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Dreizehntes Kapitel

in welchem erzählt wird, was dem König Chico und seinem Volke zustößt, als sie gegen Jaen zogen. Und von dem großen Verrate, welchen die Zegri und Gomel gegen die Maurenkönigin und die Abencerragen anstifteten, und deren Tod.

 

Da nun am letzten Tage des Festes der König mit den vornehmsten Rittern gespeist hatte, sprach er zu allen folgendermaßen: Wohl weiß ich, getreue Vasallen und Freunde, daß euch die verflossenen Tage mit ihren vielen Festen müßig erscheinen werden, und daß mit lauter Stimme euch der wilde und blutgewöhnte Mars ruft, in dessen Dienste ihr immer beschäftigt waret. Heute nun, nachdem Mahomet uns in unserer alten und edlen Stadt Granada so fröhliche Festtage und so vornehme Hochzeiten an unserem königlichen Hofe beschert hat, gebührt es sich wieder an den Krieg gegen die Christen zu denken, denn sie suchen uns heim bis an die Mauern der Stadt. Zu diesem aber wißt ihr ja bereits, gute Freunde, wie ich vor kurzem mir von Reduan aufs neue sein Wort geben ließ, daß er Jaen in einer Nacht erobern und mir in die Hände liefern wolle. Und er versicherte mir abermals und verlangte von mir allein eintausend Mann, aber ich will, daß es fünftausend sind, und er mir sein Wort einlöst. Dazu trage ich meinem Bruder Musa auf, das Kriegsvolk zu stellen in besagter Stärke, zweitausend Ritter und dreitausend zu Fuß und sollen alle waffenerprobt sein, und Reduan soll sie bei dem Unternehmen führen. Mit denen wollen wir gegen Jaen aufbrechen, von dem wir soviel Einbuße erfahren haben und tagtäglich erfahren. Denn wenn mir Jaen wieder in die Hand gegeben wird, so will ich Ubeda und Baenza und alles übrige in seinem Umkreise in Gefahr bringen, das schwöre ich bei meiner königlichen Krone. Sagt mir nun alsogleich, was ihr darüber denkt! – Damit schwieg der König und erwartete die Antwort seiner Ritter. Reduan erhob sich und sagte, daß er sein Wort einlösen wolle. Alsbald sagte der edle Musa, daß er das Kriegsvolk ausgerüstet und in der Ebene geordnet in drei Tagen stellen würde. Alle anderen Ritter, welche zugegen waren, antworteten, daß sie bis auf den Tod zu ihm stehen würden mit all ihrer Habe und Leib und Leben. Der König dankte ihnen allen für die Bereitschaft. Die beiden Ritter, Brüder der schönen Haxa, kehrten mit dem Urlaube des Königs nach Ronda zurück, wo sie von ihren Eltern wohl aufgenommen wurden, welche froh waren über die Vermählung ihrer Tochter mit Reduan, und auf der anderen Seite voller Trauer und Betrübnis über den Tod zweier Söhne. Sahen, daß der Jammer zu nichts nutzen konnte und trösteten sich in ihrem Kummer damit, daß sie einen so wackeren Eidam, wie Reduan es war, gewonnen hatten. Um diese Zeit befahl der König Zulema, dem Abencerragen, als Statthalter nach der Feste Moclin zu gehen, und der begab sich alsbald dahin und nahm seine liebe Daraxa mit sich. Galianas Vater kehrte nach der Stadt Almeria zurück und ließ die schöne Zelima bei ihrer Schwester in Granada. Viele andere Ritter gingen auf Befehl des Königs, der sie mit der Obhut und Wache betraut hatte, in ihre Statthalterschaften. Der edle Musa stellte mit vieler Sorgfalt fünftausend Mann Kriegsvolk zu Fuß und zu Pferde, alles wackere und kriegstüchtige Leute, und am Ende des vierten Tages fanden sich alle in der Ebene zusammen. Und auf Befehl des Königs zog Musa mit dem Kriegsvolke zur Stadt, wo eine Heerschau über alle abgehalten wurde. Als nun der König ihre Güte und Kühnheit gewahr ward, wollte er alsogleich mit ihnen gen Jaen aufbrechen und übertrug Reduan die Führung als Feldhauptmann, worüber Musa große Freude hatte, weil er Reduan als einen kühnen und wackeren Ritter kannte. So zog das ganze Heer in guter Ordnung aus dem Elviratore: Die Ritter in vier Abteilungen und eine jede hatte eine Standarte bei sich. Den ersten Trupp führte der edle Musa und mit ihm zogen hundertundsechzig Abencerragen und ebensoviele Alabez, alles ausgewählte Ritter, und mit ihnen alle Vanega. Ihre Standarte war rot und weiß aus prächtigem Damast und in dem Rot als Wappenzeichen ein kräftiger Wilder, der einem Löwen die Kinnbacken zerbrach, und auf der anderen Seite stand abermals ein Wilder, welcher mit einer Keule eine Welt zerschmetterte, und eine Inschrift, welche besagte: Alles ist wenig. Die Ritter waren prächtig ausgerüstet und wohl beritten und bewaffnet; alle trugen scharlachrote Wämser und alle an den Stiefeln Sporen aus Gold und Silber. Die zweite Schar bestand aus den Zegri und Gomel und Maza und zog nicht minder prächtig und stark als die erste, welche als Vortrupp ging, in den Kampf. Die Standarte der Zegri war aus grünem und maulbeerfarbenem Damast, sie führte als Abzeichen einen schönen silbernen Halbmond mit einer Inschrift, welche besagte: Bald wird er voll sein, und die Sonne kann ihn nicht verdunkeln. Der Zegri und Maza und Gomel waren zweihundertundachtzig, alle kühn und kampferprobt und angetan mit maurischen Oberkleidern und Röcken aus tunesischem Tuche, zur Hälfte grün und scharlachrot, desgleichen trugen sie Sporen aus Silber. Die dritte Schar führte Aldoradin, ein vornehmer Ritter, und mit ihr gingen die Gazul und Azarque, ihre Standarte war falb und gelb, als Abzeichen führten sie einen grünen Drachen, der mit den grimmigen Klauen eine goldene Krone zerriß, mit einer Ueberschrift, welche besagte: Niemals soll er Widerstand finden.

Sie waren mutig und wohl zu Pferde und gewaffnet und zählten einhundertundvierzig Ritter. Die vierte Schar bestand aus Almoradi und Marin und Almochad, Rittern von großem Ansehen. Die führten die Königsfahne von Granada aus strohgelbem und blutigrotem Damast mit vielen goldenen Borten und inmitten als Abzeichen ein schöner goldener Granatapfel auf einer Seite offen, und durch den Spalt sah man kostbare Rubinen als die roten Körner. Am Stiele des Granatapfels aber saßen zwei Zweige mit ihren Blättern aus grüner Seide gestickt und schien, als wären sie eben vom Baume gebrochen; und eine Inschrift stand darunter, welche besagte: Mit der Krone bin ich geboren. Inmitten dieser prächtigen Schar kam der König Chico von Granada selbst mit vielen verwandten und befreundeten Rittern. Es war ein stolzer Anblick all diese Ritterschaft und ihre Pracht, die Federbüsche und blitzenden Schilde und schimmernden Waffen, all die kräftigen Rosse und falben Stuten, die Fähnchen an den Lanzen und die leuchtenden Farben. Zog aber die Ritterschaft so stark und schön zu Felde, so nicht minder das Fußvolk: schön und stark und gut bewaffnet, mit Bogen- und Armbrustschützen. Mit diesem Heere zog der König Chico von Granada aus und nahm seine Straße gegen Jaen. Alle Damen von Granada sahen von den Türmen der Alhambra zu, und vor allen anderen die Königin, seine Mutter, und seine Gemahlin, die Königin, mir ihren Damen. Auf diesen Auszug des Königs wurde eine gute Romanze gedichtet, wiewohl alt und geht folgendermaßen:

Reduan, wenn du dich erinnerst
Des Versprechens, das du gabest,
Mir in einer einz'gen Nacht
Jaen in die Hand zu liefern,
Reduan, wenn du es mir hältst,
Will ich deinen Sold verdoppeln.
Solltest du es nicht erfüllen,
Werd' ich dich des Lands verweisen,
Aus Granada dich verbannen,
Daß du fern lebst der Geliebten.
Ohne sein Gesicht zu ändern
Sagt' ihm Reduan solche Antwort:
Ob ich's gab, ich weiß es nicht;
Doch will ich mein Wort wohl halten.
Bat um tausend wackre Streiter.
Doch der König gab fünftausend.
Und aus dem Elviratore
Flog die mutige Reiterschar.
Soviel edle Maurenritter,
Soviel falbe, starke Rosse,
Soviel Lanzen in den Fäusten,
Soviel Schilde, welche blitzen,
Soviel grüne Oberkleider,
Soviel scharlachrote Röcke,
Soviel Prunk und soviel Adel,
Soviel schöne Scharlachmäntel,
Soviel blanke Reiterstiefel,
Soviel Bänder, die zum Schmucke,
Soviel goldner Sporen Pracht,
Soviel Armbrustring' aus Silber.
Alle Mannen kraftvoll, wacker
Ziehn zum Kampf wohl ausgerüstet.
Und inmitten aller dieser
König Chico von Granada.
Es bewundern sie die Damen
Von den Türmen der Alhambra;
Und die Königin, seine Mutter,
Solche Worte zu ihm spricht:
Allah sei mit dir, mein Sohn,
Mahomet beschirme dich,
Führe von Jaen zurück
Ruhmgekrönt dich nach Granada.

Dieser Auszug des Königs von Granada gegen Jaen konnte nicht so geheim gehalten werden, daß die in Jaen nicht davon hörten, denn die in Jaen wurden von Spähern, welche sie in Granada hielten, benachrichtigt. Andere sagen, daß ihnen Kundschaft kam von einigen Gefangenen, welche aus Granada flohen. Andere aber, daß die Abencerragen oder Alabez es sie wissen ließen, und dieses halte ich für das Sicherste, denn diese Maurenritter waren Freunde der Christen. Sei dem, wie ihm mag, am Ende erfuhren die in Jaen von dem Einfall der Mauren in ihr Land und so ließen sie alsobald denen in Baeza und Ubeda, Cazorla und Quesada und in den anderen benachbarten Orten Nachricht zukommen; welche sogleich ein Aufgebot machten und sich rüsteten, um den Feinden von Granada zu widerstehen. Langten mit ihrer Macht, die ihr habt nennen hören, an bei der Puerta de Arenas, wo sie auf zahlreiches Kriegsvolk stießen, welches sich gesammelt hatte, um den Durchzug zu hindern, damit der Feind hier nicht ins Land einbräche. Aber es half wenig. Denn am Ende hatten die Mauren alles Land von Arenas durchstreift, drangen durch das Tor ein, denen zum Trotz, die es hüteten, und überschwemmten das ganze Land von Guardia und Pegalajara bis nach Jodar und Belmar hin. Die Ritterschaft von Jaen zog in Eile aus gegen den Feind, denn sie erhielt Kundschaft, daß Guardia überfallen war. Es zogen aus Jaen aus vierhundert wackere und wohlgerüstete Männer, aus Ubeda und Baeza ebensoviel und schlossen sich alle zu einem Heerhaufen zusammen und suchten mir großem Mute den Feind auf, der ihr Land durchstreifte; und hatten als Führer und Feldhauptmann den Bischof Don Gonzalo, einen Mann von großer Tüchtigkeit. Es stießen die beiden Heere zusammen am anderen Ufer des Flusses Frio in einer Ebene, und hier wurden sie miteinander handgemein, und lieferten eine grausame und blutige Schlacht, welche sehr hartnäckig und erbittert war. Aber die Tapferkeit der Christenritter war so groß und gut, daß die Mauren sich bis zum Tore von Arenas zurückziehen mußten, von dem sie eine Kette gesprengt hatten, welche es sperrte, und hier würden die Mauren völlig aufs Haupt geschlagen sein, wenn die Tapferkeit der Abencerragen und Alabez nicht gewesen wäre, welche mit kühnem Mute kämpften, aber am Ende mußten sie doch den Christen das Feld überlassen. Trotz alledem führten die Mauren reiche Beute an Herdenvieh, Kühe wie Ziegen, mit sich fort, solcher Art, daß auf keiner von beiden Seiten ein besonderer Vorteil zu merken war. Der König von Granada aber war voller Verwunderung, da er die plötzliche Bereitschaft der Christen gewahr ward, und fragte einige christliche Gefangene, welche sie mit sich führten, aus welcher Ursach sich soviel Kriegsvolk in Jaen versammelt hätte, und die antworteten, daß Jaen seit langen Tagen von dem Einfall Kundschaft gehabt hätte, und deshalb sei das Land so schnell in Waffen gewesen. Das genügte als Entschuldigung für Reduan, weil er dem Könige sein Wort nicht zu halten vermochte, ihm Jaen in einer Nacht gewonnen zu überliefern, wie er gesagt hatte. Der König war verdrossen und verwundert über diese Kundschaft und vermochte nicht zu begreifen, von wo sie ausgegangen sein konnte, noch wer sie gegeben hatte.

Aber Reduan wußte wohl, daß Jaen sich nicht so leicht gewinnen ließ, aber als standhafter und kühner Mann hatte er beschlossen, nach Jaen zu gelangen und es mit der Gewalt seines Volkes einzunehmen; und ohne Zweifel würde er es getan haben, wenn die in Jaen nicht Kundschaft erhalten hätten. So kehrte der König nach Granada zurück und nahm große Beute mit sich, die er auf dem Marsche gemacht hatte, weshalb er gut aufgenommen wurde, er und sein Volk, und Granada feierte Feste um seiner Rückkehr willen. Die von Jaen aber waren voll Ruhm, daß, sie einem solchen Maurenheere widerstanden und viele von ihnen erschlagen hatten. Der König Chico, von den Mühen des Zuges müde, aber befahl, an einem Tage zur Zerstreuung nach einem Lusthause zu gehen, welches die Alixares genannt wird, und mit ihm war wenig Begleitung und alles Zegri und Gomel; kein Ritter von den Abencerragen, noch Gazul, noch Alabez war bei ihm. Als nun der König in den Alixares war und sich vergnügte, begann er eines Tages, da die Mahlzeit zu Ende war, von dem Zuge gegen Jaen zu sprechen und von der Tapferkeit der Abencerragen, und wie sie durch jene und die Alabez große Beute gemacht hätten. Ein Ritter von den Zegri aber, welcher der war, der den Verrat gegen die Königin und die Abencerragen einzufädeln auf sich genommen hatte, sprach: Ganz gewiß, Herr, sind die Abencerragen tapfer, doch ebenso kühn und weit tapferer noch sind die Ritter von Jaen, denn durch ihre Kühnheit nahmen sie uns einen großen Teil der Beute ab, und zwangen uns sehr gegen unseren Willen mit Waffengewalt zum Rückzuge. Und hierin sagte der Zegri die Wahrheit, denn die Kühnheit derer von Jaen war sehr groß und gewannen an diesem Tage in der Schlacht große Ehre und Ruhm, und auf sie wurde eine alte und hochberühmte Romanze gesungen, welche solcher Art lautete:

Sehr verstört sind die in Jaen
Durch der Mauren von Granada
Unvorhergesehnen Einfall,
Welcher ihrem Lande gilt.
Doch vierhundert edle Ritter
Ziehen mutig in den Kampf.
Ebensoviel andre kommen
Von Ubeda, von Baeza,
Von Cazorla und Quesada,
Und zwei Banner wehn im Winde.
Ritter sind es sonder Fehle
Und der Wahrheit wackre Freunde,
Und geschworen haben sie
In die Hände ihrer Jungfraun,
Nicht nach Jaen heimzukommen,
Eh' der Maure nicht bestraft ist;
Und wer seine Dame lieb hat,
Vier verspricht er ihr gefesselt.
Sind im Felde angekommen,
Wo der übermüt'ge Feind steht;
Und am dunklen Frioflusse
Kam es bald zur blut'gen Schlacht.
Doch der Mauren waren viele
Und sie hielten tapfer stand,
Denn es führten ihre Vorhut
Die Abencerragenritter
Und die Alabez mit ihnen,
Diese hochgemuten Ritter.
Aber zornentflammt und hitzig
hieben drein die starken Christen,
Und die Maurenreihen wankten;
Langsam ließen sie das Feld.
Und es setzten drein die Reiter
Und erlangten reiche Beute.
Ruhmvoll gingen die von Jaen
Aus dem heißen harten Kampfe,
Denn der Uebermacht der Mauren
Wehrten sie sich kühnen Herzens
Und mit ihren Streichen mähten
Sie die Reih'n des hünd'schen Volkes.

Diese Romanze wurde zum Gedächtnis der Schlacht gedichtet, obwohl andere sie in anderer Weise singen. Wie dem aber auch sei, die Geschichte ist so, wie wir erzählt haben. Die andere Romanze aber beginnt solcher Art:

Glocken tönen in Anduxar
Und die Wache ist in Aufruhr.
Viermalhundert stolze Ritter
Ziehen aus dem Tor von Jaen.
Eine gleiche Zahl entsenden
Da Baeza und Ubeda.
Jung sind alle noch an Ruhm;
In die Hände der Geliebten
Haben alle sie geschworen,
Alle süßer Glut entflammten,
Mauren ihr als Angebinde
Bei der Rückkehr mitzubringen.
Und wer seine Dame hochhält,
Drei verspricht er oder vier.
Bischof Don Gonzalo führt sie
Und er ist ihr tapfrer Hauptmann.
Don Pedro Caravayal
Solchermaßen hat gesprochen:
Vorwärts, vorwärts, edle Ritter,
Daß die Herden sicher weiden
Unsrer schreckensbleichen Hirten,
Der der Feind schon Herr sich dünkt.
Gibt es einen unter uns,
Der sich freut an meinem Schaden,
Wahrlich, das verspreche ich,
Den soll bald die Erde decken.

Solcher Art geht diese Romanze, aber diese und die erste treffen in einem Punkte und in einer Sache zusammen. Und wiewohl es alte Romanzen sind, verlohnt es sich sie im Gedächtnis zu erneuern für die, welche heute zur Welt kommen, damit sie die Vorgänge verstehen, um derentwillen sie gedichtet wurden. Und wiewohl die Romanzen alt sind, sind sie gut zu dem angegebenen Zwecke. Es erfolgte diese Schlacht zur Zeit des Königs Chico von Granada im Jahre eintausendvierhunderteinundneunzig. Jetzt aber wollen wir zum König Chico von Granada zurückkehren, welcher in den Alixares sich vergnügte, wie wir erzählt haben, wo der Ritter von den Zegri ihm sagte, daß die Ritter von Jaen tapferer wären als die Abencerragen, denn sie hätten sie gezwungen, sich sehr wider ihren Willen zurückzuziehen. Worauf der König entgegnete: Wohl ist das richtig; wenn aber die Tapferkeit der Abencerragen und Alabez nicht gewesen wäre, so fehlte wenig und nicht ein einziger von uns kehrte nach Granada zurück, aber sie verrichteten solche Heldentaten, daß wir ungefährdet entkamen, und ohne daß jene uns die Herden des Beuteviehs, welche wir mitführten, und einige Gefangene abnahmen. – O wie blind ist Eure Majestät, sagte der Zegri, und wie ganz anders steht es damit, denn sie sind Verräter an der königlichen Krone, und die Ursach ist die übergroße Güte und Vertrauensseligkeit, die Eure Majestät zu diesem Geschlechte der Abencerragen hegt, ohne um den Verrat zu wissen, mit dem sie umgehen. Viele Ritter gibt es in Granada, die es haben sagen wollen und erkühnten sich's nicht, noch haben es gewagt, um des großen Gewichtes willen, das dieses Geschlecht bei dir besitzt. Und wahrlich, ich selbst würde es lieber nicht sagen, aber mich zwingt die Ehre meines Königs und Herrn dazu. So sage ich denn Eurer Majestät, daß Ihr von heute ab in keiner Weise mehr einem Abencerragenritter traut, wenn du das Königreich nicht verlieren willst. – Bestürzt sagte der König: So sag' mir, Freund, was du weißt und verbirg mir's nicht, und ich verspreche dir großen Dank. – Ich möchte nicht der Aufdecker dieses Geheimnisses sein, sondern wünschte, daß ein anderer es wäre; da aber Eure Majestät es mir befiehlt, muß ich es sagen. Gebt mir aber Euer königliches Wort, mich nicht zu verraten, denn Eure Majestät weiß wohl, daß ich und alle meines Geschlechtes von den Abencerragen scheel angesehen werden, und sie konnten sagen, daß wir sie aus Neid auf ihren Adel und ihr gutes Glück und ihren Ruhm bei Eurer Majestät in Ungnade gebracht haben, welches ich um nichts in der Welt möchte. – Fürchtet solches nicht, sagte der König, ich gebe Euch mein königliches Wort, daß niemand es von mir erfahren, noch daß es durch mich ans Licht kommen soll. – Dann lasse Eure Majestät Mahandin Gomel rufen, welcher ebenfalls um dieses Geheimnis weiß, und meine beiden Neffen Mahomad und Alhamuy, denn sie sind so gute Ritter, daß sie mich nicht lügen lassen werden nach dem, was sie selbst gesehen haben, sie und vier andere Ritter von den Gomel, Vettern des Mahandin Gomel, den ich genannt habe. – Unverzüglich ließ sie der König herbeirufen; und als alle insgeheim gekommen waren und ohne daß ein anderer Ritter zugegen war, begann der Zegri in seinen Mienen ausdrückend, als ob es ihm schwer fiele, solcher Art: Wisse denn, mächtiger König, daß alle Abencerragenritter gegen dich verschworen sind, dich zu ermorden, um dir das Königreich zu rauben. Und diese Kühnheit faßten sie, weil meine Herrin, die Königin, in Liebe ist mit einem Abencerragen namens Albinhamad, einem der reichsten und vermögendsten Ritter in Granada: was willst du weiter, o König von Granada, daß ich dir sagen soll, als daß ein jeder Abencerrage ein König, ein Herr, ein Fürst ist, und keine Art Volks gibt es in Granada, die sie nicht verehrt; beliebter sind sie als Eure Majestät selber. Wohl erinnert Ihr Euch noch, mein Gebieter, als wir in Generalife die Zambra feierten und der Großmeister seine Herausforderung sandte, und Musa gelost wurde: an diesem selben Tage lustwandelten wir, ich und dieser Ritter von den Gomel, der hier zugegen ist, im Garten der Generalife in einem jener Wege, welche aus Myrten bestehen, da erblickte ich unversehens unter einem Rosenstrauche, welcher mit weißen Rosen bedeckt war und sehr groß ist, die Königin in ihrer Lust mit Albinhamad. Und ihr süßes Gehaben war so groß, daß sie uns nicht gewahrten; ich zeigte es Mahandin Gomel, der hier zugegen ist und mich nicht Lügen sprechen lassen wird, und ganz stille entfernten wir uns von jenem Orte, und warteten, wie die Sache ausgehen möchte, und nach einiger Zeit sahen wir die Königin allein von dorther, nahe beim Lorbeerbrunnen herauskommen und stahl sich nach und nach verstellterweise bis dorthin, wo ihre Damen waren. Ein gut Teil später sahen wir Albinhamad vorsichtig und voll Verstellung herauskommen und im Garten hin und wiedergehen und weiße und rote Rosen pflücken, und wand sie zu einem Kranze und setzte sich den aufs Haupt, wir aber gingen auf ihn zu, als wüßten wir um nichts und sprachen ihn an und fragten, womit er die Zeit hinbrächte, worauf Albinhamad uns antwortete: Ich vergnüge mich hier in diesem Garten, der sehr schön ist, und es gibt manches in ihm zu sehen. Sprach es und gab einem jeden von uns zwei Rosen, und so kamen wir im Gespräch bis dorthin, wo Eure Majestät mit den anderen Rittern war. Wir wollten dir mitteilen, was vorgefallen war, und wagten's nicht, weil es eine so gewichtige Sache war, und um die Königin nicht in schlechten Ruf zu bringen und deinen Hof nicht in Verwirrung zu stürzen; auch warst du damals eben erst König geworden. Solches also geht vor, und öffne die Augen und sieh zu, da du deiner Ehre schon verlustig bist, daß du nicht auch das Königreich einbüßest und das Leben verlierst, welches mehr als alles ist.

Ist es denn möglich, daß du nichts bemerkt hast, noch auf das Treiben der Abencerragen stießest? Erinnerst du dich nicht jener königlichen Galeere bei dem Ringelspiele, welche die Abencerragen führten, wie sie auf dem Schnabel eine Weltkugel aus Kristall trug und ringsherum die Inschrift, welche besagte: Alles ist wenig? Damit gaben sie zu verstehen, daß die ganze Welt für sie wenig ist. Und auf dem Hinterschiffe oben am Fanal führten sie einen Wilden, der einem Löwen die Kinnbacken zerbricht. Was könnte dieses bedeuten, wenn nicht das: du bist der Löwe und sie sind es, die mit dir ein Ende machen und dich vernichten. Komm zur Besinnung, Herr, und strafe, daß die Welt ein Entsetzen ankommt: Tod den Abencerragen und Tod der selbstvergessenen und ehebrecherischen Königin, da sie so deine Ehre mit Füßen tritt. – Solcher Schmerz und Gram überkam den König, als er derartiges reden hörte, wie jener verräterische Zegri es sprach, daß er im Glauben an die Wahrheit der Worte bewußtlos zu Boden fiel und geraume Zeit von Sinnen blieb. Kam am Ende zu sich und schlug die Augen auf und seufzte tief auf und sprach: O Mahomet, womit habe ich dich beleidigt, ist das dein Lohn für so viel gute Dienste, die ich dir erwiesen, für die Opfer, die ich dir angeboten, für die Moscheen, die ich dir zum Ruhme erbaut, für die Menge des Weihrauchs, den ich auf deinen Altären verbrannt habe? O Verräter, wie hast du mich betrogen. Aber ein Ende mit den Verrätern, bei Allah, dem Heiligen; die Abencerragen sollen sterben, und sterben auf dem Scheiterhaufen die Königin. Auf, ihr Ritter, nach Granada und alsogleich greife man die Königin, und ich will sie strafen, daß die Welt davon voll ist. – Einer der verräterischen Ritter aber, welcher ein Gomel war, sagte darwider: Nicht so, denn auf die Art würdest du die Sache nicht in Ordnung bringen. Denn wenn du die Königin greifen lässest, ist alles verloren und setzest dein Leben und Königreich dem Untergange aus; denn wenn man die Königin greift, wird alsobald Albinhamad den Grund ihrer Gefangenschaft argwöhnen und sich vorsehen und alle seines Geschlechtes zusammenrufen, welche sich zu deinem Schaden zur Verteidigung der Königin waffnen werden. Und ohne dieses weißt du schon, daß auf ihrer Seite stehen und zu ihnen halten die Alabez und Vanega und Gazul, alles die Blüte der Ritterschaft Granadas. Was aber zu deiner Rache zu tun ist, ist dieses, daß du eines Tages ganz ruhig und ohne Lärm die Abencerragen in deinen Königspalast entbieten lässest, und zwar einzeln einen jeden für sich, und halte zwanzig oder dreißig Ritter aufs beste mit Waffen versehen bereit, auf die du, Herr, dich verlassen kannst. Und sobald ein Abencerrage kommt, laß ihm sogleich das Haupt herunterschlagen. Und wenn so Mann für Mann mit ihnen verfahren ist, wird, sobald die Sache ruchbar wird, von ihnen allen keiner mehr übrig sein. Und wenn alle ihre Freunde es hören und etwas gegen dich tun wollen, hast du bereits das Königreich in Furcht und für dich alle Zegri und Gomel und Maza, welche nicht so wenige, noch von so geringem Werte sind, daß sie dich nicht in Frieden und unversehrt jeder Gefahr entziehen könnten. Dieses getan, laß die Königin ergreifen und übergib ihre Geschäfte der Gerechtigkeit unter der Anklage des Ehebruchs, und vier Ritter sollen mit anderen vier, welche sie anklagen, einen Kampf bestehen. Und wenn die Ritter, welche sie verteidigen, die vier Ankläger besiegen, soll die Königin frei sein, wenn aber die Ritter ihrer Seite besiegt werden, soll sie sterben. In solcher Art werden alle von der Seite der Königin, welches die Almoradi und Almohad und Marin sind, sich nicht so hochmütig zeigen, noch gar so leicht bewegen, im Gedanken, daß die Gerechtigkeit auf deiner Seite ist und werden es für sehr gut finden. Was alles übrige angeht, Herr, laß uns handeln, denn wir werden alle Schwierigkeiten ausgleichen, solcher Art, daß du gerächt wirst und dein Leben und Königreich in Sicherheit bleibt. – Wohl ratet ihr mir, meine treuen Ritter, sagte der König, aber wer werden die vier Ritter sein, welche die Anklage gegen die Königin vertreten und im Kampfe dafür eintreten, daß sie solcher Art sind, mit ihrem Anspruch durchzudringen? – Eure Majestät sorge sich nicht darum, sagte der verräterische Zegri; ich werde der eine sein und Mahardon, mein Vetter, der zweite und Mahardin der dritte und der vierte sein Bruder Ali Hamete. Und vertraue auf Mahomet, daß an deinem Hofe sich nicht vier andere finden lassen, welche so kräftig und von solchem Wagemute sind; mag man immer Musa in Rechnung ziehen. – Dann vorwärts, sagte der betrogene und unselige König; es geschehe also, brechen wir auf nach Granada und setzen unsere gerechte Rache ins Werk. – O Granada, Unglück über dich, welch ein Wechsel wartet deiner, welch einen Fall wirst du tun, so tief, daß du niemals dich wieder zu erbeben noch deinen Adel und Reichtum wiederzuerlangen vermagst! – Damit begaben sich die Verräter und der König nach Granada, traten ein in die Alhambra und gingen zum Palaste des Königs, wo die Königin mit ihren Damen, sie zu empfangen, ihnen bis zum Tore des Königspalastes entgegengingen. Aber der König machte keine Anstalt, die Königin anzublicken, sondern ging vorüber, ohne sich bei ihr aufzuhalten, wie er sonst pflegte, worüber die Königin nicht wenig verwundert war, und begab sich mit ihren Damen in ihr Gemach zurück und wußte nicht, welchen Grund die ungewohnte Mißachtung des Königs haben mochte. Der aber verbrachte den Tag im Verborgenen mit seinen Rittern bis zur Nacht und speiste sehr zeitig zu Abend und zog sich in sein Schlafgemach zurück unter dem Vorwande, daß ihm unwohl sei. So gingen alle Ritter in ihre Behausungen. Die ganze Nacht aber verbrachte der unglückliche König von tausend Gedanken gequält und vermochte keine Ruhe zu finden und sprach zu sich selber: O unglückseliger König Audili von Granada, wie nahe stehst du vor deinem Untergange und deines Reiches! Wenn ich diese Ritter ums Leben bringe, entsteht daraus großes Unheil für mich und mein Königreich, und lasse ich sie leben und es ist Wahrheit, was man mir gesagt hat, bin ich gleichfalls verloren. Ich weiß nicht, zu welchem Mittel ich meine Zuflucht nehmen soll, aus solcher Trübsal zu entkommen. Ist es möglich, daß Ritter von so edlem Geschlecht mir solchen Verrat ersannen? Ich vermag es nicht zu glauben. Und ist es möglich, daß die Königin, mein Weib, eine solche Verruchtheit begangen hat? Ich glaube es nicht, denn niemals habe ich an ihr etwas gesehen, was einem ehrbaren Weibe nicht zukäme. Aber in welcher Absicht und aus welchem Grunde haben mir's die Zegri gesagt? Nicht ohne Ursach haben sie's mir gesagt. Und wenn ihm so ist, dann, beim allmächtigen Allah, sollen sterben die Abencerragen und die Königin. In diesen und anderen Gedanken verbrachte der König diese ganze Nacht, ohne Schlaf zu finden bis zum Morgen, erhob sich und ging in den Königspalast, wo er viele Ritter ihn erwarten fand, alles Zegri und Gomel und Maza, und unter ihnen die Verräter. Alle erhoben sich von ihren Sitzen und verbeugten sich tief vor dem Könige und wünschten ihm einen guten Morgen. Unter diesem trat ein Schildknappe ein und sagte zum Könige, daß in der verflossenen Nacht Musa mit den Abencerragen aus der Ebene zurückgekehrt sei vom Kampfe mit den Christen und brächten zwei erbeutete Christenbanner und mehr als dreißig Häupter mit. Der König tat, als freue er sich darüber, aber wie anders empfand er im Innern. Rief den verräterischen Zegri beiseite und sprach zu ihm, daß er alsbald dreißig aufs beste bewaffnete Ritter in den Löwenhof brächte und für einen Henker sorgte und alles, was zu dem Abgeredeten vonnöten sei. Sogleich verließ der verräterische Zegri den Königspalast und setzte ins Werk, was der König ihm befohlen hatte. Und als alles bereit war, wurde es dem Könige angesagt; und der ging in den Löwenhof, wo er den verräterischen Zegri fand mit dreißig wohlgerüsteten Rittern von den Zegri und Gomel und mit ihnen einen Henker. Und alsogleich ließ er durch einen seiner Edelknaben Abencarrax, seinen Großalguazil rufen, der Page ging und rief ihn von Seiten des Königs. Abencarrax folgte sogleich dem königlichen Gebote. Und sobald er den Löwenhof betrat, legten sie Hand an ihn, ohne daß er Widerstand zu leisten vermochte; und so wurde er in einem großen Brunnenbecken aus Alabaster enthauptet. In gleicher Weise wurde Albinhamad gerufen, welcher des Ehebruchs mit der Königin beschuldigt war, und gleichfalls enthauptet, wie der erste. Solcher Art wurden sechsunddreißig Abencerragen von den vornehmsten Granadas enthauptet, ohne daß ein Mensch davon erfuhr. Und würden alle gestorben sein, ohne daß auch nur einer übrig blieb, wenn Gott, unser Herr, sich ihrer nicht erbarmt hatte. Denn ihre Taten und Werke verdienten nicht, daß sie alle in so nichtswürdiger Weise umkamen, weil sie Freunde der Christen waren und ihnen sehr viel Gutes erwiesen hatten. Und die dabei waren als sie enthauptet wurden, wollen sogar behaupten, daß sie als Christen starben und zu Christus, dem Gekreuzigten, schrieen, daß er mit ihnen und ihnen in dieser letzten Not gnädig sei. So wurde hernach behauptet. Um aber zum Gegenstande zurückzukehren, so wollte Gott nicht, daß diese grause Tat darüber hinausginge; und geschah, daß ein junger Page, der einem dieser Ritter zugehörte, mit seinem Herrn eintrat, ohne daß jene wohl acht auf ihn hatten; der sah, wie seinem Herrn der Kopf heruntergeschlagen wurde, und erblickte alle die anderen enthaupteten Ritter. Und wie die Tür geöffnet wurde, um einen anderen Ritter rufen zu lassen, schlüpfte der Page hinaus, und voll Angst und weinend um seinen Herrn stieß er nahe beim Alhambrabrunnen, dort, wo heute die Pappelallee ist, auf den ritterlichen Malique Alabez und Abenamar und Sarrazino, welche zur Alhambra gingen, um mit dem Könige zu reden. Und sobald er sie traf, sprach er voll Tränen und zitternd zu ihnen: Ach, ihr Herren Ritter, bei Allah dem Heiligen, geht nicht weiter, wenn ihr nicht eines schlimmen Todes sterben wollt. – Wieso, fragte Alabez? – Wie Herr? antwortete der Page; wißt denn, drinnen im Löwenhofe liegt eine große Zahl enthaupteter Ritter und sind alle Abencerragen, und unter ihnen mein Herr, den ich selbst enthauptet werden sah, denn ich trat mit ihm ein und sie gaben nicht acht auf mich, denn so fügte es Allah, der Heilige, und als sie die treulose Türe des Löwenhofes abermals öffneten, schlüpfte ich hinaus; beim heiligen Mahomet, hütet Euch hineinzugehen. – Aufs höchste verwundert, hörten es die drei Maurenritter, blickten einander an und wußten nicht, was sie sagen noch ob sie es glauben sollten. Und Abenamar sagte am Ende: Ich will meines Lebens verlustig sein, wenn darunter nicht ein großer Verrat verborgen ist, wenn es sich so verhält. – Wie wollen wir's aber erfahren? fragte Sarrazino. – Wie ich euch sagen will, antwortete Alabez. Bleibt ihr hier, ihr Herren, und wenn ihr seht, daß ein Ritter zur Alhambra geht, sei es ein Abencerrage oder nicht, laßt ihn nicht weitergehn, sagt, er sollte ein wenig verziehen; und indessen will ich zum Königspalaste und erfahren, was vor sich geht, und werde binnen kurzem zurück sein. – Allah sei mit Euch, sagte Abenamar, wir werden hier warten. Malique stieg in aller Eile zur Alhambra hinauf, und wie er durch das Tor kam, traf er den Pagen des Königs, welcher in großer Eile herauskam. Malique fragte ihn, wohin er so eilig ginge. – Ich will einen Abencerragen herbeirufen, antwortete der Page. – Wer läßt ihn rufen, fragte Malique. – Der König, mein Gebieter, antwortete der Page, haltet mich nicht auf, denn um nichts darf ich verziehen. Wenn aber Ihr, Herr Malique, ein gutes Werk tun wollt, so eilt in die Stadt hinab und sagt allen Abencerragen, denen Ihr begegnet, daß sie alsogleich Granada verlassen, denn es ist ein großes Unheil gegen sie im Werke. – So sprach der Page und hielt sich keinen Augenblick auf, sondern eilte in Hast zur Stadt hinab. Der wackere Malique Alabez aber, überzeugt und sicher, daß ein großes Unheil da war, kehrte dorthin zurück, wo er Sarrazino und den guten Abenamar gelassen hatte und sprach zu ihnen: wackere Freunde, ganz gewißlich ist ein großes Unheil gegen die Abencerragen im Werke, denn ein Page des Königs, wenn ihr ihn zufällig in aller Eile hier habt vorbeikommen sehn, sagte mir, daß ich allen Abencerragen, die mir begegneten, wissen ließe, daß sie die Stadt verlassen sollten, denn es sei ein großes Unheil gegen sie im Werke. – Hilf mir, Allah, sagte Sarrazino, ich will meines Lebens verlustig sein, wenn dahinter nicht die Zegri stecken. Aber gehn wir schnell in die Stadt und machen kund, was geschieht, damit ein so großes Unheil in etwas sein Heilmittel finde. – Gehen wir, sagte Abenamar, denn hier gilt kein Zögern. – Sprach es und alle drei kehrten in größter Eile in die Stadt zurück, und ehe sie noch zur Straße der Gomel kamen, trafen sie den Feldhauptmann Musa und mehr als zwanzig Abencerragen von denen, welche in die Ebene hinausgezogen waren zum Kampfe mit den Christen, und gingen mit ihm, um den König zu sprechen und ihm Bericht über den Kampf zu erstatten. Als Alabez sie sah, sprach er voller Erregung: Herren Ritter, bringt euch in Sicherheit, denn ein schlimmer Verrat ist gegen euch geschmiedet; wißt, daß der König mehr als dreißig Ritter eures Geschlechtes hat zu Tode bringen lassen. Voller Entsetzen und Bestürzung wußten die Abencerragen nicht, was sie sagen sollten. Der edle Musa aber sprach zu ihnen: Bei meinem Ritterworte, wenn Verrat im Werke ist, so stecken die Zegri und Gomel dahinter, denn ich habe wohl acht gegeben, es läßt sich keiner von ihnen in der Stadt sehen, sondern sie müssen alle beim König in der Alhambra sein. Sprach es und kehrte um und sagte: Kommt alle mit mir, ich will den Fall in Ordnung bringen. So kehrten alle mit dem edlen Musa in die Stadt zurück, kamen auf den neuen Platz, und da Musa Generalfeldhauptmann des Kriegsvolkes war, ließ er alsbald einen Hornbläser kommen, und als der gekommen war, ließ er ihn schleunig zum Sammeln blasen. Der Hornbläser tat es, und kaum war das Signal vernommen, da kam alsogleich sehr viel Volk zusammen, zu Pferde wie zu Fuß, und die Hauptleute, welche die Banner und das Kriegsvolk zu führen pflegten. Zusammen kamen viele Ritter von großer Geltung und alle die Vornehmsten von Granada, und nur die Zegri und Gomel und Maza fehlten, woraus sich am Ende mit Sicherheit ergab, daß die Zegri mit diesem Verrate zu tun hatten. Als all dieses Volk zusammen war, begann der ungestüme Malique Alabez, welcher sein Herz in der Brust nicht zu halten vermochte, mit lauter Stimme folgendermaßen: Ihr Ritter und wackeren Bürger, die ihr hier zugegen seid, wißt, daß ein schlimmer Verrat im Werke ist, denn der König Chico hat einen großen Teil der Abencerragen enthaupten lassen, und wenn der Verrat nicht nach Allah, des Heiligen Fügung entdeckt worden wäre, würde keiner von ihnen am Leben geblieben sein. Kommt alle zur Rache! Wir wollen keinen Tyrannen zum König, der solcher Art die Ritter umbringen läßt, die ihm sein Land verteidigen. – Kaum hatte Malique Alabez geendet, da begann der ganze Haufen des niederen Volkes laut zu rufen und hub zu schreien an, und riefen die ganze Stadt zusammen und sagten: Verrat, Verrat, der König hat die Abencerragen umgebracht. Tod dem Könige, Tod dem Könige, wir wollen zum König keinen Verräter! Dieser Ruf und wirre Lärm begann mit teuflischer Wut durch ganz Granada zu laufen, und alle griffen in Eile zu den Waffen und begannen zur Alhambra hinaufzueilen und waren unversehens beieinander mehr als vierzigtausend Mann, Bürger und Handwerker und Krämer und Arbeiter und anderes Volk, daß es ein Entsetzen und Wunder war, wie in so kurzer Zeit eine solche Menschenmasse zusammengelaufen war, ohne die Ritterschaft, welche sich ihr anschloß, welche zahlreich war; Abencerragen, welche übriggeblieben waren, mehr als zweihundert Ritter, und mit ihnen die Gazul und Vanega und Alabez und Almoradi und Almohad und Azarque und alle übrigen von Granada. Und riefen mit lauter Stimme: wenn dieses hingeht, wird man ein andermal ein anderes Geschlecht von denen, die bleiben, ums Leben bringen! – So groß war das Geschrei und der Lärm, der sich erhoben hatte, und das wirre Durcheinander, daß von ihm ganz Granada betäubt war; und bis weit fort hörte man das Rufen der Männer und Kreischen der Weiber und Weinen der Kinder. Am Ende war es, als solle die Welt untergehen, solcher Art, daß man es deutlich in der Alhambra vernahm. Argwöhnend, was es war, ließ der König erschrocken die Tore der Alhambra schließen und hielt sich für schlecht beraten in dem, was er getan hatte, und war voll entsetzten Staunens, wie das Geheimnis möchte ans Licht gekommen sein. Indessen langte der wirre Volkshaufen vor der Alhambra an und schrie ungestüm: Tod dem Könige, Tod dem Könige. Und da sie die Türen geschlossen fanden, hießen sie alsbald Feuer anlegen, sie zu verbrennen. Das geschah. An vier oder sechs Stellen legten sie Feuer an der Alhambra an mit solchem ungestümen Verlangen, daß sie schon zu brennen begann. Der König Mulehazen, der Vater des Königs Chico, aber vernahm solchen Aufruhr und Lärm und ließ von dem, was es war, unterrichtet und voller Zorn auf den König, seinen Sohn, und in dem Wunsche, daß er sein Leben verlöre, alsbald eine falsche Tür der Alhambra öffnen und sagte, daß er selbst hinausgehen wolle, den Aufruhr zu stillen. Kaum aber war die Türe offen, als tausend Menschen durch sie eindrangen. Und da sie den alten König erkannten, scharten sie sich um ihn und hoben ihn hoch und riefen: Dieser ist unser König und keiner sonst. Hoch der alte König Mulehazen! – Ließen ihn in guter Hut, und durch die falsche Tür drang eine Menge von Rittern und Volkes zu Fuß ein; die eindrangen, waren Gazul, Alabez und Abencerragen mit einigem Fußvolk, mehr als zweihundert. Der alte König ließ schleunig die falsche Tür verschließen und befahl vielen, die bei ihm geblieben waren, sie zu verteidigen, damit drinnen in der Alhambra nicht mehr Unheil entstünde, als mit dem Volke, das darinnen war, so bereits entstehen konnte. Aber wenig half diese Vorsicht, denn das Volk, welches drinnen war, reichte aus, einhundert Alhambras zu zerstören. Die anderen außen aber eilten durch alle Gassen und riefen laut: Tod dem Könige und den anderen Verrätern! – Mit solchem Ungestüme kamen jene zum Königspalaste und fanden dort die Königin mit ihren Damen, dem Tode nahe, im Ungewissen über die Ursach eines so großen und unerhörten Aufruhrs. Fragten, wo der schlimme König wäre, und es fand sich einer, der sagte, er wäre im Löwenhofe. Alsogleich stürmte der ganze Volkshaufen dorthin und fanden die Tore mit starken Schlössern verwahrt, aber wenig half deren Stärke, denn sie schlugen sie in Stücke und drangen ein trotz der zahlreichen Ritter von den Zegri, welche dort waren und den Eingang verteidigten. Und wie die Abencerragen und Gazul und Alabez drinnen der Schlächterei der Abencerragen, welche der König hatte enthaupten lassen, dort in dem Hofe ansichtig wurden, wer vermöchte euch die Wut und den Grimm der überlebenden Abencerragen über dieses blutige Schauspiel zu beschreiben und mit ihnen aller derer, die sie begleiteten. Tiger vermöchten nicht so rachgierig zu sein wie sie. Und mit lautem Geschrei fielen sie über mehr als fünfhundert Ritter der Zegri und Gomel und Maza her, welche in dem weiten Hofe waren, um den König Chico zu verteidigen, und riefen: Tod den Verrätern, die einen solchen Verrat angestiftet und eingegeben haben. – Und voll grimmen Mutes setzten sie ihnen mit dem Schwerte zu.

Die Zegri auf ihrer Seite verteidigten sich mannhaft, denn sie waren wohl gerüstet und auf diesen Fall vorgesehen. Aber wenig half ihnen ihre Vorsicht, denn jene hieben sie in Stücke und in weniger als einer Stunde lag bereits eine große Zahl Zegri und Gomel und Maza tot am Boden. Und beharrlich ihrer Rache folgend, erschlugen sie jene mehr und mehr. Hier war Lärm und Geschrei, hierher eilte alles Volk, das von der Stadt heraufgekommen war, immerfort mit dem Rufe: Tod dem Könige und den Verrätern. – Und so groß war das Blutbad, welches die Abencerragen und Alabez und Gazul anrichteten, und so bitter die Rache für die ermordeten Abencerragen, daß von allen Zegri, welche hier waren und von den Gomel und Maza wenige nur am Leben blieben. Der unselige König verbarg sich, daß er nicht gefunden werden konnte. Damit zu Ende, wurden die Ritter, welche durch Verrat umgekommen waren, ihrer sechsunddreißig der reichsten und vornehmsten, in die Stadt hinabgetragen und legten sie dort auf dem neuen Platze auf schwarze Tücher nieder, damit die ganze Stadt sie sähe und sich zum Mitleid bewegte beim Anblick eines so schmerzlichen und jammervollen Schauspiels und solcher Grausamkeit. Alles andere Volk aber ging durch alle Räume der Alhambra und suchte nach dem Könige unter solchem Lärm, daß alle Gebäude und Türme einzustürzen drohten und der Widerhall dessen, was hier vorging, von den Bergen zurückgeworfen wurde. Und wenn Sturm und Aufruhr in der Alhambra tobten, so war nicht minder Tumult und Weinen in der unglücklichen Stadt. Alles Volk klagte gemeinsam über die toten Abencerragen. Und innen in den Häusern weinte man um die toten Zegri und Gomel und Maza und andere Ritter, welche mit ihnen bei dem Sturme ihr Leben eingebüßt hatten. Auf diesen Kampf und unheilvollen Aufruhr aber wurde eine Romanze gedichtet, welche so lautet:

In den Mauern der Alhambra
Gellen wieder laute Schreie
Und die ganze Stadt Granada
Ist voll Klage, voller Trauer.
Sechsunddreißig edle, treue
der Abencerragenritter
ließ an einem einz'gen Tage
König Chico schuldlos sterben,
Weil die Zegri und die Gomel
Sie Verrats bezichtigt hatten.
Granada beweint sie heiß;
Der Verlust solch edler Ritter
Und ihr schreckenvolles Ende
Preßt sein Herz in wildem Schmerze.
Männer, Weiber, zarte Kinder
Weinen über ihren Tod.
Und es weinen alle Damen,
Die in Granada versammelt.
Auf den Straßen, an den Fenstern
Sah man trauervolle Mienen.
Keine edle Dame gab es
Die nicht tiefen Kummer zeigte,
Keinen edlen Ritter gab es,
Der nicht ging im Trauerkleide.
Nur die Zegri waren heiter
Des Verrats verfluchte Väter
Und mit ihnen alle Gomel,
Die im Bunde stehn mit ihnen.
Doch das schwerste Herzleid trugen
Um die edlen, lieben Toten
Alle Gazul, Alabez.
Und die Tücke wollen rächen
Sie im ganzen Löwenviertel
Voller Mut und grimmer Kühnheit
Und zum schlechten König eilen
Und das Schwert ins Herz ihm stoßen.
Weil den Greuel er geduldet.
Welcher dort geschehen war.

Jetzt aber wollen wir zu dem blutigen und hartnäckigen Aufstande des Volkes in Granada gegen den König Chico und seine Verteidiger zurückkehren. Man muß also wissen, daß der edle Musa, da er an der Alhambra Feuer anlegen sah, in großer Eile Anstalten traf, die wilden Flammen zu dämpfen Erfuhr, daß der König Mulehazen, sein Vater, die falsche Tür der Alhambra hatte öffnen lassen, und eilte alsbald dorthin, begleitet von einer großen Schar zu Pferde und zu Fuß. Kam an und fand den König Mulehazen von mehr als eintausend Rittern umgeben, welche ihn bewachten und mit lauter Stimme riefen: Es lebe der König Mulehazen, den wir als unseren Herrn anerkennen; und sucht den König Chico, der mit so schlimmem Verrat die Blüte der Ritterschaft Granadas zu Tode gebracht hat. – Musa sagte: Es lebe der König Mulehazen, mein Vater, denn so will es ganz Granada! – Dasselbe riefen alle, die mit ihm gekommen waren, sagten es und traten in die Alhambra ein und gingen stracks zum Königspalaste und durchsuchten ihn von oben bis unten, aber fanden den König nicht, worüber sie sich sehr verwunderten, und kamen zum Löwenhof und gewahrten das große Gemetzel, welches hier angerichtet war unter den Zegri und Gomel und Maza von der Hand der Abencerragen und Gazul und Alabez, und Musa sagte: Wenn gegen die Abencerragen Verrat angestiftet wurde, so ist er gut gerächt, ob es schon für Verrat nicht Lohn noch Genugtuung gibt. – Und voll Schmerz über das, was er erblickte, ging er fort und begab sich zum Gemache der Königin, welche er ganz in Tränen und völlig ratlos fand im Kreise aller ihrer Damen, und bei ihr die schone Zelima, welche Musa von Herzen liebte. Die Königin aber sprach bebend zu Musa: was ist dieses, Freund Musa, welch Unheil ist es, wovon die Stadt widertönt und die Alhambra, denn ich vermag nicht zu sagen, was es sein kann? – Das ist des Königs Werk, antwortete Musa, der, ohne seine Schuldigkeit zu bedenken, einwilligte in einen offenbaren Verrat gegen die Abencerragen, von denen er große und ruhmvolle Dienste empfangen hat. Und zum Lohne dafür hat er heute dreißig und mehr Ritter von ihnen im Löwenhofe ums Leben gebracht. Das ist das schöne Geschenk, welches der König, mein Bruder und Euer Gatte, heute gemacht oder erlaubt hat, daß es gemacht wurde. Um weswillen er sein Königreich verloren hat, und er selbst scheint es, ist darauf und daran, zugrunde zu gehen; denn schon hat alles Volk von Granada, die Ritter sowohl wie die anderen Stande, meinen Vater, den König Mulehazen als Herrn und König aufgenommen, und um deswillen tobt der Lärm und Aufruhr, den Ihr, Herrin, vernehmt. – Heiliger Allah, rief die Königin, solches geht vor? Wehe mir! – Rief es und die Sinne schwanden ihr und sank zu Boden in die Arme der schönen Galiana, der Schwester Zelimas. Alle Damen weinten bitterlich über den jammervollen Vorgang und weinten über die unglückliche Königin, die in solch Ungemach gekommen war. – Die schöne Haxa und Zelima beugten die Knie vor dem edlen Musa, und Zelima sprach, weil sie ihn im Herzen, liebte, folgendermaßen: Herr, zu Euren Füßen will ich liegen bleiben, bis Ihr mir Euer Wort gegeben habt, in diesem soviel zu tun, daß Frieden gestiftet wird und der König, Euer Bruder, in seinem Besitze bleibt wie bisher. Denn ob er schon vernachlässigt hat, was er Euch schuldet, indem er meine Freundschaft begehrte, darf man in solcher Zeit nicht daran denken, Unbill mit Unbill zu bezahlen, sondern für Schlimmes Gutes zu tun. Und von jetzt ab mag er sich hüten, uns in diesem noch in anderem zu nahe zu treten; und hierin werdet Ihr mir zu besonderem Gefallen sein. – Die schone Haxa, welche um die Liebe der beiden wußte, schlug sich ins Mittel und bat ihn herzlich. Als der edelmütige Musa seine Sonne sich zu Füßen sah und einen so schönen Mond neben ihr, wie Haxa es war, vermochte er es ihr nicht abzuschlagen und gab sein Wort, daß er den ganzen Aufruhr dämpfen wollte und dem Könige den Besitz seines Königreichs erhalten. Die schöne Zelima aber war sehr froh darüber und als Lohn nahm Musa ihre Hand und küßte sie, und es sah es keine der Damen außer der schönen Haxa, denn die anderen waren damit beschäftigt, der Königin Wasser ins Gesicht zu spritzen. Die kam wieder zu sich und weinte und Musa tröstete sie so gut er es vermochte. Und weil es schon spät wurde, so Schwieriges auszuführen, wie er versprochen hatte, nahm er Urlaub von der Königin und ihren Damen und verließ den Königspalast und ging dorthin, wo er den König, seinen Vater, wußte und sprach zu dem: Herr, befehlt, daß alles Volk sich zur Ruhe gebe und die Waffen niederlege, bei Strafe an Leib und Leben, denn auf andere Art ist es unmöglich, sie zur Ruhe zu bringen. – Alsbald gab der König den Befehl und ließ ihn in seinem Namen ausrufen in der ganzen Alhambra und durch die ganze Stadt; und Musa ging als Generalfeldhauptmann des Kriegsvolkes und hieß alle sich in ihre Häuser zurückziehen, und bat andere. Solcher Art legte sich gar bald der hartnäckige Aufstand und Tumult, und waren die einen gewillt, Mulehazen zu folgen, andere, zum König Chico zu stehen. Hierzu halfen alle die Vornehmsten Granadas und die Geschlechter, die nicht an dem Haß beteiligt waren, welches die Alabez waren und die Benaragen, die Laugeten, Azarque, Alarif, Aldoradin, Almoradi, Almohad und viele Herren und Ritter Granadas. Solcher Art wurde alles beruhigt und Musa bat alle, daß sie seinem Bruder nicht den Gehorsam aufsagten, damit Granada wieder würde, was es vordem gewesen war, denn wenn es keine Verräter und schlechten Ritter gegeben hätte, die den König so schlimm berieten, würde solches sich nicht ereignet haben. Alle Ritter gaben Musa ihr Wort, seinem Bruder, dem Könige, den Gehorsam nicht aufzusagen, außer den Abencerragen und Gazul und Alabez und Aldoradin; diese vier mächtigen und reichen Geschlechter wollten dem Könige Chico nicht mehr gehorsamen, weil er einen so verräterischen Rat angenommen hatte. Und so war es richtig, denn wenn der König sich beraten ließ, durfte er einen so schlimmen Rat nicht annehmen, und wenn er ihn annahm, mußte er ihn auf eine andere Art mit geringerer Einbuße für Stadt und sein Land ausführen. Auf diesen schlechten und verräterischen Rat aber wurde eine Romanze gedichtet, die, obschon alt, doch gut ist und folgendermaßen lautet:

Edle Ritter von Granada
Und der Mauren wackre Söhne
Voller lautrer Absicht eilen
Hin zum Könige und sprechen:
Ein Verrat ist angezettelt!
Sagen, daß die Bencerragen,
Diese hochgepriesnen Helden
Ihn, den König töten wollen
Und sein Reich ihm kühn entreißen:
Ein Verrat ist angezettelt!
Und um solches zu begehen
Hätten sie für sich gewonnen
Männer, Kinder und auch Weiber,
Ja, das ganze Reich Granada:
Ein Verrat ist angezettelt!
Auch sie des Verrates ziehen
Seine heißgeliebte Gattin,
Die an Albin Bencerrage
Heimlich ihre Gunst geschenkt hat:
Ein Verrat ist angezettelt!

Solcher Art geht diese alte Romanze und erklärt die Geschichte, welche wir eben erzählt haben und den Verrat; weil aber andere Dinge von größter Wichtigkeit auf mich warten, soll sie nicht zu Ende gehen. Jetzt kehren wir zurück zu dem wackeren Musa, der mit großem Eifer die ergrimmten Herzen der vornehmsten Ritter und des anderen Volkes beschwichtigte, um sich gut mit dem König Chico, seinem Bruder, zu stellen, wie es vordem gewesen war. Und viele gaben seinem Willen nach, außer den vier Geschlechtern, die wir genannt haben und einigen anderen Rittern mehr, welche nicht mehr dem Könige Chico, sondern dem König Mulehazen gehorsamen wollen. So gab es immer in Granada großen Zwiespalt zwischen den beiden Königen, Vater und Sohn, bis Granada verloren war; die Ursach, daß die Gazul und Alabez und Abencerragen und Aldoradin nicht mehr zum König Chico stehen wollten, obwohl Musa es sehr betrieb, war, daß sie bereits abgeredet hatten, alle Christen zu werden und zum Könige Don Fernando überzugehen, wie ihr im folgenden hören werdet. Als nun Musa den größten Teil oder die ganze Stadt seinem Willen gefügig sah, damit Granada wieder würde, was es vordem gewesen war, und der König Chico auf seinem Throne bliebe wie zuvor, trachtete er zu erfahren, wo der König Chico, sein Bruder, war, welcher, sobald er jenen großen Aufruhr und Tumult gewahrte, der gegen ihn erregt war, und daß die Abencerragen und Gazul und Alabez in den Löwenhof eingedrungen waren, mit der größten Kühnheit die Zegri und Gomel erschlugen und in Stücke hieben, das Ende des plötzlichen Unwetters nicht zu erwarten wagte, sondern den Königspalast durch eine falsche Tür verließ, welche auf den Wald der Alhambra ging, begleitet von gegen fünfzig Rittern von den Gomel und Zegri. Und waren bei ihm die Verräter, welche ihm den schlimmen Rat gegeben hatten, und stieg zu einer Moschee hinauf, welche auf dem Gipfel des Sonnenhügels stand, der heute Hügel der heiligen Helena heißt und verbarg sich hier, seinem Unglück und dem Tage, da er geboren ward, fluchend und sich über den Zegri beklagend, welcher ihm eine solche Freveltat wie die, welche er gegen die Abencerragen begangen, angeraten hatte. Die verräterischen Zegri und Gomel aber sprachen zu ihm: Herr, bekümmert und erzürnt Euch nicht also, denn noch hast du für dich beinahe fünfhundert Zegri und ebensoviele Gomel, welche für dich sterben werden, und der Rat, den wir dir gegeben haben, war gut, wenn ihn nicht irgendein Teufel offenbart hätte. Unter diesem wurden sie gewahr, wie Musa auf einem guten Pferde den Hügel heraufritt und sagten es dem Könige an. Der aber fragte bestürzt und voller Furcht, ob er zum Kriege käme oder friedlich. – Friedlich kommt er, sagte ein Zegri, und allein kommt er und ohne Zweifel auf der Suche nach dir. – Mag Allah geben, daß er zum Guten kommt, antwortete der König, und nicht, um mit meinem Leben ein Ende zu machen. – Es sagte dieses der König, denn er fürchtete sich vor Musa um Zelimas willen. – Nicht dazu wird er kommen, antwortete ihm ein Gomel, sondern dir zu Gunsten und Heil, denn am Ende, Herr, ist er dein Bruder. Mag Allah geben, daß dem so sei, und mein Gedanke so eitel war, sagte der König. – Unter diesem kam Musa an, fragte, ob hier der König wäre, und man antwortete ihm ja. Da stieg Musa vom Pferde und trat in jene Moschee und fand dort den König im Kreise der Zegri und Gomel. Erwies ihm seine Ehrfurcht wie zuvor und sprach folgendermaßen: wahrlich, König von Granada, dieses Mal habt Ihr schlimm gehandelt in dem, worin ein König gut zu verfahren verpflichtet ist. Ist es erlaubt, so edle Ritter enthaupten zu lassen und eine Stadt wie Granada aufzurühren, da doch ein anderer König lebt, Euer Vater, gegen dessen Willen Ihr Zepter und Krone erhalten habt; und habt Euer Leben aufs Spiel gesetzt und Euer Königreich obendrein. Wahrlich, Bruder, nicht wie ein wahrer König seid Ihr verfahren, sondern wie ein Tyrann, und seid wert und verdient, daß Euch der Gehorsam gekündigt wird, allein schon, weil Ihr Euren schlechten Ratgebern Glauben schenkt. Nun es geschehen ist, wünschte ich sehr, zu erfahren, welcher Anlaß Euch zu solcher Grausamkeit und Tyrannei bewog, und wäre darüber erfreut. Und wenn ein gerechter Anlaß Euch bewogen hat, so wäre es auf andere Weise besser geschehen; denn wenn die Abencerragen in etwas schuldig waren, so hat der König Recht, einen jeden zu züchtigen, der es verdient, ohne auf diese Weise die Welt aufzurühren. – Bruder Musa, da Ihr mich schon nach dem Anlaß meines entschlossenen Zornes fragt, will ich ihn Euch hier in Gegenwart dieser Ritter, welche bei mir sind, sagen, antwortete der König. Wisse, daß die Abencerragen entschlossen waren, mich umzubringen und des Königreichs zu berauben, und dazu beging Albinhamad, der Abencerrage, mit meinem Weibe, der Königin, verräterischen Ehebruch, und nahm mir meine Ehre. Siehe du jetzt zu, ob ich Geduld haben mußte mit so großer Freveltat, da, was ich dir sage, unzweideutig und feierlich und richtig bewiesen ist. – Musa aber hörte es und verwunderte sich über die Worte und sagte: Ich halte die Königin nicht für ein Weib, fähig zu solcher Freveltat, noch die Abencerragen für Männer, die solches sich in den Sinn setzen konnten. – Wenn du diesem Zweifel entgehen willst, so frage darnach Hamete Zegri und Mahandin und Mahandon, die hier zugegen sind, sie werden dir die Wahrheit sagen. – Alsogleich erzählten die genannten Verräter dem edlen Musa, was sie dem Könige erzählt hatten. Musa aber wollte es nicht glauben und überzeugte sich niemals davon; denn er wußte, daß die Königin von edler und ehrbarer Art war und wohl von jeder Tugend und Güte. Und sagte also: wahrlich, ihr Herrn, ich glaube nicht, daß es sich so verhält. Und kein Ritter wird wagen, für die Wahrheit dessen einzustehen; denn wer dafür einstehen wollte, würde Lügen gestraft werden und ehrlos dastehen. – Wir hier stehen dafür ein, sagte Mahandon, gegen jeden Ritter und gegen alle, die uns widersprechen. – Erzürnt antwortete Musa und sagte: Da es sich hier um die Ehre des Königs, meines Bruders, handelt, muß dieses und die Angelegenheit der Abencerragen nach dem Rechte verfolgt werden, da ihr dabei bleibt, sie mit den Waffen zu vertreten; da ich weiß, daß ihr tot oder Lügen gestraft auf dem Kampfplatze bleiben werdet. Und wenn wir am Ende nicht vom gewaltigen Aufruhr, mit dem wir zu tun haben und den ich beschwichtige, abkämen, gebe ich euch mein Wort, ehe wir diese Moschee verließen, würde es geklärt und eure Unmenschlichkeit bekannt und Gott und aller Welt euer Verrat offenbar sein. Aber was ich sage und unter den Händen habe, hindert es. – Die Zegri begannen sich zu erregen und sagten, daß sie Ritter genug wären, das, was sie gesagt hätten, auf dem Platze gegen vier andere Ritter mit den Waffen zu vertreten. – Das wird man bald sehen, sagte Musa. – Kehrte sich zum Könige und sprach: Brechen wir auf nach der Alhambra, denn ich habe alles beruhigt und der Aufruhr ist zu Ende und nur vier Rittergeschlechter wollen nicht Euch gehorsamen, sondern Eurem Vater. Mögen erst noch einige Tage vergehen, denn ich will es mit Gottes Hilfe glatt und eben machen. Euch aber, ihr Zegri und Gomel, kündige ich eines und will euch sagen, daß, wenn durch euch vierzig oder fünfzig Abencerragen umgekommen sind, so sind auf eurer Seite mehr als fünfhundert Ritter, Zegri und Gomel, tot. Geht alsogleich zur Alhambra und laßt sie aus dem Löwenhofe hinausbringen und zur Erde bestatten, denn so haben es die Abencerragen mit ihren ohne Schuld umgekommenen Verwandten gemacht. – Damit verließ Musa die Moschee und der König mit ihm im Vertrauen auf sein Wort und sprach zu ihm: Sag Musa, wer gab dir Nachricht, daß ich hier in der Moschee war? – Der euch kommen sah, gab mir Nachricht, antwortete Musa. – Sprach es und alle gingen den Hügel hinab und begaben sich zur Alhambra. Die Zegri gaben Befehl, die Toten zu bestatten und brachten sie zu diesem in ihre Häuser, und Musa und andere Ritter gingen mit ihnen, um jeden Aufruhr zu verhindern. Die Toten wurden bestattet, die einen wie die anderen, und den ganzen Tag vernahm man in Granada nichts als Weinen und Klagen. Der König aber begab sich, sobald er in der Alhambra war, von seiner Leibwache umgeben, in sein Gemach und befahl, daß sie keinen an diesem Tage zu ihm hinein ließen. Das geschah; und sie ließen selbst die Königin und ihre Damen nicht hinein, worüber der Königin ein schlimmer Argwohn ankam, da sie die Ursach dieses neuen Sicheinschließens nicht wußte, da alles bereits beruhigt war, denn Musa hatte durch einen seiner Edelknaben ansagen lassen, daß Ihre Hoheit sich nicht zu bekümmern brauche, denn alles sei eben, und der König in Sicherheit. Damit begab sich die Königin in ihr Gemach zurück, traurig und in Gedanken, denn im Herzen fühlte sie schon, was noch bevorstand.


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