Friedrich von Oppeln-Bronikowski
Der Schwarzkünstler Cagliostro
Friedrich von Oppeln-Bronikowski

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Nachricht von des berüchtigten Cagliostro Aufenthalte in Mitau im Jahre 1779 und von dessen dortigen magischen Operationen

Elisa v.d. Recke (1754–1833), die spätere Freundin des Dichters Tiedge, war auch sonst schriftstellerisch tätig. Sie schrieb eine »Reise durch Deutschland und Italien« (1815–17, 4 Bde.), »Gedichte« (1806), »Geistliche Lieder« (1833). Die nachfolgende Schrift erschien 1787 bei Friedrich Nicolai in Berlin und Stettin. Trotz ihrer schlimmen Erfahrungen mit Cagliostro stand Elisa v.d. Recke später mit dessen Geistesverwandten, dem greisen Casanova, in Briefwechsel und tröstete ihn in seiner letzten Krankheit.

Demjenigen, der es nicht der Mühe wert hält, den Gaukeleien eines Schröpfer, Gaßner, Cagliostro und ähnlicher Abenteurer, von Grund aus nachzuspähen, mag es unbegreiflich scheinen, daß diese ihr geheimes Reich so weit verbreiten und daß sie noch fast in ganz Europa einen verborgenen Anhang haben.

Es ist aber leider eine unleugbare Tatsache, daß Viele, und oft Personen von dem besten Herzen und übrigens nicht gemeinen Fähigkeiten des Geistes, sich durch solche Leute haben täuschen und in ihr mysteriöses und mystisches Labyrinth hineinlocken lassen. Wie man allmählich zu diesem Glauben ans Unglaubliche verleitet werden könne, davon will ich dem Publikum meinen eigenen Beitrag von Erfahrungen mitteilen. Weil Cagliostro sich in seiner Verteidigungsschrift auf unser Zeugnis berufen hatte, warnte ich das Publikum in der Berlinischen MonatschriftMai 1786, S. 395 f. aus Wahrheitsliebe vor diesem schlauen Betrüger und vor dem gefährlichen Hang zur Geisterseherei. Seitdem bin ich von so mancher Seite aufgefordert worden, durch Tatsachen zu bestätigen, daß Cagliostro ein Betrüger und kein Zauberer sei. Ich habe mich daher zu dem gegenwärtigen Schritte, diese Schrift öffentlich bekannt zu machen, um so eher entschlossen, da ich nun auch von den meisten Mitgliedern unserer hier vor einigen Jahren durch Cagliostro gestifteten geheimen, aber offenbar betrogenen Gesellschaft die Erlaubnis erhalten habe, die vorzüglichsten, im Jahre 1779 darüber gemachten Aufsätze zur Publizität zu bringen, durch welche das ganze Gewebe der Betrügerei dieses intriganten Täuschers enthüllt werden kann.

Wie Cagliostro sich auf unsere Einbildungskraft gleich anfangs solchen Einfluß habe verschaffen können, habe ich mir, seitdem ich aus aller mystischen Träumerei glücklicherweise erwacht bin, aus folgenden Umständen leicht erklärt. Mein Vater,Der verstorbene Reichsgraf von Medem, Ritter des Königlich-Polnischen weißen Adler- und Stanislaus-Ordens. dieser von allen, die ihn kannten, seines edlen Herzens wegen geliebte und geehrte Mann, hatte, nebst seinem ebenso vortrefflichen Bruder,Der verstorbene Landmarschall und Oberrat von Medem, Ritter des Königlich-Polnischen Stanislaus-Ordens. schon seit früher Jugend einen Hang zur Chemie und zu mystischer Weisheit; denn beide Brüder waren durch einen Lehrer erzogen worden, den sie sehr liebten und der – oder vielmehr dessen Bruder, der Hofrat Müller, bis zu seinem Tode in der Chemie, oder eigentlich in der Alchimie arbeitete. In Jena auf der Akademie errichteten beide Brüder mit einem gewissen Hofrat Schmidt, der nachher in geheimen Gesellschaften sehr verwickelt gewesen ist und in einem gewissen Zirkel noch vor kurzem viel Redens von sich machte,Man sehe von ihm: Crells neueste Entdeckungen in der Chemie, II. Teil S. 59 und X. Teil S. 139, sowie des sel. Herrn Hofrat Karsten physisch-chemische Abhandlungen, erstes Heft (Halle 1786), S. 84–92 (F. Nicolai). die engste Freundschaft, welche sie auch lebenslänglich ununterbrochen fortsetzten. Und in Halle, ungefähr im Jahre 1741, weihten beide Brüder sich zuerst der Freimaurerei, welche sie schon damals durch Versicherung des Bruders ihres Lehrers Müller und des Hofrats Schmidt mit der Magie und Alchimie vereint glaubten.

Dreißig Jahre waren verflossen, seit mein Vater und dessen Bruder über diese vermeinten Geheimnisse beständig gedacht, gelesen und gearbeitet hatten, als Cagliostro bei uns erschien und das Theater, auf welchem er spielen wollte, gut vorbereitet fand; vorzüglich weil auch Se. Exzellenz der Herr Oberburggraf von der Howen, ein Freund meines Vaters, durch seinen Mutterbruder, der die Alchimie liebte, erzogen worden war. Und in jüngeren Jahren (wo man ohnehin bei einem tätigen Geiste und bei lebhafter Einbildungskraft leicht einen Hang zu übernatürlichen Dingen fühlt) hatte dieser nach Wahrheit forschende Jüngling in Straßburg die Bekanntschaft eines Mystikers gemacht, der vorgab, in Verbindung mit höheren Geistern zu stehen und den Herrn von der Howen durch allerlei Blendwerke solchergestalt einzunehmen wußte, daß dieser selbst als Mann, bei seinem sonst durchdringenden Verstande, den Hang zu Geheimnissen so lange beibehielt, bis die durch Cagliostro gemachten Erfahrungen und weiteres Nachdenken ihm die Überzeugung gaben, daß man auf diesem Wege nur die Wahrheit entdecke, daß man ein Spiel intriganter Gaukler werden könne.

Ich hatte seit den ersten Jahren meiner Kindheit von Alchimie und Magie, von Schmidt und Müller viel sprechen hören, und Swedenborgs wundervolle Geschichten waren mit ein vorzüglicher Gegenstand der Unterredungen. Doch machte alles dies in den ersten Jahren meiner Jugend keinen größeren Eindruck auf mich als Blaubarts Geschichte; und die Aussicht zu einem Balle oder Konzerte war mir damals reizender als die Zusammenkunft mit Geistern.

Seit meinem sechzehnten Jahre ward ich aus dem Geräusche der großen Welt in stille Einsamkeit auf dem Lande durch meine Heirat versetzt. Da entstand aus Mangel anderer Geschäfte bei mir ein Hang zur Leserei, ohne Plan, Ordnung und Auswahl. Wielands frühere Schriften, besonders seine Sympathien, Cronegks Einsamkeiten, Youngs Nachtgedanken und Lavaters Schriften waren mir die liebste Lektüre, durch welche meine Seele sehr bald eine religiös-schwärmerische Stimmung erhielt. Vorzüglich fanden Lavaters Schriften über die Kraft des Gebets und sein Tagebuch in meinem Herzen Eingang. Für Jesus, dessen Glückseligkeitslehre meine ganze Seele durchdrang, fühlt' ich nun eine Art von schwärmerischer Verehrung und Liebe. Noch jetzt dank' ich Gott, der die Umstände so lenkte, daß gerade in den Jahren jugendlicher Flüchtigkeit solche Gegenstände meine herrschende Leidenschaft wurden, denn freilich war Religion bei mir Leidenschaft, nicht bloß Stütze der Tugend. Durch das nun von mir so inniggeliebte Bild Jesu ertrug ich jedes Schicksal mit stiller Resignation. Mein Geist, immer mehr angespannt und vom Irdischen abgezogen, ging nach und nach immer mehr zur Beschaulichkeit über und gewöhnte sich zu mystischen Phantasien. Lavater, der mir durch jede kleine Schrift immer lieber wurde, schien mir ein noch lebender Jünger unseres göttlichen Vorgängers zu sein; sein Tagebuch erweckte auch mich zur täglichen Selbstprüfung; ich wollte immer vollkommener in der Religion werden, und so entstand der Gedanke nach und nach in mir: daß auch ich, wenn ich nach völliger Reinheit der Seele strebte, in die Gemeinschaft höherer Geister aufgenommen werden könnte. Nun fielen mir alle Gespräche, die ich in meinem väterlichen Hause über Swedenborg und Schmid gehört hatte, wieder ein und fingen allmählich an, eine starke Wirkung auf mich zu äußern. – Mein ältester Bruder, den ich unaussprechlich liebte und an dem meine ganze Seele hing, hatte mit mir eine gleiche Geistesstimmung. Nur hielt er mehr auf die griechischen Weltweisen und glaubte im Pythagoras und Plato Spuren der Weisheit zu finden, nach welcher wir beide strebten. Im Junius des 1778. Jahres starb dieser hoffnungsvolle Jüngling in Straßburg, und durch die Betrübnis über seinen Tod wurde mein Hang zur Mystik außerordentlich vermehrt.

In dieser Gemütsbeschaffenheit befand ich mich, als Cagliostro im Februar oder März des Jahres 1779 nach Mitau kam. Er gab sich für einen spanischen Grafen und Obersten aus, meldete sich gleich bei meinem Vaterbruder als Freimaurer und sagte, er sei von seinen Oberen in wichtigen Geschäften nach Norden geschickt und in Mitau an ihn gewiesen.Mein verstorbener Vaterbruder war in der hiesigen Freimaurerloge Meister vom Stuhle. Mein Oheim stellte ihn als einen erfahrenen und erkenntnisreichen Maurer dem Herrn Oberburggrafen von der Howen und meinem Vater vor. Nach einigen Gesprächen, welche diese Herren und der Herr Major von Korf mit Cagliostro hatten, wurde sie alle von ihm sehr eingenommen. Kaum merkte ich dies, so suchte auch ich, nebst meiner TanteGemahlin meines Vaterbruders und geborene Gräfin von Kaiserlingk, Tochter des in Warschau verstorbenen russisch-kaiserlichen Großbotschafters. Meine damals noch unverheiratete Vaterbruder-Tochter ist jetzt an einen Herrn von Grotthuß verheiratet und denkt nun mit allen hier genannten Personen über diese Sache mit mir gleich. und Cousine, diesem Priester der Geheimnisse näher zu kommen. Er und seine Frau wußten mit vieler Verschlagenheit unsere Ideen von sich zu vergrößern und unsere Erwartungen zu spannen. Wir wurden bald nicht nur seine gläubigen Jüngerinnen, sondern führten ihm noch mehr Anhänger zu. Er wendete nun ein neues Mittel an, um uns in nähere Verbindung zu bringen und zugleich leichter auf unsere Gemüter wirken zu können. Er sagte mir, er sei von seinen Oberen gesendet, mit der Vollmacht, als Grand-Maitre eine Loge d'Adoption oder eine Freimaurerloge, in welche Frauenzimmer zugelassen werden, zu gründen. Da nun der sel. Hofrat Schwander, von welchem ich weiterhin sprechen werde, sah, daß meine Tante, meine Cousine und ich nicht zurückzuhalten waren und uns durchaus als Mitglieder dieser Loge d'AdoptionSollte hier wohl die Anmerkung nötig sein, daß, wenn Cagliostro sich bei uns das geringste von solch einer abscheulichen und gewiß fabelhaften Aufnahme hätte entfallen lassen, als gewisse Mémoires authentiques de Cagliostro (die, soviel ich von dessen Geschichte weiß, sehr unauthentisch sind) den Pariserinnen ohne alle Wahrscheinlichkeit angedichtet haben, gewiß jede und jeder aus unserer Gesellschaft ihn als den nichtswürdigsten Buben verabscheut und ihm alles Vertrauen entzogen haben würde? Cagliostro kannte sein Publikum, auf welches er hier wirken wollte, zu genau, als daß er nicht jeden von uns, mit dem er zu tun hatte, so behandelt hätte, daß er sich seines Vertrauens bald bemeisterte; auch muß ihm das Unverdorbene unserer Sitten so aufgefallen sein, daß er sich es gleich berechnen konnte, er würde allen Einfluß bei uns verlieren, wenn er sich irgendeinen leichtsinnigen Anstrich geben wollte. Daher war er bei uns ein strenger Sittenprediger. Obzwar ihm der feine Anstand der großen Welt mangelte, so war er darin doch sehr auf seiner Hut, daß ihm, wenn er sich beim Frauenzimmer befand, nie ein unanständiger Scherz entfiel. Das Ungeschliffene in seinen Manieren, das wir wohl bemerkten, setzten wir auf Rechnung seines vorgeblichen langen Aufenthaltes in Ägypten und Medina. Gegen Ende seines Aufenthaltes ließ er sich, wie ich beim Schlusse dieser Geschichte anzeigen werde, einmal etwas Unanständiges entfahren. Da er aber von allen seinen Zuhörern zur Rede gesetzt ward, so zog er sich mit vieler List gleich zurück. Gleichwohl erweckte dieser Vorfall mein erstes ernsthaftes Mißtrauen gegen ihn. durch Cagliostro wollten aufnehmen lassen, so trat auch er aus Freundschaft und Vorsorge für mich zu dieser Gesellschaft. Ihm folgten sogleich Herr von Medem auf Tittelmünde, der älteste Sohn meines Vaterbruders, Herr Hofrat und Doktor LiebDieser würdige Arzt hat mich auf der Reise, die ich krankheitshalber nach Deutschland machen mußte, begleitet. Er hat allenthalben, nicht nur als Arzt, sondern auch als Mensch, die Achtung aller derer erhalten, welche seine Bekanntschaft machten. und Herr Notarius Hinz. Noch verschiedene durch Geist, Charakter und Stand interessante Personen traten zu uns, von welchen ich zum Teile nicht die Erlaubnis habe, ihre Namen öffentlich zu nennen, teils andere aus gewissen Rücksichten nicht nennen will. Ein Teil davon hielten den Cagliostro so wenig für einen Wundermann, als ihn Schwander dafür hielt, und sahen vielmehr ein, daß er ein Betrüger war. Aber diese einsichtsvollen Leute traten hinzu, teils um als Augenzeugen zu sehen, welche Wendung die Sache nehmen würde, teils aber aus freundschaftlicher Vorsorge für uns, damit die seit langer Zeit in unserem Hause vorhandene Stimmung der Gemüter zur Erwartung wunderbarer Dinge uns nicht tiefer in Schwärmerei stürzen möchte, wenn niemand vorhanden wäre, der uns einigermaßen zurückhielte. Indessen, da nun Cagliostro solche allgemein verehrte Männer zu äußerlichen Anhängern bekam, machte diese Sache und das Geheimnisvolle dabei in Mitau viel Aufsehen und bereitete unserem vermeinten Wundermanne in Petersburg einen großen Ruf vor.

– Eben, da ich dies schreibe, wird mir die kleine Schrift: Cagliostro in Warschau, von einem Freunde zugeschickt. Sie enthält nur umständlicher alles das, was Graf P. uns über diese Sache 1782 bei seiner Durchreise nach Petersburg mündlich sagte. Da unsere Seelen mehr auf die Verbindung mit der Geisterwelt, als auf Verwandlung der Metalle gerichtet waren, so konnte Cagliostro leicht einen Monat länger als in Warschau bei uns Fuß fassen und uns zu seinen Anhängern machen: vorzüglich weil er, solange er bei uns war, nichts versprach, was er nicht dem Scheine nach leistete. Geriet eine Operation nicht, so wußte er solche Scheingründe vorzubringen, daß man glaubte, er habe so und nicht anders handeln können. Zwar wußte er, wie die Folge meines Aufsatzes es zeigen wird, auch seine hiesigen Anhänger durch irdische Erwartungen zu spannen; aber das Ganze wird beweisen, daß er seine Sache hier feiner als in Warschau einfädelte, und so ist es uns um so eher zu verzeihen, daß wir länger Gläubige seiner Wunderkraft waren, wiewohl dennoch auch gegen das Ende seines hiesigen Aufenthalts der Glauben an ihn zu fallen anfing. Einige, die Wunder erwarten zu können glaubten, fingen schon an, ihn für einen zur schwarzen Magie hinüberwankenden Magiker zu halten, andere aber raunten uns ins Ohr, er sei nichts als ein Betrüger.

Bevor ich den Auszug aus meinen bei Cagliostros Hiersein gemachten Aufsätzen liefere, will ich zwei Proben von seiner Art sich auszuhelfen hersetzen, wenn er etwas versprach, das er nicht leisten konnte. – Er sprach einmal vom Schmelzen des Bernsteins wie von einem Dinge, das so leicht als das Schmelzen des Zinnes sei. Einige Mitglieder unserer Gesellschaft baten ihn dringend um dieses Geheimnis. Er setzte sich mit großer Emphase an einen Tisch und diktierte nun das Rezept, und siehe da! – es war ein Rezept zu einem Räucherpulver. – Alle, die sich auf den Bernsteinhandel gefreut hatten, waren äußerst mißvergnügt. Cagliostro hatte nicht darauf gedacht, daß er auch Leute vor sich hatte, welche das Rezept lesen und diesen groben Betrug sogleich entdecken konnten; aber er faßte sich sogleich und wand sich dergestalt aus der Sache, daß er vorgab: er hätte durch diese Geschichte die Charaktere seiner Schüler genau wollen kennen lernen und sei äußerst betrübt, daß so viele unter ihnen mehr kaufmännischen Geist hätten, als Hang, für das allgemeine Gute zu wirken. Der größte Teil von uns war damals noch zu blindem Glauben an ihn gestimmt und war mit dieser Entschuldigung zufrieden. Die übrigen schwiegen, weil sie unsere Verblendung sahen und ihr nicht abzuhelfen wußten. – Kurz vor seiner Abreise nach Petersburg wurde einmal von den sehr großen echten Perlen der verwitweten Herzogin gesprochen, die Cagliostro einigemal an ihren Händen gesehen hatte. Diese Perlen behauptete unser Magus sehr wohl zu kennen, denn er habe sie, einem bankerotten Freunde in Holland aufzuhelfen, aus den kleinen schiefen Perlen seiner Frau zusammengeschmolzen, weil er gerade damals weder Geld noch Wechsel genug gehabt, um seinen Freund aus der Verlegenheit zu reißen. Ich brauchte eben zu einer guten Absicht eine gewisse Summe Geldes, die ich ohne einige Beschwerde für mich nicht sogleich aufbringen konnte. Weil ich dies ganz geheim zu halten wünschte, so brachte ich Cagliostro ganz treuherzig in der Stille meine Perlen, machte ihm meine Verlegenheit bekannt und bat ihn, das für mich zu tun, was er seinem Freunde in Holland getan habe, da ich jetzt die Summe bar zu bezahlen nicht imstande sei; zugleich versicherte ich ihm, daß ich den Überschuß des Geldes nicht haben wolle, den könne er selbst zu anderen wohltätigen Absichten gebrauchen. Cagliostro erwiderte: er wünschte, daß ich früher dieses Verlangen geäußert hätte, so würde er diesem haben Genüge leisten können. Denn sechs Wochen gehörten zu dieser Operation; nun aber wäre seine Abreise durch seine Oberen auf übermorgen bestimmt, und denen wäre er unbedingten Gehorsam schuldig. Ich bat ihn, die Perlen nach Petersburg mitzunehmen und dort umzuschmelzen. Er aber nahm sie nicht und sagte, wenn er erst in Petersburg wäre, dann würde er imstande sein, unserer ganzen Gesellschaft und vorzüglich mir, tätige Beweise seiner Vorsorge zu geben. Ich bat ihn, mich mit allen weltlichen Gaben zu verschonen und mich nur zu der Gemeinschaft mit höheren Geistern gelangen zu lassen. Darauf erwiderte er: »Ehe Christus das Amt eines Propheten, oder wie Ihr ihn nennt, eines Seligmachers übernahm, führte der Versucher ihn erst auf die Zinne des Tempels und lockte ihn durch die Schätze dieser Welt; da diese keinen Einfluß auf seine reine Seele hatten, da erst reifte er dazu, durch Wunder die Welt zu beglücken. So müssen auch Sie erst, ehe Ihnen wichtigere Dinge anvertraut werden, durch Schätze dieser Erde sich prüfen lassen. Widerstehen Sie allen diesen Verführungen, nun, dann segne Sie der große Baumeister der Welt auf dem Pfade der Mystik ein und leite Ihren Gang, auf welchem Sie zum Wohl vieler Tausend groß werden können.« – Ich gestehe, daß ich schwach genug war, diesem allen Glauben beizumessen. Und nur der Gedanke, daß ich durch dies offenherzige Bekenntnis der Irrtümer meines Verstandes andere gute Seelen, die noch etwa meinen damaligen Wahn hegen, auf ihrer mysteriösen mystischen Laufbahn vielleicht zum Nachdenken erwecken und zurechtweisen könne, gibt mir den Mut, meine Verblendung mit aller Treue der Wahrheit dem Publikum zur Schau zu stellen, sollt' ich auch deshalb manches schiefe Urteil über mich müssen ergehen lassen.

Bei uns verband Cagliostro Religion, Magie und Freimaurerei sehr genau miteinander. So ungeschliffen sein äußeres Betragen war, indem er oft jeden von uns ohne die geringste Ursache mit Ungestüm anfuhr, so sittlich betrug er sich übrigens in allen seinen Reden. Er gab vor, daß diejenigen, die mit Geistern in Gemeinschaft kommen wollten, durchaus alles Materielle bekämpfen müßten; daher tat er auch, als ob er im Essen und Trinken mäßig wäre, ob er's gleich eigentlich gar nicht war. Wir waren aber zu sehr von ihm eingenommen, um auch diesen Widerspruch in ihm zu bemerken. Soviel ist gewiß, hätte Cagliostro, wie Graf M. sehr richtig sagt, mehr wahre chemische und optische Kenntnisse, kurz mehr gründliche Wissenschaften und mehr feine Sitten gehabt, so hätte er unter der Maske des Magikers mit seinem intriganten Geiste und bei dem heutigen so allgemein verbreiteten Glauben an Wunder, eine noch größere und vielleicht gar ehrenvolle Rolle spielen können. Um die verschiedenen Rollen, die Cagliostro in Mitau, Warschau und Straßburg gespielt hat, vergleichen zu können, teile ich hier den Brief eines meiner Straßburger Freunde mit, der von aller Geisterseherei entfernt ist und der diesen Brief im Jahre 1781 an mich auf meine Veranlassung schrieb, weil ich nun dem Gange dieses intriganten Gauklers, den ich dazumal noch nicht entziffert hatte, soviel ich konnte, nachzuspähen wünschte.


 << zurück weiter >>