Lukian von Samosata
Lügengeschichten und Dialoge
Lukian von Samosata

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Ich komme nun auf den zweyten, nemlich, daß ich die Menschen gebildet habe. Da der Vorwurf, den ihr mir deßwegen macht, zweyfach seyn kann, so weiß ich nicht, welches von beyden ihr mir eigentlich zur Last leget: ob euerer Meynung nach die Menschen gar nicht hätten gemacht werden, sondern unverarbeiteter lebloser Leimen bleiben sollen, wie sie zuvor waren; oder ob ich sie nur anders und nicht nach diesem Modell hätte bilden sollen? Ich will mich aber über beydes erklären, und fürs erste zu beweisen suchen, den Göttern sey dadurch, daß die Menschen ins Leben hervorgerufen worden, nicht nur nicht der geringste Nachtheil zugewachsen, sondern, im Gegentheil, es sey ihnen um sehr vieles zuträglicher, als wenn die Erde von Menschen leer geblieben wäre. Um nun ins klare zu setzen, ob ich unrecht gethan habe die Erde mit dieser neuen Art von Wesen auszuschmücken, bedarf es nur einen Blick in die Zeiten zu werfen, wo ausser den Göttern und himmlischen WesenDen Gestirnen. sonst nichts lebendes vorhanden war. Damals war die Erde noch eine wilde und ungestalte Lehde, die über und über von Wäldern starrte. Die Götter hatten weder Altäre noch Tempel; und wo hätten auch damals Prachtsäulen, Marmorbilder und dergleichen herkommen sollen, die man jetzt überall und mit der größten Kunst ausgearbeitet, antrifft? Ich also, der immer für das gemeine Beste besorgt bin, und darauf denke wie das Interesse der Götter befördert und überhaupt alles zu größerer Vollkommenheit gebracht werden könnte, überlegte bey mir selbst, daß ich nichts bessere thun könnte als ein wenig Leimen zu nehmen und Thiere daraus zu bilden, die an Gestalt uns Göttern ähnlich wären. Denn ich dachte, es mangle der göttlichen Natur etwas, so lange es nicht auch sterbliche Wesen gebe, mit welchen sie sich vergleichen, und dadurch ihre eigene Vorzüge desto besser fühlen könnten. Dieses neue Geschlecht sollte nur sterblich, übrigens aber mit soviel Kunstfertigkeit, Verstand und Gefühl des Schönen begabt seyn als mir möglich wäre. Ich machte also mit dem Dichter zu redenAnspielung auf einen Ausdruck, den Hesiodus in Oper. et Dies. v. 61. in der Beschreibung, wie Vulkan Pandoren bildete, gebraucht., aus Erde und Wasser einen Teig, knetete ihn tüchtig durch, und bildete, mit Hülfe Minervens, die ich gebeten hatte an meiner Arbeit Theil zu nehmen, die Menschen daraus. Und das ist nun das große Verbrechen das ich an den Göttern begangen haben soll! Denn man sieht ja freylich wie groß der Schade ist, daß ich aus Leim lebendige Dinge gemacht, und was bisher als todte Masse dalag, in Bewegung gesetzt habe! Die Götter sind nun vermuthlich weniger Götter als zuvor, seit die Erde mit einigen sterblichen Thieren besetzt worden ist? Wenigstens sollte man aus Jupiters Unwillen auf mich schließen, der Zustand der Unsterblichen müßte sich durch Entstehung der Menschen sehr verschlimmert haben: er fürchtet vermuthlich, daß auch sie etwa einen Aufstand gegen ihn erregen, und, gleich den Giganten, die Götter mit Krieg überziehen möchten. Daß euch aber von mir und meinen Werken nicht das geringste Übel zugewachsen sey, ist augenscheinlich; oder, zeige du mir, Merkur, auch nur ein einziges, wie klein es immer seyn mag, so will ich schweigen und gestehen, daß mir nicht zuviel von euch geschieht. Willst du dich hingegen überzeugen wie nützlich sie den Göttern geworden sind, so wirf einen Blick auf diese Erde, die vorher so roh und unförmlich aussah, und siehe sie mit Städten und angebauten Feldern und zahmen Gewächsen geziert, das Meer mit Schiffen bedeckt, die Inseln bewohnt, und überall Altäre und Opfer und Tempel und festliche Versammlungen, und alle Straßen und Märkte voll von Jupiter. Hätte ich die Menschen für mich gebildet und zu meinem alleinigen Gebrauch vorbehalten, so könnte man mir allenfalls Habsüchtigkeit und Vergrößerungssucht vorwerfen: so aber habe ich sie euch Göttern als ein gemeinschaftliches Gut überlassen; ja noch mehr, die Altäre Jupiters, Apollo's, und die deinen, Merkur, sieht man überall, einen Altar des Prometheus nirgendsGleichwohl spricht Pausanias (in Atticis cap. 30.) von einem Altare des Prometheus, der in der Akademie zu Athen gestanden haben soll. Unserm Autor, der in Athen gewiß so gut und besser zu Hause war als Pausanias, konnte dieser Altar unmöglich unbekannt seyn, wenn er vorhanden war; wie konnte er also seinen Prometheus so positiv sagen lassen: man sehe nirgends keinen Altar des Prometheus? Die beste Auflösung dieses Knotens dünkt mich zu seyn, wenn man annimmt, daß Lukian von Altären rede auf welchen geopfert wurde, und daß der Altar, wovon Pausanias spricht, (der nehmliche, dessen der Scholiast des Sophokles aus dem Apollodor erwähnt) eigentlich bloß ein aus alten Zeiten übriggebliebenes Denkmal gewesen, worauf Prometheus und Vulkan, mit einem zwischen ihnen stehenden Altare, abgebildet zu sehen waren, wie der bemeldete Scholiast deutlich genug sagt. Ein auf einem alten Postement (βάσις αρχαία) abgebildeter Altar war in Vergleichung mit den Altären, worauf den andern Göttern überall geopfert wurde, soviel als gar keiner; und das Aufheben, das Brodeau in seinen Miscellaneis I. c. 18. dieser angeblichen Unrichtigkeit wegen gegen unsern Autor macht, ist also bloße Schicane., zum augenscheinlichen Beweis wie ich nur mein eigenes suche, das gemeine Wesen hingegen verrathe und in Abnahme bringe! Übrigens Merkur, überlege nur noch dieses: ob dir wohl irgend ein Werk oder Besitzthum, das von niemand bewundert würde, eben so angenehm wäre als wenn du es auch andern zeigen könntest? Die Anwendung ist leicht gemacht. Hätte ich die Menschen nicht gebildet, so würde die Schönheit des Weltalls ohne Zeugen seyn; wir besäßen einen unendlichen Reichthum, der von niemand bewundert und zuletzt von uns selbst wenig mehr geachtet würde. Denn womit wollten wir ihn vergleichen, um zu fühlen, wie viel glücklicher wir sind, wenn wir keine Wesen fänden, denen das Schicksal unsre Vorzüge versagt hat? Das Große erscheint nur dadurch groß wenn es mit etwas kleinerem gemessen wird. Und ihr, anstatt mir, wie billig, für eine so gemeinnützliche Erfindung Ehre anzuthun, habt mich zum Dank dafür gekreuziget! Aber wie viele unter den Menschen, höre ich dich sagen, sind Übelthäter, brechen die Ehe, ziehen gegen einander zu Felde, heurathen ihre leiblichen Schwestern und stellen ihren Vätern nach dem Leben? – Als ob das Alles bey uns Göttern nicht alle Tage geschähe! Und gleichwohl macht es niemand dem Himmel und der Erde zum Verbrechen, daß sie uns aufgestellt haben. Du könntest auch noch sagen: die Sorge für sie mache uns nothwendig viel zu thun. Aber mit eben soviel Rechte könnte sich ein Schäfer beklagen, daß er eine Heerde habe, weil er sie besorgen muß. Es ist freylich Arbeit dabey; aber auch Vergnügen, und diese Fürsorge verschafft uns eine gewiß nicht unangenehme Unterhaltung. Oder was wollten wir thun wenn wir niemand hätten für den wir sorgten? Faullenzen, und unsern Nektar austrinken, und uns vor lauter Langerweile mit Ambrosia vollpfropfen, wäre alles was uns übrig bliebe. Was mich aber am meisten ärgert, ist dieß, daß ihr mir meine Menschenmacherey, besonders die Weiber zum Vorwurf macht, und gleichwohl so große Liebhaber von den letztern seyd, daß ihr unaufhörlich heruntersteigt, und ihnen bald als Stiere, bald als Satyrn oder Schwäne die Ehre anthut, Götter mit ihnen zu fabriziren. Doch vielleicht wirst du noch einwenden, die Menschen hätten immerhin gemacht werden mögen, nur nach einem andern Modell als nach dem unsrigen. Aber wo hätte ich ein besseres hernehmen können als die vollkommenste aller Gestalten ist? Oder hätte ich sie zu vernunftlosen viehischen Feldthieren machen sollen? Wie würden sie euch Göttern da geopfert, oder euch sonst so viele Ehre angethan haben? Gleichwohl ist euch dieß sehr angenehm, und ihr bedenkt euch nicht lange, ob die Reise bis über den Ocean zu den unbescholtenen Äthiopiern geht, wenn es nur Hekatomben zu schmausen giebtHomer läßt Jupitern mit seinem ganzen Hofe diese Reise machen, um sich bey den wackern Äthiopiern zu Gaste zu bitten. Ilias I. 423.. Und mich, der euch alle diese Ehrenbezeugungen und Opfer verschafft hat, mich habt ihr kreuzigen lassen!

Soviel mag dann über diesen Punkt, die Menschen betreffend, hinlänglich seyn. Ich komme also nun, mit deiner Erlaubniß, auf den mir so hoch aufgemutzten Feuerdiebstahl. Und hier sage mir, um aller Götter willen, was fehlt uns von diesem Feuer seitdem die Menschen etwas davon bekommen haben? Du wirst nichts angeben können: denn das, däucht mich, ist in der Natur dieses Dinges, daß es durch Mittheilung nicht weniger wird; es löscht nicht aus, wenn man ein anderes dabey anzündet. Es ist also bloßer handgreiflicher Neid, wenn ihr nicht leiden wollt, daß, ohne euern geringsten Nachtheil, andern, die dessen bedürftig sind, etwas davon gegeben werde: und gleichwohl, da ihr Götter seyd, solltet ihr gut und Geber alles Guten und über alle Mißgunst weit erhaben seyn! Und wenn ich euch am Ende all euer Feuer weggetragen und gar nichts davon übrig gelassen hätte, was würde es euch geschadet haben? Denn wozu braucht ihr Feuer, da ihr nicht friert, eure Ambrosia ungekocht eßt, und keiner Lichter nöthig habt? Den Menschen hingegen ist das Feuer zu unzählichen Dingen, und besonders auch zu den Opfern unentbehrlich: denn wie wollten sie ohne Feuer die Straßen mit Opferfett einräuchern, Weyhrauch anzünden, und Nierenstücke auf dem Altar verbrennen, von welchem allem ihr doch so große Liebhaber seyd, daß ihr es für den angenehmsten Schmaus haltet, wenn sich der Opfergeruch in dicken Rauchwolken zu euch hinauf windet? Ihr streitet also gegen euer eigenes Vergnügen, wenn ihr mir diesen Vorwurf macht. Mich wundert übrigens nur, daß ihr nicht auch der Sonne verboten habt den Menschen zu scheinen, da ihr Feuer doch unstreitig göttlicher und mehr Feuer als das gemeine ist; oder warum ihr nicht auch sie vor Gericht deßwegen fodert, daß sie euer Eigenthum verschleudern? Meine Vertheidigung ist nun zu Ende: ihr aber, Merkur und Vulcan, wenn ihr glaubt, daß ich in einem oder anderem Stücke übel gesprochen habe, weiset mich zurecht und widerleget mich: so werde ich mich alsdann ferner zu verantworten wissen.

Merkur. Es ist nichts leichtes, Prometheus, mit einem so mächtigen Sophisten zu ringen wie du bist. Übrigens kannst du froh seyn, daß du Jupitern nicht dabey zum Zuhörer gehabt hast: ich bin gewiß, er würde dir sechzehn Geyer für einen über deine Eingeweide schicken, so heftig hast du ihn angeklagt, wiewohl du nur dich selbst zu vertheidigen schienest. Indessen wundert mich nur eins, und das ist: wie dir, da du doch ein Wahrsager bist, verborgen seyn konnte, daß dir diese Strafe bevorstehe?

Prometheus. Ich wußte es sehr wohl, und weiß auch, daß meine Quaal ein Ende nehmen, und daß dereinst ein guter Freund von dirHerkules. aus Theben kommen, und den Adler mit seinen Pfeilen erschießen wird, der mich, wie du sagst, anfallen soll.

Merkur. Möge dieß wahr werden, und ich bald das Vergnügen haben dich wieder frey und an unsrer Göttertafel sitzen zu sehen! Nur, daß du nicht die Portionen auszutheilen bekommst!

Prometheus. Sey darüber ruhig, Merkur! Ich werde wieder mit euch schmausen, und Jupiter wird mich für einen nicht geringen Dienst wieder frey geben.

Merkur. Darf man fragen was für einen?

Prometheus. Du kennest ja die Thetis, Merkur? – Doch es ist nicht Zeit, mehr zu sagen. Ich muß mein Geheimnis zu meinem Lösegeld aufsparen.

Merkur. Behalt es immerhin bey dir, Titan, wenn es besser für dich ist! Wir, Vulcan, wollen nun gehen; denn dort seh' ich schon den Adler angeflogen kommen. – Halte tapfer aus, und möchte sich doch der Thebaner, von dem du sagtest, jetzt schon sehen lassen, um dich von den Bissen dieses grausamen Vogels zu befreyen!


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