Jean Racine
Phaedra
Jean Racine

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Fünfter Aufzug.

Erster Auftritt.

Hippolyt. Aricia. Ismene.

Aricia. Du schweigst in dieser äußersten Gefahr?
Du lässest einen Vater, der dich liebt,
In seinem Wahn. O wenn dich meine Thränen
Nicht rühren, Grausamer! Wenn du so leicht
Dich drein ergibst, mich ewig zu verlieren,
Geh hin, verlaß mich, trenne dich von mir,
Doch sichre wenigstens zuvor dein Leben!
Vertheid'ge deine Ehre! Reinige dich
Von einem schändlichen Verdacht! Erzwinge
Von deinem Vater, seinen blut'gen Wunsch
Zu widerrufen! Noch ist's Zeit. Warum
Das Feld frei lassen deiner blut'gen Feindin?
Verständige den Theseus!

Hippolyt.                                   Hab' ich's nicht
Gethan? Sollt ich die Schande seines Bettes
Enthüllen ohne Schonung und die Stirn
Des Vaters mit unwürd'ger Röthe färben?
Du allein durchdrangst das gräßliche Geheimniß!
Dir und den Göttern nur kann ich mich öffnen.
Dir konnt' ich nicht verbergen, was ich gern
Mir selbst verbarg – Urtheil', ob ich dich liebe!
Jedoch bedenke, unter welchem Siegel
Ich dir's vertraut! Vergiß, wenn's möglich ist,
Was ich gesagt, und deine reinen Lippen
Beflecke nie die gräßliche Geschichte!
Laß uns der Götter Billigkeit vertrauen;
Ihr eigner Vortheil ist's, mir Recht zu schaffen,
Und früher oder später, sei gewiß,
Wird Phädra schmachvoll ihr Verbrechen büßen.
Hierin allein leg' ich dir Schonung auf.
Frei folg' ich meinem Zorn in allem Andern.
Verlaß die Knechtschaft, unter der du seufzest!
Wag's, mir zu folgen, theile meine Flucht!
Entreiß dich diesem unglücksel'gen Ort,
Wo die Unschuld eine schwere Giftluft athmet!
Jetzt, da mein Unfall allgemeinen Schrecken
Verbreitet, kannst du unbemerkt entkommen.
Die Mittel geb' ich dir zur Flucht; du hast
Bis jetzt noch keine Wächter als die meinen.
Uns stehen mächtige Beschützer bei,
Argos und Sparta reichen uns den Arm;
Komm! Bieten wir für unsre gute Sache
Die Hilfe deiner, meiner Freunde auf!
Ertragen wir es nicht, daß Phädra sich
Bereichere mit den Trümmern unsers Glücks,
Aus unserm Erb' uns treibe, dich und mich,
Und ihren Sohn mit unserm Raube schmücke!
Komm, eilen wir! Der Augenblick ist günstig.
– Was fürchtest du? Du scheinst dich zu bedenken.
Dein Vortheil ja macht einzig mich so kühn,
Und lauter Eis bist du, da ich voll Gluth?
Du fürchtest, dich dem Flüchtling zu gesellen?

Aricia. O schönes Loos, mich so verbannt zu sehn!
Geknüpft an dein Geschick, wie selig froh
Wollt' ich von aller Welt vergessen leben!
Doch da so schönes Band uns nicht vereint,
Erlaubt's die Ehre mir, mit dir zu fliehn?
Aus deines Vaters Macht kann ich mich wohl
Befrein, der strengsten Ehre unbeschadet.
Das heißt sich lieben Freunden nicht entreißen;
Flucht ist erlaubt, wenn man Tyrannen flieht.
Doch, Herr – du liebst mich – Furcht für meine Ehre –

Hippolyt. Nein, nein, zu heilig ist mir deine Ehre!
Mit edlerem Entschlusse kam ich her.
Flieh deinen Feind und folge deinem Gatten!
Frei macht uns unser Unglück, wir sind Niemands,
Frei können wir jetzt Herz und Hand verschenken,
Die Fackeln sind's nicht, die den Hymen weihen.
Unfern dem Thor Trözens, bei jenen Gräbern,
Wo meiner Ahnherrn alte Male sind,
Stellt sich ein Tempel dar, furchtbar dem Meineid.
Hier wagt man keinen falschen Schwur zu thun,
Denn schnell auf das Verbrechen folgt die Rache;
Das Graun des unvermeidlichen Geschicks
Hält unter fürchterlichem Zaum die Lüge.
Dort laß uns hingehn und den heil'gen Bund
Der ewigen Liebe feierlich geloben!
Den Gott, der dort verehrt wird, nehmen wir
Zum Zeugen; Beide flehen wir ihn an,
Daß er an Vaters Statt uns möge sein.
Die heiligsten Gottheiten ruf' ich an,
Die keusche Diane, die erhabne Juno,
Sie alle, die mein liebend Herz erkannt,
Sie ruf' ich an zu meines Schwures Bürgen!

Aricia. Der König kommt. O fliehe eilends, fliehe!
Um meine Flucht zu bergen, weil' ich noch.
Geh, geh, und laß mir einen treuen Freund,
Der meinen bangen Schritt zu dir geleite. (Hippolyt geht ab.)

 
Zweiter Auftritt.

Theseus. Aricia. Ismene.

Theseus (im Eintreten für sich).
Ihr Götter, schafft mir Licht in meinem Zweifel,
Deckt mir die Wahrheit auf, die ich hier suche!

Aricia (zu Ismenen).
Halt' alles zu der Flucht bereit, Ismene! (Ismene geht ab.)

 
Dritter Auftritt.

Theseus. Aricia.

Theseus. Du entfärbst dich, Königin? Du scheinst erschrocken!
Was wollte Hippolyt an diesem Ort?

Aricia. Er sagte mir ein ewig Lebewohl.

Theseus. Du wußtest dieses stolze Herz zu rühren,
Und deine Schönheit lehrte ihn die Liebe.

Aricia. Wahr ist's, o Herr, den ungerechten Haß
Hat er von seinem Vater nicht geerbt,
Hat mich nicht als Verbrecherin behandelt.

Theseus. Ja, ja, ich weiß. Er schwur dir ew'ge Liebe;
Doch baue nicht auf dieses falsche Herz,
Auch Andern schwur er eben das.

Aricia.                                                   Er that es?

Theseus. Du hättest ihn beständ'ger machen sollen!
Wie ertrugst du diese gräßliche Gemeinschaft?

Aricia. Und wie erträgst du, daß die gräßliche
Beschuldigung das schönste Leben schmäht?
Kennst du sein Herz so wenig? kannst du Schuld
Von Unschuld denn so gar nicht unterscheiden?
Muß ein verhaßter Nebel deinem Aug
Allein die hohe Reinigkeit verbergen,
Die hell in Aller Augen strahlt? Du hast
Zu lang ihn falschen Zungen preisgegeben.
Geh in dich, Herr! Bereue, widerrufe
Die blut'gen Wünsche! Fürchte, daß der Himmel
So sehr dich hasse, um sie zu gewähren!
Oft nimmt er unser Opfer an im Zorn
Und straft durch seine Gaben unsre Frevel.

Theseus. Nein, nein, umsonst bedeckst du sein Vergehn!
Dich blendet Liebe zu dem Undankbaren.
Ich halte mich an zuverläss'ge Zeugen,
Ich habe wahre Thränen fließen sehn.

Aricia. Gib Acht, o Herr! Unzähl'ge Ungeheuer
Vertilgte deine tapfre Hand, doch alles
Ist nicht vertilgt, und leben ließest du
Noch eins – dein Sohn verwehrt mir fortzufahren.
Des Vaters Ehre, weiß ich, ist ihm heilig;
Ich würd' ihm weh thun, wenn ich endete.
Nacheifr' ich seiner edeln Scham und flieh'
Aus deinen Augen, um nicht mehr zu sagen. (Sie geht ab.)

 
Vierter Auftritt.

Theseus allein.

Was kann sie meinen? Was verhüllen mir
Die halben Worte, die man nie vollendet?
Will man mich hintergehn? Verstehn sich Beide
Zusammen, mich zu ängstigen? – Doch ich selbst?
Trotz meines schweren Zornes, welche Stimme
Des Jammers ruft in meiner tiefsten Seele?
Ein heimlich Mitleid rührt mich wunderbar.
Zum zweiten Mal laßt uns Oenonen fragen,
Den ganzen Frevel will ich hell durchschauen. (Zu der Wache.)
Oenone komme vor mich und allein!

 
Fünfter Auftritt.

Theseus. Panope.

Panope. Ich weiß nicht, Herr, worauf die Fürstin sinnt,
Doch ihre Schwermuth läßt mich alles fürchten.
In ihren Zügen malt sich die Verzweiflung,
Und Todesblässe deckt ihr Angesicht.
Schon hat Oenone sich, die sie mit Schmach
Verstieß, ins tiefe Meer hinabgestürzt.
Man weiß den Grund nicht der Verzweiflungstat;
Vor unserm Aug verschlangen sie die Wellen.

Theseus. Was hör' ich!

Panope.                         Ihr Tod hat Phädra nicht beruhigt,
Ja, steigend immer mehrt sich ihre Angst.
Bald stürzt sie sich im heftigen Gefühl
Auf ihre Kinder, badet sie in Thränen,
Als brächt' es Lindrung ihrem großen Schmerz,
Und plötzlich stößt sie sie mit Grauen weit
Von sich, das Herz der Mutter ganz verleugnend.
Sie schweift umher mit ungewissem Schritt,
Ihr irrer Blick scheint uns nicht mehr zu kennen;
Dreimal hat sie geschrieben, dreimal wieder
Den Brief zerrissen, ihre Meinung ändernd.
O eile, sie zu sehen! sie zu retten!

Theseus. Oenone todt, und Phädra stirbt! Ihr Götter!
– Ruft meinen Sohn zurück! Er komme, spreche,
Vertheid'ge sich! Ich will ihn hören! Eilt! (Panope geht ab).
O nicht zu rasch, Neptun, erzeige mir
Den blut'gen Dienst! Magst du mich lieber nie erhören!
Zu viel vielleicht vertraut' ich falschen Zeugen,
Zu rasch hab' ich die Hand zu dir erhoben!
Weh mir! Verzweiflung hätt' ich mir erfleht!

 
Sechster Auftritt.

Theseus. Theramen.

Theseus. Bist du es, Theramen? Wo bleibt mein Sohn?
Dir hab' ich ihn als zartes Kind vertraut!
Doch was bedeuten diese Thränen, sprich,
Die ich dich weinen sehe? – Was macht mein Sohn?

Theramen. O allzu späte überflüss'ge Sorgfalt!
Fruchtlose Vaterliebe! Hippolyt
– Ist nicht mehr!

Theseus.                   Götter!

Theramen.                             Sterben sah ich ihn,
Den holdesten der Sterblichen und auch
Den mindest schuldigen, ich darf es sagen!

Theseus. Mein Sohn ist todt! Weh mir! Jetzt, da ich ihm
Die Arme öffnen will, beschleunigen
Die Götter ungeduldig sein Verderben!
Welch Unglück hat ihn, welcher Blitz entrafft?

Theramen. Kaum sahen wir Trözene hinter uns,
Er war auf seinem Wagen, um ihn her
Still, wie er selbst, die trauernden Begleiter.
Tief in sich selbst gekehrt, folgt' er der Straße,
Die nach Mycenä führt, die schlaffen Zügel
Nachlässig seinen Pferden überlassend.
Die stolzen Thiere, die man seinem Rufe
Mit edler Hitze sonst gehorchen sah,
Sie schienen jetzt, starr blickend und das Haupt
Gesenkt, in seine Schwermuth einzustimmen.
Plötzlich zerriß ein schreckenvoller Schrei,
Der aus dem Meer aufstieg, der Lüfte Stille,
Und schwer aufseufzend aus der Erde Schooß
Antwortet eine fürchterliche Stimme
Dem grausenvollen Schrei. Es trat uns allen
Eiskalt bis an das Herz hinan; aufhorchten
Die Rosse, und es sträubt' sich ihre Mähne.
Indem erhebt sich aus der flüss'gen Ebne
Mit großem Wallen hoch ein Wasserberg,
Die Woge naht sich, öffnet sich und speit
Vor unsern Augen, unter Fluthen Schaums,
Ein wüthend Unthier aus. Furchtbare Hörner
Bewaffnen seine breite Stirne; ganz
Bedeckt mit gelben Schuppen ist sein Leib;
Ein grimm'ger Stier, ein wilder Drache ist's,
In Schlangenwindungen krümmt sich sein Rücken.
Sein hohles Brüllen macht das Ufer zittern,
Das Scheusal sieht der Himmel mit Entsetzen,
Auf bebt die Erde, weit verpestet ist
Von seinem Hauch die Luft, die Woge selbst,
Die es heran trug, springt zurück mit Grausen.

Alles entflieht und sucht, weil Gegenwehr
Umsonst, im nächsten Tempel sich zu retten.
Nur Hippolyt, ein würd'ger Heldensohn,
Hält seine Pferde an, faßt sein Geschoß,
Zielt auf das Unthier, und aus sichrer Hand
Den mächt'gen Wurfspieß schleudernd, schlägt er ihm
Tief in den Weichen eine weite Wunde.
Auf springt das Ungethüm vor Wuth und Schmerz,
Stürzt vor den Pferden brüllend hin, wälzt sich
Und gähnt sie an mit weitem flammenden Rachen,
Der Rauch und Blut und Feuer auf sie speit.
Sie rennen scheu davon, nicht mehr dem Ruf
Der Stimme, nicht dem Zügel mehr gehorchend.
Umsonst strengt sich der Führer an; sie röthen
Mit blut'gem Geifer das Gebiß; man will
Sogar in dieser schrecklichen Verwirrung
Einen Gott gesehen haben, der den Stachel
In ihre staubbedeckten Lenden schlug.
Quer durch die Felsen reißt die Furcht sie hin,
Die Achse kracht, sie bricht; dein kühner Sohn
Sieht seinen Wagen morsch in Stücken fliegen,
Er selbst stürzt und verwirrt sich in den Zügeln.
– O Herr, verzeihe meinen Schmerz! Was ich
Jetzt sah, wird ew'ge Thränen mir entlocken.
Ich sahe deinen heldenmüth'gen Sohn,
Sah ihn geschleift, o Herr, von diesen Rossen,
Die er gefüttert mit der eignen Hand.
Er will sie stehen machen; seine Stimme
Erschreckt sie nur; sie rennen nm so mehr.
Bald ist sein ganzer Leib nur eine Wunde.
Die Ebne hallt von unserm Klaggeschrei;
Ihr wüthend Ungestüm läßt endlich nach,
Sie halten still, unfern den alten Gräbern,
Wo seine königlichen Ahnen ruhn.
Ich eile seufzend hin, die Andern folgen,
Der Spur nachgehend seines edeln Bluts;
Die Felsen sind davon gefärbt; es tragen
Die Dornen seiner Haare blut'gen Raub.
Ich lange bei ihm an, ruf' ihn mit Namen;
Er streckt mir seine Hand entgegen, öffnet
Ein sterbend Aug und schließt es alsbald wieder:
»Der Himmel,« spricht er, »entreißt mir mit Gewalt
Ein schuldlos Leben. O, wenn ich dahin,
Nimm, theurer Freund, der ganz verlassenen
Aricia dich an! – Und kommt dereinst
Mein Vater zur Erkenntniß, jammert er
Um seinen fälschlich angeklagten Sohn,
Sag' ihm, um meinen Schatten zu versöhnen,
Mög' er an der Gefangnen gütig handeln,
Ihr wiedergeben, was –« Hier hauchte er
Die Heldenseele aus; in meinen Armen
Blieb ein entstellter Leichnam nur zurück,
Ein traurig Denkmal von der Götter Zorn.
Unkenntlich selbst für eines Vaters Auge!

Theseus. O süße Hoffnung, die ich selbst mir raubte!
Mein Sohn! mein Sohn! Ihr unerweichten Götter.
Mir habt ihr nur zu gut gedient! – Mein Leben
Hab' ich dem ew'gen Jammer aufgespart!

Theramen. Aricia kam jetzt, entschlossen kam sie,
Vor deinem Zorn zu fliehn, im Angesicht
Der Götter ihn zum Gatten zu empfangen.
Sie nähert sich, sie sieht das Gras geröthet
Und rauchend noch, sie sieht – sieht Hippolyt –
O welch ein Anblick für die Liebende! –
Dahin gestreckt, gestaltlos, ohne Leben!
Sie will noch jetzt an ihrem Unglück zweifeln;
Ihr Aug erkennt nicht mehr die theuern Züge,
Sie sieht ihn vor sich, und sie sucht ihn noch.
Doch als es endlich schrecklich sich erklärt,
Da klagt ihr Schmerzensblick die Götter an,
Und mit gebrochnem Seufzer, halb entseelt,
Entsinkt sie bleich zu des Geliebten Füßen.
Ismene ist bei ihr und ruft sie weinend
Zum Leben, ach! zum Schmerz vielmehr, zurück.
Und ich, das Licht der Sonne hassend, kam,
Den letzten Willen dieser Heldenseele
Dir kund zu thun, o Herr, und mich des Amts,
Das er mir sterbend auftrug, zu entladen.
– Doch hier erblick' ich seine blut'ge Feindin.

 
Siebenter und letzter Auftritt.

Theseus. Phädra. Theramen. Panope.

Theseus. Nun wohl, du hast gesiegt, mein Sohn ist todt.
Ach, wie gerechten Grund hab' ich, zu fürchten!
Welch grausamer Verdacht erhebt sich furchtbar
In mir und spricht ihn frei in meinem Herzen!
Doch – er ist todt! Unschuldig oder schuldig!
Nimm hin dein Opfer! Freu dich seines Falls!
Ich will'ge drein, mich ewig zu betrügen!
Du klagst ihn an, so sei er ein Verbrecher!
Schon gnug der Thränen kostet mir sein Tod;
Nicht brauch' ich's, ein verhaßtes Licht zu suchen,
Das meinem Schmerz ihn doch nicht wieder gibt,
Vielleicht das Maß nur meines Unglücks füllt.
Laß mich, weit, weit von dir und diesem Ufer
Das Schreckbild fliehen des zerrißnen Sohns!
Heraus fliehn möcht' ich aus der ganzen Welt,
Um dieser Qual Erinnrung zu entweichen.
Was mich umgibt, rückt mir mein Unrecht vor;
Zur Strafe wird mir jetzt mein großer Name,
Minder bekannt, verbarg' ich mich so mehr;
Die Huld sogar der Götter muß ich hassen,
Beweinen will ich ihre blut'ge Gunst,
Mein eitles Flehn soll sie nicht mehr bestürmen.
Was sie auch für mich thun, ihr traur'ger Eifer
Ersetzt mir nie mehr, was er mir geraubt!

Phädra. Es sei genug des ungerechten Schweigens,
Theseus! Recht widerfahre deinem Sohn!
Er war nicht schuldig.

Theseus.                             O ich unglücksel'ger Vater.
Weh mir, und auf dein Wort verdammt' ich ihn!
Grausame, damit glaubst du dich entschuldigt?

Phädra. Die Zeit ist kostbar. Theseus, höre mich!
Ich selbst war's, die ein lasterhaftes Auge
Auf deinen keuschen Sohn zu richten wagte.
Der Himmel zündete die Unglücksflamme
In meinem Busen an – Was nun geschah,
Vollführte die verdammliche Oenone.
Sie fürchtete, daß Hippolyt, empört
Von meiner Schuld, sie dir entdecken möchte,
Und eilte, die Verräterin! weil ich
Nur schwach ihr widerstand, ihn anzuklagen.
Sie hat sich selbst gerichtet und, verbannt
Aus meinem Angesicht, im Schooß des Meers
Allzu gelinden Untergang gefunden.
Mein Schicksal würde längst ein schneller Stahl
Geendigt haben; doch dann schmachtete
Noch unter schimpflichem Verdacht die Tugend.
Um meine Schuld dir reuend zu gestehn,
Wählt' ich den langsameren Weg zum Grabe.
Ein Gift flößt' ich in meine glühenden Adern,
Das einst Medea nach Athen gebracht.
Schon fühl' ich es zu meinem Herzen steigen,
Mich faßt ein fremder, nie gefühlter Frost,
Schon seh' ich nur durch einer Wolke Flor
Den Himmel und das Angesicht des Gatten,
Den meine Gegenwart entehrt. Der Tod
Raubt meinem Aug das Licht und gibt dem Tag,
Den ich befleckte, seinen Glanz zurück.

Panope. Ach, Herr, sie stirbt!

Theseus.                                 O stürbe doch mit ihr
Auch die Erinnerung so schwarzer That!
Kommt, laßt uns nunmehr, da wir unser Unrecht,
Ach, nur zu hell erkennen, mit dem Blut
Des lieben Sohnes unsre Thränen mischen!
Kommt, seine theuren Reste zu umfassen
Und unsers Wunsches Wahnsinn abzubüßen!
Wie er's verdiente, soll ihm Ehre werden,
Und kann es seine aufgebrachten Manen
Besänftigen, sie, die er liebte, nehm' ich
Zur Tochter an, was auch ihr Stamm verschuldet.


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