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4

Drei Dinge gab es im Leben von Mr. Hopps, vor denen er eine unüberwindliche Angst hatte. Das erste war der große, gelbe Briefumschlag, der die Aufschrift »Amtlich« trug und ihm anzeigte, daß die Behörden ihre unangenehme Neugierde in bezug auf sein Einkommen nicht verbergen konnten. Das zweite war jener Teil der »Times«-Anzeigen, der die persönlichen Nachrichten enthielt und das dritte jener Brief mit einer ausländischen Postmarke. Seit Jahren hatte diese Angst ihm alles Vergnügen an der Morgenpost und an der Zeitung gestört. Er machte sich vergeblich deswegen Vorwürfe. Die Furcht hatte derart von ihm Besitz ergriffen, daß alle Vernunftgründe machtlos waren. So empfand er schließlich etwas wie einen düsteren Triumph, als das Schlimme eintraf.

Zu oberst auf dem Briefstoß lag eines Morgens ein Brief mit einer französischen Marke, bei dessen Anblick er sofort die Gewißheit hatte, daß er sein Todesurteil enthielt. Er öffnete ihn mit zitternden Fingern. Die Botschaft, die er vor einem Monat bereits in der »Times« gelesen, aber mißachtet hatte, war hier für ihn wiederholt. Das dunkle Geheimnis seiner Vergangenheit reckte sich wieder vor ihm auf.

Es gelang ihm, den Brief zu verbergen, bevor er die Bombe platzen ließ. Im kritischen Moment bemächtigte sich seiner der Mut der Verzweiflung. Er schaute über den Frühstückstisch zu seiner Gattin hinüber – und es brauchte einigen Mut dazu an Tagen, wo Mrs. Hopps nicht in der besten Laune war.

»Ich muß dir leider mitteilen, Herz,« begann er, »daß ich gezwungen bin, in den nächsten Tagen unsere Filiale in Paris zu besuchen.«

»Wozu bist du gezwungen?« fragte Mrs. Hopps mit ungläubigem Gesicht.

»Unsere Filiale in Paris zu besuchen,« wiederholte er. »Es war schon seit einiger Zeit die Rede davon. Mr. Salteley wünschte, daß ich gehe!«

»Ich habe nie ein Wort davon gehört,« erklärte Mrs. Hopps. »Was kannst du in Paris helfen?«

»Schließlich habe ich doch diese Filiale eingerichtet,« wagte Mr. Hopps zu bemerken. »Sie arbeitet mit ausgezeichnetem Erfolg. Jetzt muß sie aber etwas reorganisiert werden. Ich werde morgen mit dem 2-Uhr-20-Zuge fahren.«

»Ich werde dich begleiten,« kündigte seine Frau an.

Mr. Hopps runzelte die Stirn.

»Wie du willst, Liebste,« lenkte er geschickt ein. »Aber ich muß dich doch darauf aufmerksam machen, daß ich unter Umständen nur ein paar Stunden in Paris zu tun habe. In diesem Falle würde ich sofort zurückkehren. Es wird besser sein, ich kable dir noch von Paris aus.«

»Ich werde mir die Sache noch überlegen,« schloß Mrs. Hopps die Diskussion ab. »Vielleicht komme ich mit, vielleicht auch nicht.«

Hopps begab sich nach der City ins Geschäft. Seine Stellung im Hause Salteley gestattete ihm, ohne Schwierigkeiten seine Pariser Reise zu vereinbaren. Dann entschloß er sich, aus Furcht vor der Begleitung durch seine Ehehälfte, zu einem kühnen Streich. Er ließ durch einen Boten seine Kleider holen – er wußte, daß seine Frau ausgegangen war – und nahm den 2-Uhr-20-Zug. Aus merkwürdiger Zerstreutheit vergaß er, seine Pariser Adresse zu hinterlassen und warf sich in Paris sofort in den Expreß nach Monte Carlo. Am nächsten Tage fuhr er in einem Taxameter von Nizza nach der Villa Sabatin.

Er traf dort niemand zu Hause und vergnügte sich über eine Stunde mit einem Spaziergang in den prächtigen Gärten. Ihm wurde dabei immer leichter zumute. Dieses Heim hatte nichts Düsteres oder Herabgekommenes an sich. Im Gegenteil, alles deutete darauf hin, daß die Gefährten seiner früheren Tage es zu Wohlstand gebracht hatten. Sie waren also nicht in Geldnöten, und er hatte Hoffnung, in den Besitz eines gewissen Dokumentes zu kommen, ohne sich zu übermäßigen Opfern entschließen zu müssen.

Nach einiger Zeit kehrte Madame in ihrer Limousine zurück. An ihrer Seite saß Cardinge, und in einem zweiten Wagen folgte ein junges Paar, das ihm nicht bekannt war. Madame erkannte ihn erst gar nicht. Dann lachte sie auf und streckte ihm die Hand entgegen.

»Was? Das ist ja Tommy,« rief sie aus. »Der kleine Tommy Hopps! Kennen Sie denn unseren Gast wieder, Hugh?«

Cardinge kam und begrüßte ihn. Auch er lächelte. Fünfzehn Jahre ununterbrochenen Wohlstandes hatten Tommy Hopps stark verändert. In seinen Pariser Tagen war er beinahe mager gewesen, jetzt neigte er zu deutlicher Rundlichkeit. Gesicht und Figur sahen nach Wohlleben aus.

»Du siehst ja ausgezeichnet aus,« rief Cardinge.

»Auch euch beiden ist es offenbar nicht schlecht gegangen,« erwiderte Hopps. »Madame scheint keinen Tag älter geworden zu sein.«

»Kommen Sie zum Tee,« lud sie ihn ein. »Nachher müssen Sie uns erzählen.«

Der Tee wurde auf der Terrasse serviert. Mr. Hopps fand sich nicht leicht in die Unterhaltung. Er war gewöhnt, sie auf seine Person und seinen Reichtum zu beschränken, und es fiel ihm darum ungemein schwer, nun den entgegengesetzten Eindruck zu erwecken, wie es ihm unter den gegebenen Umständen als wünschenswert erschien. Madame und Cardinge verfolgten seine etwas plumpen Versuche nach dieser Richtung hin mit stillem Vergnügen.

Nach dem Essen verschwanden die jungen Leute und Mr. Hopps benutzte rasch die günstige Gelegenheit.

»Ich erhielt Ihre Aufforderung Dienstag morgens,« begann er, seine Weste zurechtrückend. »Ich nahm den Expreß noch am selben Tage. Sie werden zugeben, daß ich prompt bin.«

»Ich hoffe,« sagte Madame freundlich, »wir dürfen Ihre Hast dahin auslegen, daß die Abenteuerlust immer noch in Ihren Adern lebt.«

»Ganz und gar nicht,« entgegnete Hopps verdrießlich. »Meine Verhältnisse haben sich völlig geändert. Ich habe es in meiner kaufmännischen Laufbahn zu einem gewissen Wohlstande gebracht. Ich bin Teilhaber des Hauses Salteley & Co.«

Er fixierte Cardinge, der herausfühlte, daß man von ihm Bewunderung erwarte.

»Höchst anerkennenswert,« brummte er.

»Handelt es sich um das Bankhaus Salteley?« fragte Madame.

»Um die Lederfirma,« erklärte Herr Hopps. »Um das bekannteste Lederhaus der Welt. Sie erinnern sich wohl nicht mehr daran. Als ich in Paris in Ihrem Klub verkehrte, war ich Vertreter einer anderen Firma der gleichen Branche.«

»Ich erinnere mich dunkel, daß Sie in Geschäften in Paris waren,« gab sie zu. »Jetzt sagen Sie mir, wenn Sie doch Ihre Abenteuerlust verloren haben, warum haben Sie denn so rasch auf meine Aufforderung reagiert?«

Mr. Hopps beugte sich in seinem Stuhle vor und sprach eindrucksvoll.

»Ich will meinen Verpflichtungsschein zurück. Sie wissen, was ich meine. Dieses kleine Dokument, in dem ich Ihnen eine Episode aus meinem Leben, in welcher ich verrückt war, anvertraut habe.«

»Ganz gut,« warf Madame ein. »Und Sie haben das Geheimnis bewahrt?«

»Unverbrüchlich,« versicherte Hopps. »Diese Dinge sind für mich begraben – abgetan.«

Madame studierte ihre gepflegten Nägel.

»Gut,« sagte sie. »Wir werden sehen, was sich machen läßt.«

Das Gesicht ihres Gastes wurde länger.

»Ich hätte es gerne sofort erledigt,« bat er. »Ich wollte es morgen mit nach England zurücknehmen oder vielmehr, vor meiner Abreise zerstören.«

»Aber Sie denken doch nicht daran, uns schon so bald wieder zu verlassen,« protestierte Madame.

»Sicher bleiben Sie doch ein paar Tage hier nach dieser langen Reise,« kam ihr Cardinge zu Hilfe.

»Ich möchte keine Stunde länger bleiben, als absolut notwendig ist,« war die mürrische Antwort. »Ich will nichts weiter als meinen Schein.«

»Aber gerade jetzt ist die Riviera am schönsten,« versicherte Madame. »Sie sind dieses Jahr doch zum ersten Male hier, nicht wahr?«

»Ich bin überhaupt noch nie hier gewesen,« erklärte Hopps, »und habe auch keine Lust, je wieder herzukommen. Es ist mir zu heiß, und mein bißchen Französisch habe ich auch längst wieder verschwitzt.«

»Ach du lieber Himmel,« seufzte Madame.

»Wirklich schade,« bedauerte Cardinge.

»Was gibt es da zu bedauern?« fragte Hopps.

»Wir möchten Sie für mindestens eine Woche hier behalten,« eröffnete ihm Madame. »Sie sollen uns bei einem Plane helfen, der langsam reif wird.«

»Ausgeschlossen!« erklärte Hopps feierlich. »Nämlich so weit es eure Pläne betrifft. Ich bin Aufsichtsratspräsident von Salteley & Co., Kandidat für das Unterhaus, Mitglied der Aufsichtskommission zweier Spitäler, Präsident der Kirchgemeinde St. Jude.«

»Himmel!« rief Cardinge. »Du hast wirklich Karriere gemacht.«

»Ich habe eine Tochter von Sir John Fosten geheiratet,« fuhr Hopps nachdrücklich fort. »Fosten, Teppiche en gros, in Kidderminster und Queen-Viktoria-Street. Ich habe es zu Ansehen gebracht. Nicht eine Million Pfund können mich veranlassen, irgend etwas anzurühren, was nach Abenteuer, wie ihr euch auszudrücken beliebt, aussieht.«

Mr. Hopps trocknete sich mit dem Taschentuch den Schweiß von der Stirne. Er schaute von einem zum andern und suchte nach Verständnis. Sie mußten doch seine Lage begreifen.

Madame seufzte bedauernd.

»Dann ist alles weitere Reden unnütz,« bemerkte sie.

»Wenn du solche Eile hast,« meinte Cardinge, »so kannst du den Nachtzug nach Nizza gerade noch erwischen.«

»Das wäre mir die größte Erleichterung,« gestand Hopps.

Madame streckte die Hand aus.

»Mr. Hopps möchte vielleicht gerne noch die Gärten ansehen, bevor er uns verläßt,« sagte sie zu Cardinge. »Wollen Sie sich seiner annehmen? Sorgen Sie dafür, daß er seinen Whisky mit Soda bekommt, oder was er sonst begehrt.«

»Ich danke. Ich habe Ihre Gärten gesehen, bevor Sie heimkehrten,« versicherte Hopps. »Sie sind sicher sehr hübsch, aber ich kümmere mich nicht groß um solche Dinge. Wenn ich mein Dokument haben könnte, würde ich am liebsten sofort mit dem Taxi nach Nizza zurückfahren.«

»Das Dokument?« wiederholte Cardinge.

»Ihren Schein?« murmelte Madame.

»Deshalb bin ich doch hergekommen,« bestätigte Hopps.

Madame gähnte.

»Sie sind etwas naiv, mein Lieber,« erklärte sie. »Sie sollten sich erinnern, daß die erste Bedingung bei der Gründung unseres Klubs dahin lautete, daß jedes Mitglied mit Rücksicht auf die Führung und Finanzierung, die ich anbot, die Schilderung eines Geheimnisses aus seinem Leben, die seine Ehre und Freiheit gefährden mußte, mir anzuvertrauen hatte. Dieses Dokument sollte zurückgegeben werden bei der Auflösung des Klubs, die ganz in meinem Belieben steht.«

»Aber ich kann doch austreten,« protestierte Hopps. »Und ich bin ausgetreten!«

Madame schüttelte den Kopf.

»Bereits haben einige Jünger meinem Befehl Folge geleistet und ihren Schein eingelöst. Aber sie haben ihn zurückgekauft. Von Austritt und Verzicht ist keine Rede.«

»Zurückgekauft?« wiederholte Hopps bestürzt.

»Nicht mit Geld, sondern mit Arbeit. Wir hatten auch Ihnen eine kleine Aufgabe zugedacht, deren Lösung Ihnen das Recht auf die Aushändigung des Scheines gegeben hätte.«

»Ich würde vorziehen, ihn zurückzukaufen, wenn es schon sein muß,« stotterte er.

Madame warf ihm einen verächtlichen Blick zu.

»Sie waren immer der Kleinmütigste unter meiner ganzen Schar,« spottete sie. »Jetzt sind Sie ein ganzer Feigling geworden. Ich fürchte, die leichte Art, mit der Sie zu Reichtum gelangt sind, hat Sie verdorben.«

»Leicht?« rief Hopps. »Ich habe hart arbeiten müssen!«

»Aber Sie haben sich in eine übertriebene Meinung über die Macht des Reichtums, den Sie angehäuft haben, hineingelebt, wie die meisten Emporkömmlinge,« fuhr Madame fort. »Ihr Schein ist nicht verkäuflich, Tommy. Er kann nur abverdient werden.«

»In Gottes Namen denn,« stöhnte Hopps. »Schießen Sie los. Ich bin auf alles gefaßt.«

*

Die Pariser Ausgabe der »Daily Mail« und die »Riviera Post« enthielten lange Berichte über das Fest, das Madame am folgenden Tage im Sportklub gab. Verschiedene bekannte Persönlichkeiten waren zugegen, und Madame war wie immer, eine entzückende und bewunderte Gastgeberin. Weniger aufgefallen war der Umstand, daß Mr. Thomas Hopps neben Mr. de Peyser, dem bekannten Finanzmann, saß und sich mit diesem in eine sehr angeregte Unterhaltung vertiefte. Am Abend forderte Madame Mr. Hopps auf, in ihrem Auto nach der Villa zurückzufahren.

»Nun?« fragte sie lakonisch.

»Ich werde morgen mit Mr. de Peyser im Hotel de Paris essen,« kündigte Hopps an, ohne großen Enthusiasmus zu zeigen.

»Kam er auf den Landverkauf zu sprechen?«

»Erst zuletzt,« gestand Hopps. »Ich verstehe gar nicht, wie er dazu kam, mich so einzuschätzen, als ob ich für gewagte Spekulationen zu haben wäre, aber er tat es ohne Zweifel. Er versuchte, mich für Goldminen in Borneo zu interessieren. Er sprach begeistert von gewissen Zinnaktien, die er abzugeben habe. Er deutete auch an, daß eine Aufsichtsratsstelle in einer zu gründenden Gesellschaft zu haben wäre, wobei es sich um die Übernahme von Ölquellen handelte.«

»Und Sie?« flüsterte Madame.

»Ich befolgte Ihre Weisung und sagte ihm, die einzige Kapitalanlage, für die ich mich interessieren würde, wäre ein Landkauf.«

»Und dann?«

»Er beglückwünschte mich zu meinem Scharfblick. Er schien meine Vorliebe als ein merkwürdiges Zusammentreffen zu betrachten. ›Land‹, wiederholte er mehrmals. Als ich ihn ermunterte, fortzufahren, schüttelte er den Kopf. Er versicherte mir, daß er von dem Plane, den er im Sinne habe, nicht sprechen könne. Möglicherweise wird er morgen eher dafür zu haben sein. Er lud mich zum Mittagessen ein, betonte aber sofort, daß es sich nur um eine freundschaftliche Einladung handle und daß von Geschäften keine Rede sein werde.«

»Großartig!« rief Madame.

»Würden Sie mich nicht besser etwas genauer über Ihren Plan orientieren?« fragte Hopps.

Madame überlegte einen Augenblick.

»Hugh soll es Ihnen näher erklären,« sagte sie. »Die Idee stammt von ihm.«

Nach dem Essen nahm Hopps Cardinge beiseite. Er hatte ausgezeichnet gegessen und Madames Champagner war bedeutend besser als sein eigener. Das alles hatte aber seinen Widerwillen gegen das geplante Unternehmen nicht beeinflussen können.

»Höre, Cardinge,« begann er, »ich gebe mir alle Mühe, Eure Instruktionen zu befolgen. Wie Ihr mir befohlen habt, habe ich mich bei diesem de Peyser so vorteilhaft als möglich eingeführt und habe ihm einen Einblick in alle meine Verhältnisse gegeben. Jetzt will er morgen mit mir über diesen Landkauf sprechen. Was hat das zu bedeuten? Soll ich mich dafür interessieren? Was hat es mit diesem Landkauf für eine Bewandtnis? Und wann kann ich an die Heimreise denken?«

»An dem Tage, an welchem du das Vorverkaufsrecht erwirbst, das dir de Peyser für 10 000 Pfund offerieren wird.«

»Vorkaufsrecht!« rief Hopps. »Zehntausend Pfund! Ich will aber doch gar kein Vorkaufsrecht auf irgend etwas!«

»Du sollst es ja auch gar nicht auf eigene Rechnung erwerben,« beruhigte ihn Cardinge. »Du kaufst es für Madame und mich.«

»Warum unterhandelt Ihr denn nicht selber mit ihm?«

»Diese Frage erscheint durchaus berechtigt,« räumte Cardinge ein. »Der Grund ist einfach folgender: Das Vorkaufsrecht bezieht sich auf Land hier in der Nachbarschaft. Wenn wir es zu erwerben versuchten, würde de Peyser sofort den Preis steigern. Er würde sich sagen, daß Madame, die hier zu Hause ist, den Wert des Landes kennen muß. Er selber erwarb dieses Vorkaufsrecht für einen Pappenstiel und ist der Meinung, es sei völlig wertlos. Dem ist aber nicht so.«

»Ich verstehe,« meinte Hopps. »Wenn ich also das Vorkaufsrecht zugunsten von Madame für die 10 000 Pfund erwerbe, erhalte ich meinen Schein zurück.«

»Jetzt bist du im Bilde,« bestätigte ihm Cardinge.

*

Die Sache war trotzdem nicht so einfach. Mr. de Peyser erwies sich am folgenden Tage als liebenswürdiger, ja verschwenderischer Gastgeber, aber er schien aus irgendeinem Grunde jeder geschäftlichen Unterhaltung abgeneigt.

»Dieser Landkauf?« wiederholte er einmal auf eine Frage seines Gastes. »Richtig, ich erinnere mich. Offen gestanden, ich habe mir die Sache heute nacht überlegt und bin zum Schlusse gekommen, daß ich erst selber die Besitzung besichtigen und vielleicht eine Schätzung veranlassen will, bevor ich an einen Verkauf denke. Sie haben sicher gehört, wie ich in den Besitz dieses Vorkaufsrechtes gekommen bin.«

»Nein, kein Wort,« versicherte Hopps.

Sein Gastgeber kostete den Chateau Yperm und lächelte.

»Also, dieses Vorkaufsrecht ist zu mir geraten,« erzählte er, »wie die wertvollsten Schmuckstücke der Welt bisweilen in die Hinterzimmer der Trödler. Ein Herr aus der Gegend hier – auf seine Art ein ganz wohlhabender Mann – verlor eines Nachts beim Bakkarat vollständig seinen Kopf. Er war nicht gerade bankerott, aber in der größten Verlegenheit, da seine Partner bei dem Gedanken, daß er sich bis zur Zahlungsunfähigkeit hatte hinreißen lassen, übergeschnappt wären. Da kam er zu mir – man weiß hier, daß ich das Geld zur Verfügung habe, wenn ein annehmbares Geschäft vorliegt. Kurzum, ich erwarb dieses Vorkaufsrecht, gab ihm einen Scheck und half ihm aus der Verlegenheit. Ich habe daran gedacht, Sie zu einer Beteiligung einzuladen. Ihr Name als Aufsichtsratspräsident, wenn wir eine Aktiengesellschaft daraus machen, wäre uns von Nutzen, und zweifellos ist das Land hier um Nizza wertvoll – besonders dieses Terrain.«

Hopps schüttelte den Kopf.

»Ich habe keine Zeit für solche Dinge,« erklärte er. »Mein Geschäft nimmt mich voll in Anspruch. Ich würde lieber wissen, was Sie von einem Verkauf dieses Rechts denken.«

Mr. de Peyser nickte vor sich hin.

»Nun gut, darüber sprechen wir später,« schlug er vor. »Es gibt hier in Nizza eine ganz vertrauenswürdige Liegenschaftenagentur. Ich werde mal anfragen, wie hoch diese den Wert des Landes einschätzt, dann können wir darauf zurückkommen. Wir wollen beide nicht einen Handel mit einer Katze im Sacke machen. Wir könnten vielleicht nächste Woche wieder einmal zusammen essen, wenn es Ihnen recht ist.«

Hopps war enttäuscht. Er suchte Madame auf, die im Klub speiste und erstattete seinen Bericht. Auch sie war enttäuscht. Ebenso Cardinge.

»Wir haben zu lange gewartet,« meinte dieser.

»Ihr erwartet doch nicht von mir, daß ich hier bis nächste Woche herumlungere, ohne Aussicht, irgend etwas zu erreichen?« fragte Hopps ängstlich.

»Es sieht fast so aus, als ob du deine Abreise noch hinausschieben müßtest,« sagte Cardinge. »Wenn mit de Peyser nichts zu machen ist, wird Madame einen anderen Plan aushecken.«

»Laßt mich jetzt mit dieser Geschichte in Ruhe,« erklärte Madame. »Ich gehe zum Trente et Quarante.«

»Das ist alles schön und gut,« stotterte Hopps untröstlich. »Aber was sollen meine Teilhaber von mir denken, von meiner Frau schon gar nicht zu reden?«

Cardinge legte ihm die Hand auf die Schulter.

»Madame ist verstimmt,« sagte er. »Sie rechnete damit, daß es dir gelingen werde, das Vorkaufsrecht zu erwischen. Laß dir raten: Behalte de Peyser im Auge. In wenigen Tagen kann sich viel ereignen.«

»Ich weiß nicht, was sich mit mir ereignen wird, wenn meine Frau erfährt, daß ich in Monte Carlo bin,« stöhnte Hopps. »Das liegt mir einfach nicht. Ich bin Geschäftsmann mit soliden Grundsätzen. Ich will zu meiner Arbeit zurückkehren. Ich habe nie daran gedacht, daß ich meinen Schein zurückzukaufen hätte, aber wenn ein annehmbarer Preis ...«

»In diesem Punkte ist Madame eigen,« unterbrach er ihn. »Ich würde dir raten, ihr nie einen solchen Vorschlag zu machen. Sie haßt es geradezu, Geld direkt anzunehmen. Sie zieht vor, dir zu zeigen, wie man sonst dazu kommt.«

»Diesmal hat sie aber keinen Erfolg,« seufzte Hopps. »Ich wollte die Sache ja schon drehen, wenn sie mir den Weg dazu zeigen wollte. Aber sie hetzt mich auf einen Mann, der nicht verkaufen will, was sie kaufen möchte. Ich kann nicht mehr tun, als ich bereits unternommen habe.«

»Behalte de Peyser im Auge,« riet Cardinge nochmals. »Das ist die einzige Hoffnung, wenn Madame nicht einen anderen Plan herausbringt. Und wenn du noch tausend zulegen mußt, so ist das immer noch besser, als die Sache fahren zu lassen.«

*

Hopps, der nicht spielte, verbrachte einen trostlosen Nachmittag im Klub. Er begegnete de Peyser hin und wieder, aber dieser machte keine Anstalten, die Unterhaltung wieder aufzunehmen. Verdrießlich ging er endlich in sein Hotel zurück – er wohnte auf Madames Rat in Monte Carlo –, zog sich um und speiste einsam zu Nacht. Nach dem Essen kehrte er ins Kasino zurück und verbrachte wieder ein paar trostlose Stunden. Eben wollte er gehen, als Cardinge eilig auf ihn zukam.

»Ich suche dich überall, Hopps,« sagte er. »Geh in den Klub, so schnell du kannst – nein, ich komme nicht mit.«

»Was ist los?« war die ängstliche Frage.

»De Peyser ist in der Patsche. Gelegentlich läßt er sich gehen. Er hat anscheinend viel verloren. Wenn du ihm jetzt so zufällig in die Quere kommst, wird er möglicherweise über den Kauf anders denken. Man kann nie wissen. Aber laß ihn davon anfangen.«

»Du brauchst mir keine Belehrungen über Geschäftsmethoden beizubringen,« antwortete Hopps und eilte nach der Treppe. »Ich werde ihn schon behandeln, wenn er wirklich verkaufen will.«

Mr. Hopps betrat den Sportklub, ließ Mantel und Hut in der Garderobe und spazierte mit erkünstelter Gleichgültigkeit durch die Spielsäle. In der Bar stieß er auf de Peyser, und es war ihm sofort klar, daß etwas nicht stimmte.

»Hallo,« rief er ihn an. »Sie spielen nicht?«

»Jetzt gerade nicht,« war die ausweichende Antwort.

»Ich gehe schlafen,« gestand ihm Hopps. »Und Sie schauen auch aus, als würde Ihnen etwas Nachtruhe nicht schaden.«

De Peyser bestellte frischen Whisky mit Soda und drückte Hopps in den nächsten Stuhl.

»Sagen Sie,« begann er, »wieviel Geld haben Sie bei sich?«

»Geld?« fragte Hopps. »O, eine hübsche Summe.«

»Wieviel?« bestand der andere.

Hopps holte seine Brieftasche hervor.

»Zwanzigtausend Franks.«

De Peyser zeigte Zeichen der Enttäuschung.

»Haben Sie Ihr Scheckbuch bei sich?« fragte er.

»Das habe ich immer bei mir,« gab Hopps zu.

»Hören Sie mich an,« fuhr de Peyser ernst fort. »Ich bin kein Spieler – im allgemeinen wenigstens nicht. Heute nacht war ich einfach verrückt. Ich habe verloren. Wieviel, tut nichts zur Sache. Ich mußte aufhören, gerade als sich das Glück wandte – ich hatte keinen Franken mehr übrig. Wenn ich so weggehen muß, ist es mir, als hätte ich eine schwere Niederlage einstecken müssen.«

»Sie müssen entschuldigen,« bat Hopps, »aber ich leihe grundsätzlich nicht – selbst nicht einmal einem alten Freund.«

»Aber das will ich ja gar nicht, war die Antwort. »Geben Sie mir die zwanzigtausend Franks und einen Scheck für den Rest sofort und ich überlasse Ihnen das Vorkaufsrecht für 10 000 Pfund – es ist sicher zwanzig wert.«

»Aber Sie haben den Titel doch gar nicht bei sich,« wandte Hopps ein.

»Aber natürlich habe ich ihn da,« erklärte de Peyser. »Ich wollte doch zu diesem Liegenschaftsagenten, von dem ich mit Ihnen gesprochen habe und habe deshalb den Titel eingesteckt. Hier ist er.«

Er legte das Dokument auf den Tisch.

»Schlagen Sie ein?« fragte er. »Ich kann Ihren Scheck verpfänden, wenn ich ihn nicht gleich einlösen kann.«

Mr. Hopps nippte an seinem Whisky und überlegte. Er war ein altmodischer Kaufmann. Er hatte in seinem Leben noch nie etwas zu dem Preis gekauft, der von ihm verlangt wurde, und hatte noch nie einen Preis genannt, den er nicht hätte ermäßigen können.

»Ich habe mich auch etwas nach dem Wert dieser Sache erkundigt,« begann er nachdenklich. »Zum Teil ist die Besitzung ja ganz gut, aber es ist doch auch Land dabei, das nicht viel wert ist. Schließlich war ich ganz froh, daß Sie nicht verkaufen wollten.«

»Unsinn!« protestierte sein Partner ärgerlich. »Das Vorkaufsrecht lautet auf zweieinhalb Millionen Franks, und alles schätzt die Besitzung auf dreieinhalb. Es schaut also eine glatte Million Gewinn heraus. Eine solche Gelegenheit bietet sich nicht oft.«

Mr. Hopps machte ein ungläubiges Gesicht.

»Es tut mir leid,« sagte er, »aber ich war nie ein besonderer Freund von Vorkaufsrechten. Dieses hier mag ja ganz gut sein, natürlich, aber es ist doch Lotteriespiel. Ich wüßte nicht, was damit anfangen.«

»Sie können es doch jedem verkaufen, der die Besitzung kennt,« drängte der andere.

Hopps holte sein Scheckbuch hervor.

»Ich gebe Ihnen die zwanzigtausend Franks in Noten und einen Scheck für 6000 Pfund,« erklärte er. »Keinen Penny mehr.«

De Peyser sprang auf. Die Adern schwollen ihm wie Stricke an den Schläfen.

»Sie erbärmlicher Krämer!« brüllte er. »Hol' Sie der Teufel! Gehen Sie nach London und handeln Sie da mit Ihren Fellen!«

Er stürzte fort. Hopps sah ihm mit listigem Lächeln nach. Er war nicht besonders intelligent, aber er hatte ein Stück Bauernschlauheit. Er schrieb einen Scheck für 6000 Pfund, legte einen Tausender für sich zurück und machte aus dem Rest ein Paket. Kaum war er damit zu Ende, so erschien auch de Peyser wieder. Er war totenbleich und zitterte immer noch vor Aufregung; aber er trat direkt auf den Tisch zu und schmetterte das Dokument darauf.

»Geben Sie mir das Geld,« verlangte er brüsk.

Mr. Hopps riß ein Blatt Papier aus seinem Notizbuch und schrieb darauf, daß der Scheck von 6000 Pfund und die 19 000 Franks in Noten die Bezahlung für das Vorkaufsrecht darstellten, das den Inhaber ermächtigte, die Besitzung »Hills of Cagnes« zum Preise von zweieinhalb Millionen Franken zu erwerben. Er kaufte eine Stempelmarke vom Kellner und de Peyser quittierte unwillig.

»Jetzt haben Sie mir noch einen Tausender abgezwackt,« brummte er.

»Ich kann doch nicht ganz ohne Kleingeld bleiben,« erwiderte Hopps scherzend. »Trinken Sie ein Glas mit mir, bevor Sie zum Spiel zurückkehren?«

»Mit Ihnen nicht,« war die wütende Antwort.

Mr. Hopps trank, höchst zufrieden mit sich, das Glas allein. Ein gewisses Risiko war ja schon vorhanden, aber er nahm es vertrauensvoll auf sich. Ein Gewinn von 2500 Pfund und die Befreiung von der Angst für den Rest seines Lebens war schließlich kein schlechtes Resultat.

*

Er mußte beinahe eine Stunde auf Madame warten, als er am folgenden Morgen in der Villa vorsprach, und auch Cardinge mußte man erst von einem benachbarten Bauernhof holen.

»Ich habe Erfolg gehabt,« triumphierte er. »Ich habe sogar Geld gespart. Ich habe das Vorkaufsrecht für 9000 Pfund gekauft.«

Cardinge nahm den Titel und prüfte ihn.

»Um Himmels willen!« stöhnte er auf.

»Ich ging zum Sportklub zurück, wie du mir rietest,« erzählte Hopps, »und fand de Peyser vollständig abgebrannt. Er wollte um jeden Preis zum Spiel zurück und offerierte mir den Titel für 10 000 Pfund. Ich bot ihm neun, zahlte ihn aus und hier habt ihr ihn!«

Madame lächelte ihr rätselhaftes Lächeln. Sie ging an den Schreibtisch und holte zwei Kuverts heraus, beide versiegelt und vergilbt. Sie hielt sie nachdenklich in der Hand.

»Neuntausend Pfund,« murmelte sie. »Mr. Tommy Hopps, diese Lüge kostet Sie genau 6000 Pfund, 19 Tausender Noten und Ihre Auslagen! Charles!«

De Peyser hob einen Vorhang im nächsten Zimmer und trat ein. Madame streckte ihm eines der Kuverts entgegen.

»Hier ist Ihr Schein, Charles!« sagte sie. »Ich überreiche ihn Ihnen mit dem größten Vergnügen. Sie haben mir zu einem großen Spaß verholfen. Nebenbei,« sie wandte sich an Hopps, »Charles de Peyser trat unserem Klub bei, als Sie nach England zurückkehrten.«

»Ein Jünger!« rief Herr Hopps aus.

»Und ein talentvoller dazu!« lachte Madame. »Nur spielt er nicht Bakkarat und handelt auch nicht mit Vorkaufsrechten. Man kennt ihn als Spieler in Paris dagegen sehr gut – von der Comédie française und dem Théatre des Capucines her!«

»Was ist dann mit diesem Titel?« fragte Hopps mit gebrochener Stimme.

»Das war einst ein Titel,« bemerkte Cardinge und hielt ihm das Dokument unter die Nase. »Aber wenn du ihn genau betrachtest, so wirst du entdecken, daß er vor etwa drei Jahren abgelaufen ist. Er hat immerhin noch etwas Papierwert. Auf alle Fälle würde ich ihn als Erinnerungszeichen mitnehmen.«

»Und mein Schein?« fragte der andere und streckte gierig die Hand aus. Ein neuer Einfall stieg in ihm auf. Er konnte die Auszahlung des Schecks noch aufhalten und Madame so doch noch hineinlegen.

Madame lächelte.

»Den erhalten Sie am Tage, an dem Ihr Scheck eingelöst ist.«

Jetzt verlor Mr. Hopps alle Selbstbeherrschung.

»Verflucht und zugenäht!« brüllte er.


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