Dürrfeld (der sich unterdessen an den Tisch gesetzt und Kaffee eingeschenkt hat.) Donnerwetter! Der Kaffee ist kalt.

Köck (nicht zu laut). Donnerwetter! das Bratenschmalz ist auch kalt.

Dürrfeld. Bursche! was soll das Donnerwetter – und wie kommen Kaffee und Bratenschmalz zusammen?

Köck. Berg und Thal kommen nicht zusammen, aber wohl der Menschen Kinder. Schöne Kinder das! Ich wollte der Blitz hätte zwischen sie geschlagen, da sie zusammen gekommen sind, und sie wären zerschmolzen sammt dem Bratenschmalz!

Dürrfeld. Was Teufel willst du mit deinem Bratenschmalz? Hast du schon so ausdauernd gefrühstückt?

Köck. Gefrühstückt? Wo wäre mir ein Frühstück hergekommen? ich müßte denn meine Thränen verschluckt und meinen Ingrimm dazu verbissen haben.

Dürrfeld (lachend). Ingrimm? Ei, laß mich doch hören, wie du zum Ingrimm kommst.

Köck. I ja, lachen kann ein jeder; aber so ein Soldatenleben ist doch wahrhaftig kein Prinzenleben; das Commißbrot ist in seinem besten Wachsthume stehen geblieben; und wenn Einem der Himmel einmal Kartoffeln mit Bratenschmalz bescheeren will, so kommt ein Anderer, der es nicht braucht, und schnappt es Einem weg. Und dann soll man auch noch mit Nachdruck exercieren. Wenn Einem nicht einmal ein Töpfchen –

Dürrfeld. Töpfchen? Wetter! nun geht mir ein Licht auf. (Er sieht auf.) Köck! du hast eine Liebschaft im Hause der Commerzienräthin. 45

Köck (bei Seite). Hole der Guckuk alle Liebschaften! (Laut.) Nein!

Dürrfeld. Nun, ich dachte, ein Töpfchen Schmalz und ein Zehnpfennigstück, die ich gestern dort im Dunkeln von einem Mädchen bekam, ich dachte, sie gehörten dir.

Köck. Je nun, deßwegen könnten sie mir immer gehören.

Dürrfeld. Wenn du keine Liebschaft dort hast – nein!

Köck. Herr Hauptmann! Als wenn Sie nicht wüßten, daß die Köchin, die Guste, meine Liebste gewesen ist. Aber hole sie der Geier! Und Sie – das ist auch nicht recht von Ihnen, daß Sie einem treuen Burschen das Mädchen wegfischen.

Dürrfeld (laut lachend). Hahaha!

Köck. Der David hat alles mit angesehen, und hat mir es jetzt eben erzählt.

Dürrfeld. Alle Hagel! David? Was wollte er hier?

Köck. I nun, er brachte da den Brief von seiner Frau. (Er hebt das Billet auf.)

Dürrfeld. Und den wirfst du auf die Erde, Schlingel? (Er erbricht hastig das Billet und liest:) »Sie hatten mir gestern Abend einen Besuch zugedacht, sind aber nur bis unter meinen Thorweg gekommen. Was müssen Sie denn unter dem Thorwege gefunden haben, das mich um diese Ehre gebracht hat? Ich wünsche es recht bald von Ihnen selbst zu hören: gewiß, ich wünsche es; denn es sollte mir leid thun, wenn ich mich nicht mehr nennen könnte Ihre ergebene Zirbel.« Kreuzbataillon! Köck! schnell anziehen. Ich muß hin. Du folgst mir und nimmst das verfluchte Töpfchen mit. Schnell! schnell! (Er geht hastig zur Rechten ab.)

Köck (indem er das Töpfchen nimmt, ihm nachrufend). Und der Nickel, Herr Hauptmann! der Nickel. (Er läuft ihm nach.)

Verwandlung.

Scene: Die Wohnung der Commerzienräthin, ein Zimmer, elegant möblirt.

Fünfter Auftritt.

Die Räthin kommt von der Linken. Guste folgt.

Räthin. Viel zu theuer, sage ich, viel zu theuer.

Guste. Aber Frau Räthin – 46

Räthin. Viel zu theuer, um die Hälfte zu theuer.

Guste. Es ist eine junge Gans: eine alte kann man freilich wohlfeiler haben.

Räthin. Eine alte? Seht mir doch! Was wollen Sie mit Ihrer alten?

Guste. Je nun, ich will nur sagen, eine alte ist doch schlechter –

Räthin. Schlechter? Seien Sie nicht naseweis. Es ist einerlei.

Guste. Aber alle Welt hat doch die Jungen lieber als die Alten.

Räthin. Alle Welt? Kein Mann von Ehre und Verstand. Sie bilden sich wohl wer weiß was auf Ihr bißchen Jugend ein?

Guste. Auf mein bißchen Jugend? I Herr Je, Frau Räthin, wir reden ja nicht von uns, sondern von den Gänsen.

Räthin. Es ist einerlei. Gehen Sie! gehen Sie!

Guste. Aber Frau Räthin, was habe ich Ihnen denn gethan? Ich habe Sie ja in meinem Leben nicht so gesehen.

Räthin. Ich wollte, ich hätte Sie in meinem Leben weder so noch so gesehen. Gehen Sie! gehen Sie!

Guste (für sich). Sie ist heute mit dem unrechten Fuße aus dem Bette gestiegen. (Sie geht durch die Mitte ab.)

 
Sechster Auftritt.

Räthin allein.

Räthin. Ich glaube es nicht von dem Hauptmann; es ist gar nicht möglich; aber ihr traue ich es zu; und darum traue ich es auch dem Hauptmann zu. Und warum sollte ich nicht? Ist den Männern die Treulosigkeit nicht angeboren. Man müßte wenigstens einen Achtziger nehmen; das will man doch nicht der Leute wegen und dann schützt am Ende doch Alter vor Thorheit nicht.

 
Siebenter Auftritt.

Räthin. David kommt.

Räthin. Endlich, David! Hast du das Billet abgegeben? Wie?

David. Ja, Frau Räthin; aber der Hauptmann schlief noch. 47

Räthin. Hast du ihn wecken lassen? Hast du?

David. Beileibe! Es träumte ihm vielleicht von seiner herzallerliebsten Guste: da hätte ich ihn ja gestört.

Räthin. Wie albern. Du weißt doch, daß ich auf ihn warte.

David. Nein, Frau Räthin, davon weiß ich kein Wort. Ich dachte, Sie hätten ihm geschrieben, er sollte keinen Fuß mehr in Ihr Haus setzen.

Räthin. Soll ich ihn ungehört verdammen? Das wäre sehr unbillig, David, sehr unchristlich.

David. Ei was: ich halte auch auf Christenthum; aber hier ist es nicht angebracht. Was werden Sie denn hören? Lügen, Frau Räthin, nichts als Lügen. Sie haben sich schon verabredet – – das weiß ich. Es wird heißen, der Bursche sei es gewesen und nicht der Herr Hauptmann, und ich hätte mich geirrt.

Räthin. Das wäre doch gar nicht unmöglich, David; das ist sehr möglich: irren ist menschlich.

David. Ich kann einen Eid darauf ablegen, und wenn ich keinen Eid darauf ablegen könnte, so würde ich es Ihnen nicht gesagt haben. Das thut kein treuer Diener; und ich habe Ihrem seligen Herrn Vater fünf und zwanzig Jahre treu gedient.

Räthin. Schon gut, David, ich weiß es ja.

David. Ich bin mit Ihnen hierher in die Fremde gezogen, und diene Ihnen treulich schon an die sechs und zwanzig Jahre; ja ich kann sagen, von der Stunde an, wo Sie geboren worden –

Räthin. Pfui doch, David, pfui doch!

David. Ei wie so? Geboren müssen wir Alle werden und sich deßwegen zu schämen, das ist eine übertriebene Schamhaftigkeit.

Räthin. David, du weißt! daß ich viel auf dich halte; aber lasse dir es nochmals gesagt sein: wenn du mit jemanden von meiner Geburt, meiner Jugend oder dergleichen sprichst, so sind wir geschiedene Leute.

David (im Abgehen). Curiose Welt, die sich schämt, wo es nicht nöthig ist. (Ab durch die Mitte.) 48

 
Achter Auftritt.

Räthin allein.

Räthin. Wäre ich nicht so sehr an den Alten gewöhnt, ich schaffte ihn fort: er ist der einzige Mensch hier, der genau weiß, wie alt ich bin. Das Kirchenbuch, wo ich eingeschrieben war, ist Gott sei Dank! verbrannt. – Der Hauptmann kommt noch nicht. Er scheint nicht Eile zu haben, sich bei mir zu rechtfertigen. Wenn es wahr ist, so soll er nicht mehr über meine Schwelle. Aber lieber Himmel! was hilft es? Einen Verräther läßt man laufen, und den andern bekommt man wieder.

 
Neunter Auftritt.

Die Räthin. Dürrfeld tritt durch die Mitte ein.

Dürrfeld (ihr die Hand küssend). Wohl geschlafen, verehrte Frau?

Räthin (gezwungen). Guten Morgen, Herr Hauptmann.

Dürrfeld. Sie haben mir die Ehre erzeigt, mir zu schreiben, und wünschen zu wissen –

Räthin. Neugierde, Herr Hauptmann, bloße Neugierde. Man soll uns Frauen doch nicht umsonst Neugierde vorwerfen.

Dürrfeld. Ich glaubte, es wäre ernstlicher gemeint, und ich würde es natürlich finden –

Räthin. Freilich. Es hat sich unter meinem Gesinde eine Klatscherei verbreitet – wenn man dergleichen nicht im Anfange erstickt, spricht es sich weiter, und bei dem freundschaftlichen Verhältnis, in dem wir stehen, und das Sie sogar noch freundschaftlicher wünschen – muß ich, bloß der Leute wegen, allerdings wünschen –

Dürrfeld. Ich billige vollkommen Ihren Wunsch; er ist mir schmeichelhaft als ein Beweis Ihrer gütigen Gesinnung gegen mich. Es wird mir leicht werden, Sie zu überzeugen – –

Räthin. O, ich bin überzeugt – Glauben Sie etwa, ich bin nicht überzeugt? – Sie denken doch wohl nicht, ich glaubte –?

Dürrfeld. Durchaus nicht, verehrte Frau, durchaus nicht; aber Sie müssen Gewißheit haben – 49

Räthin. Ja – freilich – allerdings –

Dürrfeld. Es ist doch hier die Rede von dem Abenteuer, das mir gestern unter Ihrem Thorwege begegnet ist.

Räthin. Also doch ein Abenteuer. Herr Hauptmann, ich bin keine Freundin von Abenteuern.

Dürrfeld. Sie werden einen Zufall nicht auf meine Rechnung –

Räthin. Was Zufall? Die Abenteuer laufen nicht auf der Straße herum, daß sie Einem begegnen könnten.

Dürrfeld Verehrteste Freundin, Sie sollen völlig genügende Auskunft erhalten: erlauben Sie mir nur, meinen Burschen eintreten zu lassen.

Räthin. Sehr wohl! (Sie geht an die Mittelthüre und spricht hinaus.) David, rufe die Köchin und den Burschen des Herrn Hauptmanns und komme mit beiden hierher. (Sie kehrt zurück.) Wir wollen sehen.

Dürrfeld. Gewiß, Sie werden sehen, wie ungerecht Ihr Verdacht ist.

Räthin. Mein Verdacht? Wer in aller Welt sagt Ihnen, daß ich Verdacht hege? Warum sollte ich denn? Was gehen mich am Ende Ihre Abenteuer an, Herr Hauptmann? Ich muß Sie dann nur bitten – –

Dürrfeld. O reden Sie nicht aus, theuerste Freundin! Was Sie jetzt sagen wollten, kommt nicht aus Ihrem gütigen Herzen. (Er küßt ihr halb mit Gewalt die Hand.)

 
Zehnter Auftritt.

Räthin. Dürrfeld. David, Köck und Guste treten ein.

David. Da sind wir, Frau Räthin.

Räthin. Gut. Nun, Herr Hauptmann, wollen Sie uns jetzt Ihre spaßhafte Geschichte hören lassen?

Dürrfeld. Der Platzregen gestern Abend nöthigte mich unter Ihrem Thorwege Schutz zu suchen. Kaum stand ich einen Moment da, so kam ein Mädchen die Treppe herab gesprungen, fiel mir um den Hals, steckte mir, ehe ich es verhindern konnte, (er nimmt das Töpfchen von Köck) dieses Töpfchen und ein Zehnpfennigstück in die Manteltasche, entschuldigte sich mit Eile, und verschwand.

David. Das war hier unsere Guste. 50

Guste. Ich? O Sie abscheulicher Verleumder! Wie käme ich dazu? Ich bin wahrhaftig nicht die Person, die den Mannsleuten die Taschen füllt.

David. Es ist ihr Töpfchen: ich habe es bei ihr gesehen.

Guste. Ach, Sie grundschlechter Mensch! Ein Töpfchen sieht dem andern ähnlich, wie ein Mädchen dem andern, und es sind fünf Mädchen hier im Hause; warum soll denn ich es gerade gewesen sein? Aber Gott sei Dank! meine Herrschaft kennt mich besser.

Räthin. Herr Hauptmann, haben Sie das Mädchen erkannt?

Dürrfeld. Leider nein: ich sehe sie jetzt, als wäre es zum ersten Male.

David. Aber ich habe sie erkannt, mit diesen meinen Augen –

Guste. Mit Ihren Maulwurfsaugen.

Dürrfeld. Und hier mein ehrlicher Köck hat mir gestanden, daß diese Geschenke für ihn bestimmt gewesen sind, daß er und dieses Mädchen einander gut sind und sich heirathen wollen. War es nicht so, Köck?

Köck. Ja, freilich! gestern war es noch so.

Guste. Eine Militärverschwörung gegen mich armes, unschuldiges Mädchen? Frau Räthin, glauben Sie ja kein Wort!

David (heimlich zur Räthin). Was habe ich gesagt, Frau Räthin? Verabredet.

Räthin. Herr Hauptmann, Ihre Geschichte ist sehr lustig und sinnreich! Schade nur, daß sie nicht wahrscheinlicher ist.

Dürrfeld. Wie? Sie zweifeln?

Räthin. O nein. Ich glaube gar nichts.

Guste (zugleich mit David). Gott vergelte es Ihnen.

David (zugleich mit Guste). Recht, Frau Räthin.

Räthin. Das Mädchen müßte Sie also mit Ihrem Burschen verwechselt haben: wie wäre das möglich?

Dürrfeld. Sehr möglich. Dunkel war es; ich trug Mantel und Mütze, er auch. Nicht so?

Köck. Ja freilich

Räthin. Natürlich! Der Bursche wird doch wissen, was ihm der Herr in den Mund gelegt hat. 51

Köck. Nein, Frau Räthin. Mein Herr ist nicht der Mann, der Einem was in den Mund legt. Und wenn Sie etwa denken, ich rede ihm zu Gefallen, da irren Sie sich auch.

Dürrfeld. Still, Köck, still! Erlauben Sie, verehrte Frau, daß ich erst diese Lügnerin überführe und dann wird sich alles Andere finden. Die unbekannte Geberin bestellte mich auf heute Abend wieder, weil es heute bei ihrer Herrschaft Gänsebraten gäbe. Ist dieß der Fall bei Ihnen?

Räthin. Allerdings, Gänsebraten.

Dürrfeld. Nun, wie könnte ich es wissen, wenn es mir nicht jemand gesagt hätte? Und wer hätte es mir sagen können, als Ihre Köchin?

David. Hehe, was sagen Sie dazu, Guste?

Guste. Ach, es ist schrecklich, daß ein Officier ein armes Mädchen mit Gewalt in's Unglück bringen will. Der Herr Hauptmann hat mich gewiß mit der Gans gehen sehen, denn ich bin bei seinem Hause vorbei gegangen; und nun kann er leicht wissen, daß wir heute Gänsebraten haben.

Dürrfeld. Das ist nicht wahr.

Räthin. Könnte aber doch wahr sein.

Dürrfeld (böse). Alle Wetter! – –

Räthin. Herr Hauptmann, meine Nerven sind zu schwach, um alle Wetter zu vertragen. Guste, zum letztenmale – Gestehen Sie die Wahrheit! es soll nicht Ihr Schaden sein!

Guste Aber Frau Räthin, ich kann nicht, und wenn Sie mich todt schlagen, ich kann nicht: denn ich weiß von nichts.

Köck. Pfui, Gustel, das ist nicht hübsch von dir, daß du unsere ehrliche Liebe so vor den Leuten verläugnest.

Guste. Schweigen Sie still! Was gehen Sie mich an?

.Köck. Sie? Nun soll ja gleich der Guckuk alle Weiber holen. Hundert tausendmal bin ich dein lieber Junge gewesen, und nun bin ich ein Sie? Du Halsfallerin, denkst du, ich mache mir so viel aus dir? Nein, wahrhaftig! da ist mir die Kellerjettel zehnmal lieber, wenn sie auch rothe Haare hat; sie ist zehnmal hübscher als du und zehnmal weißer.

Guste. Weißer? O du abscheulicher Grobschmied, willst du von Weißheit reden? Jetzt packe dich zu deinem 52 Rothkopf, aber mir komme nicht wieder! Und wenn du vor meinen sichtigen Augen verhungerst, keinen Knochen sollst du mehr von mir haben, nur die Ohrfeigen, die ich dir gestern Abend schuldig geblieben bin.

Dürrfeld und David. Haha! verrathen

Räthin. Also doch, Guste –

Guste. Ach, Frau Räthin, verzeihen Sie mir! Sie wissen ja wohl selbst, wenn man auch noch so rechtschaffen liebt, man will es doch nicht vor den Leuten –

Räthin. Sie hat recht. Es ist also, wie der Herr Hauptmann sagt?

Guste. Ach ja, es wird wohl so herauskommen.

Räthin (zu Köck). Sie sind ein Schmied, wie ich höre. Ich will Ihnen behülflich sein, daß Sie eine Schmiede pachten können, sobald Sie Ihre Zeit abgedient haben.

Köck (ihr die Hand küssend). Ach gnädige Frau Räthin!

Räthin. Aber mit der Bedingung, daß Sie Ihre Liebste hier sogleich heirathen.

.Köck. I, auf der Stelle. (Er geht zu Gusten.) Na, Gustel, wegen des Rothkopfs war es nur so ein Spaß. Aber wenn du mir im Finstern um den Hals fallen willst, mußt du immer erst anrufen; Wer da? Versprichst du mir das?

Guste (die dargebotene Hand fassend). Ja doch, du Narr.

Dürrfeld. Sie sehen, verehrte und gütige Frau – – –

Räthin. Ich sehe, theurer Freund, daß ich Ihnen Genugthuung schuldig bin. Hier ist sie. (Sie reicht ihm die Hand.) Ich hoffe, Sie verstehen mich.

Dürrfeld. Wer sollte einen Engel nicht verstehen, der zu ihm sagt: Sei glücklich. Hätten wir gedacht, daß der gestrige Platzregen ein Eheprokurator wäre und zwei glückliche Paare machen würde?

Köck. Ja wohl, Herr Hauptmann! Der Himmel schicke allen Verliebten so eine Pelzwäsche.

 

Ende.

 


 << zurück