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Vierter Aufzug.

Erster Auftritt.

Agrippina. Burrhus.

Burrhus. Ja, hohe Frau, in Muße kannst du dich
Rechtfertigen, denn Cäsar willigt ein,
Dich anzuhören. Hielt man im Palast
Dich hier zurück, so war's vielleicht, weil er
Mit dir sich unterreden wollte. Wie's
Drum sei, so denk', wenn ich dir rathen darf,
Nicht mehr dran, daß er dich beleidigte,
Und reich' ihm lieber deine Hand entgegen.
Vertheid'ge dich, doch such' ihn nicht zu reizen;
Du siehst, auf ihn allein blickt nur der Hof.
Obgleich dein Sohn, der, was er ist, dir dankt,
Ist er dein Kaiser doch, du mußt gleich uns
Der Macht dich beugen, die du ihm verliehn.
Wie er dir drohet oder Huld erweist,
So flieht der Hof dich oder sucht dich auf,
Und seine Stütze ist es nur, nach der
Er strebt, wenn er um deine sich bemüht.
Doch sieh, der Kaiser.

Agrippina. Laß uns jetzt allein. 142

 

Zweiter Auftritt.

Nero. Agrippina.

Agrippina (sich setzend).
Tritt näher, Nero, nimm bei mir hier Platz.
Man will, ich soll dir wegen deines Argwohns
Aufklärung geben. Freilich weiß ich nicht,
Worin man mich bei dir hat angeschwärzt,
Doch alle meine Frevelthaten will ich
Vor dir aufrollen. Du regierst und weißt,
Wie weit entfernt dich deine Abkunft
Vom Throne hielt; die Rechte meiner Ahnen,
Die Rom geweiht hat, waren ohne mich
Unnütze Stufen dir. Als Messalina
Durch ihren Untergang die Hand des Claudius
Aufs Neue frei und streitig machte, strebte
Ich unter so viel Schönen, die von ihm
Gewählt zu werden hofften, und die sich
Um seiner Freigelaßnen Stimme mühten,
Nach seiner Hand nur mit dem einz'gen Wunsch,
Dich auf den Thron zu setzen, welchen ich
Besteigen würde, beugte meinen Stolz
Und ging selbst Pallas bittend an. Sein Herr,
Tag ein, Tag aus von meiner Hand geliebkost,
Sog aus der Nichte Augen allgemach
Die Liebe, die in ihm ich wecken wollte;
Jedoch das Band des Bluts, das uns verknüpfte,
Hielt ihn noch von verbotner Ehe fern:
Er wagte nicht mit seines Bruders Tochter
Sich zu vermählen. Da ward der Senat
Bestochen, und ein milderes Gesetz
Verlieh mir Claudius' Hand und legte Rom
Zu meinen Füßen. Viel war dies für mich,
Für dich noch Nichts. Da ließ auf meinen Spuren
Ich dich ins Haus des Kaisers treten, machte
Zum Eidam dich und gab dir seine Tochter. 143
Silanus, der sie liebte, ward verlassen
Und zeichnete mit seinem Blut den Tag
Des Unheils. Doch das Alles war noch Nichts;
Denn hättest jemals du erwarten können,
Daß Claudius seinem eignen Sohn den Eidam
Vorziehen würde? Pallas mußte wieder
Dazu verhelfen. Claudius nahm, von ihm
Beredet, dich als Sohn an, und er nannte
Dich Nero, wollte dich der höchsten Macht
Noch vor der Zeit theilhaftig werden lassen.
Da sah, wer des Vergangenen gedachte,
Wie schon zu weit mein Plan gediehen war;
Da rief was den Britannicus bedrohte,
Den Groll bei seines Vaters Freunden wach.
Doch ein'ge täuscht' ich durch Versprechungen
Und machte von den Schlimmsten durchs Exil
Mich frei; selbst Claudius, meiner Klagen müde,
Hielt alle die von seinem Sohne fern,
Die, ihr Geschick an seines knüpfend, ihm
Aufs Neu' den Weg zum Thron eröffnen konnten.
Ich that noch mehr, ich wählt' in meinem Kreise
Die Männer, die ihn leiten sollten. Dir
Im Gegentheil bestimmt' ich zu Erziehern
Nur die, die Rom mit seinem Beifall ehrte;
Taub für Kabalen folgt' ich nur dem Ruf
Des Volks und zog aus dem Exil wie aus
Dem Heer denselben Seneca und Burrhus,
Die später freilich . . . . damals schätzte Rom
Noch ihre Tugend . . . . Dann des Claudius Schätze
Erschöpfend streut' ich Gaben ringsumher
In deinem Namen, und der mächt'ge Reiz
Der Spiele stimmte Volk und Heer für dich,
Die ihrer frühern Liebe eingedenk in dir
Germanicus verehrten, meinen Vater.
Indeß schritt Claudius seinem Ende zu,
Und da sein langverschloßnes Auge noch 144
Zuletzt sich öffnete, sah er den Irrthum,
Und ließ, von Sorg' umdüstert für den Sohn,
Der Klage Ruf vernehmen, ja er dachte
Sogar, um sich die Freunde zu versammeln.
Zu spät, denn schon in meiner Hand
War der Palast, die Wachen und sein Lager.
Ich ließ ihn nutzlos sich in Lieb' erschöpfen,
Ich ward die Herrin seiner letzten Seufzer,
Und unterm Schein, ihm Schmerzen zu ersparen,
Verbarg ich ihm die Thränen seines Sohnes.
Er starb . . . du weißt, wie das Gerücht
Mich drob bezüchtigt hat. Ich aber hielt
Die Kunde seines Todes noch zurück,
Und während Burrhus ins Geheim für dich
Den Eid der Huldigung vom Heer verlangte,
Du unter meinem Schutz ins Lager gingst,
Da rauchten die Altäre noch in Rom;
Durch meine List betrogen, flehte noch
Das Volk um des gestorbnen Herrschers Leben.
Erst als der Legionen Huldigung
In deiner Herrschaft dich befestigt hatte,
Sah Rom den todten Kaiser, und das Volk
Erfuhr mit Staunen in derselben Stunde
Von seinem Tod und deiner Thronbesteigung.
Das ist's, was ich dir mitzutheilen hatte,
Das meine Frevel, aber dies mein Lohn:
Sechs Monde kaum warst du erkenntlich für
Die Früchte, die mein Mühen dir bereitet;
Da schon vielleicht der Ehrfurcht müde, die
Dir lästig ward, nahmst du die Miene an,
Als kenntest du mich nicht. Ich sah, wie Burrhus
Und Seneca, in dir den Argwohn nährend,
Im Treulossein dich unterwiesen, wie
Entzückt sie waren, sich in ihrer Kunst
Von dir besiegt zu sehn; ich sah, wie Othon,
Senecion, die jungen Wüstlinge, 145
Die allen deinen Lüsten schmeichelten,
Sich dein Vertraun erwarben. Als nun aber,
Durch all die Kränkung tief verletzt, von dir
Ich Rechenschaft verlangte, hast du mir
Mit neuer Schmähung, wie's die Zuflucht meist
Beschämten Undanks ist, Antwort gegeben.
Heut sag' ich Junien deinem Bruder zu,
Und Beide freuen sich ob meiner Wahl,
Doch was thust du? Bei Nacht entführt man Junien,
Und sie wird gleich für dich ein Gegenstand
Der Leidenschaft. Octavien sehe ich
Aus deinem Herzen ausgetilgt und schon
Beraubt des Platzes, den ich ihr erwählt;
Pallas seh' ich verbannt, Britannicus
In Haft; ja selbst an meiner Freiheit schon
Vergreifst du dich, und Burrhus ist bereit,
An mich die freche Hand zu legen. Jetzt,
Wo du so vieler Frevel überführt bist,
Kommst du, statt dir Vergebung zu erflehn,
Und forderst mich sogar zur Rechenschaft.

Nero. Ich weiß, daß ich die Herrschaft dir verdanke,
Du brauchtest mir es nicht zu wiederholen,
Und konntest, Fürstin, in Gelassenheit
Mit sanftem Sinn auf meine Treue bauen.
Jedoch dein ew'ger Argwohn, deine Klagen
Bewirkten schon, daß Alle, die sie hörten,
Ich wag' dir's im Vertrauen mitzutheilen,
Vermuthen, meinen Namen hättest du
Damals zum Vorwand nur gebraucht, um für
Dich selbst zu wirken. »Wie«, so sagte man,
»Die Ehren all', die Unterwürfigkeit,
Ist das ein schwacher Lohn für ihre Wohlthat?
Was hat der vielgeschmähte Sohn verbrochen?
Hat sie ihn nur gekrönt, daß er gehorche,
Ist er nur Namensträger ihrer Macht?« 146
Ich hätte, Fürstin, gern, wenn ich bis dahin
Gefällig war, die Macht, die du von mir
Verlangtest, dir auch ferner abgetreten;
Doch Rom will einen Herrn und keine Herrin.
Du hörtest, wie man mich der Schwäche zieh:
Senat und Volk war drüber aufgebracht,
Daß meine Stimme deinen Willen nur
Verkündete; sie sagten: Claudius habe
Mit seiner Macht auch den Gehorsam mir
Vererbt. Du sahst, wie die erzürnten Krieger
Unwillig vor dir her die Adler trugen,
Beschämt, durch ein so würdelos Verfahren
Die Helden zu erniedern, deren Bild
Sie schmückte. Jede andre hätte sich
Vor ihrem Wort zurückgezogen, du
Jedoch, wenn du nicht herrschest, klagst und schiltst.
Im Bunde mit Britannicus verstärkst
Du ihn durch Juniens Partei, und Pallas
Hält des Komplottes Fäden in der Hand.
Such' ich dann nothgedrungen meine Ruhe
Zu sichern, sieht man plötzlich dich in Haß
Und Zorn erglühn, und schon sagt man im Lager,
Daß du dem Heere meinen Nebenbuhler
Vorstellen willst.

Agrippina. Ich ihn zum Kaiser machen?
Das, Undankbarer, hättest du geglaubt?
Zu welchem Zweck? Was wär' damit gewonnen?
Wie könnt' ich Ehr' und Rang an seinem Hof
Davon erwarten? Ach, wenn schon, wo du
Das Scepter führst, man mich nicht schont und mich
Anklagen rings auf Schritt und Tritt begleiten,
Wenn man des Kaisers Mutter selbst verfolgt,
Wie wird es sein an einem fremden Hofe!
Man würfe mir nicht eitle Klagen vor,
Nicht halbgeborne, rascherloschne Pläne, 147
Nein, Frevel, die vor deinen Augen ich
Für dich beging' und die ich eingestände.
Du hintergehst mich nicht, denn ich durchschaue
All deinen Trug, du bist ein Undankbarer
Und warst es stets. Seit deiner frühsten Kindheit
Hab' ich mit aller Sorg' und Zärtlichkeit
Erlogne Liebeszeichen nur von dir
Erringen können. Nichts erweichte dich.
Längst hätte schon dein störrisches Gemüth
In mir jedwede Lieb' ersticken sollen!
Wie bin ich unglückselig! Warum muß
Mein Mühn und Sorgen mich dir lästig machen!
Ich habe, ach, nur Einen Sohn, ihr Götter,
Die ihr mich hört, hab' ich je einen Wunsch
Zu euch emporgesandt, der ihm nicht galt?
Gewissensqualen, Furcht, Gefahren, Nichts
Hat mich zurückgehalten, selbst Mißachtung
Hab' ich von ihm ertragen und den Blick
Vom mir verheißnen Unheil abgewandt.
Ich that, was ich vermochte; du bestiegst
Den Thron, das ist genug. So nimm nun auch
Mir mit der Freiheit, die du mir geraubt,
Das Leben, wenn du willst; doch hüte dich,
Daß nicht das Volk, ob meinem Tod entrüstet,
Dir wieder raubt, was mir so viel gekostet.

Nero. So rede! Was verlangst du, daß ich thue?

Agrippina. Bestrafe sie, die mich so frech verleumden,
Beschwichtige Britannicus, laß Junien
Nach ihrem Herzen sich den Gatten wählen,
Gieb Beide frei, und Pallas möge bleiben;
Gewähre mir's, zu jeder Stunde dich
Zu sehn, und Burrhus, der uns jetzt behorcht,
(Sie bemerkt Burrhus im Hintergrund der Bühne.) 148
Wag's nicht noch einmal, mich an deiner Thür
Zurückzuhalten.

Nero. Wohl, von jetzt an soll
Mein Dank sich in die Herzen Aller prägen
Und deine Macht verkünden. Jene Kälte,
Die uns getrennt, schon muß ich hoch sie preisen,
Denn sie wird unsrer Freundschaft Glut beleben.
Was Pallas that, ich such' es zu vergessen,
Und will mich mit Britannicus versöhnen.
Was jene Liebe anbetrifft, die uns
Verfeindete, so magst du drob entscheiden,
Und deinem Urtheil unterwerf' ich mich.
So bring' dem Bruder diese frohe Botschaft.
Folgt, Wachen, den Befehlen meiner Mutter.

 

Dritter Auftritt.

Nero. Burrhus.

Burrhus. Herr, dieser Frieden, dies Umarmen beut
Ein freudig Schauspiel meinen Augen dar.
Du weißt, daß ich nie gegen sie gestimmt,
Daß ich sie niemals dir entfremden wollte,
Nie ihren ungerechten Zorn verdiente.

Nero. Ich war, um offen gegen dich zu sein,
Im Zorn, weil ich geglaubt, du seist mit ihr
Im Einverständniß; doch ihr Haß erwirbt
Aufs Neu' dir mein Vertraun. Sie triumphirt
Zu früh, den Nebenbuhler zwar umarm' ich,
Doch nur, ihn zu ersticken.

Burrhus. Wie, o Herr?

Nero. Das ist zu viel. Sein Untergang soll mich 149
Von Agrippina's Wuth befrein auf immer.
So lang er lebt, leb' ich nur halb; sie hat
Mit dem verhaßten Namen mich gequält,
Ich will nicht, daß mit frevelhafter Kühnheit
Sie meinen Platz noch einmal ihm verspreche.

Burrhus. So wird sie bald Britannicus beweinen.

Nero. Heut Abend brauch' ich ihn nicht mehr zu fürchten.

Burrhus. Was aber flößt dir diesen Anschlag ein?

Nero. Ruhm, Sicherheit, mein Leben, meine Liebe.

Burrhus. Nein, Herr! Was du auch sagst, nie hat dein Busen
So grausenvollen Plan erzeugen können.

Nero. Burrhus!

Burrhus. Aus deinem Mund muß ich ihn hören?
Hast du ihn ohne Schauder fassen können?
Denkst du daran, in welchem Blute du
Dich baden willst? Ist Nero überdrüssig,
Zu herrschen in dem Herzen seines Volks?
Was wird man von dir sagen, sprich, was meinst du?

Nero. Wie, stets gefesselt an vergangnen Ruhm,
Soll solche Lieb' ich stets vor Augen haben,
Wie sie der Zufall giebt und wieder nimmt,
Soll, ihren Wünschen hold und feind den meinen,
Ich Kaiser sein, nur ihnen zu gefallen?

Burrhus. Genügt's nicht deinen Wünschen, Herr, wenn du
Im Wohl des Staats dein eigen Werk erkennst? 150
Jetzt gilt's, zu wählen, denn du bist noch frei;
Bis heut, noch tugendhaft, kannst du es bleiben
Die Bahn ist offen, Nichts hält dich zurück:
Du kannst von Tugend hin zur Tugend schreiten.
Doch wenn du deiner Schmeichler Lehren folgst,
Dann eilst du von Verbrechen zu Verbrechen,
Mußt Frevel stets durch neue Frevel stützen,
Und mußt im Blut die blut'gen Hände waschen.
Britannicus wird sterbend noch den Eifer
Der Freunde wecken, welche gern für ihn
Partei ergreifen; diese Rächer werden
Aufs Neu' Vertheid'ger finden, welche selbst
Nach ihrem Tod Nachfolger haben werden.
Du schürst ein nie zu löschend Feuer an.
Des Weltalls Schreck, mußt du das Weltall fürchten,
Stets strafen, stets bei deinen Plänen zittern
Und Feind' in allen Unterthanen sehn.
Ach, Herr, läßt dich die glückliche Erfahrung
Der ersten Jahre deine Unschuld hassen?
Denkst du des Glücks, das sie bezeichnete?
Wie ruhig, Himmel, flossen sie dir hin!
O, welche Wonne war's, dir selbst zu sagen:
»In diesem Augenblick liebt, segnet man
Mich überall, bei meinem Namen zittert
Das Volk nicht, und der Himmel höret ihn
In seinen Klagen nicht, in düstrem Haß
Flieht's nicht vor meinem Angesicht, rings seh' ich
Die Herzen Aller mir entgegen fliegen.«
Das war einst deine Wonne, welch ein Wechsel!
Selbst der Verworfnen Blut war dir noch kostbar.
Einst drang, noch weiß ich's, der Senat in dich,
Das Todesurtheil eines Frevlers zu
Bestät'gen, doch du widersetztest dich
Dem strengen Rechtsspruch, klagtest dich im Herzen
Zu großer Härte an und riefest aus,
Indem du seufztest ob der Herrscher Loos: 151
»O hätt' ich nie des Schreibens Kunst gelernt!«
Nein, folge mir, o Herr, sonst wird der Tod
Des Unheils bittern Anblick mir ersparen,
Ich werde deinen Ruhm nicht überleben.
Wenn du so schwarze That vollführen willst.
(Indem er sich Nero zu Füßen wirft)
Ich bin bereit, o laß zuvor dies Herz
Durchbohren, das darein nicht will'gen kann;
Ruf' sie herbei, die es dir eingegeben,
Sie mögen zitternd ihre Mörderhand . . . .
Doch meine Thränen rühren meinen Kaiser,
Ich seh's, vor ihrer Wuth bangt seiner Tugend,
Verliere keine Zeit und nenne mir
Die Schurken, die dir solches rathen konnten;
Ruf' deinen Bruder und in seinem Arm
Vergiß . . . .

Nero. Ha, was verlangst du?

Burrhus. Nein, er haßt
Dich nicht, er wurde schwer verleumdet. Mir
Ist seine Unschuld klar. Ich bürge dir
Dafür, daß er gehorchen wird; ich eile,
Das frohe Wiedersehen zu beschleun'gen.

Nero. Ihr mögt in meinem Zimmer mich erwarten.

 

Vierter Auftritt.

Nero. Narciß.

Narciß. Herr, für den Tod, der so verdient ist, hab' ich
Gesorgt: das Gift steht schon bereit, Locusta
Hat ihre Sorgfalt mir zu Lieb' verdoppelt.
Sie ließ selbst einen Sklaven daran sterben;
Das Schwert zerschneidet nicht so rasch ein Leben,
Als dieses Gift, das sie mir anvertraute! 152

Nero. Genug, Narciß! Ich kenne deinen Eifer,
Doch wünsch' ich nicht, daß du schon weiter gehst.

Narciß. Dein Haß auf den Britannicus, wird er
Schon schwächer? Du verbietest . . . .

Nero. Man versöhnt uns.

Narciß. Ich denke nicht, dich davon abzulenken;
Doch, Herr, vor Kurzem ward er eingekerkert,
Und diese Kränkung wird noch lange Zeit
An seinem Herzen nagen. Nichts ist so
Geheim, daß es die Zeit nicht einst enthüllte.
Erfahren wird er's schon, daß ich ein Gift
Ihm reichen sollte, das auf dein Geheiß
Bereitet wurde. Mögen ihn die Götter
Ablenken, doch er thut vielleicht, was du
Zu thun nicht wagst.

Nero. Man bürgt mir für sein Herz,
Ich werde suchen, meins zu überwinden.

Narciß. Und wird der Ehebund mit Junien
Das Band der neuen Freundschaft werden? Herr,
Gedenkst du solch ein Opfer ihm zu bringen?

Nero. Du machst dir zu viel Sorg' um mich. Narciß,
Ich rechne ihn nicht mehr zu meinen Feinden.

Narciß. Das war's, o Herr, was Agrippina hoffte,
Sie hat aufs Neue Herrschaft über dich.

Nero. Was meinst du, rede! Hat sie sich geäußert?

Narciß. Sie hat sich dessen laut genug gerühmt. 153

Nero. Wie?

Narciß. Eines Augenblickes nur bedürf's,
Mit dir allein zu sein, dann würde man
Auf diesen großen Lärm und lauten Zorn
Ein ganz bescheidnes Schweigen folgen sehn;
Du würdest selbst zuerst zum Frieden neigen
Und froh sein, wenn sie gütig Alles nur
Vergessen wollte.

Nero. Aber sprich, Narciß,
Was soll ich thun? An Neigung fehlt mir's nicht,
Die Frechheit zu bestrafen. Gälte hier
Mein Wunsch, so würd' auf diesen Siegestaumel
Bald ew'ge Reue folgen; aber was
Wird dann des ganzen Weltalls Sprache sein?
Soll ich den Pfad der Tyrannei betreten?
Soll Rom, die Ehrentitel mir entziehend,
Von nun an mich nur noch Giftmischer heißen?
Als Brudermord wird man der Rache That
Bezeichnen.

Narciß. Wirst du dich um ihre Launen
Bekümmern? Hast du jemals, Herr, geglaubt,
Sie würden schweigen? Ziemt dir's, ihren Reden
Dein Ohr zu leihn? Willst du die eignen Wünsche
Vergessen und nur dir allein nicht glauben?
Doch, Herr, die Römer scheinst du nicht zu kennen.
Sie sind in ihren Reden nicht so scharf;
All' diese Vorsicht schwächt nur deine Macht.
Sie glaubten gar zuletzt, sie hätten's wohl
Verdient, daß man sie fürchte; schon seit lange
Sind sie ans Joch gewöhnt und küssen gern
Die Hand, die sie in Ketten schlägt, du wirst
Sie stets um deine Liebe buhlen sehn. 154
Tiberius war ihres Knechtsinns müde;
Ich selbst, nur mit entlehnter Macht bekleidet,
Die Claudius mit der Freiheit mir verlieh,
Hab' hundertmal, als noch mein Ruhm was galt,
Erprobt, wie viel sie zu ertragen wissen.
Vor der Vergiftung scheuest du zurück?
Dem Bruder gieb den Tod, verlaß die Schwester.
Rom, so verschwenderisch mit seinen Opfern,
Wird, wären sie auch schuldlos, doch Verbrecher
An ihnen finden; zu den Unglückstagen
Wird man die Tage rechnen, wo die Beiden
Geboren sind.

Nero. Narciß, ich kann es nicht.
Ich gab mein Wort dem Burrhus, und ich muß
Es halten. Nicht zum zweiten Mal will ich
Der Tugend Waffen gegen mich verleihn;
Umsonst bekämpf' ich seine Gründe alle,
Nicht ruhig ist mein Herz, wenn ich ihn höre.

Narciß. Herr, Burrhus denkt nicht immer, was er sagt,
Und seine Tugend ist zu klug, als daß
Sie nicht stets für sein Ansehn sorgen sollte.
Sie haben Alle nur die eine Sorge,
Durch diesen Schlag die Stützen ihrer Macht
Geschwächt zu sehn. Du wärst dann frei, o Herr,
Und ihre Kniee müßten jene Stolzen
Gleich uns dir beugen. Ist dir's unbekannt,
Was sie zu äußern frech sich unterfangen?
»Nero ist für die Herrschaft nicht geschaffen,
Er spricht und handelt nur, wie's ihm gesagt wird.
Das Herz lenkt Burrhus, Seneca den Geist,
Sein ganzer Ehrgeiz, seine höchste Tugend
Ist, einen Wagen durch die Bahn zu lenken,
Den Preis, der sein nicht würdig, zu erkämpfen,
Sich selber Rom zum Schauspiel darzubieten, 155
Als Sänger auf der Bühn' um Ruhm zu buhlen,
Und für sein Lied sich Beifall zu erhaschen,
Den seine Krieger ihm von Zeit zu Zeit
Auch durch Gewaltthat zu verschaffen wissen.«
Herr, wirst du sie nicht bald zum Schweigen bringen?

Nero. Narciß, komm, daß wir drüber uns berathen. 156

 


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