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Vom Sakrament der Taufe

›Gebenedeit sei Gott und der Vater unseres Herrn Jesu Christi‹ (Eph. 1, 3), der ›nach dem Reichtum seiner Barmherzigkeit‹ (Eph. 1, 7) wenigstens dieses einzige Sakrament in seiner Kirche ungeschmälert und unbefleckt durch Menschensatzungen erhalten hat und es für alle Völker und alle Stände der Menschen freigehalten hat. Er hat nicht geduldet, daß es durch schändliche Gewinnsucht und gottlosen Aberglauben unterdrückt würde, sicher mit der Absicht, die kleinen Kinder, die des Geizes und des Aberglaubens noch nicht fähig sind, dadurch einweihen und sie mit dem ganz einfältigen Glauben an sein Wort geheiligt werden zu lassen. Ihnen ist die Taufe zur jetzigen Zeit auch am meisten nützlich. Denn wenn den Erwachsenen und den Großen dieses Sakrament gegeben werden sollte, so scheint es, daß seine Kraft und Herrlichkeit wegen der Tyrannei des Geizes und Aberglaubens nicht hätte bewahrt bleiben können, der uns alles Göttliche niedergestürzt hat. Die Klugheit des Fleisches hätte ohne Zweifel auch hier ihre ›Vorbereitungen‹ und ›Würdigkeiten‹ gefunden, danach Vorbehalte, Einschränkungen und was dergleichen Geldnetze mehr sind, infolge deren das Wasser nicht wohlfeiler als jetzt Pergamente verkauft würde.

Aber obwohl der Teufel die Kraft der Taufe in den Kindern nicht hat auslöschen können, hat er sie doch in allen Erwachsenen zu vertilgen vermocht, so daß es jetzt fast niemanden mehr gibt, der es beherzigt, daß er getauft ist, viel weniger, daß er sich dessen rühmt, nachdem so viele andere Wege zur Sündenvergebung und in den Himmel zu kommen erfunden worden sind. Zu dieser Auffassung hat ihnen eine gefährliche Rede des Hieronymus Anlaß gegeben, die entweder übel geredet oder übel verstanden worden ist, wo er die Buße das ›zweite Brett nach dem Schiffbruch‹ nennt, gerade als ob die Taufe nicht eine Buße wäre. Denn daher kommts, daß sie, wenn sie in Sünden fallen, an dem ersten Brett oder Schiff, als ob sie es verloren hätten, verzweifeln und anfangen, sich allein auf das andere Brett, nämlich die Buße, zu stützen und zu verlassen. Von daher sind die unzähligen Lasten an Gelübden, Mönchsorden, Werken, Genugtuungen, Wallfahrten, Ablässen und Sekten gekommen, und über sie dann diese große Flut der Bücher, Fragen, Meinungen und Menschensatzungen, die die ganze Welt jetzt nicht fassen kann, so daß diese Tyrannei die Kirche Gottes viel ärger plagt als sie jemals der Juden Synagoge oder eine einzige andere Nation unter dem Himmel geplagt hat.

Aber die Bischöfe hätten das alles abtun und die Christen mit allem Fleiß zum wahren Wesen der Taufe zurückrufen sollen, damit sie verstünden, was sie wären und was den Christen zu tun zukäme. Aber allein das halten sie heutzutage für ihre Aufgabe, das Volk so weit wie möglich von der Taufe wegzuführen und alle in die Sintflut ihrer Tyrannei einzutauchen und zu erreichen, daß das Volk Christi (wie der Prophet sagt, Jer. 2, 32) seiner ewig vergesse. O wie unselig sind alle, die zu dieser Zeit Bischöfe genannt werden, die weder wissen noch tun, was Bischöfen zusteht, sondern auch nicht einmal wissen, was sie wissen und tun müßten! Sie erfüllen den Spruch, Jesaja 56, 10 f.: ›Alle ihre Wächter sind blind, sie wissen alle nichts; denn die Hirten kennen keinen Verstand, ein jeglicher sieht auf seinen Weg, ein jeglicher geizt für sich in seinem Stande‹ usw.

Das erste, was bei der Taufe beachtet werden muß, ist also die göttliche Verheißung, die sagt (Mark. 16, 16): ›Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden.‹ Diese Verheißung muß durchaus aller Pracht der Werke, Gelübde, Klosterregeln und allem, was von Menschen eingeführt ist, vorgezogen werden. Denn an dieser Verheißung hängt unsere ganze Seligkeit Aber man muß sie so beachten, daß wir den Glauben an ihr üben und ganz und gar nicht zweifeln, daß wir selig sind, nachdem wir getauft sind. Denn wo ein solcher Glaube nicht da ist oder erlangt wird, da hilft die Taufe nicht, sondern sie schadet vielmehr, und zwar nicht allein dann, wenn man sie empfängt, sondern auch danach das ganze Leben hindurch. Denn ein solcher Unglaube straft die göttliche Verheißung Lügen, was die größte Sünde überhaupt ist. Wenn wir an diese Übung des Glaubens gehen, werden wir bald einsehen, wie schwer es ist, dieser göttlichen Verheißung zu glauben. Denn die menschliche Schwachheit, die sich ihrer Sünden bewußt ist, glaubt am allerschwersten, daß sie selig ist oder (doch wenigstens) selig werden solle. Dennoch kann nicht selig werden, wer das nicht glaubt, denn er glaubt der göttlichen Wahrheit nicht, welche die Seligkeit verheißt.

Diese Predigt hätte man dem Volk emsig einprägen, diese Verheißung ihm ohne Unterlaß vortragen, an die Taufe stets erinnern, den Glauben ständig erwecken und erhalten sollen. Denn wie die Wahrheit dieser göttlichen Verheißung, wenn sie einmal über uns ausgesprochen worden ist, bis in den Tod andauert, so soll auch unser Glaube an sie niemals aufhören, sondern bis in den Tod erhalten und gestärkt werden durch die ständige Erinnerung an diese Verheißung; die uns in der Taufe gemacht ist. Wenn wir darum von Sünden aufstehen oder Buße tun, so tun wir nichts anderes, als daß wir zu der Kraft und dem Glauben der Taufe, daraus wir gefallen sind, umkehren und wieder zu der damals gemachten Verheißung kommen, die wir durch die Sünde verlassen hatten. Denn die Wahrheit der einmal geschehenen Verheißung bleibt allezeit bestehen, die uns mit ausgestreckten Händen aufnehmen will, wenn wir umkehren. Und das ists – wenn ich mich nicht täusche – was die wollen, die etwas dunkel sagen, die Taufe sei das erste und das Fundament aller Sakramente, ohne das kein anderes erlangt werden könnte.

Darum wird es sehr dienlich sein, wenn der, der da Buße tut, vor allen Dingen sich seiner Taufe und der göttlichen Verheißung erinnert, die er verlassen hat und ihrer mit Zuversicht gedenkt, sie dem Herrn bekennt und sich freut, daß er noch so viel Hilfe zu seiner Seligkeit habe, daß er getauft ist, und seine gottlose Undankbarkeit verwünscht, daß er von dem Glauben und dem Vertrauen darauf abgefallen ist. Denn sein Herz wird wunderbar gestärkt und zur Hoffnung auf Barmherzigkeit ermuntert, wenn er bedenkt, daß die ihm geschehene göttliche Verheißung, die unmöglich lügen kann, daß sie noch unversehrt und unverändert ist und auch durch keine Sünde verändert werden kann, wie Paulus sagt, 2. Tim. 2, 13: ›Glauben wir nicht, so bleibt er treu; er kann sich selbst nicht verleugnen.‹ Diese Wahrheit Gottes, sage ich, wird ihn so erhalten, daß, wenn schon alles andere dahinfiele, diese Verheißung – vorausgesetzt, daß er an sie glaubt – ihn doch nicht verlassen wird. Denn er hat durch sie etwas dem Feind, der auf ihn losstürmt, entgegenzusetzen. Er hat etwas, was er den Sünden entgegenstellen kann, die sein Gewissen beunruhigen. Er hat etwas, womit er dem Schrecken des Todes und des Gerichts begegnen kann. Er hat schließlich, was ihm ein Trost in allen Anfechtungen sein kann, nämlich diese eine Wahrheit, daß er sagt: Gott ist wahrhaftig in seinen Verheißungen (Ps. 33, 4). Sein Zeichen habe ich in der Taufe empfangen. ›Ist nun Gott für mich, wer mag wider mich sein?‹ (Röm. 8, 31)

Denn wenn die Kinder Israel, im Begriff Buße zu tun, vor allen Dingen des Auszuges aus Ägypten gedachten und sich mit dieser Erinnerung zu Gott, der sie herausgeführt hatte, zurückwandten – diese Erinnerung und eben diese Hilfe ist ihnen von Mose so oft eingeschärft und von David ins Gedächtnis gerufen worden –, wieviel mehr sollen wir dann an unseren Auszug aus unserm Ägypten denken und durch die Erinnerung daran zu dem zurückkehren, der uns durch das Bad der neuen Geburt herausgeführt hat, dessen Gedächtnis eben hierzu uns anbefohlen ist? Das kann am allerbesten im Sakrament des Brots und Weins geschehen. Denn so sind vor Zeiten diese drei Sakramente, die Buße, die Taufe und das Brot, in einem Gottesdienst gefeiert worden und half eines dem andern. So lesen wir von einer gottesfürchtigen Jungfrau, die, sooft sie angefochten wurde, sich allein auf die Taufe berief und ganz kurz sagte: ›Ich bin eine Christin.‹ Denn der Feind merkte bald die Kraft der Taufe und des Glaubens, der auf der Wahrheit Gottes beruhte, der da verheißt, und floh vor ihr.

So siehst du, wie reich ein Christ, d.h. ein Getaufter ist, der, selbst wenn er schon wollte, seine Seligkeit auch durch die größten Sünden nicht verlieren kann, es sei denn, er wolle nicht glauben. Denn keine Sünde kann ihn verdammen außer dem Unglauben allein. Alle anderen Sünden werden, wenn der Glaube wiederkommt oder auf der göttlichen Verheißung besteht, die ihm in der Taufe widerfahren ist, in einem Augenblick durch denselben Glauben, ja durch die Wahrheit Gottes verschlungen. Denn Gott kann sich selbst nicht verleugnen, wenn du ihn bekennst und an ihm, der es verheißen hat, mit festem Vertrauen hängst. Aber die Zerknirschung und die Beichte der Sünden und danach die Genugtuung und alle jene von Menschen erdachten Bemühungen werden dich plötzlich im Stich lassen und dich nur unglücklicher machen, wenn du diese göttliche Wahrheit vergißt und dich in diese Dinge verlierst. Denn nichtiges Nichts und eine bloße Plage des Geistes ist alles, was außerhalb des Glaubens an die Wahrheit Gottes an Bemühungen geschieht.

Gleichzeitig siehst du, wie gefährlich, ja wie falsch es ist zu meinen, daß die Buße die zweite Planke nach dem Schiffbruch ist, und wie schädlich so ein Irrtum ist zu glauben, daß durch die Sünde die Kraft der Taufe gänzlich vergangen und daß dieses Schiff leck geworden ist. Es bleibt dieses Schiff allein fest und unüberwindlich und wird niemals in einzelne Planken zerschellen. In ihm fahren alle, die zu dem Hafen der Seligkeit fahren, welches die Wahrheit Gottes ist, die in den Sakramenten etwas verheißt. Trotzdem geschieht es, daß viele unbesonnen aus dem Schiff in das Meer springen und untergehen. Das sind die, die den Glauben an die Verheißung verlassen und sich in die Sünde stürzen. Aber das Schiff selbst bleibt und setzt unversehrt seinen Kurs fort. Kann (der Herausgesprungene) durch irgendeinen Gnadenerweis zum Schiff zurückkehren, so wird er nicht mit einer Planke, sondern mit dem ganzen Schiff selbst zum Leben geführt: er ist dann der, der zu der festen und bleibenden Verheißung Gottes durch den Glauben zurückkehrt. Daher klagt Petrus (2. Petr. 1, 9) diejenigen an, die dadurch sündigen, daß sie vergessen haben, daß sie von ihren vorigen Sünden rein geworden sind. Ohne Zweifel tadelt er damit die Undankbarkeit gegenüber der empfangenen Taufe und ihren gottlosen Unglauben.

Was hilft es nun, soviel von der Taufe zu schreiben und diesen Glauben an die Verheißung nicht zu lehren? Alle Sakramente sind eingesetzt, den Glauben zu stärken und den berühren sie so wenig, daß diese gottlosen Leute sogar sagen, niemand dürfe der Vergebung seiner Sünden oder der Gnade der Sakramente gewiß sein. Durch diese Ruchlosigkeit betören sie die ganze Welt und nehmen damit nicht allein das Sakrament der Taufe, in dem doch der Ruhm unseres Gewissens in erster Linie besteht, gefangen, sondern tilgen es auch gänzlich aus. Gleichzeitig wüten sie gegen die armen Seelen mit ihren Zerknirschungen, ängstlichen Beichten, (Berichten über alle) Umstände, Genugtuungen, Werken und dergleichen unzähligem Tand.

Darum sieh zu, daß dich der Aufwand an Werken und die trügerischen Menschensatzungen nicht verführen, der göttlichen Wahrheit und deinem Glauben Unrecht zu tun. Beim Glauben an die Sakramente mußt du anfangen, ohne alle Werke, willst du selig werden. Auf den Glauben aber folgen die Werke, nur daß du den Glauben nicht so gering achtest, der doch unter allen anderen das vortrefflichste und schwierigste ›Werk‹ ist, durch das du allein, und wenn du schon auf alle anderen verzichten müßtest, selig wirst. Denn er ist ein Werk Gottes und nicht des Menschen, wie Paulus (Eph. 2, 8) lehrt. Alle anderen Werke wirkt Gott mit uns und durch uns, allein dieses wirkt er in uns und ohne uns.

Daraus können wir klar erkennen, was für ein Unterschied bei der Taufe besteht: zwischen dem Geistlichen, einem Menschen, und dem Stifter, Gott. Denn der Mensch tauft und tauft nicht: er tauft, denn er verrichtet das Werk und taucht den Täufling unter; und er tauft nicht, denn er tut in diesem Werk nichts aus eigener Gewalt, sondern an Gottes Statt. Darum dürfen wir die Taufe aus den Händen eines Menschen nicht anders annehmen, als wenn uns Christus, ja Gott selbst mit seinen eigenen Händen taufte. Denn die Taufe, die wir aus eines Menschen Hand empfangen, ist nicht die eines Menschen, sondern Christi und Gottes. Ebenso ist auch eine jede andere Kreatur, die wir durch eines anderen Hand gebrauchen, allein Gottes. Hüte dich demnach, die Taufe so zu unterscheiden, daß du die äußerliche dem Menschen und die innerliche Gott zuschreibst. Beide schreibe allein Gott zu und halte die Person des Täufers nur für ein Werkzeug an Gottes Statt, durch welches der Herr, der im Himmel sitzt, dich mit seinen eigenen Händen in das Wasser taucht. Er ist es, der dir Vergebung der Sünden auf Erden verheißt, wenn er zu dir mit eines Menschen Stimme durch den Mund seines Dieners redet.

Auf welche Weise die Taufe vollzogen wird, wenn sie nur nicht im Namen eines Menschen, sondern im Namen des Herrn geschieht, so macht sie mit Sicherheit selig. Ja, ich würde nicht zweifeln: wenn sie jemand im Namen des Herrn empfinge, obschon ein gottloser Diener sie nicht im Namen des Herrn gäbe, so wäre derselbe doch wahrhaftig im Namen des Herrn getauft. Denn die Kraft der Taufe ist nicht so sehr an des Taufenden als des Getauften Glauben und Gebrauch gebunden. Diese und dergleichen ängstliche Überlegungen und Fragen haben diejenigen angestellt, die dem Glauben nichts, den Werken und Zeremonien aber alles zuschreiben, wohingegen wir doch den Zeremonien nichts, dem Glauben allein aber alles zu danken haben, welcher uns durch den Geist von allen diesen ängstlichen Zweifeln und Meinungen frei macht.

Das andere, was zur Taufe gehört, ist das Zeichen oder das Sakrament, nämlich das Eintauchen in das Wasser. Daher hat sie auch den Namen. Denn ›baptizo‹ heißt auf griechisch, was ›mergo‹ auf lateinisch bedeutet (›ich tauche ein‹), und ›baptisma‹ heißt ›Eintauchen‹. Denn, wie gesagt, neben den göttlichen Verheißungen werden uns auch Zeichen gegeben, die das darstellen, was die Worte bedeuten.

Wir aber sollen die Augen auftun und lernen, mehr das Wort als das Zeichen, mehr auf den Glauben als das Werk oder den Gebrauch des Zeichens zu achten, und wissen, daß dort, wo Gottes Verheißung ist, der Glaube gefordert wird, und daß beides so notwendig ist, daß keines ohne das andere wirksam sein kann. Denn es kann nichts geglaubt werden, es sei denn eine Verheißung da, und es hat auch eine Verheißung keinen Bestand, sie werde denn geglaubt; wenn aber beides da ist und sie sich gegenseitig ergänzen, geben sie den Sakramenten die volle und sehr gewisse Wirkung. Darum die Wirkung des Sakramentes außerhalb der Verheißung und des Glaubens zu suchen, hieße sich umsonst bemühen und dafür die Verdammnis finden. So sagt Christus (Mark. 16, 16): ›Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden.‹ Dadurch weist er darauf hin, daß der Glaube beim Sakrament so notwendig ist, daß er auch ohne das Sakrament selig machen kann. Deshalb wollte er nicht hinzufügen: Wer nicht glaubt und nicht getauft wird.

So bedeutet nun die Taufe zweierlei: den Tod und die Auferstehung, d.h. eine vollständige und vollkommene Rechtfertigung. Denn daß der Geistliche das Kind in das Wasser taucht, bedeutet den Tod; daß er es aber wieder herausnimmt, bedeutet das Leben, So legt es Paulus, Röm. 6, 4 aus: ›Wir sind mit Christus begraben durch die Taufe in den Tod, damit gleich wie Christus ist auferweckt von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, also sollen auch wir in einem neuen Leben wandeln.‹ Diesen Tod und diese Auferstehung nennen wir ›neue Kreatur‹, ›Wiedergeburt‹ und ›geistliche Geburt‹, die man nicht allegorisch von dem Tod der Sünde und von dem Leben der Gnade, wie es viele zu tun pflegen, sondern von dem wahren Tod und von der wahren Auferstehung verstehen muß. Denn die Taufe ist nicht eine Erdichtung. Die Sünde stirbt auch nicht ganz, und die Gnade wird nicht eher voll sichtbar, bis der Leib der Sünde, den wir in diesem Leben tragen, zerstört wird, wie Paulus (Röm. 6, 6) sagt. Denn solange wir im Fleisch sind, regen sich und werden erregt die Begierden des Fleisches. Darum beginnen wir auch zugleich dieser Welt zu sterben und Gott im zukünftigen Leben zu leben, sobald wir zu glauben anfangen, so daß der Glaube wirklich ein Tod und eine Auferstehung ist, d. h. die geistliche Taufe, in welcher wir eingetaucht werden und wieder hervorkommen.

Wenn nun der Taufe die Abwaschung von Sünden zugeeignet wird, so geschieht das völlig zu Recht. Aber diese Bedeutung ist zu matt und zu schwach, als daß sie das Wesen der Taufe zum Ausdruck brächte. Sie ist vielmehr ein Symbol des Todes und der Auferstehung. Aus diesem Grunde möchte ich, daß die Täuflinge ganz in das Wasser eingetaucht werden, wie es das Wort besagt und worauf die geheimnisvolle Handlung hindeutet. Nicht daß ich es für notwendig erachte, aber es wäre schön, wenn einer so tiefen und vollkommenen Sache auch ein tiefes und vollkommenes Zeichen beigegeben würde, wie es ohne Zweifel auch von Christus gestiftet ist. Denn es geht nicht so sehr darum, daß der Sünder abgewaschen wird, als vielmehr darum, daß er stirbt, auf daß er ganz erneuert werde zu einer anderen Kreatur und daß er dem Tod und dem Auferstehen Christi entspreche, mit dem er durch die Taufe stirbt und wieder aufersteht Denn wenn man gleich sagen kann, Christus sei von der Sterblichkeit abgewaschen worden, als er starb und wieder auferstand, wäre das doch weniger als wenn man sagte, er wäre ganz verändert und erneuert. So ist es besser zu sagen, die Taufe bedeutet für uns ganz sterben und zum ewigen Leben auferstehen, als von Sünden abgewaschen werden.

Hier siehst du abermals, daß das Sakrament der Taufe, auch soweit es sich auf das Zeichen bezieht, nicht eine Sache des Augenblicks, sondern von Dauer ist. Denn wenn auch der Taufakt schnell vorbei ist, so dauert doch die in ihm dargestellte Sache bis in den Tod, ja bis zur Auferstehung am Jüngsten Tage. Denn solange wir leben, tun wir stets das, was die Taufe bedeutet, d. h. wir sterben und stehen wieder auf. Wir sterben, sage ich, nicht nur innerlich und geistlich, indem wir der Sünde und den Eitelkeiten der Welt absagen, sondern wir fangen tatsächlich an, dieses leibliche Leben zu verlassen und das zukünftige zu ergreifen, so daß es sich also um einen richtigen und leiblichen Übergang aus dieser Welt zum Vater handelt.

Darum sollen wir uns vor denen hüten, welche die Kraft der Taufe so klein und so gering machen, daß sie sagen, die Gnade werde zwar in der Taufe eingegossen, aber nachher durch die Sünde fahrengelassen; dann müßte man auf einem anderen Weg, gleich als wenn die Taufe jetzt ganz ungültig gemacht wäre, zum Himmel gehen. So sollst du nicht urteilen, sondern die Bedeutung der Taufe so verstehen, daß du durch sie stirbst und lebst; deswegen kannst du weder durch die Buße noch auf sonst einem anderen Weg zurückkehren als allein zur Kraft der Taufe, und wiederum das tun, was zu tun du getauft worden bist und was deine Taufe bedeutet. Die Taufe wird niemals ungültig, du verzweifelst denn und willst nicht zu deinem Heile zurückkehren. Du kannst wohl eine Zeitlang vom Zeichen (der Taufe) abirren, aber darum ist das Zeichen nicht ungültig. Du bist also einmal mit dem Sakrament getauft, aber du mußt immer durch den Glauben getauft werden, allezeit sterben und wieder leben. Die Taufe hat den ganzen Leib gleichsam verschlungen und wieder herausgegeben; so soll auch die Kraft der Taufe dein ganzes Leben mit Leib und Seele verschlingen und wieder herausgeben am Jüngsten Tage, angetan mit dem Kleide der Verklärung und der Unsterblichkeit. Deshalb sind wir niemals ohne die Kraft und ohne das Zeichen der Taufe, sondern müssen allezeit mehr und mehr getauft werden, bis wir das Zeichen am Jüngsten Tage vollkommen erfüllen.

Du verstehst nun, daß alles, was wir in diesem Leben tun und was dazu dient, das Fleisch zu töten und den Geist lebendig zu machen, zu der Taufe gehört. Je kürzer wir vom Leben befreit werden, um so schneller erfüllen wir unsere Taufe, je Schwereres wir leiden, um so vollkommener werden wir unserer Taufe gleichförmig. Deshalb war die Kirche auch zu der Zeit im besten Stand, als täglich Märtyrer getötet und wie Schlachtschafe geachtet wurden. Denn damals herrschte in der Kirche mit allem Nachdruck die Kraft der Taufe, die wir jetzt vor der Unzahl der Werke und Menschenlehren gar nicht mehr kennen. Denn alles, was wir leben, soll Taufe sein und das Zeichen oder Sakrament der Taufe erfüllen, wenn wir von allem anderen befreit allein der Taufe geweiht sind, d. h. dem Tode und der Auferstehung.

Vielleicht wird man meinen Worten die Kindertaufe entgegenhalten: die Kinder verstünden die Verheißung Gottes nicht, könnten auch den Glauben der Taufe nicht haben; deshalb würde entweder der Glaube nicht gefordert oder die Kinder würden vergebens getauft. Hier sage ich, was alle sagen, daß den Kindern mit dem fremden Glauben derer zu Hilfe gekommen werde, die sie zur Taufe bringen. Denn wie das Wort Gottes, wenn es erschallt, fähig ist, auch eines Gottlosen Herz zu verändern, das doch nicht weniger taub und unempfänglich ist als irgendein kleines Kind, so wird durch das Gebet der Kirche, welche das Kind darbringt und den Glauben hat, dem alle Dinge möglich sind, auch das kleine Kind durch den eingegossenen Glauben verändert, gereinigt und erneuert. Ich möchte auch nicht daran zweifeln, daß selbst ein erwachsener Ungläubiger, wenn diese Kirche (für ihn) betete und ihn Gott darbrächte, durch ein jedes Sakrament verändert werden könnte, wie wir es von dem Gichtbrüchigen im Evangelium (Matth. 9, 1 ff.) lesen, der durch den Glauben anderer gesund gemacht worden ist. Und aus diesem Grunde will ich gern zugeben, daß die Sakramente des neuen Gesetzes kräftig sind, die Gnade nicht allein denen zu geben, die dem keinen Riegel vorschieben, sondern auch denen, die das aufs hartnäckigste tun. Denn was sollte wohl der Glaube der Kirche und das Gebet des Glaubens nicht hinwegnehmen, da man doch glaubt, daß Stephanus den Apostel Paulus mit dieser Kraft bekehrt habe? Aber dann wirken die Sakramente solches nicht aus eigener, sondern durch die Kraft des Glaubens, was sie wirken, ohne den sie, wie ich gesagt habe, gar nichts wirken.

Eins füge ich hier noch hinzu, und wollte Gott, ich könnte alle dazu überreden: daß alle Gelübde sämtlich aufgehoben oder vermieden würden, mag es sich dabei um Klostergelübde, um Gelübde zu einer Wallfahrt oder zu anderen Werken handeln, und daß wir in der allergeistlichsten und überaus wirksamen Freiheit der Taufe blieben. Es ist nicht zu sagen, wieviel dieser mehr als zuviel verbreitete Gelübdewahn der Taufe Eintrag tut und das Wissen um die christliche Freiheit verdunkelt, ganz zu schweigen von den unsagbaren, unzähligen Gefahren für die Seele, welche diese Sucht Gelübde abzulegen und die unbedachte Unbesonnenheit täglich mehr und mehr häuft. O ihr ruchlosen Bischöfe und ihr unseligen Hirten, die ihr in falscher Sicherheit schnarcht und eure Leidenschaften pflegt und euch nicht um den großen und sehr gefährlichen ›Schaden Josephs‹ kümmert (Amos 6, 6),

Hier sollte man mit einer allgemeinen Anordnung entweder alle Gelübde aufheben, insbesondere die auf Lebenszeit und jedermann wieder zum Taufgelübde zurückrufen oder fleißig dazu ermahnen, daß niemand unbesonnen etwas gelobte, niemanden dazu auffordern, ja schwer zugänglich und langsam sein, Gelübde zuzulassen. Denn wir haben in der Taufe genug gelobt – mehr als wir erfüllen können – und werden genug zu schaffen haben, wenn wir nur dieses einzige Gelübde halten wollen. Aber jetzt ›durchziehen wir Wasser und Land, damit wir viele Proselyten gewinnen‹ (Matth. 23, 15), wir füllen die Welt mit Pfaffen, Mönchen und Nonnen, und alle diese kerkern wir mit ewigen Gelübden ein. Hier findet man Leute, die disputieren und behaupten, ein Werk innerhalb eines Gelübdes sei besser als ein Werk, das außerhalb eines und ohne ein Gelübde getan wird, und sei – ich weiß nicht, um wie großer Belohnungen im Himmel willen – anderen vorzuziehen. O diese blinden und gottlosen Pharisäer, die an der Größe, an der Vielfalt und anderen Eigenschaften der Werke die Gerechtigkeit und Heiligkeit messen, die bei Gott allem an dem Glauben gemessen wird, bei dem es keinen Unterschied der Werke gibt, außer was den Unterschied des Glaubens betrifft.

Mit solchen aufgeblasenen Worten verschaffen sich diese gottlosen Leute mit ihren Erfindungen einen guten Ruf und rühmen die Werke der Menschen, um den unverständigen Pöbel anzulocken, der durch den äußeren Schein der Werke für gewöhnlich zu einem starken Verlust des Glaubens, zum Vergessen der Taufe und zur Schädigung der christlichen Freiheit verleitet wird. Denn weil ein Gelübde gewissermaßen ein Gesetz ist und eine Auflage, werden, wenn die Gelübde vervielfacht werden, auch die Gesetze und Werke notwendigerweise vervielfacht; werden aber diese vervielfacht, so wird der Glaube ausgelöscht und die Freiheit der Taufe gefangen genommen. Mit solchen gottlosen Schmeichelreden nicht zufrieden, fügen einige noch hinzu, der Eintritt in einen Orden sei eine Art neue Taufe, die man so oft erneuern könne, so oft der Vorsatz zum mönchischen Leben erneuert wird. So haben sich diese Gelübdeanpreiser die Gerechtigkeit, die Seligkeit und den Ruhm allein zugeschrieben; den Getauften haben sie gar nichts übriggelassen, womit sie ihnen verglichen werden könnten. Der römische Bischof, Quelle und Hauptursache allen Aberglaubens, bestätigt, billigt und lobt jetzt diese Art zu leben mit herrlichen Bullen und Gnadenerweisen, während die Taufe niemand auch nur einer Erwähnung wert findet. Und mit diesem glänzenden Aufwand treiben sie – wie gesagt – das willige Volk Christi, wohin sie wollen, daß sie sich, undankbar gegen ihre Taufe, rühmen, mit ihren Werken etwas Besseres zu leisten als andere mit ihrem Glauben.

Aber hier mag ein jeder das Seine darüber denken. Ich will das, was ich angefangen habe, fortsetzen. Weil ich für die Freiheit der Kirche und die Sache der Taufe eintrete, muß ich öffentlich den Rat geben, den ich durch den heiligen Geist gelernt habe. Darum rate ich zuerst den Vorstehern der Kirchen, daß sie all diese Gelübde oder die (Vorschriften für die) Lebensweise der Gelobenden abschaffen, oder daß sie sie weder billigen noch besonders herausstellen. Oder, wenn sie das nicht tun, rate ich allen, die mit größerer Gewißheit (als bisher) selig werden wollen, daß sie sich von allen Gelübden und besonders von den großen und lebenslänglichen enthalten, in Sonderheit die jungen Leute. Das rate ich erstens deshalb, weil solch eine Lebensweise, wie gesagt, kein Zeugnis noch Beispiel in der Schrift hat, sondern allein durch der Menschenpäpste Bullen – rechte Wasserblasen – aufgeblasen worden ist; weiter, weil sie wegen ihres äußeren Scheines und ihrer Besonderheit willen zur Heuchelei neigt. Von da kommen der Hochmut und die Verachtung des allgemeinen christlichen Lebens. Und wenn sonst keine andere Ursache wäre, solche Gelübde abzuschaffen, hätte doch diese allein Gewicht genug, daß durch sie dem Glauben und der Taufe Abbruch geschieht und Werke gerühmt werden, die ohne Verderben nicht gerühmt werden können. Denn unter vielen tausenden ist kaum einer, der in den Orden nicht viel mehr die Werke als den Glauben hochhält. In diesem Wahnsinn will noch ein jeder besser sein als der andere, wie die ›Strengeren‹ vor den ›Laxeren‹, wie sie sagen.

Deshalb rate ich niemandem, ja ich rate vielmehr allen ab, in einen Orden oder Priesteramt zu treten, er sei denn mit dem Wissen ausgerüstet, daß er verstehe, daß die Werke der Mönche und Priester, wie heilig und hoch sie auch sein mögen, vor dem Angesicht Gottes in nichts unterschieden sind von den Werken eines Bauern, der auf dem Acker arbeitet, oder eines Weibes, das ihrer Haushaltung wartet, sondern daß alles vor Gott nach dem Glauben gemessen wird, wie Jeremia 5, 3 sagt: ›Herr, deine Augen sehen nach dem Glauben‹, und Sirach 32, 27: ›Was du vornimmst, so vertraue Gott von ganzem Herzen. Denn auch das ist ein Halten der Gebote Gottes.‹ Ja, es kommt häufiger vor, daß ein häusliches und schlichtes Werk einer Magd oder eines Knechtes Gott wohlgefälliger ist als alle Fasten und Werke eines Ordensmannes und Priesters – wegen des fehlenden Glaubens. Weil demnach die Gelübde heutzutage wahrscheinlich nur zur Prahlerei und zur Anmaßung wegen der Werke dienen, steht zu fürchten, daß es nirgends weniger Glauben, weniger von der Kirche gibt als eben bei Priestern, Mönchen und Bischöfen, und daß sie rechte Heiden und Heuchler sind, die sich für die Kirche oder für das Herz der Kirche, ebenso für Geistliche und Leiter der Kirche halten, obwohl sie doch nichts weniger als das sind.

Dies sei einstweilen genug von der Taufe und ihrer Freiheit. Später werde ich vielleicht die Gelübde ausführlicher behandeln, wie es wirklich dringend nötig wäre, sich mit ihnen besonders zu beschäftigen.


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