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Buschiade

Seht, nach beigebrachten Bräuchen
sitzen mit gewölbten Bäuchen
in des Zirkus Busch Rotunde
wieder die vom Landwirtsbunde.
Und es kräht durch die Arena:
Vaterland, du fährst nach Jena!
Ja, du fährst auf schiefer Bahn!
Ganz besonders kräht der Hahn.
Limburg-Stirum ihm zur Seite
zetert im Diskante: Pleite!
Und es singt denselben Reim
Oldenburg und Wangenheim.
Nie war jemand so in Nöten;
aus dem letzten Loche flöten
alle Herrn vom Grundbesitze:
die Schwerine und Kanitze.
Um die Landwirtschaft zu retten,
klopft der Ortel seinen fetten
Bauch; – es glänzt die weiße Weste
und er ruft: »Mir scheint der beste
Ausweg aus der Hungerhölle
sind erhöhte Gerstenzölle!«
Hei, wie da der Raum erschallt
von des Basses Sturmgewalt!
Aber Ortel redet weiter:
»Auch die Haferzölle«, schreit er,
»sind erheblich zu erhöhn!«
Wieder braust ein Beifallsföhn.
Bravo! ruft man. Heil! und Prost!
Und der ganze Zirkus tost!
Doch Herr Ortel unverdrossen
spricht den jubelnden Genossen
von den hohen Schutzzollreizen
noch für Roggen und für Weizen!
»Sonst geht Hopfen futsch und Malz!
Hoch Ostelbien! Gott erhält's!«
Lang wird hin- und hergeredet,
die Regierung angefehdet,
die die Landwirtschaft verrät
und auf Mittellinien geht.
Ach, die Wucherzölle Bülows
nennt man ruppig und gefühllos.
Wird's nicht baldigst anders schon,
ist der Schluß: Revolution! –
Sieh dich vor, o Land der Väter,
Lern' es früher oder später:
Mit den Junkern von der Rechten
ist's nicht leicht, den Bund zu flechten!
Mit Hurrah und Donnerwetter
tagen so die Landesretter,
ernst gefaßt auf den Ruin. –
Nachts »studiert« man dann Berlin.
Amor muß die Karten mischen
und den Unterschied verwischen,
der noch trennt so manchen Stand
in dem deutschen Vaterland.
Selbst die braunen Notstands-Lappen
tut man gern ans »Volk« berappen ...
Davon, wie dies Werk gedeiht,
schweigt des Sängers Höflichkeit.

(aus: Der Wahre Jacob, 1905)


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