Johann Nestroy
Theaterg'schichten durch Liebe, Ingtrigue, Geld und Dummheit
Johann Nestroy

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Verwandlung

(Vorsaal in einer Irren-Anstalt. Allgemeiner Eingang in der Mitte; rechts eine Thüre, welche nach den Observations-Zimmern, lincks eine Thüre welche in ein Bureau führt. Im Hintergrund, rechts von der Thüre, steht ein Schreibtisch mit Licht, an welchem ein Kanzleydiener sitzt. Ein Wärter hält sich im Hintergrunde auf. Es ist Abend.)

18te Scene

(Ein Kanzellist, ein Kanzleydiener, ein Wärter.)

Kanzellist (aus der Seitenthüre lincks kommend, in einer Hand Zwey Actenstücke tragend, in der anderen den Hut, um fortzugehen, zum Kanzleydiener). Das kommt in die Ober-Verwaltungskanzley. (übergiebt ihm das eine Actenstück, worauf sich dieser zur Mitte entfernt.) Und hir diesen Wochenausweis (zum Wärter) lassen Sie vom Herrn Primär-Arzt unterschreiben. (giebt dem Wärter das andere Actenstück.)

Wärter. Gleich, wie er herauskommt.

Kanzleydiener (zurückkommend, die erhaltene Schrift noch in der Hand). Dieser Herr (zeigt auf den ihm folgenden Schofel) möcht' mit dem Herrn Doctor reden. (entfernt sich zur Mitte.)

19te Scene

(Schofel, Kanzellist, Wärter)

Schofel (eintretend). Schamster Diener –!

Kanzellist. Es ist jetzt eben Ordinationsstunde – ist Ihre Angelegenheit dringend?

Schofel. Unendlich!

Kanzellist (zum Wärter). Melden Sie es dem Herrn Doctor.

(Der Wärter geht in die Seitenthüre rechts ab.)

Kanzellist (zu Schofel). Alle Patienten, und ebenso die Geisteskrancken werden gegen Abend schlimmer, weßhalb der Herr Primarius um diese Zeit am meisten beschäftigt ist.

Schofel. Ja, es is halt gar ausserordentlich dringend.

Kanzellist. Belieben Sie hier zu warten. (geht zur Mitte ab.)

20ste Scene

(Schofel, allein.)

Schofel. Alles überlauft mich um Geld – das darf nicht so bleiben. Zwischen mir und meinen Gläubigern muß eine Scheidewand fallen. Sicherheit der Person is das Erste; Eigenthum hab' ich kein's, man kann aber nicht wissen, was vielleicht einmahl g'schieht, darum müssen meine Contracte für ungiltig erklärt werden. Beyde Zwecke erreich' ich nur auf diese Art.

21ste Scene

(Doctor, der Wärter; der Vorige)

Wärter (auf Schofel zeigend zum Doctor). Das is der Herr.

Doctor. Was steht zu Diensten –?

Schofel. Bevor ich Ihnen das sag', Herr Doctor, sagen Sie mir –

Doctor. Und wer sind Sie?

Schofel. Bevor ich Ihnen das sag', sag'n Sie mir – waren Sie nie beym Theater?

Doctor (befremdet). Welche Frage –? nein!

Schofel. Seyn S' froh, müssen auch nicht dazu geh'n.

Doctor (wie oben). Ich, zum Theater geh'n –? mein Herr, ich bin Doctor, und Leiter der hiesigen Irren-Anstalt seit Dreyßig Jahren.

Schofel. G'rad so lang bin ich Theater-Director, (in kameradschaftlichem Tone) wir Zwey können schon a Wort reden miteinand.

Doctor (Schofel von oben bis unten messend). Lassen Sie hören.

Schofel. Es existiert bekanntlich eine unsichtbare Butten, die immer losgeht, wenn's Unglück will – bey mir is diese Butten losgegangen.

Doctor. »Accidit in puncto« – oder »Fuimus Troës« – andere Trostgründe wüßte ich nicht –

Schofel. Sie würden einen groben Verstoß gegen die Wahrheit begeh'n, wenn Sie der Meinung wären, daß ich keine Schulden hab'.

Doctor. Ich bedauere, jedoch –

Schofel. Überdieß hab' ich meinen Glanzpunct verloren, meine Nichte, die Rosaura.

Doctor. Ist sie todt?

Schofel. Nein sie hat mich lebendig verlassen.

Doctor. Also für Sie moralisch todt.

Schofel. Nit einmahl; sie is zu ein'n andern Theater gangen, das war undankbar, also nicht moralisch.

Doctor. Da müssen Sie in einer andern Acquisition Ersatz suchen, übrigens –

Schofel. Übrigens verlier' ich durch sie auch einen reichen Bräutigam, auf den ich starck gerechnet hab'.

Doctor. Das ist allerdings fatal, aber warum klagen Sie gerade mir Ihre Leiden?

Schofel. Das is sehr einfach; ich bin über alle diese Unglücksfälle narrisch word'n, und deßhalb meld' ich mich bey Ihnen.

Doctor. Mein Herr –! wie kommen Sie mir vor –!?

Schofel. Komm' ich Ihnen vor? Das is schon recht.

Doctor. Bis jetzt waren Ihre Reden so ziemlich vernünftig –

Schofel. Ja, die Reden, aber meine Handlungen! Die seyn a Bisserl anders. Ich hab' Contracte abgeschlossen, die ich nicht halten kann, mit Leut', die ich nicht brauchen kann. Thut das ein Mensch der bey Verstand is?

Doctor. Das war wohl unüberlegt, aber keineswegs närrisch.

Schofel. Ich hab' aufs Gerathewohl eine Kunstreis' unternommen mit einer Massa Leut' –

Doctor. Das war ein Wagniß, aber keine Narrheit.

Schofel. Ich hab' eine Schlange in meinem Busen genährt.

Doctor. Das haben schon die vernünftigsten Leute gethan.

Schofel. Also glauben Sie, daß mir meine Handlungen keine Ansprüche geben?

Doctor. Sie sehen die Verrücktheit derselben ein, ein Beweis, daß Sie zu Vernunft gekommen, (halb scherzend) Da hätte man Sie eher damahls hier ein logieren sollen –

Schofel. Wie ich so gehandelt hab? nit wahr? eben aber weil Sie es damahls unterlassen haben, so erfordert der Credit Ihrer Anstalt, daß Sie es jetzt nachholen; ein ordentlicher Narr geht Ihnen sonst gar nicht mehr her.

Doctor. Liebster Mann, Ihnen fehlt es an Geld, und kein Geld haben ist keine Narrheit.

Schofel. Aber g'scheidt is es auch nicht; oder wenn Sie's gar so g'scheidt finden, daß ich kein Geld hab', dann sind Sie ein schadenfroher Mensch!

Doctor (nicht wissend was er dencken soll). Ich weiß wirklich nicht – (bey Seite.) Jetzt scheint's doch fast als ob er nicht recht – (macht die Pantomime des Verrücktseyns.)

Schofel. Wenn Sie mich geseh'n hätten, wie ich nach dem Schlag so auf und ab gangen bin, – (macht die Stellung mit verschränckten Armen) kein Wort herausbracht – nur denckt hab' ich mir: »Schofel, du hast so viel für die Kunst gethan –« das war stiller Wahnsinn!

Doctor. Grillen, Grillen!, weiter nichts.

Schofel (in einer Art Extase fortfahrend). Wie dann meine Mitglieder um die Gage gekommen sind – wenn Sie mich da g'seh'n hätten, wie ich über die hintere Stiegen fortg'stürzt bin, wie ein Rasender – (in ruhigem Tone) Rasende hab'n Sie g'wiß auch da?

Doctor (apprehendiert). Jetzt gewinnt es fast den Anschein – (ernst) mein Herr, Sie glauben vielleicht, daß ich Ihr Narr seyn soll?

Schofel. Conträr! ich möcht' ja gern der Ihrige seyn!

Doctor (ärgerlich). Mein Herr – (weist nach der Thüre.)

Schofel. Aber Herr Doctor, unter die Halbnarr'n werd' ich Ihnen doch gut genug seyn?!

Doctor (wie oben). Adieu, mein Herr – (will zur Seite ab.)

Schofel (ihn zurückhaltend). Also nicht einmahl als Halbnarr? Nein, was man jetzt in all'n Fächern verlangt –!

Doctor (peremtorisch). Sie sind bey Verstand.

Schofel. Das sagen Sie, nachdem ich Ihnen mein Schicksal erzählt hab'? – Herr, wer über gewisse Dinge den Verstand nicht verliert, der hat keinen zu verlieren; es is also g'rad so viel, als ob sie mich ein'n Esel geheißen hätten.

Doctor (bey Seite, das Verrücktseyn pantomimisch andeutend). Jetzt scheint er wieder – (zu Schofel) ich werde nicht klug aus Ihnen.

Schofel. Auf mich hab'n Sie gewart't, um klug zu werd'n? – da bedauer' ich Ihnen.

Doctor (zum Wärter). Führen Sie ihn in's Observations-Zimmer.

Schofel. Na, sehn Sie's einmahl ein? Und daß nur recht gut g'schaut wird auf mich! – ich bin ein interessanter Fall.

Doctor (zum Wärter). Thun Sie, wie ich gesagt!

Schofel (zum Wärter, welcher ihn abführt). Und wann ich auch dann und wann lichte Augenblick' hab', das derf Ihnen nicht täuschen, es is nie von Dauer; kehr' die Hand um, is wieder der ganze Narr fertig.

(wird von dem Wärter zur Seitenthüre rechts abgeführt.)

Doctor (allein). Der Fall ist mir in praxi noch nicht vorgekommen. Bis jetzt mußte noch Jeder durch List oder durch Zwang hirhergebracht werden, (man hört Lärmen außerhalb der Mittelthüre.) Was ist das für ein Tumult – !?

(Hir beginnt das Ensemble-Quodlibet.)

Quodlibet

22ste Scene

(Damisch, Wärter; die Vorigen.)

(Wärter des Irrenhauses bringen unter großem Tumult Damisch herein.)

Die Wärter (Chor).
Den saubern Herrn da: haben s' übergeben unt am Thor –
Wie s' ihn gebracht hab'n ui je das war ein Rumor,
Hier diese Schrift, die ihn betrifft –
Von höherm Ort ist's der Rapport –

(Ein Wärter übergibt dem Doktor eine Schrift. Männliches und weibliches Hausgesinde kommt durch die Mitte.)

Doctor (lesend).
Wollte ins Theater ohne Eintrittskarte, ohne Geld,
Wahnsinn so sich nur geberdet, wähnte sich ein Held –
Ihrer strengen Obhut den Unzurechnungsfähigen.

Damisch.
's hat grad gschlag'n g'habt siebni,
    zum Theater küm i
Durch's Parterrthürl hab i eini guckt
    D' Rosaura sieh agirn i
    Schön thut deklamirn sie
Daß ma bis in d' Seel hat eini zuckt,
    H'nauf zu ihr will i –
    Pumps da packen s' mi,
Habn den Weg mit mir hinaus nit gfehlt,
    Gibts kan Eisenbahn,
    Gibts kan Luftballon
Der mi außiführt aus dera Welt?

Doctor.
Das ist Wahnsinn nicht, nur ein Spleen aus ihm spricht!

Chor der Wärter und des Hausgesindes.
Mit Kleinem fängt man an, mit Großem hört man auf,
Ja das is a alte G'schicht, und nach und nach hörts auf.

23ste Scene

(Maxner, Lisi, Mali; die Vorigen.)

(Maxner, Lisi, Mali kommen durch die Mitte.)

Maxner.
Ja, hier ist der Arme, Damisch ich bin hier!
Ich werd für Sie sprechen, Sie gehn gleich mit mir.

Lisi (zum Doctor).
Bei uns schon lang logirt er, wir können garantiren
Daß Sie sich in ihm gewaltig irrn.

Maxner, Lisi, Mali.
Es wird klar, es wird klar,
er ist kein Narr, er ist kein Narr.

Damisch (zugleich.).
Ich ein Narr, ich ein Narr,
warum nicht gar, warum nicht gar?

24ste Scene

(Stössl, Conrad; die Vorigen)

(Stössl und Conrad treten eilig durch die Mitte ein; nachdem Stössl Damisch bemerkt, eilt er auf den Doctor zu.)

Stössl.
I bitt Herr Doktor, bitt recht schön,
Gehn S' lassen S' diesen Menschen gehn –
Wie kann denn der 'n Verstand verliern
Er hat ja niemals ein' g'habt in sein' Hirn!

Stössl und Conrad.
Man brachte ihn als närrisch ein
Der is ja z' dumm zum Narrischsein –
I bitt Herr Doktor bitt recht schön –
Mit uns glei lassen S' 'n gehn, bitt recht schön!

Conrad (mit Brummstimmen Begleitung).
Ach komm mit uns und kehr zurück,
In deiner Hand liegt dein Geschick,
Ach komm zu ihr zu meiner Schwester,
Mit offnen Armen harrt sie dein,
Den Vater sieh sein bleiches Antlitz
Rührt dich das nicht, so ist dein Herz von Stein!

Damisch (macht gegen Conrad und Stössl eine abwehrende Bewegung).
Nein!

Tutti.
Der ist ein Klotz den's nicht rührt
Wenn ihm so zugsetzt wird
Und ohne Prophet zu sein kann man ihm es prophezeien
Es wird ihn über kurz oder lang noch reun!

Damisch.
Wie? Wie? Wie?

Stössl, Conrad, Maxner, Lisi, Mali.
Damisch komm, wir gehen fort.

Damisch.
Nie, nie, nie!

Stössl, Conrad, Maxner, Lisi, Mali.
Du wirst froh und glücklich dort.

25ste Scene

(die Vorigen, Schofel.)

Damisch (Rezitativ).
Nach meines Vaters Testament
Krieg mein Vermögen ich in d' Händ
Wenn ich verheirath werde sein,
Drum führ d' Rosaura ich jetzt ein,
Ins Brautgemach vulgo Kämmerlein.

Stössl (im höchsten Grade entrüstet).
Das möchtest du, Mordsapprament,

Damisch.
Ja, ich halte mich ans Testament.

Stössl.
's is daß man aus der Haut fahrn könnt,
Der Bua entbrennt, verblendt.

Damisch.
Ja justament, ich halt mich ans Testament.

Stössl.
Er heirat fikrament, das is mein letztes End.

Damisch. (zugleich).
Gheirat wird fikrament, und wärs mein letztes End.

Tutti.
Ha, welche Verblendung.

Schofel (eine Ohnmacht fingirend).
Ha!

Tutti.
Was ist geschehn – – ?

Schofel (von Mehreren, besonders von Conrad und Damisch unterstützt, erwacht).
Wo bin ich?

Conrad.
Er kommt ja schon zu sich!

Damisch.
O faße dich!

Schofel (freudig da er hörte, daß Damisch Rosaura heirathen will und Vermögen besitzt).
Sein ganz Vermögn kriegt auszahlt er –
Und dann d' Rosaura heirath er –
O unnennbare Seligkeit
Wann ich von Geld hör, wiar i gscheidt!
        (Damisch die Hand reichend.)
Ein reicher Vetter ist ein Glück,
Ich fühl es, mein Verstand kommt z'rück,
O unnennbare Seligkeit
Wann ich von Geld hör, wiar i gscheidt.

Maxner.
Halt, da hab ich noch ein Wörtel drein zu reden noch mit dir
Zahle was du schuldest meinen Töchtern und auch mir
Ja mein Geld will ich von dir
Sonst zittre, zittre, zittre vor mir.

Conrad (zu Schofel).
Sie benützen seine Schwäche, zittern sollen Sie vor mir.

Maxner (mit Conrad zugleich).

Du benützest seine Schwäche, zittern sollst du noch vor mir,
Ich durchkreuze deine Pläne, ja das schwör ich, schwör ich dir!

Lisi, Mali (mit den Obigen zugleich).
Zittern sollst du, das schwören sie dir –
Zittern – – – – – – – schwören sie dir!

Schofel (ganz ängstlich, weil Maxner Geld von ihm verlangt, will ihn glauben machen er sey närrisch). Du willst a Geld? O Himmel mir wird finster vor den Augen, ja ich seh nicht klar –! Wo ist denn der Doktor? (desperat auf Maxner deutend.) Der will a Geld – Ich bin schon wieder a Narr! (will mit gekreuzten Armen stieren Blickes durch die Mitte fort.)

Damisch (der Schofel zurückhält).
Schofel, vertraue deinem Freund
Und höre mich,
Günstig die Sonne heut dir scheint,
Ich zahl für dich.
Ich theile alles, was ich habe
Gerne Schofel mit dir
D' Rosaura, süße Himmelsgabe,
Lohnt auch dafür!

Stössl, Conrad, Maxner, Schofel.
Es is ja wahr und gwiß
Wenn man Hallodri is
Da tappt man überall drein, is völlig blind,
Thut oft auf d' Nasen falln,
Für Alls das Lehrgeld zahln,
Man merkts nit, wann s' Ein'm foppen vorn und hint.
O schöne Zeit der jungen Liebe,
Ach wenn sie ewig, ewig bliebe.

Lisi, Mali (Chor mit Obigen zugleich).
Er wähnt die Braut im Hochzeitsglanze,
Als höchstes Glück im Myrthenglanze,
Nur sie allein ist Seligkeit
Er glüht für sie in Ewigkeit.
Und girrt die Taube,
In grüner Laube,
So fühlt sein Herz engelreine Lieb,
Ach wenn es ewig, ewig so blieb.

Stössl (zu Conrad desperat).
Was hast ausgricht? Sag mir was?
Grad so viel als: Wasch mir'n Pelz und mach mir'n nicht naß.

Conrad.
Sie werden es noch sehen –
Nach Wunsch wird Alles gehen –
Ich leg ihm eine Schlinge,
Die wendet sein Geschick,
Dann reuig ich ihn bringe
Auf die rechte Bahn zurück!

Lisi.
Wir werden es jetzt sehen,
Wie Alles wird noch gehen –
Ob führt ihn sein Geschick
Die rechte Bahn zurück?

Mali (wiederholt obige 4 Zeilen).

Alle.
A Hochzeit gibts
La la la – wie's gestaltet sich –
La la la – wie's entfaltet sich –
La la la – wart ma drauf –
La la la – es kommt auf.

Schofel (Pepita imitierend).
Manchmal a Tanzel das is ja nit zwida a la Pepita!

Alle.
Es is Alles aus – es is alles aus
Im Narrenthurm da tanzen s' aus!

(Alles schnell ab. Die Musick endet.)

Verwandlung

(Sehr einfaches Zimmer in Schofels Wohnung, rechts eine Seitenthüre. In der Mitte der allgemeine Eingang.)

26ste Scene

(Krammer, mehrere Schauspieler von Schofel's Gesellschaft, Spindl, Fink.)

Die Schauspieler (ihre Contracte in Händen habend, in Aufregung). Wir geh'n einmahl nicht von der Stell' bis er kommt!

Krammer (die Schauspieler beruhigend). Ganz recht, wir erwarten Director Schofel, aber mit Anstand und Besonnenheit.

Die Schauspieler. Das sind unsere Contract', er muß zahlen.

Krammer. Eben aber, weil es ein Rechtsfall ist müssen wir im Wege Rechtens und mit Ordnung –

27ste Scene

(Maxner; die Vorigen.)

Maxner (zur Mitte eintretend). Oho, meine Herrn –

Die Schauspieler (auf Maxner). Das is der Mann; der hat Geld! der soll Director seyn!

Maxner. Es is mir sehr schmeichelhaft, aber vor der Hand –

Krammer. Ja, wenn Herr Maxner das Ruder ergreiffen wollte –!

Spindl. So verstünde es Keiner!

Fink. Ich hab's immer g'sagt, es giebt nur Einen Maxner!

Die Schauspieler Es lebe der neue Director! Maxner hoch!!

Maxner. Zu früh, meine Herrn! wir müssen erst seh'n, wie die Sachen steh'n.

Krammer (schmeichelnd zu Maxner). Im Interesse der Kunst wollen wir hoffen –

28ste Scene

(Rosaura, Clair; die Vorigen.)

(Rosaura tritt zur Mitte ein, im Mantel vom Theater nach Hause kommend, Clair tragt ihr einen großen überdeckten Korb mit Theatergarderobe nach.)

Rosaura (die Anwesenden erblickend). Was ist das –!? (zu den Schauspielern) Ohne Zweifel suchen Sie meinen Onkel?

Die Schauspieler (schroff). Wir woll'n unser' Gage!

Fink (auf den Korb, welchen Clair trägt zeigend). Sollen wir nicht den Korb gleich pfänden?

Rosaura (ihn zurückweisend). Er enthält meine Theatergarderobe.

Krammer (im Tone des Verweises zu Fink). Keine Eigenmächtigkeit!

(Clair geht mit dem Korb in die Thüre rechts ab.)

Rosaura (stolz zu den Anwesenden). Ich muß bitten, da ich künftig einer anderen Sphäre angehöre, mich nicht mehr in Herrn Schofel's Angelegenheiten zu mengen.

Die Schauspieler (unter sich). Jetzt giebt sie's hoch, (gruppieren sich um Maxner.)

Rosaura (für sich). Wo mag der Lord nur weilen? Nach dem Triumph, den ich gefeyert, bleibt er fern –?! Alles drängte sich um mich, mit Lobsprüchen mich überhäufend, und nur er –

Maxner (zu den Schauspielern). Meine Herrn, ich zahle mit Vergnügen, übernehm' alle Verpflichtungen, des dermahligen Directeurs, wenn er mir seine Rechte, nehmlich seine Concession abtritt.

Die Schauspieler. Das muß er!

29ste Scene

(Inslbull; die Vorigen.)

Inslbull (zur Mitte eintretend). Miß Rosaura, ich fühle vor Entzücken zu seyn ausser mir.

Rosaura. Es ist mir doppelt schmeichelhaft, wenn meine Leistung –

Inslbull. Herr Damisch ist aus Verliebtheit geworden ein Narr.

Die Schauspieler (welche Inslbulls Worte gehört). Hahahaha!! viel hat ihm so nicht g'fehlt!

Rosaura (zu Inslbull). Was sagen Sie –?

Inslbull. Ein Mann hat sich gestürzen in das Wasser wegen Ihnen – der Andere ist gekommen in einer Irrigen-Anstalt, – Sie sind eine Lady von größtem Intresse vor mich.

Rosaura. Mylord –

Inslbull (sich besinnend). Ha, welche Vergeßlichkeit! (zieht eine Schrift aus der Tasche.) Ich bringe den untergezeichneten Contract hir Ihnen, von die Stadttheater-Entreprise, wo sind Sie engagier' mit ansehnlicher Emolumenten. (überreicht ihr die Schrift.)

Rosaura (den Contract annehmend, freudig). Ich bin Ihnen zu großem Danck verpflichtet –

Inslbull. Sie sind mir schuldig Danck, und ich tragen in mir die Persuasion, daß Sie werden seyn undanckbar. Ich reisen ab in dieser Stunde for ever, mit der starckesten Hoffnung, daß werden ich mich bringen um aus Liebe.

Rosaura (mit Entrüstung). Sie reisen –? abermahls –? ist das Ihr Ernst?

Inslbull. Ich scherzen nie.

30ste Scene

(Schofel, Damisch; die Vorigen.)

Schofel (mit Damisch zur Mitte eintretend). Triumph! Triumph! Da bring' ich ihn als Bräutigam!

Damisch (mit Extase sich Rosaura nähernd). Ja, Rosaura, ich werd' Ihnen glücklich machen in einem Grad, der bisher noch gar nicht bekannt war!

Rosaura. Sie tragen mir Ihre Hand an?

Damisch. Allemahl; nichts soll fehlen zu Ihrer vollendeten Seeligkeit.

Rosaura (zu Damisch, mit einem zermalmenden Seitenblicke auf Inslbull). Ich weiß die Unwandelbarkeit Ihrer Gefühle zu schätzen, und nichts hält mich ab –

Damisch. Ich garantier' Ihnen feenhafte Wonne.

Inslbull (zu Rosaura). Sie heurathen den? Hahahahahaha!

Rosaura. Ja, er wird mein Gemahl, denn ich bin es überdrüßig der Spielball Ihrer Launen zu seyn.

Maxner. Du, Director (auf die Schauspieler zeigend) die Herrn sind alle da –

Die Schauspieler. Ja, wir sind Alle da, und woll'n –

Schofel (zu den Schauspielern). Sie hör'n ja grad', daß eine reiche Parthie meiner Niece mich aus aller Verlegenheit reißt.

Maxner. Die Mitglieder woll'n aber einen Director, wo ihre Existenz auf solider Basis, und nicht auf Speculations-Heurathen beruht.

Rosaura. Ich staune, mit welcher Zuversicht Herr Schofel über das Vermögen meines künftigen Gemahls disponiert; mit welchem Rechte –?

Schofel. Mit den heiligen Rechten eines Onkels –

Rosaura. Den ich als solchen figurieren zu lassen, für meine isolierte Stellung passend fand.

Damisch (zu Schofel). Sie seyn also nur ein ang'nommener Onkel?

Schofel (zu Damisch). Macht nix; sag'n S' ihr, Sie nehmen s' nicht, wann S' mich nicht unterstützen derffen.

Damisch. Warum nit gar! Glaub'n Sie denn ich heurath' nur um Ihnen auf die Füss z' helfen? Rosaura gewinnt an Reitz durch die Entdeckung, daß Sie nicht ihr Oheim waren, sondern nur ihr Elephant.

Schofel. Ich könnt' Ihnen jetzt auch was animalisches sag'n –

Maxner (zu Schofel). Dein Reich is aus, ich zahl' für dich und werd' Director.

Die Schauspieler. Director Maxner hoch!!

Stössl (von Aussen). Wo is der Höllenbub, ich will ihm zeigen –!

Damisch (erschrocken). Schon wieder mein Vormund – (zu Rosaura.) Bleiben Sie nur da Rosaura, an unserer Felsenliebe scheitert Alles – bleib'n S' nur da!

Rosaura. Nein, nein, ich zieh' es vor, bey Familienzwisten mich zu entfernen, (geht in die Seitenthüre rechts ab.)

31ste Scene

(Stössl, Conrad; die Vorigen.)

Stössl (mit Conrad zur Mitte eintretend). Da is er –! Noch einmahl steh' ich als Vormund vor Dir –

Schofel (zu Stössl). Willkommen, verkannter Greis, wenn Sie der Zerstörer dieser zwecklosen Verbindung sind.

Stössl (ohne auf ihn gehört zu haben zu Damisch). Ich sag' dir noch ein Wort –!

Damisch. Verschwendung!

Stössl. Du verharrst –?

Damisch (auf Schofels Schauspielergesellschaft zeigend). Ich habe in Gegenwart dieser Kunst-Notabilitäten meine Absicht erklärt, und in wohlunterrichteten Kreisen weiß man bereits –

Conrad. Ich werde diese Kreise besser unterrichten, (zu den Anwesenden.) Herr Damisch heurathet Rosaura nicht!

Schofel (zu Conrad). Ich hab' nicht die Ehre zu kennen, allein Du sprichst mir aus der Seele Knabe.

Stössl. Wo is die Verblenderin?!

Maxner (zu Stössl). Ihre Ankunft hat sie dort hinein (nach der Thüre rechts zeigend) vertrieben.

Stössl (grimmig). Heraus mit ihr!

Conrad. Halt –! (zu Stössl) Ich habe mein Wort verpfändet, ich werd' es lösen; nichts ließ ich unversucht, jetzt muß ich zum Äußersten schreiten, (er will gegen die Seitenthüre rechts.)

Damisch (ihm den Weg zu vertretend). Da drinn is meine Braut – was suchst Du in meinem Brautgemach?

Conrad (zu den Schauspielern), meine Herrn, (auf Damisch zeigend) er kommt ebenaus dem Irrenhaus, offenbar war seine Entlassung verfrüht; halten Sie ihn mir auf Zwey Minuten fest.

Die Schauspieler. Mit Vergnügen! (zu Damisch) Halt, verrückter Damisch!

Damisch. Zurück!

Die Schauspieler (fassen Damisch unter den Armen, und ziehen ihn rücklings von der Seitenthüre rechts, bis gegen die Portalkulisse lincks). Ja, zurück von der Thür, und zwar bis da her!

Conrad. Es ist fürchterlich – doch muß es seyn! (drückt sich den Hut in die Stirne, und stürzt in die Seitenthüre rechts ab.)

32ste Scene

(Die Vorigen ohne Conrad).

Stössl. Was kann er drinn vorhaben

Schofel. (beynahe zugleich) A Paar Grobheiten –

Damisch. (beynahe zugleich) Sie schafft'n hinaus –

(Man hört innerhalb der Seitenthüre rechts einen grellen Schrey des Entsetzens, von Rosaura's Stimme.)

Damisch (aufschreyend). Ha!!

Alle Anwesenden (erschrocken). Was ist geschehn –!?

(Die Schauspieler lassen Damisch los, welcher jedoch von Entsetzen sich der Thüre nicht zu nähern getraut.)

Damisch. Er hat sie umgebracht, daß ich s' nit heurathen kann!!

Schofel. »Ein Mord, in unserem Haus!« sagt Lady Macbeth – Rettung!

Stössl. G'schwind in d' Apotheken –!

Inslbull (welcher sich an der Seite lincks in einen Stuhl gesetzt). Einer hat sich geselbstmordet wegen ihr, ein Anderer mordet sie selbst – die Lady gewinnen ungeheuer an Intresse.

Die Schauspieler (welche mit schaudernder Spannung nach der Thüre rechts geblicket). Da kommt er –!

33ste Scene

(Conrad; die Vorigen.)

Schofel (erscheint unter der Thüre rechts). Es ist geschehn –

Damisch (auf ihn losstürzend). Brautumbringer!

Schofel (zu Conrad). Angenommener Nichte-Vernichter!

Stössl (schaudernd zu Conrad). Du bist ihr Mörder –!?

Conrad (mit Resignation und Erschöpfung). Nein – ich bin nur ihr Mann –!

Alle (im höchsten Staunen). Ihr Mann –!?

Stössl. Nicht möglich –!?! – Sohn –!!

Damisch (zu Conrad). Schnöde Gaukeley –! (zu Stössl) Fluchen Sie ihm auf meine Verantwortung, wenn er nochmahl sagt daß er ihr Mann is.

Conrad. Ich kann auf Begehren auch die Rede ändern, und sagen, »sie ist meine Frau«!

Damisch. Das ist ja fast dasselbe.

Stössl. Also doch –!?

Conrad. Ein halbes Jahr lang hab ich es an ihrer Seite ausgehalten, oder eigentlich nicht ausgehalten – da gieng ich eines schönen Morgens fort, ein Briefchen hinterlassend: »Madame, wenn Sie diese Zeilen entfalten, haben bereits die Wellen in ihre Todesarme mich geschlossen – Conrad Wall« – so hieß ich, wie ich der Bühne angehörte –. Nun war ich wieder frey.

Stössl (kopfschüttelnd). Hörst es, das war Unrecht –

Conrad. Was thut der Mensch nicht, wenn er in Verzweiflung ist!?

Maxner. Aber die Folgen, wenn sich Eine für a Wittwe halt't!

Schofel, 's Herz is immer thätig.

Conrad. »Wenn du stürbest, wäre die ganze Männerwelt tod für mich« – so lautete einer ihrer ersten Liebesschwüre.

Stössl. Sie hätt auch können eine lebenslängliche Melancholie krieg'n.

Schofel. Wann s' woll'n hätt'.

Conrad. Ich habe nur einen Anflug von Trauer vergebens erwartet; ich sah sie, meinen Verlust mit stoischem Gleichmuth, mit der ächten Seelen-Plastik antiker Schule, ertragen.

Maxner. Wie leicht aber hätt' sie ein'n Andern unglücklich machen können, (auf Damisch zeigend) wie figura zeigt.

Conrad. Ich wußte Alles, und war immer bereit, im Nothfalle wieder lebendig zu werden, wie ebenfalls (auf sich zeigend) figura zeigt.

Damisch (herabgestimmt und fast vernichtet). In welchem Licht erscheint der Engel meiner Seele!? Der Strahlenglorie wird Tumprigkeit – das Ideal is tschali –!

34ste Scene

(Rosaura, die Vorigen; Inslbull (aus der Mitteltüre).)

Rosaura (mit Shawl und Hut, kommt aus der Seitenthüre rechts). Mein Herr, (zu Conrad) ich meide dieses Haus, wie fortan Ihre Nähe. Glücklicher Weise haben Sie mich nicht nur durch Ihren Tod getäuscht, sondern auch durch Ihr Leben; Sie wurden unter falschem Nahmen im Auslande mein Gemahl, dieß läßt mich die gänzliche Lösung dieses unseeligen Bandes hoffen.

Conrad. Uns're Wünsche begegnen sich; auch wird meine Cassa nie sich weigern, das Gesetzliche zu leisten.

Rosaura (mit Geringschätzung). Eine Künstlerin meines Ranges wird Ihrer gütigen Unterstützung nie bedürfen, (will zur Mitte ab.)

Conrad. Nur Eines noch –! Sie müssen, Ihrem Talente nach, eine vortreffliche Kotzebue'sche »Eulalie« seyn; ich habe nie Dümmlinge gespielt, d'rum werden Sie auch das Capo aller Dummköpfe, den »Unbekannten« aus »Menschenhaß und Reue« nie finden.

Rosaura (wie oben). Überflüßige Warnung, die ich nur mit einem Lächeln, halb Mitleid, halb Verachtung erwiedern kann, (geht stolz zur Mitte ab.)

35ste Scene

(Die Vorigen, ohne Rosaura.)

Damisch (enttäuscht). So spricht eine Rosaura zu einem Conrad, der aus Rosaurischer Erfahrung spricht –?

Conrad (zu Damisch). Siehst Du jetzt ein, was meine Schwester ist im Vergleich mit dieser?

Inslbull. Ihr sich umgebrachthabender lebt, und sie ist umgebracht worden nicht – ich erblicke in ihr nur mehr einer ganz indifferenten Lady.

Damisch (reuig). Conrad red' ihm zu, (auf Stössl zeigend) dem Philippinen Erzeuger, daß er mir verzeiht.

Stössl (zu Damisch). Du bist reich und dumm, da giebt's eigentlich nix Unverzeihliches.

Damisch. Ich leid' an keiner Leidenschaft jetzt mehr, und werde ein Muster von Eh'mann und Apotheker seyn.

Schofel (zu Stössl). Erlauben Sie, ohne Entschädigung kann ich ihn seines 25jährigen Contractes nicht entheben.

Maxner (zu Schofel). Du bist ja kein Director mehr, aber viel besser wirst du dich künftighin als mein erster Komiker befinden.

Schofel. Und auf meine Heldenväter reflectierst du gar nicht?

Maxner. So wenig als auf den (auf Damisch zeigend) für d' Liebhaberrollen.

Damisch. Die werd' ich ewig spielen, aber nur bey meiner Frau.

Conrad. Edler Vorsatz!, der meistens mit dem Übergang ins Bonvivant-Fach schließt!

Damisch. Jetzt aber nur g'schwind! mein halbes Vermögen für einen Separat-Train in die Arme meiner Braut! (gegen das Publicum.) Und wann Jemand meine Zukünftige in der Zukunft begegnen sollt' – es is wegen dem Hausfrieden – nur ja nix erzählen von meiner Leidenschaft.

(Unter passender Musick im Orchester fällt der Vorhang.)

Ende


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