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Dreizehnte Szene

Stratippocles kommt aus dem Haus des Chaeribulus

Stratippocles: Schlecht dient mir dieser Geldverleiher:
Weder fordert er das Geld von mir,
noch führt er jene her, die aus der Beute ich gekauft.

Epidicus tritt auf

Doch sieh, da kommt Epidicus. Was ist mit ihm?
Ernst sieht er drein und sorgenvoll.
Was runzelt er die Stirn?

Epidicus: Sogar wenn Jupiter jetzt kommt
und die elf andern Götter mit herbeibringt:
Sie selbst werden nicht imstande sein,
aus Qual und Marter den Epidicus herauszuholen.
Riemen sah ich kaufen den Periphanes; und bei ihm war
Apoecides. Nun werden diese beiden nach mir suchen.
Sie haben es gemerkt und wissen,
daß sie bös betrogen sind.

Stratippocles: Was treibst du,
meines Glücks Beförderer und Helfer?

Epidicus: Etwas Übles.

Stratippocles: Und was ist mit dir?

Epidicus: Willst du mit Reisegeld mich nicht versehen,
damit ich fliehen kann, bevor mich
das Verderben eingeholt? Zwei kahlgeschorne Greise
suchen in der ganzen Stadt nach mir.
Und beide tragen Stricke in der Hand und Riemen.

Stratippocles: Sei guten Mutes!

Epidicus: Ich gewiß, dem in der weiten Welt
doch Freiheit winkt.

Stratippocles: Ich werde dich bewahren.

Epidicus: Bewahren werden die mich besser,
wenn sie mich erwischt.

Der Geldverleiher und Telestis treten auf

Doch wer ist das hübsche Mädchen da – und der Graukopf, der mit ihr kommt?

Stratippocles: Das ist der Geldverleiher. Aber sie ist die, die ich gekauft habe aus der Beute.

Epidicus: Die ist's?

Stratippocles: Ja, die ist's. Ist sie nicht so, wie ich sagte? Schau sie an, Epidicus, betrachte sie genau. Vom Haar bis zu den Zehen hübsch und niedlich ist sie – unvergleichlich! Ist's nicht, als hättest du ein wunderschönes, gemaltes Bild vor dir?

Epidicus: Ein wunderschönes Fell ist's, was du mir mit deinen Worten prophezeist, bemalt von Zeuxis und Apelles – mit den schönsten Ulmenrutenfarben.

Stratippocles: (zum Geldverleiher) Ihr Götter! Wie hieß ich dich zu mir zu kommen? Hätte einer Füße aus Blei: Er wäre noch vor dir hier gewesen.

Geldverleiher: Die hat mich aufgehalten.

Stratippocles: Oh, wenn ihretwegen dich etwas zurückgehalten hat, wenn sie das wollte, bist du über alle Maßen schnell gekommen.

Geldverleiher: Also mach schon, fertige mich ab und zähl das Geld, damit ich meine Begleiter nicht muß warten lassen.

Stratippocles: Es ist bereits abgezählt.

Geldverleiher: Nimm den Beutel da, tu's hinein.

Stratippocles: Du kommst zweckdienlich ausgerüstet. Warte hier, bis ich dir das Geld herausbringe.

Geldverleiher: Mach nur schnell!

Stratippocles: Es ist grad hier im Haus.

Stratippocles geht in das Haus des Chaeribulus.

Epidicus: Gebrauch ich meine Augen gut genug oder noch zu wenig? Seh' ich recht, daß du Telestis bist, die Tochter des Periphanes, in Theben geboren von Philippa, deiner Mutter, gezeugt aber in Epidauros?

Telestis: Wer bist du, der meinen Namen und die Namen meiner Eltern nennt?

Epidicus: Kennst du mich nicht?

Telestis: Wenn ich mich nur erinnern könnte!

Epidicus: Weißt du nicht, daß ich dir zum Geburtstag jenen goldenen Halbmond brachte, dazu einen goldenen Fingerring?

Telestis: Daran erinnere ich mich. Du bist derjenige?

Epidicus: Ich bin's, und der dich kaufte, ist dein Bruder, vom gleichen Vater, aber von einer andern Mutter.

Telestis: Was? Mein Vater? Lebt er?

Epidicus: Still! Sei heiter und beruhigt!

Telestis: Die Götter wollten, daß ich gerettet sei aus der Verzweiflung, wenn du die Wahrheit sagst.

Epidicus: Ich habe keinen Grund, dir etwas Falsches zu erzählen.

Stratippocles kommt zurück

Stratippocles: Da, Geldverleiher, nimm das Geld! Vierzig Minen sind da drin. Ist ein Geldstück zweifelhaft, so tausch ich's um.

Geldverleiher: In Ordnung. Leb wohl!

Er geht ab

Stratippocles: Nun bist du endlich mein!

Telestis: Als deine Schwester wohlbemerkt, damit du im Bild bist. So, Bruder, sei gegrüßt!

Stratippocles: Ist die noch bei Verstand?

Epidicus: Vollkommen, wenn sie dich Bruder nennt.

Stratippocles: Was? In der Zeit, da ich ins Haus geh' und wieder herauskomme, bin ich ihr Bruder geworden?

Epidicus: Schweig darüber, was von Gutem ist. Trag es still und freue dich.

Stratippocles: Verloren hast du mich, als Schwester hast du mich wiedergefunden?

Epidicus: Sei still, was bist du dumm! Drin im Haus steht dir die Harfenspielerin zu Diensten, daß du lieben kannst: Mein Werk. Und ebenfalls mein Werk: Der Schwester die Freiheit zu verschaffen.

Stratippocles: Ich gestehe, Epidicus –

Epidicus: Geh jetzt hinein. Sorg dafür, daß man ihr Wasser wärmt. Das übrige mach' ich dir bekannt, wenn wir Zeit dafür haben.

Stratippocles: Kommt mit mir, Schwester!

Epidicus: Ich geb' Thesprio Bescheid, er soll zu euch hinüberkommen. Aber bitte, denk nachher auch daran, mir zusammen mit der Schwester Beistand zu leisten, wenn die Alten ihre Wut an mir auslassen wollen.

Stratippocles: Das wird leicht zu machen sein.

Stratippocles und Telestis gehen in das Haus des Periphanes.

Epidicus öffnet die Tür zum Haus des Chaeribulus und ruft hinein:

Epidicus: He, Thesprio, geh durch den Garten, dort hinüber. Du mußt mir im Haus helfen.
(für sich) Das ist bedeutend! – Weniger mach' ich mir nun
aus diesen Alten als zuvor. Ich kehr' ins Haus zurück,
damit den Angekommenen mit aller Sorgfalt
aufgewartet wird. Zugleich erteil' ich dem Stratippocles
ausführlich Auskunft über alles, was ich weiß.
Ich fliehe nicht; entschieden ist's:
Ich bleib' im Haus; der bringt mich nicht dazu, mit ihm
im Wettlauf mit den Füßen mich zu messen. –
Ich geh' hinein; zu lange red' ich schon.

Epidicus geht in das Haus des Periphanes

Vierzehnte Szene

Periphanes und Apoecides treten auf

Periphanes: Hält dieser Kerl uns zwei abgeklapperte Alte nun genug zum Narren?

Apoecides: Wahrhaftig, du schleppst mich, mich Jammervollen, jämmerlich mit dir herum.

Periphanes: Sei still! Ah, laß mich ihn nur erwischen, diesen Kerl!

Apoecides: Ich sag's dir gleich, damit du's weißt: Such dir erst einen anderen Begleiter. Krampfadern füllen meine Knie mit Müdigkeit und Schmerzen, während ich dir folge.

Periphanes: Was mich dieser Kerl heute genarrt hat – nach Strich und Faden, und dich auch! Und mir hat er mir die Finanzen ausgeweidet.

Apoecides: Geh mir bloß mit dem! Der Sohn des zornigen Vulkans ist der; wohin er langt, versengt er alles. Wenn du nur in seine Nähe kommst, setzt er dich durch seine Glut in helle Flammen.

Epidicus kommt aus dem Haus des Periphanes

Epidicus: (für sich) Ein Dutzend Götter mehr, als der Himmel an Unsterblichen zu bieten hat, sind meine Helfer und kämpfen mir zur Seite. Was ich auch an Schlimmem tat: Im Haus drinnen ist mir Hilfe und Beistand. Alle meine Feinde stoß' ich mit Füßen von mir.

Periphanes: Wo such' ich ihn nur?

Apoecides: Wenn du ihn ohne mich suchst, dann such ihn von mir aus mitten im Meer.

Epidicus: (laut) Was suchst du mich? Was mühst du dich ab und plagst diesen da? Ich bin doch hier. Bin ich etwa entflohen? Bin ich nicht hier im Haus? Verberg' ich mich etwa vor deinen Augen? Auch bitt' ich dich keineswegs um Gnade. Fesseln willst du mich? Da, bitte, die Hände halt' ich hin. Riemen hast du ja; ich sah doch, wie du sie kauftest. Was zögerst du? Bind sie zusammen!

Periphanes: Jetzt hört doch alles auf! Stellt der sich aus freien Stücken zum Gericht!

Epidicus: Warum bindest du mich nicht?

Apoecides: Schau den verruchten Sklaven!

Epidicus: Dich, Apoecides, will ich auf keinen Fall bemühen, ein gutes Wort für mich einzulegen.

Apoecides: Da mußt du nicht lang bitten.

Epidicus: (zu Periphanes) Machst du endlich?

Periphanes: Das willst du?

Epidicus: Ganz recht, nach meinem Willen mußt du mir heute die Hände binden, nicht nach deinem.

Periphanes: Aber ich – ich will nicht! Ich tu's nicht.

Apoecides: Der führt was im Schild gegen dich. Da steckt doch irgendeine List dahinter.

Epidicus: Du verschwendest deine Zeit, wenn ich ungefesselt da stehe. Also los, sag' ich, binde mich schon!

Periphanes: Mir paßt es nun einmal, dich ungefesselt zu befragen.

Epidicus: Dann erfährst du nichts.

Periphanes: (zu Apoecides) Was mach' ich?

Apoecides: Was du machen sollst? Tu ihm den Willen!

Epidicus: Du, Apoecides, bist doch ein rechter, vernünftiger Mann.

Periphanes: Halt also die Hände hin!

Epidicus: Da, bitte! Aber mach es kunstgerecht! Meine nicht, du müßtest Rücksicht –

Periphanes: Meine das, wenn ich fertig bin!

Epidicus: Ja, das hält gut. Beginne, mich auszufragen – nach Belieben!

Periphanes: Dann zuerst: Worauf vertrauend konntest du es wagen, das Mädchen, welches wir vor zwei Tagen gekauft haben, als meine Tochter auszugeben?

Epidicus: Es gefiel mir so. Darauf vertrauend.

Periphanes: Was sagst du? Es gefiel dir?

Epidicus: Sicher. – Setz ein Pfand zur Wette, daß sie nicht Tochter ist

Periphanes: Und ihre Mutter leugnet, sie zu kennen?

Epidicus: Also, setz du dein Talent als Pfand gegen meinen Groschen, daß sie nicht die Mutter ihrer Tochter sei.

Periphanes: Ein Schwindel ist's auf jeden Fall. Wer ist das Mädchen?

Epidicus: Damit du alles weißt: Die Geliebte deines Sohns.

Periphanes: Gab ich dir die dreißig Minen für meine Tochter?

Epidicus: Ich gestehe, du gabst sie mir für deine Tochter, aber ich kaufte für das Geld das Harfenmädchen, die Geliebte deines Sohns, anstelle deiner Tochter. Und zu dem Zweck erleichterte ich dich um dreißig Minen.

Periphanes: Und wie hast du mich mit der Harfenspielerin zum Narren gehalten, die du gemietet hat!

Epidicus: Ja, so war das in der Tat – zu Recht, mein' ich.

Periphanes: Was geschah mit diesem Geld?

Epidicus: Ich will's dir sagen. Keinem schlechten, verschwenderischen Menschen gab ich's: Deinem Sohn Stratippocles.

Periphanes: Wie konntest du das wagen?

Epidicus: Es gefiel mir so.

Periphanes: Verdammt, was für eine Unverschämtheit!

Epidicus: Jetzt werd' ich auch noch angeschrien – wie ein Sklave.

Periphanes: Es freut mich, daß du frei bist.

Epidicus: Es zu werden, hab' ich wohl verdient.

Periphanes: Hast du verdient?

Epidicus: Schau im Haus. Daß es so ist, wirst du schon merken.

Periphanes: Was ist los da drin?

Epidicus: Die Sache selber wird es dir sagen. Geh nur hinein.

Apoecides: Geh schon, da ist was dran!

Periphanes: Paß mir auf den da auf!

Periphanes geht in sein Haus

Apoecides: Was ist los, Epidicus?

Epidicus: Ein ungeheuerliches Unrecht ist's, daß ich gefesselt dastehe, ich, durch dessen Werk heute die Tochter aufgefunden wurde.

Apoecides: Was sagst du? Du hättest seine Tochter aufgefunden?

Epidicus: Das hab' ich. Drin im Haus ist sie. Aber bitter ist's, wenn man für gute Taten eine schlimme Ernte erntet.

Apoecides: Die, die wir beide heute durch die ganze Stadt gesucht haben bis zur Erschöpfung?

Epidicus: Ja; ihr seid erschöpft vom Suchen, ich vom Finden.

Periphanes kommt aus seinem Haus

Periphanes: (ins Haus zurück) Ist schon gut, was braucht es da viele Bitten? Ja, er hat's verdient, ich weiß es, für das, was er getan hat. (zu Epidicus) Los, gib her, damit ich dir die Hände lösen kann.

Epidicus: Rühr mich nicht an!

Periphanes: Halt sie schon hin!

Epidicus: Ich will nicht.

Periphanes: Hör, das ist nicht recht!

Epidicus: Wenn du mir nicht Genugtuung und Sühne leistest, lass' ich es niemals zu, daß man mir meine Fesseln löst.

Periphanes: Es ist recht und billig, was du verlangst. Ich gebe dir Schuhe, Kleid und Mantel.

Epidicus: Und was noch?

Periphanes: Die Freiheit.

Epidicus: Und danach? Ein eben Freigelassener braucht etwas zum Mampfen.

Periphanes: Das bekommst du. Die Nahrung reich' ich dir.

Epidicus: Ohne zu bitten wirst du heute niemals meine Fesseln lösen.

Periphanes: Ich bitte dich, Epidicus, verzeihe mir, wenn ich unbedacht durch meine Schuld strafbar geworden bin. Du sollst dafür die Freiheit haben.

Epidicus: Die Erlaubnis geb' ich dir widerwillig, der Not gehorchend. Also, bind mich eben los, wenn du's so haben willst.

Die Schauspieltruppe:

Hier dieser Mensch ist einer,
der die Freiheit sich erwarb
durch seine Schelmerei.
Nun klatscht und lebet wohl,
lupft euren Hintern und erhebt euch!


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