Theodor Mommsen
Römische Geschichte
Theodor Mommsen

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4. Kapitel

Die Restaurationsherrschaft

Das neue Gebäude, das Gaius Gracchus aufgeführt hatte, war mit seinem Tode eine Ruine. Wohl war sein Tod wie der seines Bruders zunächst nichts als ein Akt der Rache; allein es war doch zugleich ein sehr wesentlicher Schritt zur Restauration der alten Verfassung, daß aus der Monarchie, eben da sie im Begriff war, sich zu begründen, die Person des Monarchen beseitigt ward; und in diesem Falle um so mehr, weil nach der Katastrophe des Gaius und dem gründlichen Opimischen Blutgericht im Augenblick schlechterdings niemand vorhanden war, der, sei es durch Blutsverwandtschaft mit dem gefallenen Staatsoberhaupt, sei es durch überwiegende Fähigkeit, auch nur zu einem Versuch, den erledigten Platz einzunehmen, sich legitimiert gefühlt hätte. Gaius war ohne Kinder aus der Welt gegangen, und auch Tiberius' hinterlassener Knabe starb, bevor er zu seinen Jahren kam; die ganze sogenannte Volkspartei war buchstäblich ohne irgendeinen auch nur namhaft zu machenden Führer. Die Gracchische Verfassung glich einer Festung ohne Kommandanten; Mauern und Besatzung waren unversehrt, aber der Feldherr fehlte, und es war niemand vorhanden, der an den leeren Platz sich hätte setzen mögen als eben die gestürzte Regierung.

So kam es denn auch. Nach Gaius Gracchus' erblosem Abgang stellte das Regiment des Senats gleichsam von selber sich wieder her; und es war dies um so natürlicher, als dasselbe von dem Tribun nicht eigentlich formell abgeschafft, sondern nur durch die von ihm ausgehenden Ausnahmehandlungen tatsächlich zunichte gemacht worden war. Dennoch würde man sehr irren, wenn man in dieser Restauration nichts weiter sehen wollte als ein Zurückgleiten der Staatsmaschine in das alte, seit Jahrhunderten befahrene und ausgefahrene Geleise. Restauration ist immer auch Revolution; in diesem Falle aber ward nicht so sehr das alte Regiment restauriert als der alte Regent. Die Oligarchie erschien neu gerüstet in dem Heerzeug der gestürzten Tyrannis; wie der Senat den Gracchus mit dessen eigenen Waffen aus dem Felde geschlagen hatte, so fuhr er auch fort, in den wesentlichsten Stücken mit der Verfassung der Gracchen zu regieren, allerdings mit dem Hintergedanken, sie seiner Zeit wo nicht ganz zu beseitigen, doch gründlich zu reinigen von den der regierenden Aristokratie in der Tat feindlichen Elementen. Fürs erste reagierte man wesentlich nur gegen die Personen, rief den Publius Popillius nach Kassierung der ihn betreffenden Verfügungen aus der Verbannung zurück (633 121) und machte den Gracchanern den Prozeßkrieg; wogegen der Versuch der Volkspartei, den Lucius Opimius nach Niederlegung seines Amtes wegen Hochverrats zur Verurteilung zu bringen, von der Regierungspartei vereitelt ward (634 120). Es ist für den Charakter dieser Restaurationsregierung bezeichnend, wie die Aristokratie an Gesinnungstüchtigkeit fortschritt. Gaius Carbo, einst Bundesgenosse der Gracchen, hatte seit langem sich bekehrt und noch kürzlich als Verteidiger des Opimius seinen Eifer und seine Brauchbarkeit bewiesen. Aber er blieb der Überläufer; als gegen ihn von den Demokraten die gleiche Anklage wie gegen Opimius erhoben ward, ließ ihn die Regierung nicht ungern fallen, und Carbo, zwischen beiden Parteien sich verloren sehend, gab sich mit eigener Hand den Tod. So erwiesen die Männer der Reaktion in Personenfragen sich als lautere Aristokraten. Dagegen die Getreideverteilungen, die Besteuerung der Provinz Asia, die Gracchische Geschworenen- und Gerichtsordnung griff die Reaktion zunächst nicht an und schonte nicht bloß die Kaufmannschaft und das hauptstädtische Proletariat, sondern huldigte, wie bereits bei der Einbringung der Livischen Gesetze, so auch ferner diesen Mächten und vor allem dem Proletariat noch weit entschiedener, als die Gracchen dies getan hatten. Es geschah dies nicht bloß, weil die Gracchische Revolution in den Gemütern der Zeitgenossen noch lange nachzitterte und ihre Schöpfungen schützte: die Hegung und Pflegung wenigstens der Pöbelinteressen vertrug sich in der Tat aufs vollkommenste mit dem eigenen Vorteil der Aristokratie, und es ward dabei nichts weiter geopfert als bloß das gemeine Beste. Alle diejenigen Maßregeln, die von Gaius Gracchus zur Förderung des öffentlichen Wohls getroffen waren, eben den besten, freilich begreiflicherweise auch den unpopulärsten Teil seiner Gesetzgebung, ließ die Aristokratie fallen. Nichts wurde so rasch und so erfolgreich angegriffen wie der großartigste seiner Entwürfe: der Plan, zunächst die römische Bürgerschaft und Italien, sodann Italien und die Provinzen rechtlich gleichzustellen und, indem also der Unterschied zwischen bloß herrschenden und zehrenden und bloß dienenden und arbeitenden Staatsangehörigen weggeräumt ward, zugleich durch die umfassendste und systematischste Emigration, die die Geschichte kennt, die soziale Frage zu lösen. Mit der ganzen Verbissenheit und dem ganzen grämlichen Eigensinn der Altersschwäche drängte die restaurierte Oligarchie den Grundsatz der abgelebten Geschlechter, daß Italien das herrschende Land und Rom in Italien die herrschende Stadt bleiben müsse, der Gegenwart aufs neue auf. Schon bei Lebzeiten des Gracchus war die Zurückweisung der italischen Bundesgenossen eine vollendete Tatsache und war gegen den großen Gedanken der überseeischen Kolonisation ein sehr ernsthafter Angriff gerichtet worden, der die nächste Ursache zu Gracchus' Untergang geworden war. Nach seinem Tode wurde der Plan der Wiederherstellung Karthagos mit leichter Mühe von der Regierungspartei beseitigt, obgleich die einzelnen daselbst schon verteilten Landlose den Empfängern geblieben sind. Zwar daß der demokratischen Partei auf einem andern Punkte eine ähnliche Gründung gelang, konnte sie nicht wehren: im Verlauf der Eroberungen jenseits der Alpen, welche Marcus Flaccus begonnen hatte, wurde daselbst im Jahre 636 (118) die Kolonie Narbo (Narbonne) begründet, die älteste überseeische Bürgerstadt im Römischen Reiche, welche trotz vielfacher Anfechtungen der Regierungspartei, trotz des geradezu auf Aufhebung derselben vom Senat gestellten Antrags dennoch, geschützt wahrscheinlich durch die beteiligten kaufmännischen Interessen, dauernden Bestand gehabt hat. Indes abgesehen von dieser, in ihrer Vereinzelung nicht sehr bedeutenden Ausnahme gelang es der Regierung, die Landanweisung außerhalb Italiens durchgängig zu verhindern.

In gleichem Sinne wurde die italische Domanialfrage geordnet. Die italischen Kolonien des Gaius, vor allem Capua, wurden aufgehoben und, soweit sie bereits zur Ausführung gekommen waren, wieder aufgelöst; nur die unbedeutende tarentinische blieb in der Art bestehen, daß die neue Stadt Neptunia der bisherigen griechischen Gemeinde an die Seite trat. Was durch die nichtkoloniale Assignation von den Domänen bereits verteilt war, blieb den Empfängern; die darauf von Gracchus im Interesse des Gemeinwesens gelegten Beschränkungen, Erbzins und Veräußerungsverbot, hatte bereits Marcus Drusus aufgehoben. Dagegen die noch nach Okkupationsrecht besessenen Domänen, welche außer dem von den Latinern genutzten Domanialland zum größten Teil bestanden haben werden in dem gemäß des Gracchischen Maximum den Inhabern gebliebenen Grundbesitz, war man entschlossen, den bisherigen Okkupanten definitiv zuzuwenden und auch die Möglichkeit künftiger Aufteilung abzuschneiden. Freilich waren es zunächst diese Ländereien, aus denen die 36000 von Drusus verheißenen neuen Bauernhufen hätten gebildet werden sollen; allein man sparte sich die Untersuchung, wo denn unter dem Monde diese Hunderttausende von Morgen italischen Domaniallands belegen sein möchten, und legte das Livische Kolonialgesetz, das seinen Dienst getan, stillschweigend zu den Akten – nur etwa die kleine Kolonie von Scolacium (Squillace) mag auf das Koloniengesetz des Drusus zurückgehen. Dagegen wurde durch ein Gesetz, das im Auftrag des Senats der Volkstribun Spurius Thorius durchbrachte, das Teilungsamt im Jahre 635 (119) aufgehoben und den Okkupanten des Domaniallandes ein fester Zins auferlegt, dessen Ertrag dem hauptstädtischen Pöbel zugute kam – es scheint, indem die Kornverteilung zum Teil darauf fundiert ward: noch weitergehende Vorschläge, vielleicht eine Steigerung der Getreidespenden, wehrte der verständige Volkstribun Gaius Marius ab. Acht Jahre später (643 111) geschah der letzte Schritt, indem durch einen neuen VolksschlußEr ist großenteils noch vorhanden und bekannt unter dem jetzt seit dreihundert Jahren fortgepflanzten falschen Namen des Thorischen Ackergesetzes. das okkupierte Domanialland geradezu umgewandelt ward in zinsfreies Privateigentum der bisherigen Okkupanten. Man fügte hinzu, daß in Zukunft Domanialland überhaupt nicht okkupiert, sondern entweder verpachtet werden oder als gemeine Weide offenstehen solle; für den letzteren Fall ward durch Feststellung eines sehr niedrigen Maximum von zehn Stück Groß- und fünfzig Stück Kleinvieh dafür gesorgt, daß nicht der große Herdenbesitzer den kleinen tatsächlich ausschließe – verständige Bestimmungen, in denen die Schädlichkeit des übrigen längst aufgegebenen Okkupationssystems nachträglich offizielle Anerkennung fand, die aber leider erst getroffen wurden, als dasselbe den Staat bereits wesentlich um seine Domanialbesitzungen gebracht hatte. Indem die römische Aristokratie also für sich selber sorgte und was von okkupiertem Lande noch in ihren Händen war, sich in Eigentum umwandeln ließ, beschwichtigte sie zugleich die italischen Bundesgenossen dadurch, daß sie denselben an dem von ihnen und namentlich von ihrer munizipalen Aristokratie genutzten latinischen Domanialland zwar nicht das Eigentum verlieh, aber doch das ihnen durch ihre Privilegien verbriefte Recht daran ungeschmälert wahrte. Die Gegenpartei war in der üblen Lage, daß in den wichtigsten materiellen Fragen die Interessen der Italiker denen der hauptstädtischen Opposition schnurstracks entgegenliefen, ja jene mit der römischen Regierung eine Art Bündnis eingingen und gegen die ausschweifenden Absichten mancher römischen Demagogen bei dem Senat Schutz suchten und fanden.

Während also die restaurierte Regierung es sich angelegen sein ließ, die Keime zum Bessern, die in der Gracchischen Verfassung vorhanden waren, gründlich auszureuten, blieb sie den nicht zum Heil des Ganzen von Gracchus erweckten feindlichen Mächten gegenüber vollständig ohnmächtig. Das hauptstädtische Proletariat blieb bestehen in anerkannter Zehrberechtigung; die Geschworenen aus dem Kaufmannsstand ließ der Senat gleichfalls sich gefallen, so widerwärtig auch dieses Joch eben dem besseren und stolzeren Teil der Aristokratie fiel. Es waren unwürdige Fesseln, die die Aristokratie trug; aber wir finden nicht, daß sie ernstlich dazu tat, sich derselben zu entledigen. Das Gesetz des Marcus Aemilius Scaurus von 632 (122), das wenigstens die verfassungsmäßigen Beschränkungen des Stimmrechts der Freigelassenen einschärfte, war für lange Jahre der einzige, sehr zahme Versuch der senatorischen Regierung, ihren Pöbeltyrannen wieder zu bändigen. Der Antrag, den der Konsul Quintus Caepio siebzehn Jahre nach Einführung der Rittergerichte (648 106) einbrachte auf Zurückgabe der Prozesse an senatorische Geschworene, zeigte, was die Regierung wünschte, aber auch, was sie vermochte, wenn es sich nicht darum handelte, Domänen zu verschleudern, sondern einem einflußreichen Stande gegenüber eine Maßregel durchzusetzen: sie fiel damit durchDas zeigt, wie bekannt, der weitere Verlauf. Man hat dagegen geltend gemacht, daß bei Valerius Maximus Quintus Caepio Patron des Senats genannt werde; allein teils beweist dies nicht genug, teils paßt, was daselbst erzählt wird, schlechterdings nicht auf den Konsul des Jahres 648 (106), und es muß hier eine Irrung sein, sei es nun im Namen oder in den berichteten Tatsachen.. Zu einer Emanzipation der Regierung von ihren unbequemen Machtgenossen kam es nicht; wohl aber trugen diese Maßregeln dazu bei, das niemals aufrichtige Einverständnis der regierenden Aristokratie mit der Kaufmannschaft und dem Proletariat noch ferner zu trüben. Beide wußten sehr genau, daß der Senat alle Zugeständnisse nur aus Angst und widerwillig gewährte; weder durch Dankbarkeits- noch durch Vorteilsrücksichten an die Herrschaft des Senats dauernd gefesselt, waren beide sehr bereit, jedem anderen Machthaber, der ihnen mehr oder auch nur das gleiche bot, dieselben Dienste zu leisten, und hatten nichts dagegen, wenn sich eine Gelegenheit gab, den Senat zu schikanieren oder zu hemmen. So regierte die Restauration weiter mit den Wünschen und Gesinnungen der legitimen Aristokratie und mit der Verfassung und den Regierungsmitteln der Tyrannis. Ihre Herrschaft ruhte nicht bloß auf den gleichen Basen wie die des Gracchus, sondern sie war auch gleich schlecht, ja noch schlechter befestigt; sie war stark, wo sie mit dem Pöbel im Bunde zweckmäßige Institutionen umstieß, aber den Gassenbanden wie den kaufmännischen Interessen gegenüber vollkommen machtlos. Sie saß auf dem erledigten Thron mit bösem Gewissen und geteilten Hoffnungen, den Institutionen des eigenen Staates grollend und doch unfähig, auch nur planmäßig sie anzugreifen, unsicher im Tun und Lassen außer, wo der eigene materielle Vorteil sprach, ein Bild der Treulosigkeit gegen die eigene wie die entgegengesetzte Partei, des inneren Widerspruchs, der kläglichsten Ohnmacht, des gemeinsten Eigennutzes, ein unübertroffenes Ideal der Mißregierung.

Es konnte nicht anders sein; die gesamte Nation war in intellektuellem und sittlichem Verfall, vor allem aber die höchsten Stände. Die Aristokratie vor der Gracchenzeit war wahrlich nicht überreich an Talenten und die Bänke des Senats vollgedrängt von feigem und verlottertem adligen Gesindel; indes es saßen doch in demselben auch Scipio Aemilianus, Gaius Laelius, Quintus Metellus, Publius Crassus, Publius Scaevola und zahlreiche andere achtbare und fähige Männer, und wer einigen guten Willen mitbrachte, konnte urteilen, daß der Senat in der Unrechtfertigkeit ein gewisses Maß und ein gewisses Dekorum in dem Mißregiment einhalte. Diese Aristokratie war gestürzt und sodann wiederhergestellt worden; fortan ruhte auf ihr der Fluch der Restauration. Hatte die Aristokratie früher regiert schlecht und recht und seit mehr als einem Jahrhundert ohne jede fühlbare Opposition, so hatte die durchgemachte Krise wie ein Blitz in dunkler Nacht ihr den Abgrund gezeigt, der vor ihren Füßen klaffte. War es ein Wunder, daß fortan der Groll immer und, wo sie es wagte, der Schrecken das Regiment der altadligen Herrenpartei bezeichnete? daß die Regierenden noch unendlich schroffer und gewaltsamer als bisher gegen die nichtregierende Menge als festgeschlossene Partei zusammenstanden? daß die Familienpolitik jetzt, eben wie in den schlimmsten Zeiten des Patriziats, wiederum sich griff und zum Beispiel die vier Söhne und (wahrscheinlich) die zwei Neffen des Quintus Metellus, mit einer einzigen Ausnahme lauter unbedeutende, zum Teil ihrer Einfalt wegen berufene Leute, innerhalb fünfzehn Jahren (631-645 123-109) sämtlich zum Konsulat, mit Ausnahme eines einzigen auch zum Triumph gelangten, von den Schwiegersöhnen und so weiter zu schweigen? daß, je gewalt- und grausamer einer der Ihrigen gegen die Gegenpartei aufgetreten war, er desto entschiedener von ihnen gefeiert, dem echten Aristokraten jeder Frevel, jede Schamlosigkeit verziehen ward? daß die Regierenden und die Regierten nur darin nicht zwei kriegführenden Parteien glichen, daß in ihrem Krieg kein Völkerrecht galt? Es war leider nur zu begreiflich, daß, wenn die alte Aristokratie das Volk mit Ruten schlug, diese restaurierte es mit Skorpionen züchtigte. Sie kam zurück; aber sie kam weder klüger noch besser. Nie hat es bis auf diese Zeit der römischen Aristokratie so vollständig an staatsmännischen und militärischen Kapazitäten gemangelt wie in dieser Restaurationsepoche zwischen der Gracchischen und der Cinnanischen Revolution. Bezeichnend dafür ist der Koryphäe der senatorischen Partei dieser Zeit, Marcus Aemilius Scaurus. Der Sohn hochadliger, aber unvermögender Eltern und darum genötigt, Gebrauch zu machen von seinen nicht gemeinen Talenten, schwang er sich auf zum Konsul (639 115) und Zensor (645 109), war lange Jahre Vormann des Senats und das politische Orakel seiner Standesgenossen und verewigte seinen Namen nicht bloß als Redner und Schriftsteller, sondern auch als Urheber einiger der ansehnlichsten in diesem Jahrhundert ausgeführten Staatsbauten. Indes wenn man näher zusieht, laufen seine vielgefeierten Großtaten darauf hinaus, daß er als Feldherr einige wohlfeile Dorftriumphe in den Alpen, als Staatsmann mit seinem Stimm- und Luxusgesetz einige ungefähr ebenso ernsthafte Siege über den revolutionären Zeitgeist erfocht, sein eigentliches Talent indes darin bestand, ganz ebenso zugänglich und bestechlich zu sein wie jeder andere ehrenwerte Senator, aber mit einiger Schlauheit den Augenblick, wo die Sache bedenklich zu werden anfing, zu wittern und vor allem durch seine vornehme und ehrwürdige Erscheinung vor dem Publikum den Fabricius zu agieren. In militärischer Hinsicht finden sich zwar einige ehrenvolle Ausnahmen tüchtiger Offiziere aus den höchsten Kreisen der Aristokratie; die Regel aber war, daß die vornehmen Herren, wenn sie an die Spitze der Armeen treten sollten, schleunigst aus den griechischen Kriegshandbüchern und den römischen Annalen zusammenlasen, was nötig war, um einen militärischen Diskurs zu führen und sodann im Feldlager im besten Fall das wirkliche Kommando einem niedrig geborenen Offizier von erprobter Fähigkeit und erprobter Bescheidenheit übergaben. In der Tat, wenn ein paar Jahrhunderte zuvor der Senat einer Versammlung von Königen glich, so spielten diese ihre Nachfahren nicht übel die Prinzen. Aber der Unfähigkeit dieser restaurierten Adligen hielt völlig die Waage ihre politische und sittliche Nichtswürdigkeit. Wenn nicht die religiösen Zustände, auf die zurückzukommen sein wird, von der wüsten Zerfahrenheit dieser Zeit ein treues Spiegelbild böten und ebenso die äußere Geschichte in dieser Epoche die vollkommene Schlechtigkeit des römischen Adels als einen ihrer wesentlichsten Faktoren aufwiese, so würden die entsetzlichsten Verbrechen, die in den höchsten Kreisen Roms Schlag auf Schlag zum Vorschein kamen, allein denselben hinreichend charakterisieren.

Die Verwaltung war nach innen und nach außen, was sie sein konnte unter einem solchen Regiment. Der soziale Ruin Italiens griff mit erschreckender Geschwindigkeit um sich; seit die Aristokratie das Auskaufen der Kleinbesitzer sich gesetzlich hatte erlauben lassen, und in ihrem neuen Übermut das Austreiben derselben immer häufiger sich selbst erlaubte, verschwanden die Bauernstellen wie die Regentropfen im Meer. Wie mit der politischen die ökonomische Oligarchie mindestens Schritt hielt, zeigt die Äußerung, die ein gemäßigt demokratischer Mann, Lucius Marcius Philippus, um 650 (100) tat, daß es in der ganzen Bürgerschaft kaum 2000 vermögende Familien gebe. Den praktischen Kommentar dazu lieferten abermals die Sklavenaufstände, welche in den ersten Jahren des Kimbrischen Krieges alljährlich in Italien ausbrachen, so in Nuceria, in Capua, im Gebiet von Thurii. Diese letzte Zusammenrottung war schon so bedeutend, daß gegen sie der städtische Prätor mit seiner Legion hatte marschieren müssen und dennoch nicht durch Waffengewalt, sondern nur durch tückischen Verrat der Insurrektion Herr geworden war. Auch das war eine bedenkliche Erscheinung, daß an der Spitze derselben kein Sklave gestanden hatte, sondern der römische Ritter Titus Vettius, den seine Schulden zu dem wahnsinnigen Schritt getrieben hatten, seine Sklaven frei und sich zu ihrem König zu erklären (650 104). Wie gefährlich die Anhäufung der Sklavenmassen in Italien der Regierung erschien, beweisen die Vorsichtsmaßregeln hinsichtlich der Goldwäschereien von Victumulae, die seit 611 (143) für Rechnung der römischen Regierung betrieben wurden: die Pächter wurden zuerst verpflichtet, nicht über 5000 Arbeiter anzustellen, später der Betrieb durch Senatsbeschluß gänzlich eingestellt. Unter einem Regiment wie dem gegenwärtigen war in der Tat alles zu fürchten, wenn, wie dies sehr möglich war, ein Heer von Transalpinern in Italien eindrang und die großenteils stammverwandten Sklaven zu den Waffen rief.

Verhältnismäßig mehr noch litten die Provinzen. Man versuche sich vorzustellen, wie es in Ostindien aussehen würde, wenn die englische Aristokratie wäre, was in jener Zeit die römische war, und man wird eine Vorstellung der Lage von Sizilien und Asia haben. Die Gesetzgebung, indem sie der Kaufmannschaft die Kontrolle der Beamten übertrug, nötigte diese, gewissermaßen gemeinschaftliche Sache mit jener zu machen und durch unbedingte Nachgiebigkeit gegen die Kapitalisten in den Provinzen sich unbeschränkte Plünderungsfreiheit und Schutz vor der Anklage zu erkaufen. Neben diesen offiziell und halboffiziell angestellten Räubern plünderten Land- und Seepiraten die sämtlichen Landschaften des Mittelmeers. Vor allem in den asiatischen Gewässern trieben die Flibustier es so arg, daß selbst die römische Regierung sich genötigt sah, im Jahre 652 (102) eine wesentlich aus den Schiffen der abhängigen Kaufstädte gebildete Flotte unter dem mit prokonsularischer Gewalt bekleideten Prätor Marcus Antonius nach Kilikien zu entsenden. Diese brachte nicht bloß eine Anzahl Korsarenschiffe auf und nahm einige Felsennester aus, sondern die Römer richteten hier sich sogar für die Dauer ein und besetzten zur Unterdrückung des Seeraubs in dem Hauptsitz desselben, dem rauhen oder westlichen Kilikien, feste militärische Positionen, was der Anfang war zur Einrichtung der seitdem unter den römischen Ämtern erscheinenden Provinz KilikienVielfältig wird angenommen, daß die Einrichtung der Provinz Kilikien erst erfolgte nach der kilikischen Expedition des Publius Servilius 676 f. (78), allein mit Unrecht; denn schon 662 (92) finden wir Sulla (App. Mithr. 57; civ. 1, 77; Aur. Vict. 75), 674 und 675 (80 79) Gnaeus Dolabella (Cic. Verr. 1, 16 44) als Statthalter von Kilikien, wonach nichts übrig bleibt, als die Einrichtung der Provinz in das Jahr 652 (102) zu setzen. Hierfür spricht ferner, daß in dieser Zeit die Züge der Römer gegen die Korsaren, wie zum Beispiel die balearischen, ligurischen, dalmatischen, regelmäßig gerichtet erscheinen auf Besetzung der Küstenpunkte, von wo der Seeraub ausging; natürlich, denn da die Römer keine stehende Flotte hatten, war das einzige Mittel, dem Seeraub wirksam zu steuern, die Besetzung der Küsten. Übrigens ist daran zu erinnern, daß der Begriff der provincia nicht unbedingt Besitz der Landschaft in sich schließt, sondern an sich nichts ist als ein selbständiges militärisches Kommando; es ist sehr möglich, daß die Römer zunächst in dieser rauhen Landschaft nichts nahmen als Station für Schiffe und Mannschaft.

Das ebene Ostkilikien blieb bis auf den Krieg gegen Tigranes bei dem Syrischen Reich (App. Syr. 48); die ehemals zu Kilikien gerechneten Landschaften nördlich des Tauros, das sogenannte kappadokische Kilikien und Kataonien gehörten jenes seit der Auflösung des Attalischen Reiches (Iust. 37, 1; oben S. 62), dieses wohl schon seit dem Frieden mit Antiochos zu Kappadokien.

. Die Absicht war löblich und der Plan an sich zweckmäßig entworfen; nur bewies leider der Fortbestand und die Steigerung des Korsarenunwesens in den asiatischen Gewässern und speziell in Kilikien, mit wie unzulänglichen Mitteln man von der neu genommenen Stellung aus die Piraterie bekämpfte.

Aber nirgends kam die Ohnmacht und die Verkehrtheit der römischen Provinzialverwaltung in so nackter Blöße zu Tage wie in den Insurrektionen des Sklavenproletariats, welche mit der Restauration der Aristokratie zugleich in den vorigen Stand wieder eingesetzt zu sein schienen. Jene aus Aufständen zu Kriegen anschwellenden Schilderhebungen der Sklavenschaft, wie sie eben um das Jahr 620 (134) als eine und vielleicht die nächste Ursache der Gracchischen Revolution aufgetreten waren, erneuern und wiederholen sich in trauriger Einförmigkeit. Wieder gärte es wie dreißig Jahre zuvor in der gesamten Sklavenschaft im Römischen Reiche. Der italischen Zusammenrottungen ward schon gedacht. In den attischen Silberbergwerken standen die Grubenarbeiter auf, besetzten das Vorgebirge Sunion und plünderten längere Zeit hindurch von dort aus die Umgegend; an anderen Orten zeigten sich ähnliche Bewegungen. Vor allem war wieder der Hauptsitz dieser fürchterlichen Vorgänge Sizilien mit seinen Plantagen und den dort zusammenströmenden kleinasiatischen Sklavenhorden. Es ist charakteristisch für die Größe des Übels, daß ein Versuch der Regierung, den schlimmsten Unrechtfertigkeiten der Sklavenhalter zu steuern, die nächste Ursache der neuen Insurrektion ward. Daß die freien Proletarier in Sizilien wenig besser daran waren als die Sklavenschaft, hatte schon ihr Verhalten zu dem ersten Aufstand gezeigt; nach der Besiegung desselben nahmen die römischen Spekulanten ihre Revanche und steckten die freien Provinzialen massenweise unter die Sklavenschaften ein. Infolge einer hiergegen im Jahre 650 (204) vom Senat erlassenen scharfen Verfügung setzte der damalige Statthalter von Sizilien, Publius Licinius Nerva, in Syrakus ein Freiheitsgericht nieder, das in der Tat mit Ernst durchgriff; in kurzer Zeit war in achthundert Prozessen gegen die Sklavenbesitzer entschieden und die Zahl der anhängig gemachten Sachen immer noch im Steigen. Die erschreckten Plantagenbesitzer stürmten nach Syrakus, um von dem römischen Statthalter die Sistierung solcher unerhörten Rechtspflege zu erzwingen; Nerva war schwach genug, sich terrorisieren zu lassen und die prozeßbittenden Unfreien mit barschen Worten anzuweisen, daß sie sich des lästigen Verlangens von Recht und Gerechtigkeit zu begeben und augenblicklich zu denen zurückzukehren hätten, die sich ihre Herren nennten. Die Abgewiesenen rotteten statt dessen sich zusammen und gingen in die Berge. Der Statthalter war auf militärische Maßregeln nicht gefaßt und selbst der elende Landsturm der Insel nicht sogleich zur Hand; weshalb er ein Bündnis abschloß mit einem der bekanntesten Räuberhauptleute auf der Insel und durch das Versprechen eigener Begnadigung ihn bewog, die aufständischen Sklaven durch Verrat den Römern in die Hand zu spielen. Dieses Schwarmes ward man also Herr. Allein einer anderen Bande entlaufener Sklaven gelang es, dafür eine Abteilung der Besatzung von Enna (Castrogiovanni) zu schlagen, und dieser erste Erfolg verschaffte den Insurgenten, was sie vor allem bedurften, Waffen und Zulauf. Das Heergerät der gefallenen und flüchtigen Gegner gab die erste Grundlage für ihre militärische Organisation, und bald war die Zahl der Insurgenten auf viele Tausende angeschwollen. Diese Syrer in der Fremde schienen bereits, gleich ihren Vorgängern, sich nicht unwürdig, von Königen regiert zu werden wie ihre Landsleute daheim und – den Lumpenkönig der Heimat bis auf den Namen parodierend – stellten sie den Sklaven Salvius an ihre Spitze als König Tryphon. In dem Strich zwischen Enna und Leontinoi (Lentini), wo diese Haufen ihren Hauptsitz hatten, war das offene Land ganz in den Händen der Insurgenten und Morgantia und andere ummauerte Städte schon von ihnen belagert, als mit den eiligst zusammengerafften sizilischen und italischen Scharen der römische Statthalter das Sklavenheer vor Morgantia überfiel. Er besetzte das unverteidigte Lager; allein die Sklaven, obwohl überrascht, hielten stand, und wie es zum Gefecht kam, wich der Landsturm der Insel nicht bloß beim ersten Anprall, sondern, da die Sklaven jeden, der die Waffen wegwarf, ungehindert entkommen ließen, benutzten die Milizen fast ohne Ausnahme die gute Gelegenheit, ihren Abschied zu nehmen, und das römische Heer lief vollständig auseinander. Hätten die Sklaven in Morgantia mit ihren Genossen vor den Toren gemeinschaftliche Sache machen wollen, so war die Stadt verloren; sie zogen es indes vor, von ihren Herren gesetzmäßig die Freiheit geschenkt zu nehmen und halfen ihnen durch ihre Tapferkeit die Stadt retten, worauf sodann der römische Statthalter das den Sklaven von den Herren feierlich gegebene Freiheitsversprechen als widerrechtlich erzwungen von Rechts wegen kassierte.

Während also im Innern der Insel der Aufstand in besorglicher Weise um sich griff, brach ein zweiter aus auf der Westküste. An der Spitze stand hier Athenion. Er war, eben wie Kleon, einst ein gefürchteter Räuberhauptmann in seiner Heimat Kilikien gewesen und von dort als Sklave nach Sizilien geführt worden. Ganz wie seine Vorgänger versicherte er sich der Gemüter der Griechen und Syrer vor allem durch Prophezeiungen und anderen erbaulichen Schwindel; aber kriegskundig und einsichtig wie er war, bewaffnete er nicht, wie die übrigen Führer, die ganze Masse der ihm zuströmenden Leute, sondern bildete aus den kriegstüchtigen Mannschaften ein organisiertes Heer, während er die Masse zu friedlicher Beschäftigung anwies. Bei der strengen Mannszucht, die in seinen Truppen jedes Schwanken und jede unbotmäßige Regung niederhielt, und der milden Behandlung der friedlichen Landbewohner und selbst der Gefangenen errang er rasche und große Erfolge. Die Hoffnung, daß die beiden Führer sich veruneinigen würden, schlug den Römern auch diesmal fehl; freiwillig fügte sich Athenion dem weit minder fähigen König Tryphon und erhielt damit die Einigkeit unter den Insurgenten. Bald herrschten diese so gut wie unumschränkt auf dem platten Lande, wo die freien Proletarier wieder mehr oder minder offen mit den Sklaven hielten; die römischen Behörden waren nicht imstande, gegen sie das Feld zu nehmen, und mußten sich begnügen, mit dem sizilischen und dem eiligst herangezogenen afrikanischen Landsturm die Städte zu schützen, welche sich in der beklagenswertesten Verfassung befanden. Die Rechtspflege stockte auf der ganzen Insel, und es regierte einzig das Faustrecht. Da kein Ackerbürger sich mehr vor das Tor, kein Landmann sich in die Stadt wagte, brach die fürchterlichste Hungersnot herein, und die städtische Bevölkerung dieser sonst Italien ernährenden Insel mußte von den römischen Behörden mit Getreidesendungen unterstützt werden. Dazu drohten überall im Innern die Verschwörungen der Stadtsklaven und vor den Mauern die Insurgentenheere, wie denn selbst Messana um ein Haar von Athenion erobert worden wäre. So schwer es der Regierung fiel, während des ernsten Kimbrischen Krieges eine zweite Armee ins Feld zu stellen, sie konnte doch nicht umhin, im Jahre 651 (103) ein Heer von 14000 Römern und Italikern, umgerechnet die überseeischen Milizen, unter dem Prätor Lucius Lucullus nach der Insel zu entsenden. Das vereinigte Sklavenheer stand in den Bergen oberhalb Sciacca und nahm die Schlacht an, die Lucullus anbot. Die bessere militärische Organisation gab den Römern den Sieg: Athenion blieb für tot auf der Walstatt, Tryphon mußte sich in die Bergfestung Triokala werfen; die Insurgenten berieten ernstlich, ob es möglich sei, den Kampf länger fortzusetzen. Indes die Partei, die entschlossen war, auszuharren bis auf den letzten Mann, behielt die Oberhand; Athenion, der in wunderbarer Weise gerettet worden war, trat wieder unter die Seinigen und belebte den gesunkenen Mut; vor allem aber tat Lucullus unbegreiflicherweise nicht das geringste, um seinen Sieg zu verfolgen, ja er soll absichtlich die Armee desorganisiert und sein Feldgerät verbrannt haben, um die gänzliche Erfolglosigkeit seiner Amtsführung zu bedecken und von seinem Nachfolger nicht in Schatten gestellt zu werden. Mag dies wahr sein oder nicht, sein Nachfolger Gaius Servilius (652 102) erlangte nicht bessere Resultate, und beide Generale sind später ihrer Amtsführung wegen kriminell belangt und verurteilt worden, was freilich auch durchaus kein sicherer Beweis für ihre Schuld ist. Athenion, der nach Tryphons Tode (652 102) den Oberbefehl allein übernommen hatte, stand siegreich an der Spitze eines ansehnlichen Heeres, als im Jahre 653 (101) Manius Aquillius, der das Jahr zuvor unter Marius im Teutonenkriege sich ausgezeichnet hatte, als Konsul und Statthalter die Führung des Krieges übernahm. Nach zweijährigen harten Kämpfen – Aquillius soll mit Athenion persönlich gefochten und ihn im Zweikampf getötet haben – schlug der römische Feldherr endlich die verzweifelte Gegenwehr nieder und überwand die Insurgenten in ihren letzten Schlupfwinkeln durch Hunger. Den Sklaven auf der Insel wurde das Waffentragen untersagt und der Friede zog wieder auf ihr ein, das heißt die neuen Peiniger wurden abgelöst von den altgewohnten; wie denn namentlich der Sieger selbst unter den zahlreichen und energischen Räuberbeamten dieser Zeit eine hervorragende Stelle einnimmt. Für wen es aber noch eines Beweises bedurfte, wie das Regiment der restaurierten Aristokratie im Innern beschaffen war, den konnte man auf die Entstehung wie auf die Führung dieses zweiten fünfjährigen Sizilischen Sklavenkrieges verweisen.

Wo man aber auch hinsehen mochte in dem weiten Kreis der römischen Verwaltung, es traten dieselben Ursachen und dieselben Wirkungen hervor. Wenn der sizilische Sklavenkrieg zeigt, wie wenig die Regierung auch nur der einfachsten Aufgabe, das Proletariat niederzuhalten, gewachsen war, so offenbarten die gleichzeitigen Ereignisse in Afrika, wie man jetzt in Rom es verstand, Klientelstaaten zu regieren. Um dieselbe Zeit, wo der Sizilische Sklavenkrieg ausbrach, ward auch vor den Augen der erstaunten Welt das Schauspiel aufgeführt, daß gegen die gewaltige Republik, die die Königreiche Makedonien und Asien mit einem Schlag ihres schweren Armes zerschmettert hatte, ein unbedeutender Klientelfürst nicht mittels Waffen, sondern mittels der Erbärmlichkeit ihrer regierenden Herren eine vierzehnjährige Usurpation und Insurrektion durchzuführen vermochte.

Das Königreich Numidien dehnte vom Flusse Molochat sich aus bis an die Große Syrte, so daß es einerseits grenzte an das Mauretanische Reich von Tingis (das heutige Marokko), andererseits an Kyrene und Ägypten, und den schmalen Küstenstrich der römischen Provinz Africa westlich, südlich und östlich umschloß; es umfaßte außer den alten Besitzungen der numidischen Häuptlinge den bei weitem größten Teil desjenigen Gebiets, welches Karthago in den Zeiten seiner Blüte in Afrika besessen hatte, darunter mehrere bedeutende altphönikische Städte wie Hippo regius (Bona) und Groß-Leptis (Lebidah), überhaupt den größten und besten Teil des reichen nordafrikanischen Küstenlandes. Nächst Ägypten war ohne Frage Numidien der ansehnlichste unter allen römischen Klientelstaaten. Nach Massinissas Tode (605 149) hatte Scipio unter dessen drei Söhne, die Könige Micipsa, Gulussa und Mastanabal, die väterliche Herrschaft in der Art geteilt, daß der erstgeborene die Residenz und die Staatskasse, der zweite den Krieg, der dritte die Gerichtsbarkeit übernahm. Jetzt regierte nach dem Tode seiner beiden Brüder wieder allein Massinissas ältester Sohn MicipsaDer Stammbaum der numidischen Fürsten ist folgender:

Lektorat: Bild des Stammbaums fehlt!!!

, ein schwacher, friedlicher Greis, der lieber als mit Staatsangelegenheiten sich mit dem Studium der griechischen Philosophie beschäftigte. Da seine Söhne noch nicht erwachsen waren, führte tatsächlich die Zügel der Regierung ein illegitimer Neffe des Königs, der Prinz Jugurtha. Jugurtha war kein unwürdiger Enkel Massinissas. Er war ein schöner Mann und ein gewandter und mutiger Reiter und Jäger; seine Landsleute hielten den klaren und einsichtigen Verwalter in hohen Ehren, und seine militärische Brauchbarkeit hatte er als Führer des numidischen Kontingents vor Numantia unter Scipios Augen erwiesen. Seine Stellung im Königreich und der Einfluß, dessen er durch seine zahlreichen Freunde und Kriegskameraden bei der römischen Regierung genoß, ließen es König Micipsa ratsam erscheinen, ihn zu adoptieren (634 120) und in seinem Testament zu verordnen, daß des Königs beide älteste leibliche Söhne Adherbal und Hiempsal und sein Adoptivsohn Jugurtha selbdritt, ebenso wie er selbst mit seinen beiden Brüdern, zu gesamter Hand das Reich erben und regieren sollten. Zu größerer Sicherheit wurde diese Verfügung unter die Garantie der römischen Regierung gestellt. Bald nachher, im Jahre 636 (118) starb König Micipsa. Das Testament trat in Kraft; allein die beiden Söhne Micipsas, mehr noch als der schwache ältere Bruder der heftige Hiempsal, gerieten bald mit ihrem Vetter, den sie als Eindringling in die legitime Erbfolge ansahen, so heftig zusammen, daß der Gedanke an eine Gesamtregierung der drei Könige aufgegeben werden mußte. Man versuchte eine Realteilung durchzuführen; allein die hadernden Könige vermochten über die Landes- und Schatzquoten sich nicht zu einigen, und die Schutzmacht, der hier von Rechts wegen das entscheidende Wort zustand, bekümmerte wie gewöhnlich um diese Angelegenheit sich nicht. Es kam zum Bruch; Adherbal und Hiempsal mochten das Testament des Vaters als erschlichen bezeichnen und Jugurthas Miterbrecht überhaupt bestreiten, wogegen Jugurtha auftrat als Prätendent auf das gesamte Königreich. Noch während der Verhandlungen über die Teilung ward Hiempsal durch gedungene Meuchelmörder aus dem Wege geschafft; zwischen Adherbal und Jugurtha kam es zum Bürgerkriege, in dem ganz Numidien Partei nahm. Mit seinen minder zahlreichen, aber besser geübten und besser geführten Truppen siegte Jugurtha und bemächtigte sich des gesamten Reichsgebiets unter den grausamsten Verfolgungen gegen die seinem Vetter anhängenden Häupter. Adherbal rettete sich nach der römischen Provinz und ging von da nach Rom, um dort Klage zu führen. Jugurtha hatte es erwartet und sich darauf eingerichtet, der drohenden Intervention zu begegnen. Er hatte im Lager von Numantia noch mehr von Rom kennengelernt als die römische Taktik: der numidische Prinz, eingeführt in die Kreise der römischen Aristokraten, war zugleich eingeweiht worden in die römischen Koterieintrigen und hatte an der Quelle studiert, was man römischen Adligen zumuten könne; schon damals, sechzehn Jahre vor Micipsas Tode, hatte er illoyale Unterhandlungen über die numidische Erbfolge mit vornehmen römischen Kameraden gepflogen und hatte Scipio ihn ernstlich erinnern müssen, daß es fremden Prinzen anständiger sei, mit dem römischen Staat als mit einzelnen römischen Bürgern Freundschaft zu halten. Jugurthas Gesandte erschienen in Rom, nicht bloß mit Worten ausgerüstet; daß sie die richtigen diplomatischen Überzeugungsmittel gewählt hatten, bewies der Erfolg. Die eifrigsten Vertreter von Adherbals gutem Recht überzeugten in unglaublicher Geschwindigkeit sich davon, daß Hiempsal seiner Grausamkeit halber von seinen Untertanen umgebracht worden und daß der Urheber des Erbfolgkrieges nicht Jugurtha sei, sondern Adherbal. Selbst die leitenden Männer im Senat erschraken vor dem Skandal; Marcus Scaurus suchte zu steuern; es war umsonst. Der Senat überging das Geschehene mit Stillschweigen und verfügte, daß die beiden überlebenden Testamentserben das Reich zu gleichen Teilen erhalten und zur Verhütung neuen Haders die Teilung durch eine Kommission des Senats vorgenommen werden solle. Sie kam; der Konsular Lucius Opimius, bekannt durch seine Verdienste um die Beseitigung der Revolution, hatte die Gelegenheit wahrgenommen, den Lohn für seinen Patriotismus einzuziehen, und sich an die Spitze dieser Kommission stellen lassen. Die Teilung fiel durchaus zu Jugurthas Gunsten und nicht zum Nachteil der Kommissarien aus; die Hauptstadt Cirta (Constantine) mit ihrem Hafen Rusicade (Philippeville) kam zwar an Adherbal, allein eben dadurch ward ihm der fast ganz aus Sandwüsten bestehende östliche Teil des Reiches, Jugurtha dagegen die fruchtbare und bevölkerte Westhälfte (das spätere Sitifensische und Cäsariensische Mauretanien) zu teil.

Es war arg; bald kam es noch schlimmer. Um mit einigem Schein im Wege der Verteidigung Adherbal um seine Hälfte bringen zu können, reizte Jugurtha denselben zum Kriege; indes da der schwache Mann, durch die gemachten Erfahrungen gewitzigt, Jugurthas Reiter sein Gebiet ungehindert brandschatzen ließ und sich begnügte, in Rom Beschwerde zu führen, begann Jugurtha, ungeduldig über diese Weitläufigkeiten, auch ohne Vorwand den Krieg. In der Gegend des heutigen Philippeville ward Adherbal vollständig geschlagen und warf sich in seine nahe Hauptstadt Cirta. Während die Belagerung ihren Fortgang nahm und Jugurthas Truppen mit den in Cirta zahlreich ansässigen und bei der Verteidigung der Stadt lebhafter als die Afrikaner selbst sich beteiligenden Italikern täglich sich herumschlugen, erschien die von dem römischen Senat auf Adherbals erste Beschwerden abgeordnete Kommission; natürlich junge unerfahrene Menschen, wie die Regierung damals sie zu gewöhnlichen Staatssendungen regelmäßig verwandte. Die Gesandten verlangten, daß Jugurtha sie als von der Schutzmacht an Adherbal abgeordnet in die Stadt einlasse, überhaupt aber den Kampf einstelle und ihre Vermittlung annehme. Jugurtha schlug beides kurzweg ab und die Gesandten zogen schleunigst heim wie die Knaben, die sie waren, um an die Väter der Stadt zu berichten. Die Väter hörten den Bericht an und ließen ihre Landsleute in Cirta eben weiter fechten, solange es ihnen beliebte. Erst als im fünften Monat der Belagerung ein Bote des Adherbal durch die Verschanzungen der Feinde sich durchschlich, und ein Schreiben des Königs voll der flehentlichsten Bitten an den Senat kam, raffte derselbe sich auf und faßte wirklich einen Beschluß – nicht etwa den Krieg zu erklären, wie die Minorität es verlangte, sondern eine neue Gesandtschaft zu schicken, aber eine Gesandtschaft mit Marcus Scaurus an der Spitze, dem großen Bezwinger der Taurisker und der Freigelassenen, dem imponierenden Heros der Aristokratie, dessen bloßes Erscheinen genügen werde, den ungehorsamen König auf andere Gedanken zu bringen. In der Tat erschien Jugurtha, wie geheißen, in Utica, um mit Scaurus zu verhandeln; endlose Debatten wurden gepflogen; als endlich die Konferenz geschlossen ward, war nicht das geringste Resultat erreicht. Die Gesandtschaft ging, ohne den Krieg erklärt zu haben, nach Rom zurück und der König wieder ab zur Belagerung von Cirta. Adherbal sah sich aufs Äußerste gebracht und verzweifelte an der römischen Unterstützung; die Italiker in Cirta, der Belagerung müde und für ihre eigene Sicherheit fest vertrauend auf die Furcht vor dem römischen Namen, drängten überdies zur Übergabe. So kapitulierte die Stadt. Jugurtha gab Befehl, seinen Adoptivbruder unter grausamen Martern hinzurichten, die sämtliche erwachsene männliche Bevölkerung der Stadt aber, Afrikaner wie Italiker, über die Klinge springen zu lassen (642 112).

Ein Schrei der Entrüstung ging durch ganz Italien. Die Minorität des Senats selbst und alles, was nicht Senat war, verdammten einmütig diese Regierung, für die die Ehre und das Interesse des Landes nichts zu sein schienen als verkäufliche Artikel; am lautesten die Kaufmannschaft, die durch die Hinopferung der römischen und italischen Kaufleute in Cirta am nächsten getroffen worden war. Die Majorität des Senats sträubte sich zwar auch jetzt noch; sie appellierte an die Standesinteressen der Aristokratie und setzte alle Hebel der kollegialischen Geschäftsverschleppung in Bewegung, um den lieben Frieden noch ferner zu bewahren. Indes als der für 643 (111) gewählte Volkstribun Gaius Memmius, ein tätiger und beredter Mann, sofort nach Antritt seines Amtes den Handel öffentlich zur Sprache brachte und die schlimmsten Sünder zu gerichtlicher Verantwortung ziehen zu wollen drohte, ließ der Senat es geschehen, daß der Krieg an Jugurtha erklärt ward (642/43 112/11). Es schien ernst zu werden. Jugurthas Gesandte wurden, ohne vorgelassen zu sein, aus Italien ausgewiesen; der neue Konsul Lucius Calpurnius Bestia, der, unter seinen Standesgenossen wenigstens, durch Einsicht und Tätigkeit sich auszeichnete, betrieb die Rüstungen mit Energie; Marcus Scaurus selbst übernahm eine Befehlshaberstelle in der afrikanischen Armee; in kurzer Zeit stand ein römisches Heer auf afrikanischem Boden und rückte, am Bagradas (Medscherda) hinaufmarschierend, ein in das Numidische Königreich, wo die vor dem Sitz der königlichen Macht entlegensten Städte, wie Groß-Leptis, bereits freiwillig ihre Unterwerfung einsandten, während König Bocchus von Mauretanien, obwohl seine Tochter mit Jugurtha vermählt war, doch den Römern Freundschaft und Bündnis antrug. Jugurtha selbst verlor den Mut und sandte Boten in das römische Hauptquartier, um Waffenstillstand zu erbitten. Das Ende des Kampfes schien nahe und kam noch schneller, als man dachte. Der Vertrag mit König Bocchus scheiterte daran, daß der König, unbekannt mit den römischen Sitten, diesen den Römern vorteilhaften Vertrag umsonst abschließen zu können gemeint und deshalb versäumt hatte, seinen Boten den marktgängigen Preis römischer Bündnisse mitzugeben. Jugurtha kannte allerdings die römischen Institutionen besser und hatte nicht versäumt, seine Waffenstillstandsanträge durch die gehörigen Begleitgelder zu unterstützen; indes auch er hatte sich getäuscht. Nach den ersten Verhandlungen ergab es sich, daß im römischen Hauptquartier nicht bloß der Waffenstillstand feil sei, sondern auch der Friede. Die königliche Schatzkammer war noch von Massinissas Zeiten her wohl gefüllt; rasch war man handelseinig. Der Vertrag ward abgeschlossen, nachdem der Form halber derselbe dem Kriegsrat vorgelegt und nach einer unordentlichen und möglichst summarischen Verhandlung dessen Zustimmung erwirkt worden war. Jugurtha unterwarf sich auf Gnade und Ungnade; der Sieger aber übte Gnade und gab dem König sein Reich ungeschmälert zurück gegen eine mäßige Buße und die Auslieferung der römischen Oberläufer und der Kriegselefanten (643 111), welche letztere der König großenteils später wiedereinhandelte durch Verträge mit den einzelnen römischen Platzkommandanten und Offizieren.

Auf die Kunde davon brach in Rom abermals der Sturm los. Alle Welt wußte, wie der Friede zustande gekommen war; selbst Scaurus also war zu haben, nur um einen höheren als den gemeinen senatorischen Durchschnittspreis. Die Rechtsbeständigkeit des Friedens ward im Senat ernstlich angefochten; Gaius Memmius erklärte, daß der König, wenn er wirklich unbedingt sich unterworfen habe, sich nicht weigern könne, in Rom zu erscheinen und man ihn demnach vorladen möge, um hinsichtlich der durchaus irregulären Friedensverhandlungen durch Vernehmung der beiden paziszierenden Teile den Tatbestand festzustellen. Man fügte sich der unbequemen Forderung; rechtswidrig aber, da der König nicht als Feind kam, sondern als unterworfener Mann, ward demselben zugleich sicheres Geleit zugestanden. Daraufhin erschien der König in der Tat in Rom und stellte sich zum Verhör vor dem versammelten Volke, das mühsam bewogen ward, das sichere Geleit zu respektieren und den Mörder der cirtensischen Italiker nicht auf der Stelle zu zerreißen. Allein kaum hatte Gaius Memmius die erste Frage an den König gerichtet, als einer seiner Kollegen kraft seines Veto einschritt und dem Könige befahl zu schweigen. Auch hier also war das afrikanische Gold mächtiger als der Wille des souveränen Volkes und seiner höchsten Beamten. Inzwischen gingen im Senat die Verhandlungen über die Gültigkeit des soeben abgeschlossenen Friedens weiter und der neue Konsul Spurius Postumius Albinus nahm eifrig Partei für den Antrag, denselben zu kassieren, in der Aussicht, daß dann der Oberbefehl in Afrika an ihn kommen werde. Dies veranlaßte einen in Rom lebenden Enkel Massinissas, den Massiva, seine Ansprüche auf das erledigte Numidische Reich bei dem Senat geltend zu machen; worauf Bomilkar, einer der Vertrauten des Königs Jugurtha, den Konkurrenten seines Herrn, ohne Zweifel in dessen Auftrag, meuchlerisch aus dem Wege schaffte und, da ihm dafür der Prozeß gemacht ward, mit Hilfe Jugurthas aus Rom entfloh. Dies neue, unter den Augen der römischen Regierung verübte Verbrechen bewirkte wenigstens so viel, daß der Senat nun den Frieden kassierte und den König aus der Stadt auswies (Winter 643/44 111/10). Der Krieg ging also wieder an, und der Konsul Spurius Albinus übernahm den Oberbefehl (644 110). Allein das afrikanische Heer war bis in die untersten Schichten hinab in derjenigen Zerrüttung, wie sie einer solchen politischen und militärischen Oberleitung angemessen ist. Nicht bloß von Disziplin war die Rede nicht mehr und die Plünderung der numidischen Ortschaften, ja des römischen Provinzialgebiets während der Waffenruhe das Hauptgeschäft der römischen Soldateska gewesen, sondern es hatten auch nicht wenige Offiziere und Soldaten so gut wie ihre Generale heimliche Einverständnisse angeknüpft mit dem Feinde. Daß ein solches Heer im Felde nichts ausrichten konnte, ist begreiflich, und wenn Jugurtha auch diesmal vom römischen Obergeneral die Untätigkeit kaufte, wie dies später gegen denselben gerichtlich geltend gemacht ward, so tat er wahrlich ein übriges. Spurius Albinus also begnügte sich damit, nichts zu tun; dagegen sein Bruder, der nach seiner Abreise interimistisch den Oberbefehl übernahm, der ebenso tolldreiste als unfähige Aulus Postumius, kam mitten im Winter auf den Gedanken, durch einen kühnen Handstreich sich der Schätze des Königs zu bemächtigen, die in der schwer zugänglichen und schwer zu erobernden Stadt Suthul (später Calama, jetzt Guelma) sich befanden. Das Heer brach dahin auf und erreichte die Stadt; allein die Belagerung war erfolg- und aussichtslos, und als der König, der eine Zeitlang mit seinen Truppen vor der Stadt gestanden, in die Wüste ging, zog der römische Feldherr es vor, ihn zu verfolgen. Dies eben hatte Jugurtha beabsichtigt; durch einen nächtlichen Angriff, wobei die Schwierigkeiten des Terrains und Jugurthas Einverständnisse in der römischen Armee zusammenwirkten, eroberten die Numidier das römische Lager und trieben die großenteils waffenlosen Römer in der vollständigsten und schimpflichsten Flucht vor sich her. Die Folge war eine Kapitulation, deren Bedingungen: Abzug des römischen Heeres unter dem Joch, sofortige Räumung des ganzen numidischen Gebiets, Erneuerung des vom Senat kassierten Bündnisvertrages, von Jugurtha diktiert und von den Römern angenommen wurden (Anfang 645 109).

Dies war denn doch zu arg. Während die Afrikaner jubelten und die plötzlich eröffnende Aussicht auf den kaum noch für möglich gehaltenen Sturz der Fremdherrschaft zahlreiche Stämme der freien und halbfreien Wüstenbewohner unter die Fahnen des siegreichen Königs führte, brauste in Italien die öffentliche Meinung hoch auf gegen die ebenso verdorbene wie verderbliche Regierungsaristokratie und brach los in einem Prozeßsturm, der, genährt durch die Erbitterung der Kaufmannschaft, eine Reihe von Opfern aus den höchsten Kreisen des Adels wegraffte. Auf den Antrag des Volkstribuns Gaius Mamilius Limetanus ward trotz der schüchternen Versuche des Senats, das Strafgericht abzuwenden, eine außerordentliche Geschworenenkommission bestellt zur Untersuchung des in der numidischen Sukzessionsfrage vorgekommenen Landesverrats, und ihre Wahlsprüche sandten die beiden bisherigen Oberfeldherren, Gaius Bestia und Spurius Albinus, ferner den Lucius Opimius, das Haupt der ersten afrikanischen Kommission und nebenbei den Henker des Gaius Gracchus, außerdem zahlreiche andere weniger namhafte schuldige und unschuldige Männer der Regierungspartei in die Verbannung. Daß indes diese Prozesse einzig darauf hinausliefen, durch Aufopferung einiger der am meisten kompromittierten Personen die aufgeregte öffentliche Meinung namentlich der Kapitalistenkreise zu beschwichtigen, und daß dabei von einer Auflehnung des Volkszorns gegen das recht- und ehrlose Regiment selbst nicht die leiseste Spur vorhanden war, zeigt sehr deutlich die Tatsache, daß an den schuldigsten unter den Schuldigen, an den klugen und mächtigen Scaurus nicht bloß niemand sich wagte, sondern daß er eben um diese Zeit zum Zensor, ja sogar unglaublicherweise zu einem der Vorstände der außerordentlichen Hochverratskommission erwählt ward. Um so weniger ward auch nur der Versuch gemacht, der Regierung in ihre Kompetenz zu greifen, und es blieb lediglich dem Senat überlassen, dem numidischen Skandal in der für die Aristokratie möglichst gelinden Weise ein Ende zu machen; denn daß dies an der Zeit war, mochte wohl selbst der adligste Adlige anfangen zu begreifen.

Der Senat kassierte zunächst auch den zweiten Friedensvertrag – den Oberbefehlshaber, der ihn abgeschlossen, dem Feinde auszuliefern, wie dies noch vor dreißig Jahren geschehen war, schien nach den neuen Begriffen von der Heiligkeit der Verträge nicht ferner nötig –, und die Erneuerung des Krieges ward diesmal allen Ernstes beschlossen. Man übergab den Oberbefehl in Afrika zwar wie natürlich einem Aristokraten, aber noch einem der wenigen vornehmen Männer, die militärisch und sittlich der Aufgabe gewachsen waren. Die Wahl fiel auf Quintus Metellus. Er war wie die ganze mächtige Familie, der er angehörte, seinen Grundsätzen nach ein starrer und rücksichtsloser Aristokrat, als Beamter ein Mann, der es zwar sich zur Ehre rechnete, zum Besten des Staats Meuchelmörder zu dingen, und was Fabricius gegen Pyrrhos tat, vermutlich als unpraktische Donquichotterie verlacht haben würde, aber doch ein unbeugsamer, weder der Furcht noch der Bestechung zugänglicher Verwalter und ein einsichtiger und erfahrener Kriegsmann. In dieser Hinsicht war er auch von seinen Standesvorurteilen so weit frei, daß er sich zu seinen Unterbefehlshabern nicht vornehme Leute aussuchte, sondern den trefflichen Offizier Publius Rutilius Rufus, der wegen seiner musterhaften Mannszucht und als Urheber eines veränderten und verbesserten Exerzierreglements in militärischen Kreisen geschätzt ward, und den tapferen, von der Pike emporgedienten latinischen Bauernsohn Gaius Marius. Von diesen und anderen fähigen Offizieren begleitet, erschien Metellus im Laufe des Jahres 645 (109) als Konsul und Oberfeldherr bei der afrikanischen Armee, die er in einem so zerrütteten Zustand antraf, daß die Generale bisher nicht gewagt hatten, sie auf das feindliche Gebiet zu führen und sie niemand fürchterlich war als den unglücklichen Bewohnern der römischen Provinz. Streng und rasch wurde sie reorganisiert und im Frühling des Jahres 646 (108)In der spannenden und geistreichen Darstellung dieses Krieges von Sallust ist die Chronologie mehr als billig vernachlässigt. Der Krieg ging im Sommer 649 (105) zu Ende (c. 114); wenn also Marius seine Kriegführung als Konsul 647 (107) begann, so führte er dort das Kommando in drei Kampagnen. Allein die Erzählung schildert nur zwei, und mit Recht. Denn eben wie Metellus allem Anschein nach zwar schon 645 (109) nach Afrika ging, aber, da er spät eintraf (c. 37, 44) und die Reorganisation des Heeres Zeit kostete (c. 44), seine Operationen erst im folgenden Jahr begann, trat auch Marius, der gleichfalls in Italien längere Zeit sich mit Kriegsvorbereitungen aufhielt (c. 84), entweder als Konsul 647 (107) spät im Jahre und nach beendigtem Feldzug oder auch erst als Prokonsul 648 (106) den Oberbefehl an; so daß also die beiden Feldzüge des Metellus 646, 647 (108, 107) die des Marius 648, 649 (106, 105) fallen. Dazu paßt, daß Metellus erst im Jahre 648 (106) triumphierte (Eph. epigr. IV, S. 257). Dazu paßt ferner, daß die Schlacht am Muthul und die Belagerung von Zama nach dem Verhältnis, in dem sie zu Marius' Bewerbung um das Konsulat stehen, notwendig in das Jahr 646 (108) gesetzt werden müssen. Von Ungenauigkeiten ist der Schriftsteller auf keinen Fall freizusprechen; wie denn Marius sogar noch 649 (105) bei ihm Konsul genannt wird.

Die Verlängerung des Kommandos des Metellus, die Sallustius (62, 10) berichtet, kann sich nach dem Platze, an dem sie steht, nur beziehen auf das Jahr 647 (107); als im Sommer 646 (108) auf Grund des Sempronischen Gesetzes die Provinzen der für 647 (107) zu wählenden Konsuln festzusetzen waren, bestimmte der Senat zwei andere Provinzen und ließ also Numidien dem Metellus. Diesen Senatsschluß stieß das 72, 7 erwähnte Plebiszit um. Die folgenden in den besten Handschriften beider Familien lückenhaft überlieferten Worte sed Paulo .... decreverat: ea res frustra fuit müssen entweder die den Konsuln vom Senat bestimmten Provinzen genannt haben – etwa sed paulo [ante uti consulibus Italia et Gallia provinciae essent senatus] decreverat – oder, nach der Ergänzung der Vulgathandschriften: sed Paulo [ante senatus Metello Numidiam] decreverat.

führte Metellus sie über die numidische Grenze. Wie Jugurtha der veränderten Lage der Dinge inne ward, gab er sich verloren und machte, noch ehe der Kampf begann, ernstlich gemeinte Vergleichsanträge, indem er schließlich nichts weiter begehrte, als daß man ihm das Leben zusichere. Indes Metellus war entschlossen und vielleicht selbst angewiesen, den Krieg nicht anders zu beendigen als mit der unbedingten Unterwerfung und der Hinrichtung des verwegenen Klientelfürsten; was auch in der Tat der einzige Ausgang war, der den Römern genügen konnte. Jugurtha galt seit dem Sieg über Albinus als der Erlöser Libyens von der Herrschaft der verhaßten Fremden; rücksichtslos und schlau, wie er, und unbeholfen, wie die römische Regierung war, konnte er jederzeit auch nach dem Frieden wieder in seiner Heimat den Krieg entzünden; die Ruhe war nicht eher gesichert und die Entfernung der afrikanischen Armee nicht eher möglich, als wenn König Jugurtha nicht mehr war. Offiziell gab Metellus ausweichende Antworten auf die Anträge des Königs; insgeheim stiftete er die Boten desselben auf, ihren Herrn lebend oder tot an die Römer auszuliefern. Indes wenn der römische General es unternahm, mit dem Afrikaner auf dem Gebiet des Meuchelmordes zu wetteifern, so fand er hier seinen Meister; Jugurtha durchschaute den Plan und rüstete sich, da er nicht anders konnte, zur verzweifelten Gegenwehr. Jenseits des völlig öden Gebirgszugs, über den der Weg der Römer in das Innere führte, erstreckte sich in der Breite von vier deutschen Meilen bis zu dem dem Gebirgszug parallel laufenden Flusse Muthul eine weite Ebene, welche bis auf die unmittelbare Nachbarschaft des Flusses wasser- und baumlos war und nur durch einen mit niedrigem Gestrüpp bedeckten Hügelrücken in der Quere durchsetzt ward. Auf diesem Hügelrücken erwartete Jugurtha das römische Heer. Seine Truppen standen in zwei Massen: die eine, ein Teil der Infanterie und die Elefanten, unter Bomilkar da, wo der Rücken auslief gegen den Fluß, die andere, der Kern des Fußvolks und die gesamte Reiterei, höher hinauf gegen den Gebirgszug, verdeckt durch das Gestrüpp. Aus dem Gebirge debouchierend, erblickten die Römer den Feind in einer ihre rechte Flanke vollständig beherrschenden Stellung und hatten, da sie auf dem kahlen und wasserlosen Gebirgskamm unmöglich verweilen konnten und den Fluß notwendig erreichen mußten, die schwierige Aufgabe zu lösen, durch die vier Meilen breite, ganz offene Ebene, unter den Augen der feindlichen Reiter und selber ohne leichte Kavallerie, an den Strom zu gelangen. Metellus entsandte ein Detachement unter Rufus in gerader Richtung an den Fluß, um daselbst ein Lager zu schlagen; die Hauptmasse marschierte aus den Debouchés des Gebirges in schräger Richtung durch die Ebene auf den Hügelrücken zu, um den Feind von demselben herunterzuwerfen. Indes dieser Marsch in der Ebene drohte das Verderben des Heeres zu werden, denn während numidische Infanterie im Rücken der Römer die Gebirgsdefileen besetzte, wie diese sie räumten, sah sich die römische Angriffskolonne auf allen Seiten von den feindlichen Reitern umschwärmt, die von dem Hügelrücken herab angriffen. Das stete Anprallen der feindlichen Schwärme hinderte den Vormarsch, und die Schlacht drohte sich in eine Anzahl verwirrter Detailgefechte aufzulösen; während gleichzeitig Bomilkar mit seiner Abteilung das Korps unter Rufus festhielt, um es zu hindern, der schwer bedrängten römischen Hauptarmee zu Hilfe zu eilen. Jedoch gelang es Metellus und Marius mit ein paar tausend Soldaten, den Fuß des Hügelrückens zu erreichen; und das numidische Fußvolk, das die Höhen verteidigte, lief trotz der Überzahl und der günstigen Stellung fast ohne Widerstand davon, als die Legionäre im Sturmschritt den Berg hinauf angriffen. Ebenso schlecht hielt sich das numidische Fußvolk gegen Rufus; es ward bei dem ersten Angriff zerstreut und die Elefanten in dem durchschnittenen Terrain alle getötet oder gefangen. Spät am Abend trafen die beiden römischen Heerhaufen, jeder für sich Sieger und jeder besorgt um das Schicksal des andern, zwischen den beiden Walplätzen zusammen. Es war eine Schlacht, die für Jugurthas ungemeines militärisches Talent ebenso zeugte wie für die unverwüstliche Tüchtigkeit der römischen Infanterie, welche allein die strategische Niederlage in einen Sieg umgewandelt hatte. Jugurtha sandte nach der Schlacht einen großen Teil seiner Truppen heim und beschränkte sich auf den kleinen Krieg, den er gleichfalls mit Gewandtheit leitete. Die beiden römischen Kolonnen, die eine von Metellus geführt, die andere von Marius, der, obwohl von Geburt und Rang der geringste, seit der Schlacht am Muthul unter den Korpschefs die erste Stelle einnahm, durchzogen das numidische Gebiet, besetzten die Städte und machten, wo eine Ortschaft die Tore nicht gutwillig geöffnet hatte, die erwachsene männliche Bevölkerung nieder. Allein die ansehnlichste unter den Städten im östlichen Binnenland, Zama, leistete den Römern ernsthaften Widerstand, den der König nachdrücklich unterstützte. Sogar ein Überfall des römischen Lagers gelang ihm, und die Römer sahen sich endlich genötigt, die Belagerung aufzuheben und in das Winterquartier zu gehen. Der leichteren Verpflegung wegen verlegte Metellus dasselbe, unter Zurücklassung von Besatzungen in den eroberten Städten, in die römische Provinz und benutzte die Waffenruhe, um wieder Unterhandlungen anzuknüpfen, indem er sich geneigt zeigte, dem König einen erträglichen Frieden zu bewilligen. Jugurtha ging darauf bereitwillig ein; bereits hatte er sich anheischig gemacht, 200000 Pfund Silber zu entrichten, ja sogar seine Elefanten und 300 Geiseln schon abgeliefert, ebenso 3000 römische Überläufer, die sofort niedergemacht wurden. Gleichzeitig aber wurde des Königs vertrautester Ratgeber, Bomilkar, der nicht mit Unrecht besorgte, daß, wenn es zum Frieden käme, Jugurtha ihn als den Mörder des Massiva den römischen Gerichten überliefern werde, von Metellus gewonnen und gegen Zusicherung der Straflosigkeit für jenen Mord und großer Belohnungen zu dem Versprechen bewogen, den König den Römern lebendig oder tot in die Hände zu liefern. Indes weder jene offizielle Verhandlung noch diese Intrige führte zu dem gewünschten Resultat. Als Metellus mit dem Ansinnen herausrückte, daß der König persönlich sich als Gefangener zu stellen habe, brach dieser die Unterhandlungen ab; Bomilkars Verkehr mit dem Feinde ward entdeckt und derselbe festgenommen und hingerichtet. Es soll keine Schutzrede sein für diese diplomatischen Kabalen niedrigster Art; aber die Römer hatten allen Grund, danach zu trachten, sich der Person ihres Gegners zu bemächtigen. Der Krieg war auf dem Punkt angelangt, wo man ihn weder weiterführen noch aufgeben konnte. Wie die Stimmung in Numidien war, beweist zum Beispiel der Aufstand der bedeutendsten unter den Römern besetzten Städten VagaJetzt Bedschah an der Medscherda. im Winter 646/47 (108/07), wobei die gesamte römische Besatzung, Offiziere und Gemeine, niedergemacht wurde mit Ausnahme des Kommandanten Titus Turpilius Silanus, welcher später wegen Einverständnisses mit dem Feinde, ob mit Recht oder Unrecht, läßt sich nicht sagen, von dem römischen Kriegsgericht zum Tode verurteilt und hingerichtet ward. Die Stadt wurde von Metellus am zweiten Tage nach dem Abfall überrumpelt und der ganzen Strenge des Kriegsgerichts preisgegeben; allein wenn die Gemüter der leicht erreichbaren und verhältnismäßig fügsamen Anwohner des Bagradas also gestimmt waren, wie mochte es da aussehen weiter landeinwärts und bei den schweifenden Stämmen der Wüste? Jugurtha war der Abgott der Afrikaner, die in ihm den doppelten Brudermörder gern übersahen über dem Retter und Rächer der Nation. Zwanzig Jahre nachher mußte ein numidisches Korps, das für die Römer in Italien focht, schleunigst nach Afrika zurückgesandt werden, als in den feindlichen Reihen Jugurthas Sohn sich zeigte: man mag daraus schließen, was er selber über die Seinen vermochte. Wie war ein Ende des Krieges abzusehen in Landschaften, wo die vereinigten Eigentümlichkeiten der Bevölkerung und des Bodens einem Führer, der sich einmal der Sympathien der Nation versichert hat, es gestatten, den Krieg in endlosen Kleingefechten fortzuspinnen oder auch gar ihn eine Zeitlang schlafen zu legen, um ihn im rechten Augenblick mit neuer Gewalt wiederzuerwecken?

Als Metellus im Jahre 647 (107) wieder ins Feld rückte, hielt Jugurtha ihm nirgends stand: bald tauchte er da auf, bald an einem andern, weit entfernten Punkt; es schien, als würde man ebenso leicht Herr werden über die Löwen wie über diese Reiter der Wüste. Eine Schlacht ward geschlagen, ein Sieg gewonnen; aber was man mit dem Sieg gewonnen hatte, war schwer zu sagen. Der König war verschwunden in die unabsehliche Weite. Im Innern des heutigen Beilek von Tunis, hart am Saum der großen Wüste, lag in quelliger Oase der feste Platz ThalaDie Örtlichkeit ist nicht wiedergefunden. Die frühere Annahme, daß Thelepte (bei Feriana, nördlich von Capsa) gemeint sei, ist willkürlich und die Identifikation mit einer auch heute Thala genannten Örtlichkeit östlich von Capsa auch nicht gehörig begründet.; dorthin hatte Jugurtha sich zurückgezogen mit seinen Kindern, seinen Schätzen und dem Kern seiner Truppen, bessere Zeiten daselbst abzuwarten. Metellus wagte es, durch eine Einöde, wo das Wasser auf zehn deutsche Meilen in Schläuchen mitgeführt werden mußte, dem König zu folgen; Thala ward erreicht und fiel nach vierzigtägiger Belagerung; allein nicht bloß vernichteten die römischen Überläufer mit dem Gebäude, in dem sie nach Einnahme der Stadt sich selber verbrannten, zugleich den wertvollsten Teil der Beute, sondern, worauf mehr ankam, der König Jugurtha war mit seinen Kindern und seiner Kasse entkommen. Numidien zwar war so gut wie ganz in den Händen der Römer; aber statt daß man damit am Ziele gestanden hätte, schien der Krieg nur über ein immer weiteres Gebiet sich auszudehnen. Im Süden begannen die freien gätulischen Stämme der Wüste auf Jugurthas Ruf den Nationalkrieg gegen die Römer. Im Westen schien König Bocchus von Mauretanien, dessen Freundschaft die Römer in früherer Zeit verschmäht hatten, jetzt nicht abgeneigt, mit seinem Schwiegersohn gegen sie gemeinschaftliche Sache zu machen: er nahm ihn nicht bloß bei sich auf, sondern rückte auch, mit den eigenen zahllosen Reiterscharen Jugurthas Haufen vereinigend, in die Gegend von Cirta, wo Metellus sich im Winterquartier befand. Man begann zu unterhandeln; es war klar, daß er mit Jugurthas Person den eigentlichen Kampfpreis für Rom in Händen hielt. Was er aber beabsichtigte, ob den Römern den Schwiegersohn teuer zu verkaufen oder mit dem Schwiegersohn gemeinschaftlich den Nationalkrieg aufzunehmen, wußten weder die Römer noch Jugurtha und vielleicht der König selbst nicht; derselbe beeilte sich auch keineswegs, aus seiner zweideutigen Stellung herauszutreten. Darüber verließ Metellus die Provinz, die er durch Volksbeschluß genötigt worden war, seinem ehemaligen Unterfeldherrn, dem jetzigen Konsul Marius abzutreten und dieser übernahm für den nächsten Feldzug 648 (106) den Oberbefehl. Er verdankte ihn gewissermaßen einer Revolution. Im Vertrauen auf die von ihm geleisteten Dienste und nebenher auf die ihm zuteil gewordenen Orakel hatte er sich entschlossen, als Bewerber um das Konsulat aufzutreten. Wenn die Aristokratie die ebenso verfassungsmäßige wie sonst vollkommen gerechtfertigte Bewerbung des tüchtigen, durchaus nicht oppositionell gesinnten Mannes unterstützt hätte, so würde dabei nichts herausgekommen sein als die Verzeichnung eines neuen Geschlechts in den konsularischen Fasten; statt dessen wurde der nicht adlige Mann, der die höchste Gemeinwürde für sich begehrte, von der ganzen regierenden Kaste als ein frecher Neuerer und Revolutionär geschmäht – vollkommen wie einst der plebejische Bewerber von den Patriziern behandelt worden war, nur jetzt ohne jeden formalen Rechtsgrund –, der tapfere Offizier mit spitzen Reden von Metellus verhöhnt – Marius möge mit seiner Kandidatur warten, hieß es, bis Metellus' Sohn, ein bartloser Knabe, mit ihm sich bewerben könne – und kaum im letzten Augenblick aufs ungnädigste entlassen, um für das Jahr 647 (107), als Bewerber um das Konsulat in der Hauptstadt aufzutreten. Hier vergalt er das erlittene Unrecht seinem Feldherrn reichlich, indem er vor der gaffenden Menge die Kriegführung und Verwaltung des Metellus in Afrika in einer ebenso unmilitärischen wie schmählich unbilligen Weise kritisierte, ja sogar es nicht verschmähte, dem lieben, ewig von geheimen, höchst unerhörten und höchst unzweifelhaften Konspirationen der vornehmen Herren munkelnden Pöbel das platte Märchen aufzutischen, daß Metellus den Krieg absichtlich verschleppe, um so lange wie möglich Oberbefehlshaber zu bleiben. Den Gassenbuben leuchtete dies vollkommen ein; zahlreiche, aus guten und schlechten Ursachen der Regierung mißwollende Leute, namentlich die mit Grund erbitterte Kaufmannschaft, verlangten nichts Besseres als eine solche Gelegenheit, die Aristokratie an ihrer empfindlichsten Stelle zu verletzen; er wurde nicht bloß mit ungeheurer Majorität zum Konsul gewählt, sondern ihm auch, während sonst nach dem Gesetze des Gaius Gracchus die Entscheidung über die jedesmaligen Kompetenzen der Konsuln dem Senat zustand, unter Umstoßung der vom Senat getroffenen Verfügung, die den Metellus an seiner Stelle ließ, durch Beschluß der souveränen Komitien der Oberbefehl im Afrikanischen Krieg übertragen. Demgemäß trat er im Laufe des Jahres 647 (107) an Metellus' Stelle und führte das Kommando in dem Feldzuge des folgenden Jahres; allein die zuversichtliche Verheißung, es besser zu machen als sein Vorgänger und den Jugurtha an Händen und Füßen gebunden schleunigst nach Rom abzuliefern, war leichter gegeben als erfüllt. Marius schlug sich herum mit den Gätulern; er unterwarf einzelne noch nicht besetzte Städte; er unternahm eine Expedition nach Capsa (Gafsa) im äußersten Südosten des Königreichs, welche die von Thala an Schwierigkeit noch überbot, nahm die Stadt durch Kapitulation und ließ trotz des Vertrages alle erwachsenen Männer darin töten – freilich das einzige Mittel, den Wiederabfall der fernliegenden Wüstenstadt zu verhüten; er griff ein am Fluß Molochath, der das numidische Gebiet vom mauretanischen schied, belegenes Bergkastell an, in das Jugurtha seine Kasse geschafft hatte, und erstürmte, eben als er schon am Erfolg verzweifelnd von der Belagerung abstehen wollte, durch den Handstreich einiger kühner Kletterer glücklich das unbezwingliche Felsennest. Wenn es bloß darauf angekommen wäre, durch dreiste Razzias das Heer abzuhärten und dem Soldaten Beute zu schaffen oder auch Metellus' Zug in die Wüste durch eine noch weiter greifende Expedition zu verdunkeln, so konnte man diese Kriegführung gelten lassen; in der Hauptsache ward das Ziel, worauf alles ankam und das Metellus mit fester Konsequenz im Auge behalten hatte, die Gefangennehmung des Jugurtha, dabei völlig beiseite gesetzt. Der Zug des Marius nach Capsa war ein ebenso zweckloses wie der des Metellus nach Thala ein zweckmäßiges Wagnis; die Expedition aber an den Molochath, welche an, wo nicht in das mauretanische Gebiet streifte, war geradezu zweckwidrig. König Bocchus, in dessen Hand es lag, den Krieg zu einem für die Römer günstigen Ausgang zu bringen oder ihn ins Endlose zu verlängern, schloß jetzt mit Jugurtha einen Vertrag ab, in dem dieser ihm einen Teil seines Reiches abtrat, Bocchus aber versprach, den Schwiegersohn gegen Rom tätig zu unterstützen. Das römische Heer, das vom Fluß Molochath wieder zurückkehrte, sah sich eines Abends plötzlich umringt von ungeheuren Massen mauretanischer und numidischer Reiterei; man mußte fechten, wo und wie die Abteilungen eben standen, ohne daß eine eigentliche Schlachtordnung und ein leitendes Kommando sich hätten durchführen lassen, und sich glücklich schätzen, die stark gelichteten Truppen auf zwei voneinander nicht weit entfernten Hügeln vorläufig für die Nacht in Sicherheit zu bringen. Indes die arge Nachlässigkeit der von ihrem Siege trunkenen Afrikaner entriß ihnen die Folgen desselben; sie ließen sich von den während der Nacht einigermaßen wiedergeordneten römischen Truppen beim grauenden Morgen im tiefen Schlafe überfallen und wurden glücklich zerstreut. Darauf setzte das römische Heer in besserer Ordnung und mit größerer Vorsicht den Rückzug fort; allein noch einmal wurde es auf demselben von allen vier Seiten zugleich angefallen und schwebte in großer Gefahr, bis der Reiterobrist Lucius Cornelius Sulla zuerst die ihm gegenüberstehenden Reiterhaufen auseinanderstäubte und von deren Verfolgung rasch zurückkehrend sich weiter auf Jugurtha und Bocchus warf, da wo sie persönlich das römische Fußvolk im Rücken bedrängten. Also ward auch dieser Angriff glücklich abgeschlagen; Marius brachte sein Heer zurück nach Cirta und nahm daselbst das Winterquartier (648/49 106/05). Es ist wunderlich, aber freilich begreiflich, daß man römischerseits um die Freundschaft des Königs Bocchus, die man anfangs verschmäht, sodann wenigstens nicht eben gesucht hatte, jetzt, nachdem er den Krieg begonnen hatte, anfing sich aufs eifrigste zu bemühen, wobei es den Römern zustatten kam, daß von mauretanischer Seite keine förmliche Kriegserklärung stattgefunden hatte. Nicht ungern trat König Bocchus zurück in seine alte zweideutige Stellung; ohne den Vertrag mit Jugurtha aufzulösen oder diesen zu entlassen, ließ er mit dem römischen Feldherrn sich ein auf Verhandlungen über die Bedingungen eines Bündnisses mit Rom. Als man einig geworden war oder zu sein schien, erbat sich der König, daß Marius zum Abschluß des Vertrages und zur Übernahme des königlichen Gefangenen den Lucius Sulla an ihn absenden möge, der dem König bekannt und genehm sei teils von der Zeit her, wo er als Gesandter des Senats am mauretanischen Hofe erschienen war, teils durch Empfehlungen der nach Rom bestimmten mauretanischen Gesandten, denen Sulla unterwegs Dienste geleistet hatte. Marius war in einer unbequemen Lage. Lehnte er die Zumutung ab, so führte dies wahrscheinlich zum Bruche; nahm er sie an, so gab er seinen adligsten und tapfersten Offizier einem mehr als unzuverlässigen Mann in die Hände, der, wie männiglich bekannt, mit den Römern und mit Jugurtha doppeltes Spiel spielte, und der fast den Plan entworfen zu haben schien, an Jugurtha und Sulla sich vorläufig nach beiden Seiten hin Geiseln zu schaffen. Indes der Wunsch, den Krieg zu Ende zu bringen, überwog jede andere Rücksicht, und Sulla verstand sich zu der bedenklichen Aufgabe, die Marius ihm ansann. Dreist brach er auf, geleitet von König Bocchus' Sohn Volux, und seine Entschlossenheit wankte selbst dann nicht, als sein Wegweiser ihn mitten durch das Lager des Jugurtha führte. Er wies die kleinmütigen Fluchtvorschläge seiner Begleiter zurück und zog, des Königs Sohn an der Seite, unverletzt durch die Feinde. Dieselbe Entschiedenheit bewährte der kecke Offizier in den Verhandlungen mit dem Sultan und bestimmte ihn endlich, ernstlich eine Wahl zu treffen. Jugurtha ward aufgeopfert. Unter dem Vorgeben, daß alle seine Begehren bewilligt werden sollten, wurde er von dem eigenen Schwiegervater in einen Hinterhalt gelockt, sein Gefolge niedergemacht und er selbst gefangengenommen. So fiel der große Verräter durch den Verrat seiner Nächsten. Gefesselt brachte Lucius Sulla den listigen und rastlosen Afrikaner mit seinen Kindern in das römische Hauptquartier; damit war nach siebenjähriger Dauer der Krieg zu Ende. Der Sieg ging zunächst auf den Namen des Marius; seinem Triumphalwagen schritt in königlichem Schmuck und in Fesseln König Jugurtha mit seinen beiden Söhnen vorauf, als der Sieger am 1. Januar 650 (104) in Rom einzog; auf seinen Befehl starb der Sohn der Wüste wenige Tage darauf in dem unterirdischen Stadtgefängnis, dem alten Brunnenhaus am Kapitol, dem "eisigen Badgemach", wie der Afrikaner es nannte, als er die Schwelle überschritt, um daselbst sei es erdrosselt zu werden, sei es umzukommen durch Kälte und Hunger. Allein es ließ sich nicht leugnen, daß Marius an den wirklichen Erfolgen den geringsten Anteil hatte, daß Numidiens Eroberung bis an den Saum der Wüste das Werk des Metellus, Jugurthas Gefangennahme das des Sulla war und zwischen beiden Marius eine für einen ehrgeizigen Emporkömmling einigermaßen kompromittierende Rolle spielte. Marius ertrug es ungern, daß sein Vorgänger den Namen des Siegers von Numidien annahm; er brauste zornig auf, als König Bocchus später ein goldnes Bildwerk auf dem Kapitol weihte, welches die Auslieferung des Jugurtha an Sulla darstellte; und doch stellten auch in den Augen unbefangener Urteiler die Leistungen dieser beiden des Marius Feldherrnschaft gar sehr in Schatten, vor allem Sullas glänzender Zug in die Wüste, der seinen Mut, seine Geistesgegenwart, seinen Scharfsinn, seine Macht über die Menschen vor dem Feldherrn selbst und vor der ganzen Armee zur Anerkennung gebracht hatte. An sich wäre auf diese militärischen Rivalitäten wenig angekommen, wenn sie nicht in den politischen Parteikampf eingegriffen hätten; wenn nicht die Opposition durch Marius den senatorischen General verdrängt gehabt, nicht die Regierungspartei Metellus und mehr noch Sulla mit erbitternder Absichtlichkeit als die militärischen Koryphäen gefeiert und dem nominellen Sieger vorgezogen hätte – wir werden auf die verhängnisvollen Folgen dieser Verhetzungen in der Darstellung der inneren Geschichte zurückzukommen haben.

Im übrigen verlief diese Insurrektion des numidischen Klientelstaats, ohne weder in den allgemeinen politischen Verhältnissen noch auch nur in denen der afrikanischen Provinz eine merkliche Veränderung hervorzubringen. Abweichend von der sonst in dieser Zeit befolgten Politik ward Numidien nicht in eine römische Provinz umgewandelt; offenbar deshalb, weil das Land nicht ohne eine die Grenzen gegen die Wilden der Wüste deckende Armee zu behaupten und man keineswegs gemeint war, in Afrika ein stehendes Heer zu unterhalten. Man begnügte sich deshalb, die westlichste Landschaft Numidiens, wahrscheinlich den Strich vom Fluß Molochath bis zum Hafen von Saldae (Bougie) – das spätere Mauretanien von Caesarea (Provinz Algier) – zu dem Reich des Bocchus zu schlagen und das darum verkleinerte Königreich Numidien auf den letzten noch lebenden legitimen Enkel Massinissas, Jugurthas an Körper und Geist schwachen Halbbruder Gauda, zu übertragen, welcher bereits im Jahre 646 (108) auf Veranlassung des Marius seine Ansprüche bei dem Senat geltend gemacht hatteSallusts politisches Genregemälde des jugurthinischen Krieges, in der sonst völlig verblaßten und verwaschenen Tradition dieser Epoche das einzige in frischen Farben übriggebliebene Bild, schließt mit Jugurthas Katastrophe, seiner Kompositionsweise getreu, poetisch, nicht historisch; und auch anderweitig fehlt es an einem zusammenhängenden Bericht über die Behandlung des Numidischen Reiches. Daß Gauda Jugurthas Nachfolger ward deuten Sallust (c. 64) und Dio Cassius (fr. 79, 4 Bekk.) an und bestätigt eine Inschrift von Cartagena (Orelli 630), die ihn König und Vater Hiempsals II. nennt. Daß im Westen die zwischen Numidien einer- und dem römischen Afrika und Kyrene andererseits bestehenden Grenzverhältnisse unverändert blieben, zeigt Caesar (civ. 2, 38), Bell. Afr. 43, 77 und die spätere Provinzialverfassung. Dagegen liegt es in der Natur der Sache und wird auch von Sallust (c. 97; 102; 111) angedeutet, daß Bocchus' Reich bedeutend vergrößert ward; womit es unzweifelhaft zusammenhängt, daß Mauretanien, ursprünglich beschränkt auf die Landschaft von Tingis (Marokko), in späterer Zeit sich erstreckt auf die Landschaft von Caesarea (Provinz Algier) und die von Sitifis (westliche Hälfte der Provinz Constantine). Da Mauretanien zweimal von den Römern vergrößert ward, zuerst 649 (105) nach Jugurthas Auslieferung, sodann 708 (46) nach Auflösung des Numidischen Reiches, so ist wahrscheinlich die Landschaft von Caesarea bei der ersten, die von Sitifis bei der zweiten Vergrößerung hinzugekommen.. Zugleich wurden die gätulischen Stämme im inneren Afrika als freie Bundesgenossen unter die mit den Römern in Vertrag stehenden unabhängigen Nationen aufgenommen.

Wichtiger als diese Regulierung der afrikanischen Klientel waren die politischen Folgen des Jugurthinischen Krieges oder vielmehr der Jugurthinischen Insurrektion, obgleich auch diese häufig zu hoch angeschlagen worden sind. Allerdings waren darin alle Schäden des Regiments in unverhüllter Nacktheit zu Tage gekommen; es war jetzt nicht bloß notorisch, sondern sozusagen gerichtlich konstatiert, daß den regierenden Herren Roms alles feil war, der Friedensvertrag wie das Interzessionsrecht, der Lagerwall und das Leben der Soldaten; der Afrikaner hatte nicht mehr gesagt als die einfache Wahrheit, als er bei seiner Abreise von Rom äußerte, wenn er nur Geld genug hätte, mache er sich anheischig, die Stadt selber zu kaufen. Allein das ganze äußere und innere Regiment dieser Zeit trug den gleichen Stempel teuflischer Erbärmlichkeit. Für uns verschiebt der Zufall, daß uns der Krieg in Afrika durch bessere Berichte näher gerückt ist als die anderen gleichzeitigen militärischen und politischen Ereignisse, die richtige Perspektive; die Zeitgenossen erfuhren durch jene Enthüllungen eben nichts, als was jedermann längst wußte und jeder unerschrockene Patriot längst mit Tatsachen zu belegen imstande war. Daß man für die nur durch ihre Unfähigkeit aufgewogene Niederträchtigkeit der restaurierten Senatsregierung jetzt einige neue, noch stärkere und noch unwiderleglichere Beweise in die Hände bekam, hätte dennoch von Wichtigkeit sein können, wenn es eine Opposition und eine öffentliche Meinung gegeben hätte, mit denen die Regierung genötigt gewesen wäre sich abzufinden. Allein dieser Krieg hatte in der Tat nicht minder die Regierung prostituiert als die vollständige Nichtigkeit der Opposition offenbart. Es war nicht möglich, schlechter zu regieren als die Restauration in den Jahren 637-645 (117-109) es tat, nicht möglich, wehrloser und verlorener dazustehen, als der römische Senat im Jahre 645 (109) stand; hätte es in Rom eine wirkliche Opposition gegeben, das heißt eine Partei, die eine prinzipielle Abänderung der Verfassung wünschte und betrieb, so mußte diese notwendig jetzt wenigstens einen Versuch machen, den restaurierten Senat zu stürzen. Er erfolgte nicht; man machte aus der politischen eine Personenfrage, wechselte die Feldherren und schickte ein paar nichtsnutzige und unbedeutende Leute in die Verbannung. Damit stand es also fest, daß die sogenannte Popularpartei als solche weder regieren konnte, noch regieren wollte; daß es in Rom schlechterdings nur zwei mögliche Regierungsformen gab, die Tyrannis und die Oligarchie; daß, solange es zufällig an einer Persönlichkeit fehlte, die, wo nicht bedeutend, doch bekannt genug war, um sich zum Staatsoberhaupt aufzuwerfen, die ärgste Mißwirtschaft höchstens einzelne Oligarchen, aber niemals die Oligarchie gefährdete; daß dagegen, sowie ein solcher Prätendent auftrat, nichts leichter war, als die morschen kurulischen Stühle zu erschüttern. In dieser Hinsicht war das Auftreten des Marius bezeichnend, eben weil es an sich so völlig unmotiviert war. Wenn die Bürgerschaft nach Albinus' Niederlage die Kurie gestürmt hätte, es wäre begreiflich, um nicht zu sagen in der Ordnung gewesen; aber nach der Wendung, die Metellus dem Numidischen Krieg gegeben hatte, konnte von schlechter Führung, geschweige denn von Gefahr für das Gemeinwesen wenigstens in dieser Beziehung nicht mehr die Rede sein; und dennoch gelang es dem ersten besten ehrgeizigen Offizier, das auszuführen, womit einst der ältere Africanus der Regierung gedroht, und sich eines der vornehmsten militärischen Kommandos gegen den bestimmt ausgesprochenen Willen der Regierung zu verschaffen. Die öffentliche Meinung, nichtig in den Händen der sogenannten Popularpartei, ward zur unwiderstehlichen Waffe in der Hand des künftigen Königs von Rom. Es soll damit nicht gesagt werden, daß Marius beabsichtigte, den Prätendenten zu spielen, am wenigsten damals schon, als er um den Oberbefehl von Afrika bei dem Volke warb; aber mochte er begreifen oder nicht begreifen, was er tat, es war augenscheinlich zu Ende mit dem restaurierten aristokratischen Regiment, wenn die Komitialmaschine anfing, Feldherren zu machen oder, was ungefähr dasselbe war, wenn jeder populäre Offizier imstande war, in legaler Weise sich selbst zum Feldherrn zu ernennen. Ein einziges neues Element trat in diesen vorläufigen Krisen auf; es war das Hineinziehen der militärischen Männer und der militärischen Macht in die politische Revolution. Ob Marius' Auftreten unmittelbar die Einleitung sein werde zu einem neuen Versuch, die Oligarchie durch die Tyrannis zu verdrängen, oder ob dasselbe, wie so manches Ähnliche, als vereinzelter Eingriff in die Prärogative der Regierung ohne weitere Folgen vorübergehen werde, ließ sich noch nicht bestimmen; wohl aber war es vorauszusehen, daß, wenn diese Keime einer zweiten Tyrannis zur Entwicklung gelangten, in derselben nicht ein Staatsmann, wie Gaius Gracchus, sondern ein Offizier an die Spitze treten werde. Die gleichzeitige Reorganisation des Heerwesens, indem zuerst Marius bei der Bildung seiner nach Afrika bestimmten Armee von der bisher geforderten Vermögensqualifikation absah und auch dem ärmsten Bürger, wenn er sonst brauchbar war, als Freiwilligen den Eintritt in die Legion gestattete, mag von ihrem Urheber aus rein militärischen Rücksichten veranstaltet worden sein; allein darum war es nichtsdestoweniger ein folgenreiches politisches Ereignis, daß das Heer nicht mehr, wie ehemals, aus denen, die viel, nicht einmal mehr wie in der jüngsten Zeit aus denen, die etwas zu verlieren hatten, gebildet ward, sondern anfing sich zu verwandeln in einen Haufen von Leuten, die nichts hatten als ihre Arme und was der Feldherr ihnen spendete. Die Aristokratie herrschte im Jahre 650 (104) ebenso unumschränkt wie im Jahre 620 (134); aber die Zeichen der herannahenden Katastrophe hatten sich gemehrt, und am politischen Horizont war neben der Krone das Schwert aufgegangen.


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