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Personen

Leda d'Ambre

Fanny O'Brixor

Fred O'Brixor

Dr. Georg Zelter

Direktor Fein

Schmidhans jun.

Spielt bei Leda d'Ambre.

 

Erste Szene

Leda. Zelter. Fred.

Leda: Er hat mich die Treppe herunterkommen gesehen.

Fred am Klavier: Dem Portier hat er geantwortet, er soll ihn in Ruhe lassen, er brauche keine Frau mehr.

Leda: Es wäre traurig, wenn nicht innerhalb der nächsten halben Stunde der Direktor Fein in die Tür dort träte – nachdem er mich hat die Treppe herunterkommen gesehen.

Zelter auf der Ottomane: Die Ledi ist einzig.

Leda: Das hoffe ich in deinem Interesse. Wenn du mich verlierst – solche Frau findest du nicht wieder.

Zelter: Immerhin, jetzt hab ich eine gesehen, in deinem Genre, aber vervollkommnet.

Leda: Frechheit. Als ob ich nicht vollkommen wäre. Über ihn geneigt, weich: Wie dieser Mann mich liebt!

Zelter den Arm um sie: Immer noch etwas weniger als du mich. So riskiert man nichts.

Leda: Woher weißt du überhaupt, daß ich dich liebe.

Zelter: Eine Frau, die ein Auto gehabt hat: und ich habe sie zu der Erkenntnis gebracht, daß auch in einem gemieteten Einspänner das Glück wohnen kann.

Leda: Du glaubst?

Fred: So sieht die Ledi aus.

Leda: Du? Mach schon und spiel. Du hast nicht zu reden, sondern zu spielen. Du bist nichts als mein Kapellmeister.

Zelter: Ich hoffe es – obwohl ich keineswegs sicher bin.

Leda: Was soll das heißen. Du bist toll! Wenn du mir das noch einmal sagst, ist alles aus, verstehst du? Sieh dir den Menschen doch an. Fred, steht auf! Die Beine! Er hat so gar nichts Zynisches im Gesicht, harmlos wie ein Idiot. Nein, für solchen Mann kann ich nur Freundschaft fühlen. Sie lehnt sich, auf der Ottomane, an Zelter. Beide betrachten den Rücken Freds, der über der Klaviatur liegt und spielt.

Zelter: Das ist aus der Pantomime? Wenn der Direktor Fein das hört, ist der Fred gemacht.

Leda: Er kann eminent viel, sage ich dir. Ich muß es wissen, ich war fünf Jahre am Konservatorium.

Zelter: Seine Musik kann ich zwei Stunden lang anhören; aber als Mensch ist er unzuverlässig wie ein Weib. Er opfert dir seine Frau.

Leda: Von solchen Dingen, lieber Schorschi, verstehst du nichts. Merke dir, daß ich ihn brauche und er mich. Wie wir zusammen arbeiten: unerhört. Zusammen werden wir's weit bringen. Du weißt wohl nicht, daß die Carina und der René jährlich jeder 30 000 Mark auf die Bank legen?

Zelter: Das wird dir niemals passieren, Ledi. Ich kenne deine Veranlagung, sie ist nicht wirtschaftlich genug.

Leda: Ich bin zu allem veranlagt ... Wenn ich dabeisitze und ihn inspiriere, entstehen seine glänzendsten Sachen. Fred, wer hat die Barmaid erfunden, du oder ich? Bist du taub? Willst du aufhören zu spielen?

Fred weiterspielend: Ich bin nur dazu da, wie du weißt.

 

Zweite Szene

Die Vorigen. Fanny (spricht mit fremdem Akzent).

Fanny stürzt herein und zu Fred hin: Mein Bubi! Du arbeitest zu viel. Du machst dich noch krank. Oh! er raucht schon wieder.

Sie will ihm die Zigarette aus dem Mund nehmen. Er hält sie fest und spielt immer weiter.

Leda springt auf: Fred! Die Zigarette.

Er reicht sie ihr, indes er mit der andern Hand weiterspielt. Leda steckt sie in den Mund; sie mustert Fanny. Zelter kommt herbei, nimmt Leda behutsam die Zigarette weg und wirft sie fort.

Fanny streichelt Leda den Arm. Demütig: Leda, ich habe dich auch lieb, sei gut, gib mir meinen Mann wieder! Siehst du nicht, er ist so blaß.

Leda: Was kann ich dafür. Laß ihn nachts schlafen! Oh! Die Frau geht mir auf die Nerven.

Fred abbrechend: Schmeiß sie doch hinaus!

Zelter: Ledi, du würdest mich zu Dank verpflichten, wenn du alle beide in ihr Zimmer hinüberschicken wolltest.

Leda: So? Und wer singt dem Direktor Fein vor, wenn er kommt? Ich brauche meinen Kapellmeister. Dich brauche ich weniger in diesem Augenblick. Wie wär's, wenn du dich der Fanny annähmst? ... Fred! Die Barmaid.

Er präludiert. Sie singt, mit amerikanischem Akzent:

Sie war eine Barmaid mit goldenem Haar
Und manikürte sich täglich.
Doch weil ihr Schicksal die Liebe war,
So endete sie kläglich.

Inzwischen:

Fanny: Wir werden betrogen.

Zelter: Ich fürchte es.

Fanny: Sie soll mir meinen Mann wiedergeben, oder ich bringe mich um. Fällt auf die Ottomane.

Leda wendet sich um: Sie will schon wieder Gift nehmen? Es ist ihr glänzend bekommen das vorigemal. Sie singt:

Ein Graf sog Moccacobbler durch einen Halm
Und sah ihr dabei –

Fred: Falsch! Immer wieder das Es.

Leda: Also ich wünsche hier ein Es.

Fred: Bedaure, es wäre musikalisch falsch.

Leda: Wenn ich es singe, ist es richtig.

Fred: Ich kann nicht wegen einer Laune von dir meine Musik verhunzen.

Leda: Als ob du das noch nötig hättest. Das ganze Chanson ist katastrophal. Sie zerbricht sich an dem Wort die Zunge. Zu Zelter und Fanny: Und früher hat er Symphonien geschrieben. Wie ein Mensch herunterkommen kann!

Fred dreht sich um. Mit hoher Stimme: Durch dich.

Fanny: Mein Gott, was ist los. Reg dich nicht auf! Tut sie dir etwas? Mein armer Bubi!

Zelter: Die Texte, finde ich, sollten Sie nicht schreiben lassen.

Leda: Siehst du? Das sagt dir Schorschi Zelter, ein anerkannter Kenner. Ich habe immer recht, jetzt siehst du's. Leg der Musik einen andern Text unter.

Fred: Ich werde mich beherrschen. Was wollt eigentlich ihr beide? Wer ist hier der musikalische Leiter?

Leda: Du nicht. Du bist nur der talentloseste Notenschmierer, der mir begegnet ist.

Fred springt auf: Ich habe genug. Das wirst du zurücknehmen.

Fanny fliegt auf ihn zu: Komm fort! Sie bringt dich noch um.

Leda: Ich zurücknehmen? Ich denke nicht daran. Alles was du bist, verdankst du mir. Nimm dich in acht, daß ich dich nicht fallen lasse.

Fred: Du mich? Ein Jahr bevor ich dich kennenlernte, haben meine Chansons mir zwanzigtausend Kronen getragen. Du hattest damals noch nichts geleistet, als deinem Mann davonzulaufen.

Leda: Woher dein Geld kam, wollen wir nicht untersuchen. Ich habe darin meine Erfahrungen.

Zelter peinlich berührt: Liebe Ledi, willst du nicht für den Direktor Fein das blaue Kleid anziehen?

Fanny an Freds Arm: Komm!

Fred die Lider schließend und öffnend, leise, mit drohendem Flehen: Ledi!

Leda: Willst du das Es setzen? Aber ich mach dich aufmerksam, daß deine Musik trotzdem ein Schmarrn bleibt.

Fred schlägt den Klavierdeckel zu: Also die Sache hat sich gehoben. Wir sind fertig. Sieh selbst zu, wie du den Direktor Fein herbekommst. Stürzt hinaus.

Fanny hinterher: Bubi! Und er hat einen Herzfehler!

Leda ruft ihm nach: Ich werde ihn von dir grüßen, mein Gold.

 

Dritte Szene

Leda. Zelter.

Leda: So ein Idiot! Wetten wir hundert Mark: bevor die Uhr vier schlägt, ist er wieder da.

Zelter: Du solltest ihn nicht mehr hereinlassen. Er beherrscht sich noch weniger als du, du hast keine Stütze an ihm.

Leda: Das eine muß man ihm lassen, er will, daß etwas aus mir wird. Ihr andern wollt euch amüsieren.

Zelter: Schau, Ledi, das ist nicht hübsch. Habe ich nichts für dich getan?

Leda: Dafür lebe ich schon länger mit dir als mit meinem Mann. Das bunte Theater ist doch nur eine Katastrophe. Und du bist nicht ein einziges Mal drin gewesen.

Zelter: Aber bitte, ich kann nicht dabei sein, wenn eine Frau, die mir gehört, in einer solchen Bude auftritt. Lieber als mir das nachsagen zu lassen, bin ich auf Reisen gegangen.

Leda mit einem Blick: Du hast Charakter, damit imponierst du mir. Sonst wäre es auch ein Rätsel, weshalb ich dich in der ganzen Zeit noch nicht betrogen habe.

Zelter: Oh! Was das betrifft –

Leda: Also ich schwöre dir. Bedenke, daß ich meinen Mann in dem einzigen Jahr –

Zelter: Dein Mann machte dir's bequem.

Leda: Prahle nicht, Schorschi. Auch du hast nicht verhindert, als wir das erstemal auseinander waren, daß ich nach Paris ging und mich fünf Wochen lang von Grund aus amüsiert habe. Dann meinetwegen, wieder brav sein und den Schorschi lieben.

Zelter: Was du in Paris tust, ist deine Sache. Nur hier, bitte, halte auf Ordnung. Das mit dem Fred –

Leda: Also ich schwöre dir –. Ich weiß ja, daß du auf meine Schwüre nichts gibst.

Zelter: Im Gegenteil, ich bilde mir ein, in der Zeit unseres Zusammenlebens dir die Heiligkeit des Schwures wieder ein wenig näher gebracht zu haben.

Leda: Wie dieser Mann mir imponiert, es ist eine Schande. Zieht ihn zu sich auf die Ottomane. Zärtlich: Sage mir nur, Schorschi, warum erlaubst du mir, daß ich den Direktor Fein kommen lasse. Wenn etwas mit ihm zustande kommt, dann bringt er mich natürlich auswärts an, auf wer weiß wie lange. Dann hat sich's wieder einmal ausgeschorschelt.

Zelter: Ich fürchte, liebe Ledi, daß du etwas Neues vorhast, ich weiß noch nicht was. Aber mein Prinzip in solchem Fall ist –

Leda: Ja, du hast Prinzipien. Schiebt ihn fort, richtet sich auf. Die Brauen gefaltet: Das fehlt mir. Will ich eigentlich berühmt werden? Als Künstlerin? Vielleicht als Freundin eines Milliardärs?

Zelter spielt mit ihrem Fuß: Im Grunde deines Herzens, Ledi, bist du einfach ein Weiberl.

Leda: Du hast mir's fast schon eingeredet. Dabei ist doch in Berlin der Prinz Opolski meinetwegen unter Kuratel gestellt worden. Steht auf, sie streckt den Arm aus. Wenn ich in meinem eigenen Auto nach Venedig in Wien fuhr: an jedem Baum war mein Bild, und von allen Seiten flogen mir Blumen zu. Du hast mir nahezu das Kokettieren abgewöhnt.

Zelter: Mit viel Geduld und nicht wenig Psychologie.

Leda: Und das jetzt, wo es zu Ende geht.

Zelter: Es würde mich tief schmerzen.

Leda: Kann sein, daß jetzt eine Zeit kommt, wo ich wieder einmal mit Geld umherwerfen werde. Dazu bist du nicht der Richtige.

Zelter: Du hast einen Geschäftsmann zum Freund; da ist das Geld nicht in jedem Augenblick flüssig zu machen.

Leda: Aber achthundert Mark wirst du demnächst aus deinen Geschäften herausziehen müssen, denn Schmidhans schreibt nichts auf, und das Voilekleid muß ich haben.

Zelter: Das Voilekleid hat eine zu reiche Metallstickerei, es ist viel zu auffallend.

Leda: Lieber Schorschi, erstens ist es todschick, laß dir das gesagt sein. Sodann mach ich dich aufmerksam, daß höchstwahrscheinlich unsere Zukunft davon abhängt, ob ich es bekomme.

Zelter: Eine Zukunft, die von einem Voilekleid abhängt, ist an zu Zerreißliches gebunden.

Leda: Meinetwegen ... Du wirst mir zugeben, daß auch ich einiges für dich getan habe. Ich gehe schon so einfach, als ob ich deine Frau wäre. Kaum daß ich mich ohne dich noch sehen lasse, ich nehme Rücksichten links und rechts. Immer heißt es: Ledi, du mußt Rücksichten nehmen, als ob wir verheiratet wären. Aber sage mir gefälligst, ob du eine richtiggehende Ehefrau mit 150 Mark zurücklassen würdest und auf Reisen gehen. Meinst du denn, ich habe Lust, mir mein Leben lang täglich zwanzig Mark in die Hand drücken zu lassen? Du weißt wohl, was mancher mir bieten würde. Bei dir bin ich wahrhaftig nicht aus Berechnung. Aber wenn ein Mann das Glück hat, eine solche Frau zu haben wie mich –: genug, das Voilekleid ist meine Bedingung.

Zelter: Liebe Ledi, du hast dich aufgeregt, du bist wunderschön. Küßt ihr die Hand. Wie deine Hand gut duftet. Was das Voilekleid angeht, sollst du es haben. Aber auch ich stelle meine Bedingung: du brichst mit dem Fred.

Leda tritt zurück: Ausgeschlossen. Du kannst von mir verlangen, was du willst, aber meine Kunst ist mir heilig.

Zelter: Dann mache ich dich für die Folgen verantwortlich.

Leda: Auch gut. Ein Glück, daß der Direktor Fein kommt. Bald wird die Sache sich gehoben haben.

Zelter: Würde der Fred sagen.

Leda: Weißt du, daß du dir sehr schadest? Zum erstenmal finde ich dich dumm. Eifersüchtig auf Fred! Lacht hell. Ein Mann, der so heruntergekommen ist, daß nur noch Knochengerüste ihn reizen. Was willst du denn? Er hat doch eine Frau, und sie ist sein Typ.

Zelter von ihr fort: Eben die Frau ist das Peinlichste. Ich mag nicht länger mit ansehen, wie ihr die Frau behandelt.

Leda: Das ist eine Beleidigung. Dann liebst du nicht mehr mich, sondern die Fanny.

Zelter: Nein, aber ich halte auf Anstand. Für Szenen wie die von vorhin fehlt mir das Verständnis.

Es klopft. Er sieht nach der Tür.

Leda: Es gibt eben noch andere Welten als deine, lieber Schorschi.

Zelter: Du hast die Wahl, zu welcher du gehören willst.

Leda: Gott sei Dank.

 

Vierte Szene

Die Vorigen. Fred. Direktor Fein.

Fred schiebt den Direktor Fein durch die Tür: Ledi, du erlaubst, daß ich dir Herrn Direktor Fein vorstelle. Madame Leda d'Ambre. Herr Doktor Zelter.

Fein: Ganz meinerseits.

Pause. Leda sieht Zelter an.

Leda: Also, Herr Direktor, ich zeige Ihnen gleich mein Album.

Fred: Ich habe dem Direktor schon von meinem Mimodrama gesprochen; er ist ganz einverstanden.

Leda schlägt das Album auf: Sie sehen, Hansa-Theater, Wintergarten: alles da. Hier bin ich mit meinem Auto. In dem Hut habe ich in Wien den Schönheitspreis gewonnen; die Federn haben 400 Kronen gekostet.

Fein: Ich habe Ihr Genre sofort erkannt, Fräulein. Ich mache nur erstklassige Sachen. Sie wissen wohl, mir gehört der Operetten-Einakter »Die fesche Comteß«, der jetzt in allen Varietés das Haus voll macht.

Zelter: Frau d'Ambre ist so erstklassig wie möglich. Ich bin Kenner.

Fein setzt sich in einen Sessel, über dem ein Bademantel liegt: Der Name des Herrn Doktors ist mir auf das günstigste bekannt. Ich weiß, daß ein Wort von Ihnen an den Direktor Hugl genügt hat, um die Olga Petroff mit ihrer Truppe beim Edentheater anzubringen. Sie hat es mir selbst gesagt. Verbeugt sich in seinem Sessel.

Leda: Ja sehen Sie, Herr Direktor, und für mich will er nichts tun. Wenn ich hier in der Stadt auftrete, reist er ab. Können Sie sich solche Eifersucht vorstellen?

Fein: Bei Ihnen, Fräulein, mühelos.

Fred unruhig: In meinem Mimodrama ist das Apachenmotiv auf glänzend neue Art verwertet. Die schöne Frau –

Leda: Sei so gut und laß dein Mimodrama. Wir wollen Tee trinken. Also ich gefalle Ihnen? Kein Wunder, ich habe noch jedes Publikum rasend gemacht. Geht zur Klingel, dann an die Tür, ruft hinaus: Miß, den Tee.

Fein zu Zelter: Ihr Gang verspricht viel.

Zelter: Sie hält alles.

Leda bereitet selbst den Tee: Auf der Bühne wirke ich schlanker.

Fein: Nicht nötig, Fräulein. Ich reflektiere für Sie nur auf allererste Bühnen. Magerkeit ist eine Spezialität.

Fred: Aber ich bitte, mit dem Mimodrama verfolgen wir hochkünstlerische Absichten.

Leda stößt ihn in die Seite, leise: Fred, arbeite nicht gegen mich, oder du erlebst etwas.

Zelter bringt Flasche und Gläser: Nehmen Sie inzwischen einen Kognak, Herr Direktor?

Fein: Danke verbindlichst ... Haben Sie in der Pantomime zu tanzen, Fräulein?

Fred rasch: Die gnädige Frau tanzt zweimal: zuerst vor ihrem Liebhaber, als –

Leda: Schlag dem Direktor die Kritik von Chemnitz auf. Sie werden sehen, was für ein himmelschreiender Erfolg.

Fred: Da ist sie. Liest aus dem Album vor, indes Leda den Tee eingießt: Der Gerichtsvollzieher im Zentral-Theater. Gestern nachmittag erschien der von allen Menschen so gefürchtete Mann mit der blauen Mütze und wies einen Pfändungsauftrag vor, kraft dessen die Fürstin Krika einige ihr gehörige Dekorationsstücke, die zur Aufführung des mythologischen Sketches dienten, reklamierte. Die vom Publikum abgelehnte Fürstin glaubte auf diese Weise jedenfalls die Aufführung der Schaunummer stören zu können. Aber sie täuscht sich. Miß Leda d'Ambre, der neue, viel schönere Star, wird sich einstweilen mit anderen Dekorationen behelfen, bis die Direktion die entsprechenden Ersatzteile beschafft haben wird.

Leda: Großartig, wie? Die Fürstin Krika hat sich krank geärgert.

Fein: Wenn ich der Direktor gewesen wäre, würde sie gestorben sein.

Leda zu Fred: Zeig ihm auch Budapest. Dort flog der Direktor auf mich, ich konnte machen, was ich wollte.

Fein: Sehen Sie, Fräulein, das ist schon faul. Ein Direktor darf nie auf sein Mitglied fliegen.

Zelter: Ein sehr gesundes Prinzip.

Fein: Unter so etwas leidet das Geschäft. Wir brauchen Autorität. Ich erlaube zum Beispiel meinen Damen niemals, sich für die Straße zu schminken.

Leda erschrocken: Oh!

Fein: Ein so hübsches Gesicht wie Ihres, Fräulein, hätte doch das nicht nötig.

Zelter: Da kommst du in die rechten Hände, Ledi. Aus dieser Frau, Herr Direktor, ist alles zu machen, wenn es gelingt, ihr Disziplin beizubringen.

Leda: Da es dir nicht gelungen ist –

Fred: Mir gehorcht sie.

Leda: So siehst du aus.

Fein nimmt von Zelter eine Zigarette, lehnt sich zurück: Dabei bin ich noch heute kein Frauenverächter; und die außergeschäftlichen Beziehungen meiner Mitglieder gehn mich nichts an. Es ist sogar erstaunlich, was für ein Glück meine Damen in der Liebe haben. Ich schmeichle mir, daß meine strengen Grundsätze ihnen dabei zustatten kommen.

Leda: Wohin werden Sie mich bringen? Garantieren Sie mir kontraktlich einen Milliardär?

Zelter: Ledi!

Fein: Ihnen – kann geschehen. Ich habe üppige Blonde gehabt, die Ihnen nicht das Wasser reichten; aber in Südamerika wurden sie reich.

Leda: Also ich will sofort nach Südamerika.

Zelter: An einem Übermaß von Takt gehst du nicht zugrunde, Ledi.

Fred ist aufgesprungen und rennt umher. Hohl und angestrengt: Entweder sind wir hier, um über ein künstlerisches Unternehmen zu beraten, oder ich bin überflüssig.

Fein: In Ihrer Pantomime tanzt das Fräulein, sagen Sie?

Fred: Die gnädige Frau tanzt zweimal, zuerst vor ihrem Liebhaber, als der Gatte abgereist ist, dann vor dem Apachen. Ledi, zeigen wir's dem Direktor!

Fein: Ich bitte.

Leda: Meinetwegen. Ich soll heute abend spielen, aber der Gauner vom Bunten Theater hat mich die längste Zeit schikaniert, ich telefoniere ihm einfach ab.

Fein: Heute abend noch? Was tut der Mann?

Leda: Seine Sache. Fred, der Tisch muß aus dem Wege.

Rechts ab. Fred schiebt die Möbel beiseite.

Zelter zu Fein: Nicht, daß ich gegen ein Engagement nach Südamerika etwas einzuwenden hätte.

Fein: So weit fort: das muß Sie schmerzen, Herr Doktor.

Zelter: Ich würde mir ein Gewissen daraus machen, der künstlerischen Zukunft der Frau d'Ambre im Wege zu sein.

Fein: Ich verstehe.

Leda in einem Schal: Also los. Mimt: Große Liebesszene. Ich verführe meinen Freund. Fred, das Motiv.

Fred gibt es an: Dies ist die Verführung. Sie tanzt in einer berauschenden Matinee.

Leda: Laß! Jetzt sehen wir an der Terrassentür, unter dem Vorhang ein Paar Füße. Mimt; erschrickt vor den Füßen Feins, die unter dem Bademantel hervorsehen.

Fred spielt: Das Angstmotiv.

Fein: Wie oft kleidet das Fräulein sich um in der Pantomime?

Fred: Gar nicht. Aber sie zieht sich aus, warten Sie nur.

Leda: Ich habe mehr Mut als mein Geliebter, ich reiße den Vorhang weg.

Fred schlägt wild an: Da steht der Apache, das Messer in den Zähnen. Er hat eine scheußliche Maske vor dem Gesicht. Er beraubt die Frau ihres Schmuckes. Stürzt sich auf Ledas Handgelenke.

Leda: Au. Du kannst das nicht. Stampft auf. Spiel doch!

Fred am Klavier, indes Leda mimt: Dann muß sie zusehen, wie er ihren Geliebten, der den Kopf verloren hat, mit dem Revolver durch das Zimmer jagt. Der Geliebte flieht in den Garten, der Apache schickt ihm einen Schuß nach. Mit der Frau allein, zwingt er sie, sich zu entkleiden. Als sie nur noch einen Schleier anhat, verlangt er – stößt den Finger gebieterisch nach unten –, daß sie vor ihm tanzt. Jetzt kommt der zweite Tanz.

Während Fred spielt und Leda Tanzschritte macht.

Zelter zu Fein: Sie finden es wohl nicht genügend begründet, daß ein schlichter Einbrecher von einer Dame gerade einen Tanz verlangt und daß sie unter ihrer Wäsche schon den nötigen Schleier trägt?

Fein: Warum sollen die Leute nicht? Die Kunst hat doch ihre eigenen Gesetze, und einer solchen Frau erlaubt das Publikum mit Recht jeden Blödsinn. Übrigens hat sie sogar Talent.

Zelter: Ich sage Ihnen, sie gibt Möglichkeiten, größer als die, die manches Genie erfüllt hat.

Fred indes Leda mimt: Das Scheusal erobert die Frau mit seiner Energie; eine grauenvolle Sinnlichkeit befällt sie. Das Motiv der grauenvollen Sinnlichkeit. Da reißt er die Maske ab; es ist ihr Gatte. Ein wildes Gewirr von Gefühlen tobt in ihr. Das wilde Gewirr. Jetzt ringt sich Verachtung heraus: so; und Haß: so.

Leda: Also ich zwinge ihn, meinen Geliebten, der einen Schuß gekriegt hat, hereinzutragen und auf den Diwan zu legen. Ich werfe mich über ihn. Mimt: Meinem Gatten weise ich die Tür. Triumph der Liebe. Fred!

Fred spielt triumphierend.

Leda bricht ab: Wie soll man sich bewegen hier im Zimmer. Aber Sie sehen, ich bin in der Sache glänzend.

Fein: Die Musik ist nicht übel.

Leda: Sie können sich beglückwünschen, wenn Sie ihn als musikalischen Leiter gewinnen. Er schreibt mir alles auf den Leib. Wenn er komponiert, bin ich Künstlerin. Heute erst habe ich in eins seiner Chansons ein Es hineingebracht, und es ist nicht wiederzuerkennen.

Fred: Die Frau ist unheimlich musikalisch.

Leda: Eine Operette von ihm kommt nächste Saison am Karltheater heraus. Am Tage der Premiere kriegt er kontraktlich 50 000 Kronen, und mir gibt er die Hälfte.

Fred: Also, lieber Direktor, wenn Sie wollen, in vierzehn Tagen steht das Mimodrama.

Fein: Schade, Fräulein, daß Ihre Stimme nicht zur Geltung kommt. Sie haben Reiz in der Stimme.

Leda: Kann man nicht etwas einlegen? Fred, eine Idee: Wir legen die Barmaid ein.

Fred: Ausgeschlossen.

Zelter: Ledi, in einer Pantomime wird nicht gesungen.

Leda: Wenn ich es will? Ich sehe gar nicht ein; der Apache kann ebensogut verlangen, daß ich singe. Das ist der Trick, der uns noch fehlte, Fred. Jetzt werden die Leute darauffliegen. Du schreibst sofort die Barmaid hinein.

Fred: Das werd ich mir überlegen. Ich mache mich nicht gern lächerlich. Überdies kann ich mit der Barmaid beim Kabarett Tausende von Kronen verdienen.

Leda: Fred, wenn ich dir sage, die Barmaid wird eingelegt.

Fred: Geh, Ledi, sei vernünftig.

Leda halblaut: Zum letztenmal, arbeite nicht gegen mich, oder es ist alles aus.

Fred beugt den Rücken und präludiert.

Leda: Ah! Das ist mein Leben.

Zelter zu Fein: Seine Musik ist geistreich und trotzdem sinnlich.

Fein deutet auf Fred: Sagen Sie, was ist das für ein Mensch?

Zelter: Früherer österreichischer Kavallerie-Offizier, Doktor der Philosophie, hätte das Zeug zu einem Musiker von Rang; aber die Liebe, wissen Sie.

Fein: Das dürfte nicht vorkommen ... Und jetzt hängt er hier.

Zelter: Mit der Leda, das ist eine Künstlerfreundschaft. Er hat einen vorzüglichen Einfluß auf sie. Ich habe sie früher gekannt, sie konnte nicht die Hälfte.

Fein: Herr Doktor verzeihn, aber Sie sind nicht beim Geschäft.

Leda singt:

Sie war eine Barmaid mit goldendem Haar
Und manikürte sich täglich.
Doch weil ihr Schicksal die Liebe war,
So endete sie kläglich.

Inzwischen:

Fein: Mimik, bitte, Fräulein.

Zelter zu Fein: Ich bürge Ihnen, Herr Direktor, für die Idealität des Verhältnisses.

Fein legt ihm die Hand auf die Schulter: Werter Herr Doktor, ein alter Fuchs wie ich. Sie wollen die Frau los sein.

Zelter: Ich versichere Ihnen, Sie irren sich. Ich opfere mein persönliches Interesse ihrer Zukunft als Künstlerin.

Fein: Wenn ich die Sache mache, tue ich's, um Ihnen gefällig zu sein. Ich brauche keine Dame; und das Fräulein ist schön, aber gefährlich fürs Geschäft.

Leda singt mit Mimik:

Ein Graf sog Moccacobbler durch einen Halm
Und sah ihr dabei –

 

Fünfte Szene

Die Vorigen. Fanny. Fanny flattert herein, sie fällt Fred in den Arm, er bricht ab.

Fanny: Endlich, da bist du. Seit einer Stunde suche ich dich, im Café, im Theater, überall. Du warst nicht auf der Probe.

Leda: Du störst uns. Laß uns gefälligst in Ruh!

Fanny: Er muß doch ins Theater.

Fred: Das Theater liegt mir auf.

Fanny: Was ist denn? Sieht angstvoll von einem zum andern, erblickt Fein. Aufschreiend: Ach! ich verstehe. Du willst mit ihr durchgehen. Mir ahnte es. An Freds Schulter geklammert: Es ist nicht wahr, Fred. Sag, es ist nicht wahr!

Leda stampft: Sag ihr, sie soll gehen.

Fred schreit: Raus!

Fanny fliegt zu Zelter: Sagen doch Sie mir die Wahrheit! Stürzt auf Leda zu: Leda, du bist herzlos. Du gehst mit meinem Mann durch. Ich habe dich nie ausstehen können.

Leda: Diese Falschheit! Erst heute hat sie mir geschworen, daß sie mich liebt.

Fanny umklammert Fred: Hör zu, Fred. Es ist nicht möglich, du liebst die Frau nicht, ich kann es nicht glauben. Da er sie fortstößt: Ach! du liebst sie.

Fein zu Leda: Eine Familienszene?

Leda: Noch nie habe ich eine solche Gemeinheit gesehen. Sie will mich in meiner Karriere hindern.

Fein: Solche Sachen gefallen mir nicht. Ich bin für Ordnung und Solidität.

Fanny die Hände gerungen, zu Zelter: Herr Doktor, fassen Sie das? Sie schluchzt.

Zelter: Gnädige Frau, Sie haben vollkommen recht. Ihr Gatte benimmt sich nicht fair.

Leda: Setz dich aufs hohe Pferd, bitte. Du bezahlst meine Rechnungen nicht, ich mache meine Geschäfte mit Fred.

Fanny zu Fred: Bubi, du weißt, wie ich dich liebe.

Fred: Das hab ich gern.

Zelter: Die arme Frau sitzt da. Ich finde, Ledi, daß du in einem ungewöhnlichen Maße des moralischen Sinnes ermangelst.

Fein: So macht man keine Geschäfte.

Fanny: Ich werde mich wehren! So glatt geht das nicht. Springt, den Arm erhoben, gegen Leda.

Leda schreit: Sie hat mich geschlagen! Zu Fred: Soll ich mir das gefallen lassen, in meinem eigenen Hause? Nun? Warum ohrfeigst du sie nicht.

Fred schlägt Fanny ins Gesicht: Raus! Ich hab dich bis daher.

Fanny irrt durchs Zimmer, hält vor Fein an: Herr, helfen Sie mir, ich soll hinausgeworfen werden.

Fein: Mein Name ist Fein, ich bin nur in Geschäften hier.

Zelter: Ich komme mit Ihnen, gnädige Frau. Hier habe ich nichts mehr zu suchen. Servus. Führt sie hinaus.

Leda ruft ihm nach: Viel Vergnügen!

 

Sechste Szene

Leda. Fred. Fein.

Leda: Soll er selig werden. Das braucht uns nicht aufzuhalten, Herr Direktor.

Fein: Im Gegenteil. Ich habe Eile, machen wir Schluß.

Fred: Die Instrumentation ist noch zu machen. Im übrigen, da, sehen Sie, ich habe sogar schon das Plakat aufgesetzt. Holt es vom Klavier. Liest: Tournée Leda d'Ambre und Fred O'Brixor. Miß Leda d'Ambre in ihrem sensationellen Mimodrama »Die Maske«. Text und Musik von Fred O'Brixor. Musikalischer Leiter Fred O'Brixor.

Leda: Noch sechsmal deinen Namen, bitte.

Fred: Aber deiner steht riesengroß in der Mitte.

Fein: Es ist unnötig, daß Sie sich streiten, denn die Pantomime werde ich nicht spielen.

Leda zu Fred: Hab ich dir nicht gesagt, daß wir nichts damit machen? Ich behalte doch immer recht.

Fred: Wieso? Sie waren doch entzückt von der Musik.

Fein: Sie ist nicht übel. Aber das Fräulein zieht sich in dem Stück nicht um.

Leda: Also, Direktor, Sie sind großartig. Wir verstehen uns.

Fein: Und Sie müssen singen. Ich brauche eine einaktige Operette mit drei Umzügen.

Fred greift sich an die Stirn: Ha! Eine Idee.

Fein: Ich habe auch eine, der Anblick des Fräuleins, wie sie im Hotel die Treppe herunterkam, hat sie mir sofort inspiriert. Wir sprechen darüber. Erledigen wir zunächst das Geschäftliche. Fräulein, ich engagiere Ihre Partner, ich stelle Dekorationen und Kostüme. Sie selbst bekommen eine Anfangsgage von 1500 Mark. Wenn die Operette Erfolg hat und die Theater mir mindestens 10 000 zahlen, gebe ich Ihnen 3000.

Leda: Das ist noch halb geschenkt; mit mir machen Sie Millionen. Da, lesen Sie das Telegramm vom Direktor Hermes in Breslau. Er kommt her, sobald ich will. Eventuell stellt er mir eine Truppe zusammen für eine internationale Tournee.

Fein: Und wenn Sie ihm depeschieren, verlangt er Reisegeld. Ich habe solide Grundsätze, Fräulein. Sage ich 2000, dann dürfen Sie sicher sein, daß kein Mensch in der Welt Ihnen mehr bieten kann als 2000.

Fred flüstert ihr zu: Gib nach, Ledi. Du schließt den Kontrakt eben nur für sechs Monate ab, und die Sache hat sich gehoben. Zu Fein: Und was bieten Sie mir, lieber Direktor? Ich schreibe Ihnen Text und Musik; ich verpflichte mich, Ihnen in acht Tagen die fertige Partitur zu liefern. Das macht Ihnen kein zweiter.

Fein: Ich beteilige Sie prozentual, Herr Doktor.

Fred: Erhöhen Sie meine Gage für die musikalische Leitung auf 2000 Mark, und ich verzichte auf Prozente.

Fein: Einen Kapellmeister habe ich schon.

Fred: Wie? Es ist doch selbstverständlich, daß ich mitgehe.

Leda: Sie entlassen einfach Ihren Kapellmeister.

Fein: Nein. Lehnt sich im Sessel zurück und steckt die Hände in die Hosentaschen.

Leda: Was haben Sie plötzlich?

Fred: Ich passe Ihnen nicht? Ich kann musikalischer Leiter des Nachtasyls in Wien werden, wissen Sie. Ich zeige Ihnen den Brief. Man reißt sich um mich.

Fein: Davon bin ich überzeugt. Auch ich würde mich glücklich schätzen. Aber als Ehrenmann lehne ich es ab, meine Hand dazu zu bieten, daß Sie beim Bunten Theater kontraktbrüchig werden und Ihre Frau sitzenlassen.

Fred: Ach so, wegen der kleinen Zwistigkeit von vorhin. Wenn Sie erst eine Frau haben werden, die Sie mit ihrer Liebe wahnsinnig macht –

Leda legt Fein die Hand auf die Schulter: Ich will Ihnen sagen, lieber Direktor, was Sie glauben. Sie glauben, ich und der Fred haben ein Verhältnis ... Sehen Sie? Wir haben aber keins.

Fein: Ich mische mich nicht in Ihre Privatangelegenheiten, Fräulein.

Leda: Sie meinen, ich lüge? Sie kennen mich nicht, ich lüge nie.

Fein: Jedenfalls sind Sie zu eng befreundet. Ihre Liebhaber könnten meinetwegen das ganze Jahr mitreisen. Aber eine Freundschaft mit dem Kapellmeister, darunter leidet das Geschäft.

Leda: Ich verstehe Sie nicht. So glänzend wie wir zusammen arbeiten.

Fred: Seit wir uns kennen, ist die Ledi besser und meine Musik ist besser.

Fein: Mag sein. Aber Sie kennen wohl die Deros; ich habe sie lanciert. Zuletzt habe ich ihr noch am Nachtasyl eine unerhörte Gage erwirkt. Was tut sie? Den ersten Abend, wo sie sich ärgert, telefoniert sie ab. Sie können mir glauben, ich habe ein für allemal meine Hand von ihr gezogen.

Leda: Ach so. Weil ich gesagt habe, ich telefoniere dem Bunten Theater ab? Das war ja Schwindel. Ich wollte dem Schorschi einen Gefallen tun, dem Doktor Zelter, wissen Sie, weil er das Bunte Theater nicht leiden kann. Schwindel muß doch sein.

Fein: Wertes Fräulein, nehmen Sie einen väterlichen Rat. Begeben Sie sich in die Hände eines Mannes, der Ihnen gewachsen ist.

Fred: Sie wollen sagen –

Fein: Ich sage gar nichts. Ich sehe nur, daß Sie der Frau das Chanson nicht geben wollten, aber sie braucht nur zu befehlen. Von Ihrer Operette soll die Hälfte ihr gehören. Verlangen Sie doch das Ganze, Fräulein. Ich garantiere Ihnen für das Geschäft.

Leda: Ich habe es ja schon, schriftlich beim Notar.

Fred senkt den Kopf: Erzähl keine Märchen.

Fein: Nun also.

Fred richtet sich auf: Aber bitte sehr, das ändert sich auf der Bühne. Da wird die Frau ganz klein, sag ich Ihnen, da bin ich der Herr.

Leda: Sie nehmen auch alles ernst, was ich rede. Warten Sie ab, bis Sie mich spielen sehen. Sie meinen, ich stelle mich nur aus? Ich will etwas leisten. Ich mach Sie aufmerksam, daß ich in zwei Jahren weltberühmt bin. Dazu brauch ich den Fred. Wer mich von ihm trennen will, mit dem bin ich schon fertig. Meine Kunst ist mir heilig ... Wieviel geben Sie mir, wenn ich ohne ihn gehe?

Fred leise, angstvoll: Ledi, wir haben geschworen.

Leda: Nur du hast geschworen.

Fein: Mein Angebot kennen Sie.

Leda: Also ausgeschlossen. Grad erst hat er meinetwegen seine Frau hinausgeworfen. Da wäre es wirklich nicht fair, wenn ich ihn sitzenließe.

Fein nimmt seinen Hut: Ich zwinge niemand.

Leda: Was nur alle haben mit Fred und mir. Die Fanny wird vor Eifersucht gemeingefährlich, der Schorschi geht durch. Natürlich kommt er wieder, und Sie auch, bester Direktor.

Fred: Sie verrechnen sich, Herr Direktor. Ich bin der einzige Dirigent für die Ledi.

Fein: Mein lieber Herr, mein Kapellmeister gehört keinem meiner Mitglieder, sondern mir. Wenn das Fräulein zu spät zur Probe kommt und ich sie anhauche wie sich's gehört, soll sie vielleicht an meinem Kapellmeister, den ich mit meinem Geld bezahle, eine Stütze haben? Bin ich von gestern? Nur mit Autorität sind Geschäfte zu machen. Adieu, Fräulein, Sie wissen mein Hotel.

Leda: Sie werden es bereuen. In zwei Jahren werden Sie an mich denken.

Fein: Immer mit Vergnügen, Fräulein. Ab.

Leda: Dann nicht. Ich bin froh, daß ich ihn los bin. Mit dem Kaffer wäre nie etwas geworden. Ich telegrafiere einfach dem Hermes; der ist ganz etwas anderes, ein schicker Mann.

Fred: Und wenn er nicht kommt? Denke an den Schwur, den du mir abgenommen hast. An dem Tage, wo wir uns trennen, knalle ich mich zusammen. Ich war der berühmteste Schütze in der österreichischen Armee. Ich schieße eine Laus von ihrem Blatt herunter.

Leda: Du!

Fred: Ich bin deine einzige Stütze. Ich will nicht, daß du untergehst.

Leda: Du? Du bist überhaupt kein Mann. Anstatt ihm nachzugehen und ihm angst zu machen. Du hast doch Einfluß, du kannst ihm doch schaden bei zwanzig Theatern.

Fred: Das wird er mir glauben.

Leda: Idiot! Erleuchtet: Wenn ich dich ansehe, weiß ich erst, was ein Idiot ist. Er will doch nur den Preis drücken. Du sollst ihm die Operette umsonst schreiben.

Fred: Du meinst im Ernst?

Leda schneidet ihm eine Fratze: Also lauf schon!

Fred stürzt hinaus.

 

Siebente Szene

Leda. Dann Schmidhans jun. Später Fred.

Leda: Endlich. Es ist fünf, der Mensch kann jeden Augenblick dasein. Betrieb ... Wo habe ich meinen Rotstift.

Findet ihn und färbt sich vor dem Spiegel die Lippen. Wischt Schwarz in die Wimpern, pudert sich. Draußen klingelt es. Leda eilt zum Klavier, nimmt Notenblätter und setzt sich damit auf die Ottomane.

Schmidhans jun. wagt sich herein: Habe die Ehre, Fräulein.

Leda reicht ihm die Hand zum Kuß: Ich danke Ihnen noch vielmals für die reizenden Blumen. Dort stehn sie. Da er sich vergebens umsieht: Wie finden Sie mich übrigens in dem Sketch?

Schmidhans jun. gibt sich einen Ruck: Berauschend, Fräulein.

Leda: Ist's wahr?

Schmidhans jun. schwärmt: Ihr blondes Haar, Ihre schwarzen Augen ...

Leda: Das haben Sie mir schon geschrieben.

Schmidhans jun.: Sie ahnen nicht, welche Verehrung –.

Leda: Oh! Unter uns gesagt, das Bunte Theater ist eine Schmiere. Nur wegen mir gehen momentan Leute hin, die sonst nie den Fuß hineinsetzen würden.

Schmidhans jun.: Es ist freilich sehr pikant, aber so künstlerisch. Da kann die Polizei nichts machen.

Leda: Ich habe dort nur 100 Mark pro Abend, was tue ich damit. Grad eben war der amerikanische Impresario Croft hier. Er bietet mir für eine Tournee in den Vereinigten Staaten 150 000 Dollar.

Schmidhans jun. von neuem eingeschüchtert: Oh! ... Dann sollen wir Sie schon wieder verlieren? Und ich war so glücklich, daß ich Sie besuchen darf.

Leda: Ganz meinerseits. Nehmen Sie eine Tasse Tee? Übrigens habe ich abgelehnt. Meinen Freunden zuliebe.

Schmidhans jun.: Ach wirklich? Und gehöre ich wohl dazu?

Leda: Wir kennen uns ja kaum. Verführerischer Blick: Aber in Ihrer Auslage haben Sie ein entzückendes Voilekleid; Sie wissen, das erdbeerfarbene, mit der Metallstickerei.

Schmidhans jun. rückt näher: Arme haben Sie, Fräulein, wie Blüten.

Leda: Auf dem Voilekleid sind auch Blüten, aus Silber.

Schmidhans jun.: Ich bete Sie an.

Leda: Das Kleid ist mein Schwarm.

Schmidhans jun.: Solchem Arm kann man nicht widerstehn.

Küßt ihn ungeschickt.

Leda: Das dürfen Sie nicht, Herr Schmidhans.

Schmidhans jun.: Ist das verboten?

Leda: Ich würde sehr böse werden.

Schmidhans jun. frech: Werden Sie oft böse, Fräulein?

Leda mit Würde : Ich war verheiratet, und zwar in der ersten Gesellschaft von Frankfurt.

Schmidhans jun. spöttisch: Ach! Gnädige Frau ... Das soll uns nicht abhalten. Sie sind ein pompöses Weib. Warum haben Sie mich so lange schmachten lassen, bis ich Sie besuchen durfte?

Leda: Ich habe hier einen Freund, er ist sehr eifersüchtig.

Schmidhans jun.: Mit Grund, hoffentlich.

Leda: Das kommt darauf an.

Schmidhans jun.: Werden Sie ihm bei mir Grund geben.

Leda: Das weiß ich nicht ... Vielleicht später einmal, wenn wir uns sehr gut kennen.

Schmidhans jun.: Ich liebe Sie so rasend, Sie ahnen nicht, wozu ich imstande wäre.

Leda: Wissen Sie, wenn eine Frau wie ich das Voilekleid trägt, ist es natürlich erst das Wahre.

Schmidhans jun.: Wenn es hier nicht geht, kommen Sie doch zu mir, ja? Ich wohne hochelegant.

Leda: Was denken Sie denn. Ich verstehe gar nicht, was Sie wollen.

Schmidhans jun. sehr frech: Na, was will man denn.

Leda: Mir scheint, Sie können keinen Scherz vertragen. Natürlich betrüge ich meinen Freund überhaupt nicht. Er ist Kavalier, und es würde Ihnen schlecht bekommen. Alle meine Bekannten sind Kavaliere. Vor einer halben Stunde war der Prinz Iffingen hier mit mehreren Kameraden. Da stehen noch die Teetassen.

Schmidhans jun. unruhig: Aber da wäre ich in die Gesellschaft fast hineingeplatzt.

Leda: Was meinen Sie, was für ein feudaler Ton bei mir herrscht. Mein Freund hat meinetwegen schon drei Duelle gehabt, eins mit tödlichem Ausgang. Es hat doch in der Zeitung gestanden.

Schmidhans jun. steht auf: Das hätten Sie mir gleich sagen sollen. Ich hätte mich bedankt.

Leda: Sind Sie denn kein Kavalier? Wenn mein Freund nun plötzlich zurückkommt und Sie in seinem Jähzorn gleich niederknallt.

Schmidhans jun.: Um des Himmels willen!

Leda: Auf so etwas müssen Sie gefaßt sein, wenn Sie mit mir verkehren wollen.

Schmidhans jun.: Ich will ja gar nicht.

Es klingelt.

Leda fährt auf und setzt sich wieder: Soll er klingeln.

Schmidhans jun. weicht zurück: Wer ist das?

Leda: Mein Freund wahrscheinlich. Er wird schon wieder gehen.

Es klingelt wieder; gleich darauf noch zweimal.

Schmidhans jun. stürzt umher: O du lieber Gott! O du lieber Gott!

Leda: Sie müssen sich fassen. Bei der Verehrung, die Sie für mich haben, kann das doch nicht schwer sein.

Schmidhans jun. hält sich den Kopf und stöhnt.

Es klingelt mehrmals heftig.

Leda steht auf: Daß die Miß auch nicht öffnet! Die Person geht andauernd ihre eigenen Wege, nächstens fliegt sie.

Schmidhans jun. eilt ihr nach: Nicht aufmachen! Sie haben mich in eine Falle gelockt. Solche Gemeinheit! An der Tür, sie wegstoßend: Lassen Sie mich hinaus, oder –

Leda: Wollen Sie ihm denn in die Arme laufen?

Sie geht hinaus, er flüchtet ins Zimmer zurück und durch die Tür rechts. Leda tritt wieder ein mit Fred.

Leda: Herr Schmidhans! Wo stecken Sie denn? Zur Tür rechts: Ach so, Sie wollen sich meine Toiletten ansehen. Da können sogar Sie noch was lernen, ich habe alles aus Paris mitgebracht. Da er herauskommt: Die Herren kennen sich? Herr Schmidhans junior, Herr Oberleutnant von Lanzki. Lieber Fred, Herr Schmidhans ist wegen des Voilekleides hier, du weißt schon. Er hat sich nämlich in den Kopf gesetzt, daß ich die einzige Frau in der Stadt bin, die es tragen kann. Er liefert es mir für 200 Mark und auf Kredit. Es kostet eigentlich 800.

Schmidhans jun. zuckt auf.

Leda: Ist das nicht todschick von Herrn Schmidhans?

Pause. Die Herren messen sich.

Leda: Also setzen wir uns.

Schmidhans jun.: Verzeihen Fräulein, ich muß gehen. Die Geschäfte –

Leda: Vergessen Sie unseres nicht. Herr von Lanzki hat sich den Preis gemerkt, Irrtum ausgeschlossen.

Sie reicht ihm die Hand, Schmidhans nimmt sie mit Vorsicht. Er verbeugt sich vor Fred, der sich nicht rührt. Schmidhans ab.

 

Achte Szene

Leda. Fred.

Leda wirft sich auf die Ottomane, lacht heftig: Der Mensch ist katastrophal.

Fred aufgeregt: Was hast du da wieder gemacht. Wirst du denn niemals vernünftig werden?

Leda lachend: Im Gegenteil, ich sorge für meine Zukunft.

Fred: Den Lausbub in dein Schlafzimmer zu lassen. Schreit hohl: So etwas tut man nicht.

Leda richtet sich auf: Geh, gönn mir mein Vergnügen.

Fred: Du bist gemein. Grad hat der Direktor Fein es gesagt, du benimmst dich wie eine Dirne.

Leda: Das lügst du. Bloß dich will er nicht haben. Hast du vielleicht etwas bei ihm erreicht?

Fred: Wie kann ich. Vorläufig werden wir noch keinen Direktor zwingen, uns gemeinsam zu engagieren. Dazu brauchen wir einen Reklametrick. Der aber will gefunden sein.

Leda: Also finde ihn.

Fred: Natürlich. Denn du hast Gedanken nur für den unersetzlichen Verlust des Schorschi.

Leda: Der Schorschi? Also ich schwöre dir, daß es höchste Zeit für ihn war zu gehen, sonst wär er geflogen. Ein Mann, der mich mit 150 Mark daläßt und auf Reisen geht. Bin ich denn verrückt?

Fred: Na endlich. Schau, Ledi, der ganze Schorschi war ein Mißgriff. Er wollte dich erziehen: dich, das ist schon der Gipfel. Glaub du mir, solch ein Charakterspießer ist deine größte Gefahr.

Leda: Du, mein Gold, bist überhaupt nur eifersüchtig.

Fred: Ich! Auf dich! Das wirst du nicht erleben. Wenn mich nicht heute alle Weiber kaltließen: du sicher.

Leda: Du hast Angst vor mir.

Fred: Ich Angst vor dir! Als ich das Verhältnis mit der Dolly hatte, ich geb dir mein Wort, ich konnte manchmal nicht mehr von hier bis dort gehen; und in dem Zustand schrieb ich dann meine glänzendsten Sachen.

Leda: Das merkt man ihnen auch an. Also geh! Ich brauche dich nicht. Ich telefoniere einfach dem Direktor Fein, daß ich auch ohne dich mitkomme. Ich weiß wirklich nicht, was mich abhält.

Fred faßt an die Tasche: Soll ich dir's sagen? Mein Revolver wird dich abhalten.

Leda: Lächerlich. Laß sehen, ob er nicht aus Schokolade ist ... Hol dir doch die Fanny zurück.

Fred packt sie an: Aber zuerst züchtige ich dich.

Leda schreit: Laß mich! Feigling! Zu Hilfe!

Fred schleudert sie auf den Diwan.

Leda: Jetzt ist alles aus. Ein Mann, der mich anrührt, ist für mich erledigt.

Fred: Ledi! Ich hatte den Kopf verloren.

Leda: Bemüh dich nicht. Das machst du nicht wieder gut.

Fred schleicht herbei, die Hände gerungen: Sei barmherzig, Ledi! Bricht plötzlich vor ihr nieder, bemächtigt sich ihrer Hand und drückt verzweifelt den Mund darauf.

Leda: Im Februar bin ich von Paris nach Nizza mit der Blanche de Castille gefahren. Sie ist in London Millionärin geworden, und niemand hat sie dafür gehabt.

Fred steht auf: Erzähl mir keine Märchen.

Leda: Was ihr euch einbildet. Eine Frau wie ich erreicht alles umsonst.

Fred die Arme werfend: Was heißt das. Machst du deine Karriere als Kokotte oder als Künstlerin? Dir fehlt die Konsequenz, daher dein Mißerfolg. Deine Kritiken sind ja alle Schwindel oder Dreck. Ein Jahr hast du mit dem Schorschi verjuxt, nun kennt beim Theater niemand dich mehr. Dabei fährst du fort, wahnsinnige Schulden zu machen. Sag mir nur das eine: was willst du.

Leda starr. Verzieht langsam das Gesicht. Aufweinend: Meine armen Eltern! Was ist aus mir geworden! Wär ich tot!

Fred erschrocken: Aber Ledi. Das wollte ich nicht. Verzeih!

Leda: Einmal, wie der Schorschi verreist war, bin ich dem Doktor Salmon aus Frankfurt begegnet. Er hat die Gemeinheit gehabt, mir zu sagen: Wie man soweit kommen kann, das begreift er nicht. Dann wollte er mit mir soupieren.

Fred: Du hast ihn glatt abfallen lassen.

Leda: Ich werde mich hüten. Ich habe es anonym seiner Frau geschrieben. Sie war doch meine beste Freundin. Weint lauter: Mein Mann war zu dumm. Wenn er so gewesen wäre wie der Schorschi, alles hätte er mit mir machen können.

Fred liebkost sie: Auch nicht lange. Schau, Ledi, tröste dich, du hattest die Kunst einmal in dir.

Leda: Ach, Kunst. Wenn ich glücklich wäre, brauchte ich keine Kunst.

Fred: Schau, Ledi, ich sehe ein, daß ich dir zur Last falle. Du versäumst meinetwegen die Gelegenheiten, ich kann das nicht verantworten. Ich geh meiner Wege, und die Sache hat sich gehoben.

Leda: Du willst dich von mir trennen? Sag es mir ins Gesicht, wenn du kannst.

Fred schlägt die Augen nieder.

Leda: Also. Ich mach dich aufmerksam, daß du von mir nicht mehr loskommst. Denk an das, was ich dir jetzt sage: Du wirst einmal eine Tat für mich begehen. Das wäre sogar die Mordsreklame, die ich brauche.

Fred auffahrend: Ha! Gefunden! Kein Hund möchte so weiterleben. Wir machen ein rasches Ende, zuerst du, dann ich. Er zieht den Revolver.

Leda: Mir scheint, du bist verrückt geworden. Nimm das Ding weg!

Fred: Ich kann nicht mehr elender werden. Dich, du armes Weib, habe ich noch soeben auf jenem, eigens dafür bestimmten Diwan mit deinem Gott ringen gesehen um ein sanftes Ende. Ich schenke es dir und mir.

Leda: Ich, sterben? Eine Frau, die aussieht wie ich, hat niemals Grund, sich das Leben zu nehmen.

Fred: Doch. Denn es wird in allen Zeitungen stehen.

Er schießt zweimal, auf sie und auf sich. Sie läuft schreiend rundum zur Tür. Er tritt davor.

Leda: Hilfe! Er mordet mich.

Fred: Lauter! Was nützt es, wenn man's nicht hört.

Leda plötzlich still: Bist du denn krank?

Fred: Vor allem müssen wir jetzt den Fein herbeischaffen.

Leda steht starr. Erleuchtet: Du Idiot! Zum erstenmal im Leben bist du keiner. Du meinst, jetzt nimmt er uns?

Fred: Es kommt darauf an, wie ich gearbeitet habe. Erlaube! Aus deinem Corsage ist ein Streifen herausgeschossen. Auch aus dem Hemd. Habe ich nicht gesagt, daß ich die Laus vom Blatt schieße?

Leda: Ich werde mich in dich verlieben.

Fred: Mich selbst habe ich in den Arm getroffen. Es blutet wunderbar. Zieht den Rock aus. Eine Serviette um den Arm! Aber du vergißt zu schreien.

Leda: Hilfe! Er fängt wieder an.

Fred: Lauter!

Leda schreit aus der Tür: Polizei!

Fred: Der Direktor!

Leda: Der Direktor Fein! Er soll sofort herkommen. Er wird sich wundern. Wirft sich lang auf den Boden.

Fred hängt über einem Stuhl: Alles hat sich verschworen, aber wir sind nicht auseinanderzubringen. Jetzt sollte man es einsehen.

Leda: In dem Zustand müßte der Schorschi mich sehen. Die Stunde der Rache ist nahe, mein Gold.

Fred: Laß dich das nicht aufregen, Ledi. Das Leben besteht, wie das Varieté, aus Nummern, die zehn Minuten arbeiten. Manchmal ist's eine Attraktion, manchmal ein Reinfall.

Es klingelt. Sie nehmen ihre Lage wieder ein.

 

Neunte Szene

Die Vorigen. Zelter.

Zelter: Was ist geschehen? Mit festen Schritten auf Leda zu. Beugt sich über sie: Ledi!

Leda die Augen geschlossen: Bist du es, Liebling? Du kommst gerade noch rechtzeitig. Wir waren zu unglücklich zum Leben.

Zelter: Bist du verwundet?

Leda: Er hat mich ein bißchen angeschossen. Sich selbst hat er fast getötet. Ich ertrage mein Unglück. Aber in deiner Haut, lieber Schorschi, möchte ich nicht stecken. Deine Eifersucht hat uns das Engagement gekostet. Heb mich auf den Diwan.

Zelter hebt sie auf: Verzeih mir, Ledi.

Leda: Dein Anblick verschlimmert meinen Zustand. Wozu bist du noch gekommen?

Zelter: Ich kam vorbei und wollte gleich meine Teemaschine und meine Hausschuhe mitnehmen.

Leda: Du hast Charakter. Ich kann machen, was ich will, dein Charakter imponiert mir immer wieder.

Es klingelt.

 

Zehnte Szene

Die Vorigen. Fein. Dann Fanny.

Fein: Was höre ich. Hier hat es wieder eine Szene gegeben – und diesmal eine blutige? Die Herrschaften gehen ins Zeug.

Zelter indes er sich um Leda bemüht: Herr Direktor, wir haben es mit wirklichen Künstlertemperamenten zu tun.

Fein: Das Fräulein ist schwer verletzt?

Leda: Ich hoffe durchzukommen.

Fred schwach: Zweifeln Sie noch an unserer Zusammengehörigkeit, Direktor?

Fein: Solchen Beweisen müssen freilich die schwersten Bedenken weichen. Aber das Blut rinnt Ihnen unter der Serviette hervor. Sie werden Fieber haben, Herr Doktor; ich begleite Sie ins Hospital.

Fred: Übernehmen Sie die Presse?

Fein: Ich übernehme alles.

Fred: Wenn Sie Ihr Geschäft verstehen, Direktor: hieraus machen Sie eine Weltreklame. Ich würde den Artikel selbst aufsetzen, aber mir ist tatsächlich nicht ganz wohl.

Fein: Ich werde Ihnen zeigen, daß ich mein Geschäft verstehe.

Leda die Augen geschlossen: Ich mach Sie aufmerksam, Direktor, so gut mein Zustand es mir erlaubt: die Preise haben sich geändert. Ein Telegramm an den Direktor Hermes ist schon fort.

Fein: Lassen Sie sich nichts vormachen von dem Mann. Ich biete Ihnen, was irgendein Mensch bieten kann: fünftausend Kronen monatlich und zweitausend Kronen für den Doktor.

Fred: Mark! Mark!

Leda: Sie schneiden uns die Hälse ab.

Fred: In unserm Zustand.

Fanny stürzt herein und auf Fred zu: Bubi! Schreit auf: Er ist tot! Sie hat ihn ermordet!

Fred: Mit Gottes Hilfe.

Zelter zu Leda: Ich war bei Schmidhans, mein Schatz, aber das Voilekleid war schon verkauft.

Leda: Ich sollte dich auch das noch bereuen lassen. Aber ich bin zu gut mit dir. Ich hab es also selbst gekauft und habe 100 Mark abgehandelt, du brauchst mir nur noch 700 zu geben.

Zelter: Wenn hier nicht Liebe ist.

Fred: Wenn hier nicht Kunst ist.

Fein: Wo Liebe ist und wo Kunst ist, nun, da ist Geschäft.

Vorhang.


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