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[Vorworte]

Bei einer Besichtigung des Mühldorfer Rathauses darf der Blick in das »Hexenkammerl« nicht fehlen, in dem die Marie Pauer fast zwei Jahre eingesperrt war, nachdem der Mühldorfer Stadtrichter gegen sie einen Hexenprozeß angestrengt hatte, weil es beim Höllschmied, wo sie als Kindsmagd beschäftigt war, zu poltern anfing. Das Studium dieses Büchleins soll zur Besinnung anregen.

Den Nachdruck konnte der Heimatbund als Jubiläumsschrift – der Verein wurde am 30. Dezember 1920 wiederbegründet – mit freundlicher Genehmigung von Frau Elisabeth Tauschhuber von der ehemaligen Buchdruckerei Geiger und Herrn Friedrich Neumeyer auflegen.

Unterschrift

1. Vorsitzender


Vorwort vom ärztlichen Standpunkt aus
von Herrn Obermedizinalrat Dr. Eisenhofer.

Im Jahre 1749 wurde in der Stadt Mühldorf vom Pflegegericht ein Hexenprozeß eingeleitet; die Fortführung desselben dann nach Salzburg an das hochfürstliche, hochlöbliche Hofgericht weitergegeben. Dieser Inquisitionsprozeß endete mit der Hinrichtung der Angeklagten im Jahre 1750.

Herr Bahninspektor Neumeyer hat den umfangreichen Gerichtsakt mit peinlichem Fleiße durchgearbeitet. In dem nachfolgenden Bericht ist der Auszug aus dem Akte festgelegt. Der Heimatbund und alle, welche sich für die Geschichte unserer Stadt interessieren, sind Herrn Inspektor Neumeyer zu größtem Danke verpflichtet. Wir bekommen Einblick in das Gerichtswesen jener Zeit, in die Geistesverfassung der Menschen und speziell der Mühldorfer Bevölkerung in jenen Jahren.

Es beschleicht den Leser ein Grauen, wenn er an die Zustände dieser »guten, alten Zeit« denkt; er kann den Gedanken nicht los werden, daß der schrecklichste der Schrecken doch der Mensch in seinem Wahne ist.

Der Sachverhalt ist folgender: Beim Höllschmied Altinger in der Katharinenvorstadt ist ein 16jähriges Mädchen, die Marie Pauerin, als Kindsmagd (Kindsmensch heißt es) im Dienst. Sie ist das illegitime Kind einer Seilerstochter und eines Ambtsknechtes aus Neumarkt a. R.; sie ist ohne Schulbildung aufgewachsen, hat weder Lesen noch Schreiben gelernt. Wenn einmal ihre Unterschrift vorkommt, so hat sie dieselbe entweder nachgemalt oder, was mir wahrscheinlicher ist, es wurde ihr die Hand geführt, wie sie ja selbst solches einmal gelegentlich der Unterschrift angibt, die sie dem bösen Feind ausgestellt haben wollte.

Verdächtig wurde das Mädchen, als in dem Hause des Schmieds Schmiedhämmer, Gewichte, Ziegeltrümmer, Hufnägel, Glasscherben, Eicheln herumflogen, ohne daß sich jemand denken konnte, wer das tue. Der Schrecken bei den Hauseinwohnern war groß, die Nachricht verbreitete sich schnell in der Nachbarschaft und in der Stadt. Bei all dem aber zeigte die Pauerin nicht die geringste Furcht, sie lachte und sagte, sie fürchte sich nicht, denn ihr könne nichts geschehen. Ein guter Geist tue ihr nichts und ein böser könne ihr nichts schaden.

Das war genug, um die Pauerin verdächtig zu machen; sie wird am 28. Februar 1749 verhaftet und 19 Monate später am 3. Oktober 1750 mit dem Schwerte hingerichtet, ihr Leib verbrannt.

Der nachfolgende Bericht bringt eine genaue Angabe über die Aussagen der Angeklagten und der Zeugen, ein ärztliches Zeugnis, die Rede des Verteidigers, das Urteil. In den Prozeß mitverwickelt wird eine 41jährige Wäscherin in Neumarkt, die Gusterer Liesl; sie soll die Pauerin dadurch dem bösen Feind überliefert haben, indem sie dem Mädchen eine Suppe mit Nudeln gegeben habe, auf die es ihm am anderen Tage schlecht geworden sei. Diese Liesl war eine kränkliche Person, sie hatte Leibschäden, eine wunde Brust (vielleicht ein Krebsgeschwür) und litt an »Frayß« (offenbar war sie epileptisch). Auch sie büßte mit dem Tode in Landshut.

Wenn man als Arzt den Prozeß durchstudiert, kommt man zu der festen Ueberzeugung, daß diese Marie Pauerin an Hysterie und zwar in der gesteigerten Form des hysterischen Irreseins litt. Wenn auch Männer und selbst Kinder in großer Zahl an Hysterie erkranken können, so ist doch das weibliche Geschlecht hauptsächlich betroffen und speziell wieder in der Entwicklungszeit. Viel Schuld daran trägt die erbliche Belastung, wir erfahren darüber aber durch die Vernehmungen nichts. Dieselben zeichnen sich überhaupt durch eine unglaubliche Einseitigkeit aus. Ueber das Vorleben, über die frühere Ausführung, über frühere Erkrankungen erfahren wir nichts. Nur einmal heißt es, daß die Marie gern »mit Schwätzereien umgegangen sei und die Leute gegeneinander gehetzt habe«, ein charakterischer Zug bei Hysterischen. Hervorstechende Zeichen für Hysterie überhaupt ist eine ganz abnorme Schwankung in der Betonung der Gefühle, »bald himmelhoch jauchzend, bald zu Tode betrübt«; die Stimmungen bewegen sich meistens ebenfalls im Maßlosen; daneben besteht eine auffallende Zerstreutheit, Neigung zur Fälschung von Erinnerungen, was die Aussagen vor Gericht als Zeugen oft äußerst gefährlich macht; phantastische Vorstellungen werden direkt zu Sinnestäuschen, die Kranken sehen, hören Personen, Gegenstände usw., die sie bei ihren Phantastereien sich vorgestellt haben, wirklich vor sich. Ganze Wahngebilde stellen sich bei ihnen ein, z. B. sie seien verzaubert, sie seien in der Kindheit ausgetauscht, sie seien Prinzessinnen usw. Dabei fehlt jede objektive klare Auffassung; auch sind sie fremden Einflüsterungen leicht zugänglich, sie sind abnorm suggestibel.

Wenn man sich dieses kurz umschriebene Krankheitsbild vor Augen hält, so wird man viele Züge bei der Pauerin ganz deutlich hervortreten sehen.

Sie weiß, daß die Schmiedin sich leicht fürchtet; darum erfindet sie ein Mittel durch das Herumwerfen von Gegenständen in unerklärlicher Weise, um die Herrin zu erschrecken. Ich bin überzeugt, daß sie das auf eine raffiniert mechanische Weise zustande brachte, wie ich es in meiner ärztlichen Tätigkeit einmal selbst erlebte. Hier wurde der Schwindel, der tagelang mit Klopfen gedauert hatte, schnell entdeckt, und aus war der Spuk. In der Höllschmiede dachte niemand daran, danach zu forschen; es hätte viel Unheil verhindert werden können.

Einmal im Mittelpunkt des Interesses der ganzen Stadt spielt die Verhaftete ihr Spiel weiter, sicher ohne jede Ahnung, zu welch grauenhaftem Ende es führen würde. Ihre Behauptung vor dem Richter, daß der Böse im gelben Gewande, sie heißt ihn immer nur den Gelbrock, bei ihr erschienen und daß sie sich ihm verschrieben habe, ist schon krankhafte Phantasie. Sie weiß Einbildung und Sinnestäuschung nicht mehr auseinanderzuhalten. Sie glaubt selbst daran; widerruft allerdings auch späterhin wiederholt, was sie fest behauptet hat, so recht als Folge der hysterischen Zerstreutheit. – Daß das Geschlechtliche eine so große Rolle beim Verkehr mit dem bösen Feind, dem Gelbrock, spielt, ist aus ihrem Lebensalter von 16 Jahren, der weiblichen Entwicklungszeit zu erklären. Daß sie wirklich an Sinnestäuschungen litt, beweisen ihre Aussagen, als sie in der Hexenkammer untergebracht war. Sie sieht den Bösen leibhaft vor sich, sie gibt den Stein an, wo er gesessen, sie sieht ihn in der Luft schweben, sie sieht ihn während des Verhörs an der Tür stehen, vor dem Fenster mit schwarzen Brazen mit Nägeln.

Man denke sich eine Gefangenschaft von 19 Monaten, man denke an den Aufenthalt in der Hexenkammer im Mühldorfer Stadthaus, so kann man denken, was aus einem solchen von Haus aus kranken und durch das Elend zermürbten Wesen heraus hat gefragt werden können.

Es ist zweifellos, ihre Aussagen belasteten sie in der damaligen Zeit derart, daß sie als Hexe verurteilt den Tod erleiden mußte. Daran änderte die Rede ihres Verteidigers nichts, dem doch auffiel, daß viele ihrer Angaben sich widersprachen, was er mit einem »ist nit möglich« erledigte; es änderte auch nichts, daß er von der großen Jugend und ihrer Verführung sprach und daß er ihre Angaben, sie sei gleichzeitig im Schlaf und beim Hexentanz gewesen, als illusiones, als Täuschungen bezeichnete.

Ganz besonders noch erschüttert der Gedanke, daß die Richter voll im Gefühle waren, ihre Pflicht erfüllt zu haben, und daß sie das gewissenhaft taten, beweisen die endlosen Vernehmungen und die Hunderte von Fragen nach einem bestimmten Schema.

Das ärztliche Gutachten ist kläglich. Der Arzt gibt sich zufrieden, bloß keinen Kratzer von der Teufelskralle am Ohr gefunden zu haben. Daß er es mit einer Geisteskranken zu tun hatte, fiel ihm nicht auf.

Heutzutage würde die Angeklagte zur Beobachtung in eine Irrenanstalt geschafft worden sein; dort hätte sich bald ihre geistige Erkrankung und Unzurechnungsfähigkeit herausgestellt. In einer Anstalt würde sie, solange wenigstens ihr Zustand der gleiche geblieben wäre, auch verblieben sein.

Auch die Gusterer Liesl erscheint mir in geistiger Beziehung nicht ganz einwandfrei. Sie litt an Frayß, sie war epileptisch. Auch bei Epileptischen kommen geistige Zustände vor, die ihre Zurechnungsfähigkeit zweifelhaft erscheinen lassen; außerdem hatte sie ein schweres körperliches Leiden, eine offene, blutende Stelle an der Brust. Solche chronische körperliche Beschwerden schädigen die seelische Verfassung ganz bedeutend.

Wer die alte Zeit lobt, wer an dem Fortschreiten menschlicher Kultur zweifelt, der lese diese und die nachfolgenden Zeilen; er wird anders denken lernen.

Mühldorf, 7. Juni 1926.
Dr. Eisenhofer.


Juristisches Vorwort
nach einer Abhandlung von Josef Schneid im Historischen Verein für Oberbayern.

In einer alten Chronik heißt es einmal: »Es war eine erschröckliche Zeit.« Und das war sie auch, die Zeit in welcher die Hexenprozesse spielten. Sonderbarerweise spukte der Hexenwahn nicht in den früheren Jahrhunderten, sondern in einer schon mehr aufgeklärten Zeit, besonders im 17. und 18. Jahrhundert. Die Gerichtsbarkeit über diese Unglücklichen hatte ursprünglich die Kirche. Ein eigenes Gerichtsbuch von 1489 »malleus maleficarum« (Hexen-Hammer) gab es damals. Als dann die weltliche Justiz die Prozesse übernahm, wurde es noch schrecklicher, besonders wenn sadistisch beschwerte Richter oder Henkersknechte daran teilnahmen. Man darf sich aber nicht denken, daß nur böse Xanthippen dem Verfahren unterzogen wurden, sondern Frauen und Mädchen jedes Alters und jedes Standes. Auch Männer, sogar Kinder wurden, natürlich stets unschuldig, als behext verleumdet und denunziert, die Opfer von Folter und Feuertod. Eingeleitet wurde ein Hexenprozeß vom Pflegegericht, dann trat ein Untersuchungsgericht zusammen, das aus dem Pflegerichter, dem Gerichtsschreiber und zwei Vertretern der Stadt bestand. Dieses ließ nun allerlei Personen, Männer, Weiber, selbst Kinder, von denen man annahm, daß sie über die im Hexereiverdacht stehende Personen etwas wissen könnten, vorgeladen. Die Instruktion von 1622 verpflichtet die Untertanen zur Denunziation der Hexen. Die Zeugenaussagen wurden unter Eid abgegeben. Verdächtige selbst durften nicht schwören. Den Zeugen wurde strengste Verschwiegenheit über die an sie gestellten Fragen und Antworten auferlegt, daher die öfters sich findende Bemerkung: »worbey ihnen Stillschweigen auferlegt wurde« (imposito silentio). Natürlich war auch das Gericht zum Amtsgeheimnis gehalten. Der Gerichtsschreiber hatte die Zeugenaussagen, die nach einer bestimmten Fragenordnung erholt wurden, genau zu protokollieren. Die Hexenprotokolle lassen das Schema übereinstimmend erkennen. Man gewinnt durch die Akten einen erschütternden Einblick in die damaligen Wahnvorstellungen. Noch peinlicher aber berührt es, wenn man hört, wie Richter keine Bedenken tragen, auf die einfältigsten Indizien hin unglückliche Menschen den schmerzhaftesten Torturen und dem Tod zu überliefern. Nach der Zeugenvernehmung schritt man zur Verhaftung. Diese wurde von Schergen im Auftrage des Pflegers vorgenommen. Der Scherge war zugleich Gefängniswärter. Die Instruktion von 1622 verlangt für Zauberer und Hexen Einzelhaft. Die Vorwürfe, die man ihnen machte, sind überall die gleichen. Mensch und Vieh seien vor ihnen nicht sicher; Nachlässigkeit im Kirchengehen ist ebenso verdächtig wie Uebermaß. Unter den Zeugen glauben manche, daß die Hexe in dunklen Nächten auf Besen zum Rauchfang hinaus fliegen und sich zu Teufelsfesten begeben. Man ersieht hieraus, auf welche Indizien oder »Erhebungen« hin die Gerichte den Prozeß führten.

Die Befragung der Gefangenen geschah unter dem Titel »interrogatoria« und zwar nach dem ausführlichen Fragenschema gegenüber den Hexen gemäß den erwähnten Vorschriften und dem sog. Hexenhammer. Man unterschied eine »guetliche« und eine peinliche. Bei der ersteren suchte man die Gefangenen an der Hand der Fragen ohne Drohungen oder Folterqualen zum Bekenntnis oder »Urgicht« zu veranlassen. Je nach dem Ausgang der guetlichen Befragung entschied sich das Schicksal. Leugnete der oder die Angeklagte, so beschloß das Gericht durch eine »sententia interlocutoria« die peinliche Befragung mittels Tortur anzuwenden, »peinlich soll befragt werden«. An einem festgesetzten Tag und »allein zu morgens« führte man die Verurteilten zur Tortur. Die Quälereien besorgte meist der »Schinder«. Im 17. Jahrhundert wurde noch der Daumenstock, die Aufziehfolter (Schnürfolter) und die Rutenfolter in Anwendung gebracht. Man unterschied drei Grade der Folter: die Einschüchterung, das Aufziehen, das Erschüttern beim Aufziehen. Ueber Dauer und Wiederholung der einzelnen Grade gabs zwar Bestimmungen, aber sehr dehnbare und sie gaben sogar Handhabe zu schlimmsten Ausschreitungen. In den Prozessen ist selten vermerkt, wenn die Angeklagten »guetlich« oder »peinlich« vernommen wurden, meist heißt es, daß sie »teils sowohl guet als Peinlichen auf ordentliche Fragstuckh examinirt worden seyen«. Während der Tortur mußten der Richter, der Gerichtsschreiber und die zwei Beisitzer anwesend sein. Nach derselben wurde das Schuldbekenntnis rechtsgültig entgegengenommen und protokolliert. Die Malefizprozeßordnung schrieb vor, daß das erst nach der Tortur geschehen müsse. Nach dem Geständnis »wenn der Gepeinigte wieder nach Tagen Ruhe bekommen von der Schmerzen« ist ihm sein Bekenntnis vorzulesen. Dies heißt man: »constitutum ad bancum juris«. Wenn ein Angeklagter bei der Tortur kein Geständnis ablegte, oder wenn er ad bancum juris sein Geständnis widerrief, wurde die Tortur wiederholt. Wurde endlich beschlossen, den Angeklagten »fürs malifizisch Recht« zu stellen, war das Drama zu Ende. Den Prozeß konnte nur ein Richter führen, der den »Blutbann« besaß. Dem Angeklagten wurde noch zum Schluß ein Advokat gegeben. Am Malefizrechtstag wurde das Urteil öffentlich gesprochen und vollzogen. Der Bannrichter brach den Stab. Auf dem Verbrechen der Hexerei stand der Tod durch Verbrennen bei lebendigem Leibe. Zur Verschärfung kam vorher Zwicken mit glühenden Zangen. Eine Milderung bestand darin, daß der oder die Unglückliche zuerst enthauptet oder erdrosselt wurde.

Das Hexenprozeßverfahren stimmte sonst mit anderen schweren Kriminalfällen überein, ist aber seiner Natur nach eine böse Kritik jener beklagenswerten Zeit, wo man den Glauben an einen verwerflichen Verkehr der Dämonen mit den Menschen sogar kirchenseits nährte.

Auch in Mühldorf hat es Prozesse von Zauberern und Hexen gegeben. Schon der Name »Hexenkammer« erinnert daran. Wenn man neben der jetzigen Polizeiwache durch den spitzbogigen Hausgang in den Fletz des Rathauses tritt, sieht man links nach wenigen Schritten eine niedere versperrte Türe. Dort ist der Eingang zu einem etwa 3 m breiten, 3½ m langen fensterlosen Gelaß, das jedenfalls als Kerker benützt wurde. An der Hinterwand dieses Raumes, etwa ¾ m über dem Boden ist eine 90 x 75 cm große rechteckige eisenbeschlagene Holztüre, die man durch ein Hängschloß absperren konnte. Oeffnet man diese nach außen, so sieht man – handbreit davon ein zweites Türchen, etwas kleiner (66 x 60), das in entgegengesetzter Richtung, in den hintern Raum hinein, aufgestoßen werden kann. Es ist in gleicher Weise verschließbar und hat in der Mitte eine mit einem Eisenblech zu verdeckende kleine Oeffnung, die nach Aufstoßen des Türchens wie ein Backofenloch anmutet, der Eingang zur Hexenkammer.

Wenn man diese betreten will, muß man mit den Füßen zuerst einsteigen, sonst kommt man nicht hinein. Jedenfalls wurden die Unglücklichen da hineingehoben, wohl eher geworfen. Der Innenraum selbst ist glücklicherweise doch ziemlich groß; 2,70 m lang, 3 m breit, 3,50 m hoch. Aber der Mangel jeder Lichtöffnung und das bedrückende Gefühl, das der enge Einschlupf mit den zwei Türchen erweckt, legen sich unwillkürlich beklemmend auf jeden Besucher. An der Ostseite befindet sich eine die ganze Breite des Raumes einnehmende, ½ m über den Boden angebrachte, 1 m breite Holzpritsche. Nicht genug, daß die Armen da liegen mußten, sogar noch angekettet wurden sie, wie zwei heute noch an der Südwand vorhandene Ringe in der Mauer beweisen. Einige vermauerte Stellen oben weisen auf kleine Luftlöcher hin.

So sah also die berüchtigte Hexenkammer aus.

Aber nicht nur Ueberlieferung des Volkes ist es, sondern es sind tatsächlich noch die Akten von zwei Mühldorfer Hexenprozessen im Landesarchiv in Salzburg vorhanden. In den ersteren war ein Mann, genannt der Zauberer Jackl und ein Mühldorfer Bettler, in den zweiten und das ist der interessantere, ein 16jähriges Mädchen aus der Katharinenvorstadt verwickelt. Der Heimatbund erhielt auf sein Gesuch diesen Originalhexenprozeß ausgehändigt, nämlich den Prozeß der jungen Dienstmagd Marie Pauerin beim Höllschmied in Mühldorf. Er begann am 28. Februar 1749 und endete mit der Hinrichtung derselben mit dem Schwert und Verbrennung ihres Körpers erst am 3. Oktober 1750. Ueber 22 Monate lag die Marie gefangen, wurde gefoltert und in den Verhandlungen gequält, war ständig in Angst und Ungewißheit ihres Schicksals, so daß sie, wie auch aus ihren Antworten ersichtlich, schließlich fast geistig gestört und abgestumpft wurde. Auf 557 Fragen wurde herumgeritten und ihr systematisch suggeriert, daß sie schuldig sei. Wenn sie etwas dagegen sagte, hieß es sofort, sie solle nicht leugnen. Die Akten sind sehr umfangreich, fast handhoch, allein das Plädoyer des Staatsanwaltes umfaßt 30 Seiten Reichsformat und ist zum Teil lateinisch, ebenso das des Advokaten.

Die Bearbeitung des Aktes war wirklich eine schwere, sogar aufregende Arbeit. Schwierig war auch die Entzifferung der verschiedenen Handschriften. Nicht weniger als 75 Seiten Reichsformat hat der Vorstand des Heimatbundes Mühldorf Auszug gefertigt. Es liest sich wie ein spannender Roman, wird besonders eindringlich durch erschütternde Belege, z. B. die eigenhändige Unterschrift des Mädchens, den Originalüberweisungszettel des Gerichtes an den Scharfrichter u. a.


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