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Penseroso.

Man bemerke, daß Milton zu den verschiednen Absichten die nämlichen Bilder, und den nämlichen Gang im Gedicht beybehält.

Hence vain deluding joys
The brood of folly without father bred,
How little you bested,
Or fill the fixed mind with all your toys!
Dwell in some idle brain,
And fancies fond with gaudy shapes posseß,
As thick and numberleß
As the gay motes that people the sun-beams,
Or likest hovering dreams
The fickle pensioners of Morpheus' train.
But hail thou Goddeß, sage and holy,
Hail divinest melancholy,
Whose saintly visage is too bright
To hit the sense of human sight,
And therefore to our weaker view
O'erlaid with black, staid wisdom's hue.
Black, but such as in esteem,
Prince Memnon's sister might beseem,
Or that starr'd Ethiop queen that strove
To set her beauties praise above
The Sea-Nymphs, and their pow'rs offended.
Yet thou art higher far descended,
Thee bright-hair'd Vesta long of yore
To solitary Saturn bore;
His daughter she (in Saturn's reign,
Such mixture was not held a stain.)
Oft in glimmering bowers and glades
He met her, and in secret shades
Of woody Ida's inmost grove,
While yet there was no fear of Jove.
Come pensive Nun, devout and pure,
Sober, stedfast, and demure,
All in a robe of darkest grain,
Flowing with majestic train
And sable stole of Cypreß lawn,
Over thy decent Shoulders drawn.
Come, but keep thy wonted State,
With even step, and musing gate,
And looks commercing with the skies,
Thy rapt soul sitting in thine eyes:
There held in holy passion still,
Forget thyself to marble, till
With a sad leaden downward cast
Thou fix them on the earth as fast:
And join with thee calm peace, and quiet,
Spare fast, that oft with Gods doth diet,
And hears the Muses in a ring
Ay round about Jove's altar sing:
And add to these retired Leisure,
That in trim gardens takes his pleasure;
But first, and chiefest, with thee bring,
Him that yon soars on golden wing,
Guiding the fiery-wheeled throne,
The Cherub Contemplation;
And the mute Silence hist along,
'Leß Philomel will daign a song,
In her sweetest, saddest plight,
Smoothing the rugged brow of night,
While Cynthia checks her dragon yoke,
Gently o'er th'accustom'd oak;
Sweet bird, that shunn'st the noise of folly,
Most musical, most melancholy!
Thee chauntreß of the woods among
I woo to hear thy even-song;
And missing thee, I walk unseen
On the dry smooth-shaven green,
To behold the wand'ring moon,
Riding near her highest noon,
Like one that had been led astray
Through the Heav'n's wide pathleß way;
And oft, as if her head she bow'd,
Stooping through a fleecy cloud.

Flieh, eitle trügende Freude, vaterlose Brut der Thorheit, wie wenig begnügst, füllst du eine denkende Seele mit all deinem Tand! Wohne in irgend einem eitlen Gehirn, und beschäftige thörigte Einbildungen mit Flittergestalten, zahllos wie die schwankenden Motten, die den Sonnenstrahl bewohnen; oder vielmehr, wie die schwebenden Träume der unbeständigen Diener von Morpheus Gefolge.

Heil aber dir, Göttin! kluge und heilige; Heil dir, göttlichste Melancholie, deren heiliges Antliz zu leuchtend ist, um erreicht zu werden vom Sinn des menschlichen Gesichts, und so unserm zu schwachen Auge beschleiert ist, mit schwarz, der Weisheit ernsten Farbe. Schwarz, wie es der Schwester des Fürsten Memnons anständig scheinen mögte, oder der zum Stern gewordnen ethiopischen Königin, welche begehrte ihrer Schönheit Werth höher zu sezen über die Seenymphen, deren Macht dadurch beleidigt ward. Aber du stammst von höherer Art; dich zeugte vor langen Jahren dem einsamen Saturn die goldharigte Vesta, seine Tochter (in Saturns Reich ward solch eine Vermischung noch nicht für unrecht gehalten). Oft begegnete er ihr in schwach schimmernder Laube oder dem bedeckten Gang eines innersten Hayns des waldigten Ida's, als man Jupitern noch nicht fürchtete. Komm, nachdenkende Nonne, andächtige und reine, mäßige, ernste und stille, eingehüllt im schwärzesten Gewand mit fliegender majestätischer Schleppe, und einer Stole von Zobel, herabhängend über deine sittsame Schultern. Komm, aber behaltend dein gewöhnliches Betragen mit ebnen nachdenkenden Schritten, und Blicken, die sich mit dem Himmel unterhalten, und einer entzückten in deinen Augen sitzenden Seele: Dort immer in heiliger Entzückung gehalten, vergiß dich selbst zum Marmor, bis du mit einem traurigen, bleiernen, unterwärts gekehrten Blick dich eben so fest an die Erde heftest: und habe zu Begleitern den stillen Frieden und Ruhe, sparsame Fasten durch die man oft mit den Göttern speist; und höre die Musen im Kreise um Jupiters Altar herum singen; und geselle zu diesen eingezogene Ungeschäftigkeit, die in gepuzten Gärten ihre Freude findet. Zuerst aber und vorzüglich bringe mit den, der dort mit goldnen Schwingen planet, leitend den Feuerwagen, den Cherub Betrachtung; und leite das stumme Stillschweigen herein, wenn uns anders Philomele nicht eines Gesangs würdigt in ihrer sanftesten, traurigsten Klage, besänftigend die drohende Stirne der Nacht, während daß Cynthia langsam anhält ihr Drachenjoch über ihrer gewöhnlichen Eiche. Sanfter Vogel, der du das Geräusch der Thorheit fliehst, der musikreichste und der schwermütigste, dich flehe ich an, oft im Walde zu hören deinen Abendgesang; oder, vermisse ich dich, so walle ich ungesehn auf grünen kurz geschornen Wiesen, zu betrachten den wandernden Mond, der neben seinem höchsten Bogen fährt, und ähnlich einem der sich verirrt hat auf dem weiten ungebahnten Himmelsweg, oft, sich gleichsam untertauchend, hinter einer flockigten Wolke kömmt. Nicht selten auf der Ebne einer kleinen Anhöhe höre ich von einem entfernten wasserbespülten Vorgebürge läuten die langsam schwingende Abendglocke im dumpfen Tone.

Oft on a plat of rising ground,
I hear the far-off Curfeu sound,
Over some wide-water'd shore,
Swinging slow with fullen roar.
Or if the air will not permit,
Some still removed place will fit,
Where glowing embers through the room
Teach light to counterfeit a gloom,
Far from all resort of mirth,
Save the cricket on the hearth,
Or the belman's drowsy charm,
To bleß the doors from nightly harm:
Or let my lamp at midnight hour,
Be seen in some high lonely tow'r,
Where I may oft out-watch the Bear,
With thrice great Hermes; or unsphere
Th' spirit of Plato, to unfold
What worlds, or what vast regions hold
Th' immortal mind that hath forsook
Her mansion in this fleshly nook:
And of those Demons that are found
In fire, air, flood, or under ground,
Whose power hath a true consent
With planet, or with element.
Sometimes let gorgeous tragedy
In scepter'd pall come sweeping by,
Presenting Thebes, or Pelops line,
Or the tale of Troy divine,
Or what (though rare) of later age
Ennobled hath the buskin'd stage.
But, o sad Virgin, that thy power
Might raise Musaeus from his bower,
Or bid the soul of Orpheus sing
Such notes, as warbled to the string,
Drew iron tears down Pluto's cheek,
And made Hell grant what Love did seek.
Or call up him that left half-told
The story of Cambuscan bold,
Of Camball, and of Algarsife,
And who had Canace to wife,
That own'd the virtuous ring and glaß,
And of the wondrous horse of braß,
On which the Tartar King did ride;
And if aught else great bards beside
In sage and solemn tunes have sung,
Of turneys and of trophies hung,
Of forests, an inchantments drear,
Where more is meant than meets the ear.

Oder, wenn das Wetter mich zurückhält, dann steht mir irgend ein stiller entfernter Plaz an, wo an der übrig gebliebenen glimmenden Asche das Licht die Finsterniß nachahmt; weit entfernt von allem freudigen Ton, ausser der den Heerd bewohnenden Grille und dem einschlummernden Rufe des Wächters, welcher die Thüren für nächtlichem Ueberfalle sichert; oder laß meine Lampe zur mitternächtlichen Stunde gesehen werden auf einem hohen einsamen Thurn, wo ich möge oft überwachen des Bärs Gestirn mit dem übergrosen Hermes, oder zu folgen Plato's Geist, um zu entdecken, welche Welt oder was für weite Felder aufhalten die unsterbliche Seele, wenn sie verläßt ihre Wohnung im fleischernen Behälter; oder auszuspähen jene Dämons, die man findet im Feuer, Luft, den Fluthen, oder unter der Erde, deren Einfluß mit Planeten oder Elementen einstimmt. Zuweilen komme die prächtige Tragödie mit ihrem königlichen schleppenden Mantel, vorstellend Thebens oder Pelops Haus, oder des göttlichen Troja's Wundergeschichte; oder was, obschon seltner, in neuern Zeiten geadelt hat die gekothurnte Bühne. Aber, o traurige Jungfrau, daß deine Macht reize möge den Musäus in seiner Laube, oder gebiete der Seele des Orpheus zu singen solche Töne, welche die Saiten so erschüttern, daß sie eiserne Thränen über Pluto's Backen herab zwingen, und der Hölle nachgeben machen, was Liebe begehrt. Oder wecke denjenigen wieder auf, der halb ungeendigt ließ die Geschichte des kühnen Cambuscan, des Camball und des Algarsif, und desjenigen, der Canace zum Weibe hatte, welche besas den kraftvollen Ring und Glas, und vom wundervollen kupfernen Pferde, welches der Tartarkönig pflegte zu reiten; oder wenn es irgend sonst was grosses giebt, das Barden im ernsten und feierlichen Ton besungen haben von Turnieren und hängenden Trophäen, von Wäldern und fürchterlichen Bezauberungen, in welchen mehr Sinn ist, als Menschenohr vernehmen kann.

Thus night oft see me in thy pale carreer,
Till civil suited morn appear,
Not trickt and frounct as she was wont,
With the Attic boy to hunt,
But kercheft in a comely cloud,
While rocking winds are piping loud,
Or usher'd with a shower still,
When the gust hath blown his fill,
Ending on the rußling leaves,
With minute drops from off the eaves.
And when the sun begins to fling
His flaring beams, me Goddeß bring
To arched walks of twilight groves,
And shadows brown that Sylvan loves
Of pine, or monumental oak,
Where the rude ax with heaved stroke,
Was never heard the Nymphs to daunt,
Or fright them from their hallow'd haunt.
There in close covert by some brook,
Where no profaner eye may look,
Hide me from day's garish eye,
While the bee with honied thigh,
That at her flow'ry work doth sing,
And the waters murmuring
With such consort as they keep,
Entice the dewy-feather'd sleep;
And let some strange misterious dream
Wave at his wings in airy stream
Of lively portraiture display'd,
Softly on my eye-lids laid.
And as I wake, sweet music breath
Above, about, or underneath,
Sent by some Spirit to mortals good,
Or th' unseen Genius of the wood.
But let my due feet never fail
To wake the studious cloisters pale,
And love the high embowed roof,
With antic pillars massy proof,
And storried Windows richly dight,
Casting a dim religious light.
There let the pealing organ blow,
To the full voic'd quire below,
In Service high, and anthems clear,
As may with sweetneß, through mine ear,
Dissolve me into extasies,
And bring all heav'n before mine eyes.
And may at last my weary age
Find out the peaceful hermitage,
The hairy gown and mossy cell,
Where I may sit and rightly spell
Of every star that Heav'n doth shew,
And every herb that sips the dew;
Till old experience do attain
To something like prophetic strain.
These pleasures, Melancoly, give,
And I with thee will choose to live.

So soll Nacht oft mich sehen in ihrem bleichen Schimmer, bis die geselliger bekleidete Aurora erscheine, aber nicht geschmückt und geziert, wie sie gewöhnt war zu jagen mit dem attischen Knaben; sondern eingewickelt in einer bescheidenen Wolke, während daß die erschütternde Winde laut pfeifen, oder eingeführt mit stillem Regen, wenn der Sturm aufgehört hat zu sausen, sich endigt auf säuselnden Blättern und mit minutenweise von Dächern fallenden Tropfen. Und wenn die Sonne hervor zu brechen beginnt mit ihren blendenden Stralen, dann, Göttin bringe mich zum gebogten Gange eines dämmernden Hayns, und zu einem vom Sylvan geliebten braunen Schatten der Fichte, oder der bejahrten zum Denkmal dienenden Eiche, wo die rauhe Axt mit ihrem gehobnen Schlag nie gehört ward zu schrecken die Nymphen und sie zu verscheuchen vom heiligen gewohnten Plaz. Dort in einem bedeckten Gebüsche, bei irgend einem Bache, wo kein ungeweihtes Auge hin zu sehen vermag, verbirg mich für den blendenden Blicken des Tages, während daß die honigbeladene Biene bei ihrer blumigten Arbeit sumset, und die murmelnde Gewässer durch ihr zusammenstimmendes Geräusch locken den thaubefiederten Schlaf, vor dessen Flügeln sich ausbreite irgend ein sonderbarer geheimnisvoller Traum in einem luftigen Strohme lebend dargestellter und auf meinen Augenliedern sanft liegender Bilder. Und wenn ich erwache, so möge ich sanfte Musik athmen ober, neben und unter mir, gesandt von irgend einem menschenfreundlichen Geist, oder dem ungesehenen Genius des Waldes. Aber, daß meine daran gewöhnten Füße nie fehlen zu wallen in bleichen zur Betrachtung einladenden Klöstern, und besuchen die hohe gebogte Gewölbe mit starken gehäuften gothischen Pfeilern, und bei geschichtvollen reich gezierten Fenstern, hereinwerfend ein sparsames feierliches Licht. Dort lasse die wiederhallende Orgel herabschallen zum vollstimmigen Chor im hohen Amt oder helltönendem Choral; auf daß die Harmonie mich durch mein Ohr auflöse in Entzückung, und den ganzen Himmel vor meine Augen bringe. Und endlich möge mein ermüdetes Alter finden eine friedvolle Einsiedelei, eine härne Kutte und bemoste Zelle, wo ich sitzen kann, und genau ausspähen jeden Stern, den der Himmel sehen läßt, und jedes thausaugende Kraut; bis daß alte Erfahrung gelange zu etwas, weissagender Kraft ähnliches. Solche Vergnügungen gieb mir, o Melancholie! und mit dir will ich dann leben.


Otto Heinrich von Gemmingen, der Dichter des »Deutschen Hausvaters«, übersetzte Miltons »Allegro« und »Penseroso« als Abschiedsgruß für seine Freunde, als er Mannheim verließ, um nach Wien zu gehen. Ferdinand Kobell schmückte den Druck mit dem Titelkupfer und acht Vignetten (vergl. Etienne, Baron de Stengel, Catalogue raisonné des estampes de Ferdinand Kobell, Nuremberg 1822, S. 59-64). Die Radierungen wurden unter der Leitung von Professor Fritz Götz in der Leipziger Akademie für Buchgewerbe und Graphik nachgebildet und von C. G. Naumann in Leipzig im Offset-Verfahren wiedergegeben. Poeschel & Trepte in Leipzig besorgten den Neudruck für die Mitglieder der Gesellschaft der Bibliophilen im Jahre 1921

 


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