Fritz Mauthner
Nach berühmten Mustern
Fritz Mauthner

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Die folgenden Skizzen verdanken einer vielleicht allzu gründlichen Vertiefung in die Meisterwerke unserer großen Dichter ihr Entstehen. Es war Neckerei aus Liebe. Es ist ein häufiger Fluch, der auch Männer zwingt, wie in den Kinderjahren das Spielzeug auseinander zu nehmen, damit sie erfahren, wie es inwendig aussieht. Mit welcher Begeisterung hat der Verfasser z. B. Gustav Freytag's herrliche »Ahnen« gelesen. Aber je weiter ich im Texte gelangte, desto deutlicher lugte zwischen den Zeilen ein kleiner Kobold hervor. Erst bannte er mich bei Stellen von hervorragender Schönheit und erklärte mir ernsthaft die Griffe und Kniffe der Technik, durch welche der Meister mich hier erschüttert, dort erheitert hatte, dann führte er mich mit heuchlerischer Andacht in des Dichters Arbeitszimmer, ließ mich dort das Handwerkszeug desselben betrachten und versuchen, und als ich mich von dem Muthwillen des Kindes endlich hatte verleiten lassen, auf dem Sorgenstuhl Platz zu nehmen und die ehrwürdige Autographenfeder zu ergreifen, da setzte sich der Kobold auf's Tintenfaß, schnitt mir Gesichter und machte sich über den Hausherrn lustig.

Die ersten Nummern dieser kleinen Sammlung wurden im »Deutschen Montagsblatt« unter der freundlichen Pathenschaft von Arthur Levysohn gedruckt. Vom Redakteur und von den Lesern ermuntert, fortzufahren, ließ ich mich verleiten, auch Art und Weise von Schriftstellern nachzuahmen, die trotz einiger Berühmtheit nur den Anspruch erheben konnten, abschreckende Muster zu sein. So kam es, daß einzelne Autoren in dieser Sammlung Aufnahme fanden, deren Berühmtheit selbst zur Zeit ihrer Blüthe stark angezweifelt werden kann und nach wenigen Jahren sicherlich vergessen sein wird. So konnte neben dem tiefen Berthold Auerbach, dessen Name nicht nur der alphabetischen Ordnung zu Liebe an erster Stelle steht, mancher Unwürdige Platz finden.

Es wäre mir eine besondere Ehre, wenn sich auch die Kritik mit meinem Büchlein beschäftigen wollte, das ja selbst wieder eine Art exemplarischer Kritik ist. Solchen Richtern, die keine überraschenden Federwendungen lieben, erlaube ich mir folgende Sätze zum Anfang ihrer Besprechungen zu empfehlen. »Wenn die Könige bau'n, haben die Kärrner zu thun.« – »Die Periode der literarischen Rücksichtslosigkeiten hat schon wieder einmal u. s. w.« –

Soll ich meine berühmten Muster wegen der Freiheit, die ich genommen, um Entschuldigung bitten? Oder soll ich mir für die Anerkennung ihres Ruhmes ihren Dank votiren lassen? Hätte ich sie vor der Veröffentlichung um ihre Meinung fragen sollen? Nach meinen bisherigen Erfahrungen wäre die Publikation jeder einzelnen dieser zehn Parodien mit neun Stimmen gegen eine gebilligt worden.

Ein berühmter Schriftsteller, den ich darüber befragte, ob die Empfindlichkeit seiner Collegen nicht zu schonen wäre, antwortete mit warm hervorbrechender Herzlichkeit. »Liebster Freund, ich bin nicht empfindlich!« –

Und somit sei dies Schriftchen den bisherigen und den neuen Lesern auf's Herzlichste empfohlen. Wenn einige Freunde sich unter ihnen finden sollten, welche meinen Scherz ernsthafter nehmen und hinter dem harmlosen Spott Spuren eines Kampfes gegen dunkle Schatten unserer literarischen Republik vermuthen, so haben sie es sich allein zuzuschreiben.

 

Berlin, im November 1878.

F. M.



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