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Der Berg

Eine Novelle aus Ägypten
(Nach alten Überlieferungen)

 

Diese Anekdote ist überaus alt. Solche Dinge sind heute unmöglich, genau so, wie das Erbauen der Pyramiden und wie die Schauspiele der Römer – die Kämpfe der Gladiatoren mit den Raubtieren.

Ägyptische Nächte.

 


 

Erstes Kapitel

E Es ist schon lange her, da lebte unter der Herrschaft der Römer im ägyptischen Alexandrien ein bedeutender und berühmter Künstler, namens Zenon. Mit ungewöhnlichem und feinstem Geschmack fertigte dieser allerhand köstliches Geräte aus Gold und Silber und auch die kunstvollen Dinge, die die Weiber für ihren Schmuck benötigen. Nach der Art seines Gewerbes nannte man ihn den Goldschmied. Es war zu jenen Zeiten, da in nächster Nachbarschaft miteinander und in engster geschäftlicher Berührung eine Menge von Menschen in Alexandrien wohnte, die alle verschiedenen Glaubensbekenntnissen anhingen, wobei ein jeder seinen Glauben für den einzig wahren und den allerbesten hielt und den Glauben des anderen nicht nur nicht respektierte, sondern sogar schmähte. Freilich gab es auch solche, die, um nur Frieden und Ruhe zu haben, ihren Glauben nicht öffentlich bekundeten, sondern ihn verborgen hielten und sich in keinen Streit mischten.

Zenon, der Goldschmied, war insgeheim ein Christ, doch zählte ihn die Gemeinschaft der alexandrinischen Christen nicht zu den ihren, und er selber hielt sich fern von ihr. Es war ihm angenehmer, sich nicht allen mitteilen zu müssen, denn da er von einem aus Syrien nach Ägypten verschlagenen Pilger in der Christenlehre unterwiesen worden war, sah unser Zenon manche Dinge ganz anders an, als es von den übrigen Christen in Alexandrien zum Gesetz erhoben worden war. Darum waren auch die wenigen der offenkundigen Christen, die Zenon kannten, der Ansicht, daß er sich auf einem Irrwege befände; er besuchte sie nicht und stritt niemals mit ihnen, sondern lebte abseits hinter der Palästra und bereits außerhalb der Stadt, in seinem stillen luftigen, inmitten der Melonenfelder errichteten Häuschen.

In seiner Kunst, die man in jener Zeit als die eines Goldschmiedes bezeichnete, gab es dazumal keinen, der Zenon ebenbürtig gewesen wäre, – nicht nur in Alexandrien oder in Theben, sondern sogar im ganzen Ägypten. Die Armbänder, Spangen und der Kopfschmuck von Zenons Hand waren sogar in Antiochien berühmt. All die gepriesenen Frauen dieser prunkvollen Städte wollten unentwegt und um die Wette nur Zierrat haben, den dieser treffliche Meister gefertigt. Die Hebräer aus Antiochien erteilten ihm große Aufträge, um die Erzeugnisse seiner Goldschmiedekunst zu erlangen, sie stapelten seine Kunstwerke bei sich auf und reisten dann mit diesen Schätzen nach ihren Heimatstädten zurück, wo sie sie zu ungeheuer hohen Preisen verkauften und großen Vorteil hierdurch hatten. Sehr flink und fleißig war Zenon, und dennoch gelang es ihm nicht, all die Aufträge, die ihm zuteil wurden, auszuführen, und häufig steigerte sich seine Arbeitsüberlastung so sehr, daß er nicht einmal mehr Zeit für das geringste Vergnügen hatte und sehr oft nicht einmal Zeit, an sich selber zu denken. Er war damals bereits einunddreißig Jahre alt und hatte schon ein Übriges zurückgelegt, von dem er und eine ganze Familie sorglos hätten leben können, dennoch war er immer noch ein Junggeselle und lebte völlig einsam in seinem ein wenig alleinstehenden aber wohl eingerichteten Hause hinter den Melonenfeldern. Als Diener stand ihm nur ein ungemein starker Perser zur Seite, ein Mensch, der ihm schrankenlos zugetan war und der treueste Diener, war er auch nur ein Heide und besuchte er auch fleißig die Mysterien des Mithra.

Zenon saß gern zu Hause und liebte es, wenn er nicht anderweitig beschäftigt war, zu lesen und über erhabene Gegenstände nachzugrübeln. Nachdem er den Tag über geschafft, verließ er erst spät abends seine Werkstatt und setzte sich entweder auf die Steinbank unter der breitblättrigen Platane, um den abendlichen Untergang der roten Sonne hinter den Baumwipfeln zu betrachten und vielleicht hie und da eine Schrift über erhabene Fragen zu lesen, oder aber er segelte auf dem Nile, wobei er seine Barke mit dem gestreiften Seidensegel selber zu lenken pflegte. Wenn Zenons häusliche Angelegenheiten einen Gang zur Stadt mit sich brachten, so hatte diesen der Perser auszuführen, dennoch kannte jedermann in Alexandrien unseren Zenon, und es gab dort viele bedeutende Männer, die es sich zur Ehre anrechneten, mit ihm bekannt sein zu dürfen, denn schließlich war er in seiner Art ja auch berühmt, – aber trotzdem blieb unser Zenon bescheiden und floh alles, was nach Ehrungen aussah. Die reichen und schönen Frauen Alexandriens taten, was sie konnten, da jede Zenon für sich gewinnen wollte, sie zahlten ihm jeden Preis, um nur die anderen ausstechen zu können, doch ihrer waren viel und Zenon war allein und darum konnte er es nicht allen recht machen. Allen konnte Zenon nicht gefällig sein.

Darum verfiel denn eine vornehme Dame auf ein ganz neues Mittel, sich die Fertigkeit des Künstlers dienstbar zu machen.

 

Zweites Kapitel

Aus Antiochia kam nach Alexandrien eine junge und ungemein schöne Witwe namens Nephoris oder Nephora. Sie war sehr reich und so sehr verwöhnt, daß sie ihren Launen keine Grenze kannte und nicht den geringsten Widerspruch ertrug, geschweige denn gar eine Absage. Verzichten oder in der Verwirklichung eines wie immer gearteten Wunsches einhalten war für sie so unerträglich, daß sie an so etwas auch nicht einmal denken wollte; nachdem sie also nach Alexandrien gekommen, bestand ihre Absicht zunächst darin, alle und selbst die allerverschwenderischsten alexandrinischen Schönen an Prunk zu übertreffen. Um nichts in der Welt wäre Nephoris einverstanden gewesen, von diesem eitlen Verlangen abzustehen, da sie in ganz Antiochia als die allererlesenste Schöne bekannt war, deren Geschmack und unvergleichlicher Reiz all die anderen bezaubernden Frauen, die durch Schönheit oder gewählte Gewänder die Feste im Haine der Daphne zierten, überschattete. Die Gewänder der Nephoris waren wundervoll, doch um sie noch bemerkenswerter zu machen, wünschte sie außerdem noch den allerschönsten aus Golde gefertigten Schmuck zu besitzen, so einen, wie ihn die alexandrinischen Modedamen trugen, doch mußte er unbedingt noch weitaus vollkommener sein, als alle derartigen Schmuckstücke, die jemals hergestellt worden waren. Darum schickte sie alsbald zu Zenon, dieser aber weigerte sich zu kommen und ließ ihr sagen, daß es ihm leider an Zeit gebräche. Nephora sandte einen zweiten Boten zu ihm und befahl diesem, Zenon jeden Preis zu versprechen, den er selber fordern würde, allein Zenon entgegnete dem Boten: »Sage deiner Herrin, daß ich genau so viel arbeite, wie ich kann, und daß ich Bestellungen, die über meine Kraft gehen, nicht annehme. Es allen recht zu machen, ist mir unmöglich, darum wahre ich eine richtige Reihenfolge, und da könnte eine Frau noch so reich sein, sie wäre dennoch nicht in der Lage, mir irgend etwas zu bieten, das mich veranlassen würde, die gerechte Ordnung willkürlich zu unterbrechen.«

Als die Abgesandten somit zum zweiten Male ohne den Künstler und ohne Erfolg zurückkehrten und Nephora diese Antwort übermittelten, geriet die verwöhnte und an solche Erwiderungen ganz und gar nicht gewöhnte Modedame in einen furchtbaren Zorn, der sich zu einem solchen Wahnsinn steigerte, daß sie die Sklaven, die sie zu Zenon geschickt hatte, erbarmungslos zu bestrafen befahl, aber nicht genug damit, sie ordnete außerdem an, es sollte augenblicks ein weißes Maultier für sie gesattelt und ein langer und dichter Schleier hergerichtet werden, der ihre ganze Gestalt einschließlich des Hauptes verbergen könnte.

Nephoris hatte den Entschluß gefaßt, selber vor Zenon zu treten und den Künstler, koste es auch, was es wolle, zu veranlassen, ihr das zierlichste goldene Diadem zu schmieden, mit den allerfeinsten und niedlichsten Kettchen daran, an denen Perlen von gleicher Größe und gleicher Farbe hängen sollten.

Beide Befehle der Nephoris wurden unverzüglich befolgt: die Sklaven, die sie ohne Erfolg zu Zenon geschickt hatte, wurden mit dem Ochsenziemer hart gezüchtigt, ihr aber wurde ein weißes Maultier vorgeführt, auf dessen Rücken ein prächtiger Teppich lag, als Zügel diente ein künstlich verschlungenes Band, auf dem Stirnhaar des Tieres lag ein feines goldenes Netz, lange Quasten bildeten die zweiten Zügel. In Erwartung der Herrin hielt diese ein stummer Syrier aus Tyrus, der ein langes grellrotes bis an seine Fersen reichendes Gewand trug.

Nephora bestieg das Maultier, und der rote Syrier führte das schöne Tier am Zaum, ohne zu ahnen, wohin sich seine Herrin zu begeben wünschte. Nur an den Straßenkreuzungen und bei den Biegungen des Weges blickte er seine Herrin an und gehorchte stumm den Winken ihres Fächers.

 

Drittes Kapitel

Wie wir bereits mitgeteilt, lebte Zenon abseits von allem Lärm hinter den Mauern der Stadt in einer etwas einsamen aber schönen Gegend, freilich lag sie von dem Orte, an dem Nephoris lebte, ziemlich entfernt. Der Weg führte anfangs durch die Stadt, dann kam eine schattige Allee, allein auch hier wurde das Menschengedränge nicht geringer. Sklaven zogen ihr entgegen, die Sänften trugen, auf denen Frauen ruhten, rasende Maultiergespanne überholten sie donnernd, aber auch Gefährte, die von großen Pferden mit geschorenen Mähnen gezogen wurden, nach und nach jedoch wurde der Pfad immer menschenleerer und stiller. Und jetzt erst wurde sich Nephora klar, wie unvorsichtig sie gewesen: sie kannte den Weg zum Künstler Zenon nur bis hierher.

Von der Allee zweigten sich unablässig kleinere Seitenwege ab, schmale Fußpfade, die irgendwo in Platanen-Hainen aufhörten. An einem dieser Nebenwege saß ein alter Amalekiter unter einem schattigen Baume und aß eine Melone: neben ihm war ein ebenso altes Kamel eifrig damit beschäftigt, wiederzukäuen. Nephora fragte den Amalekiter, ob er nicht wüßte, wo Zenon, der Goldschmied wohne?

»Ich bin nicht von hier,« entgegnete der Amalekiter: »aber reit du nur weiter, in der Nähe wirst du unter einem Baume ein Mädchen sehn, das Ziegen weidet, – die sollst du fragen, sie wohnt hier am Orte und kennt einen jeden, – sie wird dir bestimmt sagen, wo der wohnt, dessen du benötigst.«

Nephora winkte ihrem Syrier zu, und dieser führte das Maultier weiter.

Bald darauf kamen sie zu einem breitblätterigen Baum, unter dem vier gelbe Ziegen weideten, in ihrer Mitte saß ein schlichtgekämmtes barfüßiges Mädchen auf dem Grase, sie trug ein grobes Hemd aus brauner Leinwand.

Nephora fragte sie nach Zenons Wohnung.

Das barfüßige Mädchen schüttelte die blauschwarzen Locken zurück und entgegnete:

»Freilich weiß ich, wo der schöne und rechtschaffene Zenon wohnt. Bin ich es doch, die ihm die Milch der Ziegen bringt, wofür er mir häufig Melonen schenkt und Weintrauben aus seinem eigenen Garten. Es gibt keinen Menschen auf der Welt, der besser wäre als Zenon, oder gar schöner als er. Reite nur weiter und nimm rechts den dritten Seitenpfad, dort wirst du eine Lichtung erblicken, durch die du das Wasser des Nils schimmern sehen wirst, gerade vor dir wirst du dann einen Garten wahrnehmen und in diesem Garten ein weißes Haus mit einem bunten Dach, über dem Eingang steht ein großer kupferner Storch, – das ist das Haus, in dem Zenon wohnt.«

Zwar schlug Nephora nunmehr die vom Mädchen genannte Richtung ein, doch brachten sie schon bald darauf die Wendungen der kleinen Saumpfade in Verwirrung, und sie geriet in Gefahr, sich wiederum zu verirren. Zum guten Glück begegnete ihr ein finsterblickender Mann mit einer dreieckigen Schramme auf der Stirne, er trug einen geräumigen Korb, in dem Früchte lagen, eine Flasche mit einem Getränk und ein großer roter Fisch. Auch diesen Mann fragte Nephora nach Zenons Behausung und er erwiderte ihr:

»Ich bin Zenons Bedienter, es ist mir jedoch leider nicht möglich, zurückzukehren, um dich zu ihm zu führen, da ich eile, mich mit meinen Glaubensgenossen zu vereinigen, – wir bereiten uns vor, das Mysterium des Mithra zu vollziehen. Mein Herr hat mich freigegeben, damit ich meinem Glauben nachgehen könnte, er selber aber weilt jetzt allein in seinem Hause. Wenn du um jenen großen Rosenbusch biegst, wirst du einen schmalen Pfad erblicken, der dich geradewegs zu seinem Hause bringt. Zenon ist jetzt allein, er ist freilich beschäftigt, doch ist die Türe, die zu seiner Werkstatt führt, nicht verschlossen.«

Nachdem er dieses gesprochen, zeigte ihr der Perser noch, wie sie am besten über die Lichtung, auf der die aromatischen Melonen reiften, käme; Nephora ritt durch Fliederbüsche, Jasmin und Rosen und sah plötzlich in einiger Entfernung die Gewässer des Nils hinströmen, ganz in der Nähe aber ragte aus einem Dickicht das weiße Häuschen und auf seinem weißen Ziergiebel stand der kupferne Storch, als wäre er lebendig. Ringsum herrschte feierliche Stille; der blaue Himmel dehnte sich wie ein gleichmäßiges Zeltdach; die Sonne brannte, Schwüle schwang in der Luft; auf dem weißen Karnis saßen schwarze Drosseln und zwitscherten. Eine Unmenge von Lilien und Rosen blühten vor dem Hause, vor den Wänden aber und vor der Schwelle aus weißem Marmor lagen ganze Schichten grünen Diarites. Hier war es kühl, still und keusch: hier wohnte der Künstler.

Ermattet von der Hitze und dem langen Ritt, sprang Nephora aus dem Sattel und schickte den Führer mit dem Maultier zum großen Baum zurück, selber jedoch blieb sie vor Zenons offener Türe stehen. Von hier aus konnte sie, ohne erst seine Schwelle zu überschreiten, seine ganze Werkstatt überblicken. Es war ein sehr großes und hohes quadratisches Gelaß ohne Fenster; weiches Licht drang von oben herab durch eine Schicht von violettem Glimmer, wodurch alle Gegenstände in diesem Raume wie von einem Ätherwölkchen umhüllt aussahen. Inmitten des Zimmers stand auf einem polierten roten Porphyrblock ein bronzener Ibis, aus dessen Schnabel ein Strahl kühlen Wassers strömte; die von Säulen umgebenen Wände waren rotbraun angestrichen, und lebhaft hoben sich von dieser Farbe die aus weißem Marmor modellierten Figuren ab, die allerlei Menschen und Tiere darstellten. Hier gab es leichte Frauenmasken, aber auch die schweren Köpfe der Pharaonen, nachdenkliche Kamelschnauzen und gierige Krokodilsrachen. Denn Zenon war, wie die meisten Künstler seiner Zeit, nicht nur in einer Kunst erfahren, es war nicht nur die Goldschmiedekunst, die er beherrschte. Wie jener seit Amasis Zeiten bekannte Künstler Theodor war Zenon sowohl Architekt, als auch Schmelzkünstler, er war Bildhauer und Modellierer und überall Meister und Kenner und Liebhaber alles Schönen, was man schließlich auch unschwer aus seiner Behausung schließen konnte, vor der Nephora soeben stand; tief atmete sie die von dorther strömende kühle Frische ein und das Aroma, das von den schönen hellen Becken herkam, in denen goldener Moschus wuchs, der mit seinem Duft den ganzen Raum erfüllte. Inmitten aber all der Erzeugnisse seiner Kunst, die das große Gelaß ausfüllten, stand er selber, der Künstler.

 

Viertes Kapitel

Wir müssen daran erinnern, daß Zenon damals einunddreißig Jahre alt war. Er war in Milet als Kind einer schönen Griechin und eines Galliers geboren worden. Natur hatte ihm einen schlanken Leib verliehen, starke Arme, eine ungeheure Menge blonden Haares und feurige schwarze Augen, aus denen nicht nur die allerbezauberndste Güte leuchtete, sondern auch eine edle Festigkeit. Er trug einen langen Chiton aus einem weichen grauen seidenartigen Tuch, dessen Ränder von blaßrosigen Kreisen eingesäumt waren; an den Füßen hatte er leichte gelbliche Sandalen, sein dichtes Haar war von einem dünnen goldenen Reifen gefesselt, von dem auf seine Stirne ein Türkis herabfiel.

Er stand mit dem Rücken zur Tür über ein Gestell gelehnt, auf dem ein Tonklumpen zum Modellieren bereit lag, und betrachtete gerade die Einzelheiten seiner Vorlage.

»Zenon!« Nephora war es, die ihn rief.

Er fuhr auf und drehte sich um. Nephora sah, daß sein Gesicht schön war und trat über die Schwelle in die Werkstatt.

»Du darfst nicht zürnen, daß ich zu dir komme, o Künstler. Dein Ruhm zog mich zu dir. Frauen werden vom Ruhm angezogen, und du, bist du nicht ein berühmter Künstler? Ich bin nicht hier geboren worden und habe dich noch nie zuvor gesehen, aber dennoch ist dein Ruhm auch mir bekannt. Ich habe auch meinen Ruhm, und er dürfte dem deinen ebenbürtig sein: in Antiochia wurde ich ›der Stern der Schönen‹ genannt; nunmehr aber komme ich zu dir, damit du mir einen Rat gäbest: hilf mir, o Künstler!«

»Womit könnte ich dir helfen?«

»Gestatte mir vor allem, deine Gastfreundschaft in Anspruch zu nehmen, und erlaube mir, von der unerträglichen Hitze ausruhen zu dürfen.«

»Tritt ein und sei mein Gast.«

Nephora trat ein und löste ihren Schleier, darauf nahm sie in einem breiten Sessel, über dem ein Pantherfell lag, Platz.

Der »Goldschmied«, zu dem sie so jählings und unerwartet eingedrungen war, sah sich plötzlich in der Gewalt seiner Besucherin, dieses gewandten und beharrlichen Gastes. Er brachte ihr Wasser und breitete vor ihre Füße ein weiches Kissen, selber aber stellte er sich vor sie hin und betrachtete sie, die Arme inmitten der weichen Fluten seines Chitones über der Brust kreuzend. Die außerordentliche Schönheit der Nephoris bedrängte ihn, denn als sie ihren Schleier fallen ließ, zeigte sich, daß ihre ungewöhnlich geschmackvolle Kleidung die Schönheit ihres Antlitzes schmeichelnd hob. Nephoras kleines, auf dem festen und runden Halse ruhendes Köpfchen war von einem blau und weiß gemusterten breiten aber sehr zarten Keffie bedeckt: die breiten Falten dieser geschickt drapierten künstlerischen Hülle umgaben ihr Antlitz und ihre blauschwarzen Locken wie ein Hauch der Luft. Das Kopftuch wurde von einem gelben Bande zusammengehalten. Nephoras Ohren, Arme und Finger waren von Ringen und Spangen geschmückt, ihren schlanken Hals zierte ein goldenes Geschmeide aus vielen kleinen Kettchen, an deren Ende jeweils eine zarte Perle bebte. Nephoras Augenwimpern waren, wie es damals die ägyptische Mode heischte, gefärbt, ihre Fingerspitzen leicht rosig gefärbt, auf ihren zarten Fingernägeln lag ein Puder aus rosenem Perlmutter. Eine leichte Tunika aus rosig und weiß gestreiftem Stoff umfing Nephoras schlanken Leib, statt des Gürtels diente ihr eine goldschimmernde Seidenschnur, an der ein kleiner Spiegel hing und ein ebenso kleines aus einem Edelstein gefertigtes Fläschchen mit einer wohlriechenden indischen Essenz. Mehr jedoch als all das überraschte und fesselte der lebhafte und doch so veränderliche Ausdruck ihres zärtlichen und leidenschaftlichen Gesichtes, dessen Mienenspiel so häufig wechselte, daß es, wie es schien, völlig unmöglich war, es jemals einzufangen.

Nachdem Nephora lässig Platz genommen, wartete sie nicht erst auf die Fragen, die ihr Gastfreund ihr stellen konnte, sondern erzählte ihm selber, worin ihr Anliegen bestand. Sie sagte, daß sie, koste es, was es wolle, zur bevorstehenden Palästra das allerzierlichste Diadem, das Zenon je gefertigt, zu haben wünsche, allein er entgegnete ihr, daß die Erfüllung dieses Wunsches unmöglich sei, denn seine gesamte Zeit bis zur bevorstehenden Palästra sei bereits der Ausführung längst übernommener Aufträge gewidmet.

»Doch sprichst du auch die Wahrheit? Und kannst du mir sagen, wer die Personen sind, für die du zu arbeiten hast?«

»Ich denke, daß ich das Recht habe, dir das zu sagen,« erwiderte unvorsichtig der Künstler und nannte dabei die Namen der Rhodopis und der Sephora, eben jener, die noch mehr als die anderen Nephora durch ihre Schönheit überbieten wollte, da sie heuer zum ersten Male auf einer alexandrinischen Palästra erschien.

»Rhodopis und Sephora!« rief Nephora: »Und bin ich denn wirklich in den Augen eines Menschen, der das Schöne in der Welt zu schätzen weiß, weniger wert als diese?«

»Die Aufgabe des Menschen ist, zunächst das zu erfüllen, was er als seine Pflicht erkannt hat.«

»Die Pflicht des Künstlers ist, der Schönheit zu dienen, und biete ich dir hierfür nicht etwa die vornehmste Gelegenheit? Warum willst du vergebens dein Talent an die flachstirnige Rhodopis verschwenden, oder an Sephora mit den breiten Backenknochen? Selbst deine Kunst wird diesen nicht viel helfen, und selbst in deinen Diademen werden sie nicht schöner aussehen, schmück lieber Nephora, setz deine ganze Kunst daran, ihre Schönheit durch die Schönheit deines Schmuckes zu erhöhen, – und, glaube mir, die Palästra wird kein Auge mehr für das Rennen haben, sondern wird meiner Schönheit Beifall spenden, und deiner Kunst, o Künstler!«

Und da Nephora nunmehr gewahr wurde, daß der Künstler ihr lauschte, entschloß sie sich, um ihm nicht Zeit zu lassen, zur Besinnung zu kommen, und um ihn noch mehr für sich zu gewinnen, nicht eher sein Haus zu verlassen, ehe sie nicht Zenon gezwungen, das Wort, das er gegeben, zu brechen, damit sie über Rhodopis und Sephora triumphieren könnte. Nephora war entschlossen, Zenon nicht etwa nur zu erbitten und ihm mit Aufmerksamkeiten und Freundlichkeiten zu schmeicheln, sondern ihn mit ihrer Schönheit geradezu zu verführen, damit, wenn sie ihn bis zum Wunsche der Leidenschaft getrieben, es ihr endlich gelänge, von ihm bevorzugt zu werden, und sei es auch um den Preis ihrer Ehre.

Dann, dachte sie, dann wird er schließlich aufhören müssen, sich noch ferner zu weigern, und was er um große Summen nicht tun wollte, wird er alsdann ohne jede Zahlung für seine Geliebte tun. Ich will es … Ich werde einen Schmuck tragen, der alle anderen überstrahlen wird, meinem Ruf aber wird kein Nachteil erwachsen, denn sicherlich wird keinem einzigen der Gedanke kommen, daß ich, die erste der Schönen, die junge und reiche Witwe Nephoris, um deren Hand sich so viele und so bedeutende Leute vergebens beworben haben, daß ich mich, um einen Vorteil zu erlangen, einem aus Milet Gebürtigen hingegeben hätte … Niemand wird für möglich halten, daß ich mich einem Goldschmied hingegeben, um seine Goldarbeit zu erlangen … und um meine Nebenbuhlerinnen auszustechen … Wahrhaftig, keiner wird daran glauben, und um so ruhiger kann ich mich dazu entschließen.

Und zudem … Zenon war schön … und …

Nephora empfand plötzlich den ganzen Reiz seiner Erscheinung.

Viele waren es bisher, die ihre Beachtung gesucht hatten, – und nun war ein Mensch da, den sie sucht … Sie bietet sich ihm selber dar … Sie verkauft sich …

Neu war ihr das und fast unglaublich und dennoch leidenschaftlich erwünscht.

Nephora überlegte nicht mehr lange, freilich mag es auch sein, daß ihr Verstand zu nachgiebig war und sie selber zur Ausführung dessen trieb, wonach ihr das Verlangen stand.

Es ist ja doch gleichviel, ich werde ja doch irgendeinen Würdenträger heiraten, den ich nicht liebe, allein so lange ich noch frei bin, steht es in meinem freien Belieben mit mir zu schalten, wie ich es für richtig halte. Ich will es, ich kann es, ich verlange danach, hier in dieser Stille um den Preis meiner Schönheit die Arbeit des schönen Zenon zu kaufen. So, mein Künstler! jetzt kann dich nichts mehr vor der Verführung meiner Schönheit erretten, und unabwendlich rückt mein Sieg über dich heran.

Nephora zauderte nicht länger, sie traf ohne zu überlegen alle Anstalten, um ihre Absicht auszuführen.

 

Fünftes Kapitel

Sie sprach zu Zenon:

»Gut denn, ich will nicht länger in dich dringen, deine ehrenhaften Gewohnheiten meinethalben zu verletzen, ich bitte dich nur, mir zu helfen, ohne daß du dabei die Versprechungen, die du Rhodopis und Sephora gegeben, auch nur im geringsten verletzest.«

»Ich ahne nicht, wie das möglich sein könnte.«

»Ich will es dich lehren, allerdings mußt du den Wunsch haben, es von mir lernen zu wollen,« entgegnete Nephora mit einem Lächeln.

»Lehre mich denn, ich bin mit Vergnügen bereit, dir zu lauschen,« antwortete ebenfalls leise lächelnd Zenon, der Goldschmied.

»Dann setz dich neben mich und höre.«

Zenon nahm neben ihr in einem Sessel Platz, sie aber ergriff seine Hand und sprach:

»Du hast nur versprochen, keinerlei neuen Goldschmuck anzufertigen, und sagst ja selber, daß dir nur hierfür die Zeit mangelt. So will ich denn nicht mehr darum bitten; was aber wirst du entgegnen, wenn ich dich darum bitte, mir einen Gefallen zu erweisen, ohne daß du dabei dein Wort verletzest?«

»Freilich will ich dann alles tun, um dich nicht grundlos zu kränken.«

»Ich will nichts mehr als dieses: ich habe meinen bunten persischen Schmuckkasten mitgenommen, viele kostbare Dinge birgt er. Viele wundervolle Geschmeide liegen darin, die kein Mensch in Alexandrien an mir erblickt hat. Ich nahm das alles mit, damit du es betrachten und dir überlegen könntest, ob es nicht möglich sei, manches davon miteinander zu vereinigen und das Ganze so zu gestalten, daß Zenons erlesener Geschmack hieraus einen Schmuck für Nephora herstellte, der nicht schlechter wäre, als ein ganz neuer?«

»Da hast du einen sehr guten Gedanken gehabt!« rief der Goldschmied Zenon.

»Es freut mich, daß du mir zustimmst, und ich bin gerne bereit, dich mit allem zu belohnen, wonach dir der Sinn steht.«

Zenon erfaßte den Sinn dieser Worte und erhob sich von seinem Platz und sagte:

»Für einen einfachen Rat und eine so leichte Hilfe, die mich keine Mühe kostet, beanspruche ich keinerlei Belohnung.«

»Warum denn? … Fordere nur! … Oder … solltest du zu stolz sein, so stell es vertrauensvoll meinem Ermessen anheim, zu bestimmen, womit ich dich entlohnen darf.«

»Nein, nein, laß das! … Es genügt mir, daß ich dir damit eine Freude machen durfte …«

»Also gut denn, habe deinen Willen! Jetzt aber bitte ich dich, zu meinem Sklaven hinauszugehen, meinen Schmuckkasten zu nehmen und ihn herzubringen.«

Zenon verließ daß Gemach und Nephora benutzte die Gelegenheit, um einen Blick in ihren Handspiegel zu werfen, der an der Quaste ihres Gürtels hing, sie lächelte ein zufriedenes Lächeln.

Gleich darauf kehrte Zenon mit dem Kasten zurück, der nicht groß war, doch um so zierlicher und schwerer.

»Ich danke dir,« sagte Nephora, »und jetzt bitte ich dich, mir ein Kissen auf die Knie zu breiten, damit ich dir die Gegenstände vorlegen könnte.«

Zenon tat das, und als Nephora mit ihrer kleinen Hand die goldenen Geschmeide und die vielen Edelsteine in ihren prächtigen Fassungen aus dem verzierten Kästchen herausgenommen und auf dem dunklen Teppich-Kissen ausgebreitet hatte, beugte Zenon sein Antlitz über die Knie seines Gastes und begann die Amulette, Nadeln, Armbänder und Ketten mit großer Sorgfalt zu betrachten, Nephora jedoch musterte derweilen Zenon und bewunderte die Grazie seiner Bewegungen und den zärtlichen Zauber, der seinen blonden, nach griechischer Mode gekämmten und auf der Stirn gekräuselten Haaren entströmte.

Geraume Zeit verstrich, ehe Zenon seine Wahl traf, endlich aber nahm er ein goldenes Amulett, das den Diskus der Sonne mit geraden Strahlen darstellte, überlegte ein wenig und verband diesen mit einem kleineren Diskus, auf dem eine Abbildung der wollüstigen Göttin Ma war, die sie mit geschlossenen Augen darstellte. Zenon blickte Nephora heiter an und meinte:

»Du hast völlig recht: aus diesen Dingen läßt sich ein Schmuck machen, der so schön sein wird, daß er jeden anderen Schmuck überstrahlen wird. Und diese Armbänder da winde wie Schlangen um deine entblößten Arme. Deine Arme sind sehr schön.«

»Du findest also, daß sie schön sind?«

»Freilich sind deine Arme schön, und ich würde sie gern in Wachs modellieren.«

»Du kannst das tun. Ich bin glücklich, wenn mein Körper einen Zenon begeistern kann.«

»Das Diadem mit dem kleinen Diskus und der Göttin Ma sollst du auf der Stirn tragen, den großen Diskus aber befestige auf der Brust, so daß seine Strahlen zum Teil von den Falten der Tunika verdeckt werden, zum Teil aber aus ihr hervorbrechen. Und ziehe eine Tunika von hellgrüner Farbe an oder nimm noch besser die Farbe der an der Sonne reifenden Kirsche … Die Kirschenfarbe wird dir zu diesem Schmuck noch besser stehen … Ein Priester der Ma hat immer einen Stab aus Kirschholz bei sich …«

»Wie gut du das weißt. Ma muß dich dafür belohnen, wie es sich einer Göttin geziemt.«

»Wir werden gleich zu Ende sein: ich habe dir jetzt alles gesagt, was du brauchst. Du verstehst: es ist nötig, daß vom Diadem die allerdünnsten Kettchen und Fäden zu den Strahlen des großen Diskus herabreichen, damit sie dich wie mit einem Panzer umkleiden, als wärest du eine Göttin … Du wirst selber wie eine der Göttinnen sein, schön, wie Ma, die Göttin.«

»Und du bist bereit mir das herzustellen, Zenon?«

»Nein, denn das braucht es nicht. Das, was du jetzt noch benötigst, kann dir ein jeder andere genau so gut machen wie ich, ich aber bin leider nicht mehr Herr meiner Zeit, – ich gab mein Wort, keine neue Arbeit anzunehmen, und bedauere außerordentlich, daß ich dich kränken muß, indem ich dir nicht zu Willen sein kann.«

»Du willst nicht, so lebe denn wohl, Zenon.«

Nephora sagte es und erhob sich so hastig, daß das Kissen von ihren Knien herabglitt und alle ihre Kostbarkeiten auf den Teppich fielen und zu ihren Füßen ausgestreut lagen.

»Wie unvorsichtig du bist,« sagte Zenon und bückte sich, um die am Boden liegenden Gegenstände aufzuheben, doch kaum hatte er damit begonnen, Nephoras kleinen und schmalen Fuß, der in dunklen Leder-Sandalen, deren Ränder goldgepreßt waren, steckte, aus der Umhüllung des Teppichs zu befreien, da merkte er, wie dieser Fuß ihm entglitt und sich wie in einem Krampf zusammenzog.

Zenon blickte auf und gewahrte zu seiner Verwunderung, daß eine furchtbare Blässe Nephoras Antlitz bedeckte, ihre schönen Augen waren erloschen.

»Was hast du?« rief er.

»Ich weiß es selber nicht,« entgegnete Nephora sehr still und langsam mit einer leidenden Stimme: »Ich saß wohl zu lange im Sattel … es hat mich angegriffen … die heiße Sonne brannte zu lange auf mich herab, und hier ist es so kühl … mir ist es mit einem Male schlecht … Hilf mir, Zenon! Ich ersticke …«

Sie machte eine Bewegung, als wollte sie sich erbeben und sprach darauf noch schneller und erregter:

»Führ mich fort! Der Moschus hier … die Rosen … der Jasmin … Alle Blüten hier duften so stark … Dies Licht, das durch den lila Glimmer bricht, erregt mich … ich kann es nicht ertragen … ich bin noch nicht an Ägypten gewöhnt … Gib mir Licht! … Luft! … schneller frische Luft!«

Sie schrie es fast, sie erhob sich, sie streckte die Arme aus, als suche sie etwas im Dunklen, und fiel gleich darauf mit erloschenem Blick in Zenons Arme.

Zenon nahm sie wie ein Kind auf und zog mit der Hand an einer seidenen Schnur, – durch die Bewegung dieser Schnur öffnete sich in der roten Wand seiner Werkstatt sogleich ein Paneel. Hinter diesem aber lag der Eingang in ein hohes und sehr geräumiges Zimmer, in welches der besorgte Zenon die erschöpfte Nephora trug. Sie hatte die Augen geschlossen, ihr Kopf war gesenkt und der ganze Körper schwach und willenlos.

 

Sechstes Kapitel

Das Zimmer, in welches Zenon Nephora trug, hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem Gemach, aus dem er sie trug. Es war ein hoher und großer Speisesaal, dessen Wände aus glattpoliertem Zedernholz bestanden, das einen schwachen und kaum bemerkbaren gesunden Harzgeruch ausströmte; es hatte vier große Fenster, die einen breiten Blick auf den melancholischen Nil gewährten und auf die Spargelfelder, die in der Ferne auf dem jenseitigen Ufer dunkelten.

Durch die von oben bis unten geöffneten Fenster und die weit offene Tür, die auf die Terrasse führte, drang frische Luft, die nichts Aufreizendes oder Narkotisierendes hatte, ungehindert ins Zimmer. Die Sonne blendete die Augen nicht, und nur der Widerschein des blauen Himmels und der blauen Wasser spiegelte sich gleichmäßig und friedlich in allen Gegenständen.

Einige niedrige und breite Ruhelager füllten den Raum, weiche gesteppte Polster aus zärtlicher Schafwolle lagen darauf und über diesen die noch gelinderen doppelseitigen ägyptischen Teppiche. Vor einem jeden Diwan standen kleine Tischchen und Taburette, inmitten des Zimmers jedoch ragte der große Tisch, der auf Füßen ruhte, die Löwentatzen nachgebildet waren, und auf diesem Tisch stand ein Imbiß, den Zenons Diener, der zu den Mysterien des Mithra gegangen war, hergerichtet hatte.

Vorsichtig bettete Zenon Nephora auf eines der Ruhelager und zwar wählte er jenes, über das der Luftstrom am ungehindertsten strich, er legte unter ihren Kopf und die Schultern ein Kissen, öffnete die Tunika, die ihre Brust umspannte und eilte darauf in das Nebengemach, das ihm als Schlafzimmer diente. Von hier kehrte er mit einem Fläschchen, in dem sich indische Essenz befand, zurück und gab einen Tropfen dieser Essenz auf Nephoras Herz, er wehte mit der Hand darüber hin und blies, damit sich die ätherische Flüssigkeit schneller verflüchtige. Endlich löste er noch den Kopfschmuck seines Gastes und schnürte auch die bunten Riemen ihrer Sandalen auf.

Seine Bemühungen waren von Erfolg gekrönt: kaum hatte er die Spangen, die Nephoras Leib beengten, gelöst und kaum begonnen, ihr mit einem großen Fächer Luft zuzuwehen, als sie auch alsbald wieder zum Bewußtsein zurückkehrte, – ihre langen Wimpern fingen an, sich zu bewegen, ihre feinen Nüstern holten Atem und endlich öffneten sich ihre beiden betrügerischen Augen mit ihrer unfaßbaren Farbe. Erstaunt schaute sie sich in dem unbekannten Raume um und fragte:

»Wo bin ich?« Als ihr jedoch Zenon zur Antwort gab, wie und auf welche Weise sie in dieses Gemach geraten, bedauerte Nephora auf das lebhafteste, daß sie Zenon so viel Mühe gemacht hätte. Sie machte sich selber Vorwürfe, daß sie sich auf dem Weg, der ihr so wenig bekannt war, nicht lieber mit einer Sänfte hatte tragen lassen, und statt dessen ein Maultier gewählt habe, und streckte schließlich dem Künstler die Hand hin und sagte:

»Vergib mir die Mühe, die ich dir verursacht habe.«

Er dagegen bat sie, nicht mehr daran zu denken, und so erwiderte sie denn:

»Wie sollte ich nicht daran denken, scheint es mir doch über meine Kraft zu gehen, den weiten Weg bei dieser unerträglichen Hitze im Sattel aufs neue zurücklegen zu müssen.«

»Mag auch dieses dich nicht länger beunruhigen,« erwiderte Zenon. »Es zwingt dich niemand, dich bei dieser Hitze im Sattel zu plagen. Ruhe hier bei mir, solange du es für nötig hältst, in der Kühle aus, wenn aber die Schatten länger fallen werden, will ich dich selber auf meiner Nil-Barke, die hier am Ufer bei meinem Garten verankert liegt, in aller Gemächlichkeit zu deinem Hause bringen.«

Und Nephora dankte ihm und blieb.

»Zwar ist es mir nicht ganz recht,« meinte sie: »aber du siehst ja selber, wie ermattet ich bin. Auf meinem Maultier zurückzureiten, ist mir unmöglich, und nach einer Sänfte zu schicken erscheint mir ausgeschlossen, um kein überflüssiges Gerede hervorzurufen.«

»Ich kann das sehr gut verstehen,« entgegnete Zenon. »Allein du brauchst dich nicht zu beunruhigen, keinesfalls wirst du zum Gegenstand müßigen Geredes werden. Dichte Vorhänge verhängen meine bunte Barke von allen Seiten, und somit wird dich niemand sehen, lenken aber werde ich selber das Schiff.«

»Vortrefflich,« meinte Nephora; »aber wenn das so ist, dann erbarme dich auch meines armen Maultieres und meines Sklaven, die in der Hitze vor deinem Hause vergeblich auf mich warten werden.«

»Das ist richtig,« entgegnete Zenon; »wenn du es erlaubst, will ich sowohl den Mann als auch das arme Tier sogleich nach Hause schicken.«

»Schlage es mir nicht ab, ich bitte dich darum.«

»Sehr gern,« antwortete Zenon und ging sogleich hinaus, Nephora jedoch erhob sich von ihrem Diwan und trat an eines der offenen Fenster. Vor ihr breitete sich auf dem gegen den Fluß abfallenden Ufer der trefflich erhaltene Garten, der nach ägyptischer Manier von einem Zentrum aus, das von einer Fontäne neben einem Obelisken aus rotem Granit gebildet wurde, strahlenmäßig angelegt war; einer der Wege mündete in einer kleinen Treppe aus dem gleichen Granit. Und an einer Säule dieser Treppe hing an einer Bronzekette die prunkvolle, nach ägyptischer Art sehr bunt ausgemalte Nil-Barke. Ihr Bug wurde von einem flammenroten geflügelten Greif geschmückt, ihr Heck lief in den zu einem Knoten verschlungenen Schweif irgend eines Meerungetümes aus. In der Mitte der Barke jedoch erhob sich ein Zelt, dessen Wände von einem blau und weiß gestreiften, in dichten Falten über die Bronzestangen herabhängenden weichen Stoff gebildet wurden.

Es war nicht schwer, zu erfassen, daß dieses Zenons Nil-Barke war, auf der er sich am Abend mit flatternden seidenen Segeln auf dem Nil zu ergehen liebte.

Diese Barke unterschied sich von allen anderen, die weiterhin am Ufer sichtbar wurden, nicht nur durch den Reichtum der Ausstattung, sondern eben auch durch den Geschmack, der auf ihr zutage trat, und der wie alles aus der Umgebung Zenons von seinem Künstlertum sprach.

Er selber und alles, was ihn umgab, – es war alles schön, und alles fesselte Nephora, und immer heftiger und stärker wurde ihre Erregung im Ansturm leidenschaftlicher Gefühle.

Und war sie auch nur hergekommen, um den Künstler zu bewegen, ihr einen Schmuck zu machen, in welchem sie auf der Palästra irgendwelche Nebenbuhlerinnen verdunkeln wollte, jetzt ließ sich Nephora für sie selber fast unmerklich von dem aufflammenden Gefühl ihrer Liebe zum schönen Zenon leiten, und sie, die noch niemals zuvor geliebt, sie gab sich jetzt ganz der schrankenlosen Leidenschaft hin.

Mag denn, sprach sie für sich und blickte auf den Nil hinaus und sah dennoch den Nil nicht, mag denn das Los sich erfüllen … Mag es denn, mag es geschehen … Ich habe die Herrschaft über mich verloren und ich will mich auch nimmer beherrschen … Alle ihr, die ihr jemals das Lächeln der Nephora gesucht, – das Schicksal rächt euch alle jetzt an mir: Leidenschaft hat mich versehrt und heute liebe ich zum ersten Male. Leicht möglich, daß es nie wieder einen Zufall wie diesen geben wird: so will ich denn mit ihm hier verweilen und will ihn verbrennen und werde selber in Zenons Umarmungen verbrennen.

 

Siebentes Kapitel

Während sich Nephora Erwägungen dieser Art hingab und immer noch durch das offene Fenster jenes Bild betrachtete, das der Traum der Verliebtheit vor ihren Augen mit einem Schleier bedeckte, kehrte Zenon zurück; er teilte ihr mit, daß er sowohl das Maultier als auch den stummen Begleiter nach Hause geschickt, und bat Nephora nunmehr, an seinem Tisch Platz nehmen zu wollen, etwas Nahrung zu sich zu nehmen und auch ein erfrischendes Getränk aus Wasser und Wein.

»Und darauf«, fuhr er fort, »sollst du hier ausruhen, bis die Hitze im Abnehmen sein wird, ich aber werde derweilen arbeiten.«

Nephora willigte sofort ein, und als sie sich darauf zu Tisch begaben, bat Zenon sie, ein wenig vom Fleisch kosten zu wollen, von den Früchten und von einer erfrischenden Mischung, die er aus Wein, Wasser und Fruchtsaft herstellte, Nephora hingegen schlug ihm nach griechischem Brauch vor, anhören zu wollen, wer sie sei, und von wo sie stamme und weswegen sie nach Ägypten gekommen wäre.

Zenon durfte nicht wagen, ihr das abzuschlagen und entgegnete ihr, um nicht etwa seinen Gast durch Unhöflichkeit zu beleidigen:

»Deine Erzählung wird meinem Ohr wohltun: sprich, ich aber will Wachs herbeiholen und werde, derweilen du erzählst, meiner Beschäftigung nachgehen und modellieren,« sprachs und holte das Wachs herbei und begann es auf einem Täfelchen zu kneten, Nephora jedoch setzte sich dicht neben ihn und hub an, von sich zu sprechen.

Sie erzählte Zenon zunächst von ihrer Heimat, dem fernen Thrazien, von wo sie noch als Kind nach Antiochia gebracht wurde, dort wuchs sie unter unablässigen Aufregungen auf, die eine Folge des ungemein häufigen und schnellen Wechsels in der Lage ihrer Eltern waren; hierauf erzählte sie ihm, wie sie an einen alten und äußerst sittenlosen byzantinischen Würdenträger verheiratet wurde, der sie nötigen wollte, gewisse für eine Frau entwürdigende Dinge mit einem noch höheren Würdenträger zu begehen, von dem ihres Gatten Stellung abhing, und daß sie sich dem widersetzt und wieviel sie deswegen gelitten, schließlich aber, nachdem ihr Mann gestorben und ihr große Reichtümer hinterlassen, hätte sie aus Liebe zur Unabhängigkeit und Freiheit es vorgezogen, nicht zu ihrer Familie in Griechenland zurückzukehren, denn ihr sei die gedrückte Lage der griechischen Frauen, die im eigenen Hause sogar schweigen mußten, zuwider und darum sei sie von Antiochia nach Ägypten gekommen, weil die Frauen sich hier nicht in einer solchen Sklaverei befänden, wie etwa bei den Griechen. Denn hier wünschte sie, die Herrin ihrer Handlungen zu sein, und hegte die Hoffnung, selber einen Mann ausfindig zu machen, der ihrer wert sei.

»Wahrhaftig, da hast du sehr recht daran getan, daß du deine Unbeflecktheit bewahrtest,« entgegnete ihr Zenon ausweichend.

Allein sie schwieg.

Zenon blickte sie an und gewahrte zu seiner Verwunderung, daß die veränderliche Farbe ihrer Augen bald aufleuchtete, bald wieder erlosch, was auf eine große seelische Erregung schließen ließ.

Sie schwankte noch, doch schon bald siegte ihre Leidenschaft über ihre Scham und über ihre Vernunft.

»So ist es,« meinte sie, »doch spende mir dieses Lob nicht ferner mehr, denn ich bin noch jung und will keine Göttin sein, wie du mich vorhin nanntest, ich verlange jetzt danach, geliebt zu werden, und zwar so geliebt zu werden, wie nur eine sterbliche Frau von einem einfachen sterblichen Mann geliebt werden kann. Und zwar wird mich die Liebe im gleichen Augenblick packen, da ich jenen, den ich lieben muß, zu Gesicht bekommen werde.«

»Du wirst ihn gewiß finden.«

Und wieder schwieg Nephora eine kurze Weile: die Nüstern ihrer fein gebogenen Nase flogen, die Lippen öffneten sich und zeigten schimmernde weiße Zähne, allein endlich wurde ihr das Schweigen zuviel und sie sprach:

»Ich habe ihn bereits gefunden, oh, Zenon.«

»Vortrefflich: und da er dich gewiß liebt, so wirst du ihn bald heiraten, und ich wünsche dir, glücklich zu werden.«

»Ich danke dir für deinen Wunsch,« fiel Nephora hastig ein, »aber ich habe zu viel gelitten und viel zu lange darauf gewartet, um noch länger warten zu können. Der Wunsch verzehrt mich, meinen Kummer, schneller, ja sofort in den Umarmungen dessen zu vergessen, nach dessen Liebkosungen meine Lippen bereits fast verschmachtet sind.«

Sie erhob sich und eilte mit einem kindlichen und doch verwöhnten Lächeln auf Zenon zu und rief:

»Zu dir, Zenon, zu dir, mein Künstler, zieht mich das Herz und die gewaltige Kraft des schäumenden Blutes … Warum stehst du nun auf? Wohin willst du jetzt gehn? Gib mir die Liebe, schenk mir Liebkosungen, schenk mir Vergessen und Glück, oder ich muß den Verstand verlieren!«

Aber Zenon hörte sie nicht weiter an; er wich vor ihr zurück und verschloß sein Ohr vor dem Schall ihrer Worte, er hob beschwörend die Hand und rief nur:

»Du weißt nicht, was du sprichst. Komm zu dir! besinn dich! …«

»Ich will nichts wissen, nichts außer dem einen, daß ich dich liebgewann!«

Zenon zuckte die Achseln, er kreuzte die Arme über der Brust und sagte still:

»Unglückseliges Weib! Wo blieben deine weibliche Scham und deine Vernunft?«

»Gib mir meine Vernunft schneller zurück!« stammelte Nephora und schlang ihre entblößten Arme um seine Schultern, erzitterte krampfhaft und erstarb in einem atemlosen Kusse.

Zwar wollte Zenon sie beiseite schieben, doch schon trübten sich seine Augen, schon erbebte sein Herz, und er konnte nicht mehr als stöhnen:

»Nephora! Nephora!«

Unter rasenden Küssen entgegnete sie ihm:

»Keine Göttin bin ich, Zenon … Ein leidenschaftliches sterbliches Weib bin ich, Zenon … Liebkose mich und gib ihn mir schneller, den Augenblick der Seligkeit!«

»Den Augenblick!« rief da Zenon: »Einen Augenblick an Stelle des Bundes fürs ganze Leben – nein, das ist kein ehrliches Ding, o Nephora … Vergiß ihn, diesen Augenblick und mach mich nicht unglücklich, indem ich dich und mich zusammen erniedrige!«

Zornig blickte ihn Nephora an und antwortete:

»Was soll das! Du beleidigst mich!«

»Im Gegenteil, ich erhöhe dich. Es ist das Weib in dir, das ich höher verehre, als je ein Grieche oder ein Sohn des Mizraim.«

»Ich will keine Abhandlungen hören, die ich nicht brauchen kann!«

»Man darf nicht ohne Vernunft leben.«

»Warum doch?«

»Du wirst es nicht verstehn.«

»Jetzt verstehe ich alles … Du liebst eine andere.«

»Du täuschest dich: wie du es meinst, liebe ich überhaupt niemand.«

»Dann bist du also ein Narr!«

»Nein, ich bin Christ.«

»Ein Christ! … Ach, du bist ein Christ! Also das ist es! … Die Christen, sind das nicht die, die von allen verachtet und verfolgt werden! … Die, deren Lehrer verlangt, daß die Menschen dem Glück der Liebe entsagen sollen; aber, Zenon, ist es nicht sinnlos, gegen die Natur zu kämpfen? Es ist doch unmöglich, sie zu besiegen, und wozu auch? … Du bist mein, Zenon, nicht wahr? Deine Liebe flammt mir entgegen, du bist zu schwach, mir zu widerstreben, ich liebe dich, Zenon, ich rufe dich!« – und wieder war sie an seiner Brust und wieder verschmolzen ihre Lippen mit seinen Lippen.

In Zenons Ohren brauste es donnernd wie ein Meer, und eine Flamme blendete ihm die Augen; es riß ihn in ihre Arme, so wie ein Schilf vom Atem des Sturmes geknickt wird, allein plötzlich erwachte am Steuer jener, der den Wellen und dem Sturme gebietet. Zenon gewahrte ihn, und schon hatte er Nephoras leidenschaftliche Arme von sich abgeschüttelt, und flog zum großen Tisch, – und gleich darauf war es Nephora, als blitzte etwas zwischen ihr und Zenon auf … etwas, das wie ein Dolch blitzte und wie eine Flamme aus Blut, und dann sah sie Zenon schwanken und sich krampfhaft am Tisch festhalten. Über sein Antlitz strömte Blut, in seiner Augenhöhle aber stak der Griff eines Messers. Die Klinge war ins Auge gedrungen, das andere Auge aber blickte Nephora mit stillem Vorwurf an, es flüsterten die erblaßten Lippen, aber nicht ihr galt es, dieses Flüstern:

»Ich danke Dir, daß Du mich nicht verschmähet hast, und daß Du Deine Macht walten ließest über meiner leidenschaftlichen Natur. Mein Auge, es hätte mich fast verlockt, doch ich tat, was Du mich tun hießest … und jetzt ist es nicht mehr da, dieses Auge.«

Und nachdem er dieses gesprochen, schwankte Zenon heftiger als zuvor und stürzte hin, gleichzeitig aber glitt das Messer aus der Wunde und Blut überströmte in starkem Strom sein Antlitz und flutete über den Fußboden.

Nephora gab keinen Laut von sich: ihre Augen hingen erstarrt in stummem Entsetzen an Zenon, dann aber eilte sie hastig aus dem Gemach und vergaß darin ihren Schleier und ihre Kostbarkeiten.

 

Achtes Kapitel

Der soeben geschilderte Vorgang war ein Werk weniger Minuten und kam so unerwartet und war in so hohem Maße Nephoras Stimmung entgegengesetzt, daß sie ganz und gar aus dem Häuschen geriet und fast toll wurde. Als sie endlich im Freien wieder zu sich kam, erkannte sie, daß ihre Lage mit ziemlichen Schwierigkeiten verknüpft war. An ihre Kostbarkeiten dachte Nephora nicht, allein es gesellte sich zu dem Schauder, der sie bei dem Anblick dessen ergriffen, was Zenon soeben mit entsetzlicher Festigkeit an sich selber verübt hatte, eine neue quälende Sorge: wie sie wohl von hier fortkommen und unbemerkt nach Hause gelangen könnte? Sie war fern von ihrem Hause, der Führer aber und das Maultier waren ja fortgeschickt worden; Zenons Diener war ebenfalls nicht da; und zu Fuß konnte Nephora unmöglich heimkehren, denn noch immer bebten ihre Beine und drohten, ihr den Dienst zu versagen: und außerdem schämte sie sich, ohne Schleier in ihrem allzu gewählten und auffallenden Aufzuge über die Straßen zu gehen.

Ohne sich Rechenschaft darüber abzulegen, was sie tat, oder vielleicht auch nur vom Wunsch getrieben, allen Begegnungen auf den Straßen auszuweichen, eilte Nephora durch den Garten zum Nilufer, wo Zenons Barke verankert war.

Hier herrschte völlige Ruhe, hier war es menschenleer, doch als Nephora ihren Blick längs dem Ufer schweifen ließ, bemerkte sie eine niedere Hütte, die aus zerstampftem Rohr und dem Lehm, den der Nil führte, notdürftig zusammengeflickt war. Zu dieser elenden Behausung begab sie sich eilends und klopfte mit der Hand ans Fenster. Ein Mann blickte heraus, der ganz von Kohlenstaub verschmiert war. Es war ein Ägypter.

Nephora gab ihm eines ihrer goldenen Armbänder und sagte ihm, er solle irgendein Mittel ausfindig machen, sie unbemerkt in die Stadt zurückzubringen.

»Ja, das könnte ich schon tun,« meinte der Ägypter, wohlgefällig das Geschenk annehmend, »allein du mußt einwilligen, meine Kohlenbarke zu besteigen.«

»Wenn es kein anderes Mittel gibt, bin ich auch damit einverstanden, mich von deiner Kohlenbarke befördern zu lassen, aber ich will nicht, daß mich irgend jemand darin sähe, denn ich habe meinen Schleier verloren.«

»Es liegt dort ein Sack, in dem die Kohlen getragen werden, mit dem könnte ich dich zudecken.«

»Aber das ist ja entsetzlich.«

»Freilich, er ist recht schmutzig, und wenn es dir zuwider ist, so könnte ich schließlich eine leere Tonne auf den Boden meiner Barke legen, du wirst dich allerdings bücken müssen, aber dann kannst du wenigstens deinen Kopf zudecken.«

Nephora ging darauf ein.

Was er versprochen hatte, führte der Köhler auch aus, und Nephora mußte eine lange und äußerst unbequeme Fahrt auf dem Nile in der schweren, schmutzigen und dickwandigen Barke bestehen, und lag die ganze Zeit unter der Kohlentonne versteckt. Erst als die Dämmerung hereinbrach, erreichte sie ihre Wohnung, denn sie mußte ja die Dunkelheit abwarten, um sich so beschmutzt und voll Kohlenstaub wie sie war, heimzugetrauen. Und selbstverständlich setzte Nephora durch ihre Heimkehr in diesem jämmerlich heruntergekommenen Zustande alle ihre Sklaven und Sklavinnen in Erstaunen, sie war zu alledem in einer entsetzlichen Gemütsverfassung. Sie nahm sogleich ein Bad und legte sich ins Bett, nachts aber brach ein hitziges Fieber aus; sie sprang aus dem Bett und begann unbändig zu weinen, sie raste durchs Haus und raufte sich ihre schönen schwarzen Locken, sie zerfleischte ihre Wangen und vergaß so sehr alle Vorsicht, daß sie laut schrie:

»Rache Zenon! Rache allen Christen!«

Die erschreckten Sklavinnen glaubten nicht anders, als daß sie von bösen Geistern besessen wäre, und beriefen Bubasta, die berühmte weiße Frau, zu ihr, diese blickte ihr lange ins Gesicht und lauschte ihren tollen Schreien und sagte schließlich zu Nephora:

»Ich sehe, welche Schlange dich ins Herz gestochen hat … Sag mir, wer es gewagt hat, deine Schönheit zu verschmähen?«

»Oh, freilich, ich bin verschmäht worden,« entgegnete Nephora. »Und nun will ich diese Schlange zertreten.«

»Also geschehe es. Weise sprach der Pharao Amasis, daß das Gift einer beleidigten Frau stärker ist, als das Gift der Schlange. Wer ist es, an dem du dich rächen willst?«

»Am Gott der Christen und an allen Christen in Ägypten.«

»Vortrefflich, ich selber brenne vor Verlangen, mich an allen, die in Ägypten eingedrungen sind, zu rächen. Mein Name ist – das Weib Bubasta, jetzt bin ich alt und eine Heilkünstlerin; einst aber war ich jung und wurde geliebt; lange schon schmachtet mein Gemahl in den Steinbrüchen von Pilak, und jeden Tag hört mein Herz, wie er in seinen Ketten, die der grausame Gebieter ihm angelegt hat, die Granitblöcke wälzt … Oh, ich hasse die Eindringlinge und hasse den neuen Glauben und bin froh, mich an ihnen rächen zu können: ich werde gehn, das Gift suchen, und will wiederkommen, oh, Herrin, wenn mein Gift seine Reife erreicht haben wird.«

 

Das Unglück, das Zenon zugestoßen, hatte zur Folge, daß keine einzige der Frauen, deren Aufträge auszuführen er sich so beeilt hatte, zur Palästra den erwarten Schmuck erhielt. Dieses war die erste Saumseligkeit in seinem Leben und Zenons Diener, der Perser, brachte den Modedamen ihre Steine und ihr Gold zurück und teilte ihnen mit, daß sein Herr, der bekannte Künstler Zenon, das große Unglück erlitten hätte, sein Auge zu verlieren, und daß er jetzt wohl auf lange hinaus nicht mehr in der Lage sein dürfte, die Arbeit wieder aufnehmen zu können. Endlich erschien der Perser auch vor Nephora und übergab ihr ihren Schleier und das Schmuckkästchen mit den Kostbarkeiten.

Nephora war darüber nicht besonders erfreut, daß sie ihre Sachen zurückerhielt, denn dieser Umstand brachte ja eine neue Sorge mit sich: war nicht am Ende ihre Mitschuld am Erblinden des einen Auges Zenons bekannt geworden? Der Perser verlor darüber kein Wort und sie hörte auch späterhin nie wieder und von niemand den Namen Zenons.

Der Künstler als auch sein Diener hüteten das strengste Stillschweigen über das Vorgefallene. Der Diener wußte vermutlich nicht einmal, wie Zenon das Unglück zugestoßen war. Nephora wagte sich lange nicht aus ihrem Hause, in ihrer Seele aber brannten nach wie vor in finsterer Vereinigung die bittere Kränkung der verschmähten Leidenschaft und das äußerste Verlangen, sich an Zenon rächen zu können. Nur das eine beschäftigte sie immerzu, sich die allergrausamste Rache für ihn auszudenken. Und oftmals mußte sie an jene ägyptische Zauberin, das Weib Bubasta, denken, denn hatte ihr jene etwa nicht versprochen, ihr ein furchtbares Mittel ausfindig zu machen, mit dessen Hilfe sie sich an den verhaßten Christen rächen könnte; allein dann fuhr ihr der Gedanke durch den Kopf, die alte Bubasta hätte ihr das alles vielleicht nur gesagt, um sie zu trösten und selber schon längst ihr Versprechen vergessen. Allein dem war nicht so: die alte Ägypterin wartete nur auf den rechten Augenblick und war fest dazu entschlossen, eine günstige Gelegenheit nicht vorübergehen zu lassen, sobald sich nur eine Möglichkeit fände.

 

Neuntes Kapitel

Ein Jahr verstrich. Viele Leute wurden während dieser Zeit geboren und viele starben; viele Geschäfte der Menschen wurden angezettelt und viele wurden beendet und wieder vergessen. Und auch das geriet in Vergessenheit, wie im vorigen Jahre kurz vor der Palästra der in ganz Alexandrien wohlbekannte schöne Künstler, Zenon der Goldschmied, plötzlich weiß Gott wieso, einäugig geworden. Er lag lange krank, endlich aber besserte sich seine Gesundheit wieder, und er trug über dem einen Auge eine blaue Binde, die jedoch sein Antlitz keineswegs verunstaltete, sondern ihm nur noch einen Reiz mehr verlieh. Auch mit seinem einen Auge arbeitete Zenon genau so trefflich wie zuvor und wiederum mit jener unerschütterlichen Pflichttreue, die er sich schon vordem zum Gebot gemacht hatte. Jetzt hätte er genügend Zeit gehabt, Nephora den gewünschten Schmuck anzufertigen, allein die Antiochierin hatte, wie es sich von selber versteht, keine Aufträge mehr für Zenon.

Seit damals war mancherlei mit ihr vorgegangen. Nephoras Schönheit und ihr Reichtum konnten sie nicht lange im Verborgenen lassen, und schon bald darauf wünschte der betagte Statthalter in Alexandrien, ein habsüchtiger Greis, den niedrige Gelüste und Triebe erfüllten, Nephora zur Gattin seines ältesten Sohnes zu machen; dieser älteste Sohn aber hatte einen so geringen Verstand, daß er, nachdem er in vielen fernen Ländern gewesen und auf dieser Reise großen Reichtum verschwendet, heimgekehrt nichts von allem, was er gesehen, zu schildern wußte, außer etwa der Größe des Eies des Vogels Strophocomylos. Da der Vater nicht die Absicht hatte, den törichten Sohn zum zweiten Male zu beschenken, versuchte er, ihn durch Nephoras ungeheuren Reichtum sicherzustellen, und zum außerordentlichen Erstaunen der meisten gab Nephora zu dieser Werbung ihre Zustimmung; freilich begann sie, nachdem sie ihr Wort gegeben, die Hochzeit von Tag zu Tag weiter hinauszuschieben, und sagte nicht nur, daß sie nicht gesund sei, sondern war in der Tat sehr herunter, und keiner der Ärzte, die der Statthalter ihr schickte, konnte ergründen, was für eine Krankheit das sei und mit welchen Arzneien man helfen könnte. Sie konnte eigentlich über nichts Besonderes klagen, allein ihre Gesundheit wurde nicht besser, ihr Gesicht magerte ab, die Augen blickten glanzlos, – das schönste Kleid verlockte sie nicht mehr, kein künstlicher Haarputz, sie trug keine Geschmeide, sie besuchte keinen ihrer Bekannten und weilte sogar wenig unter ihrem eigenen Dach. Es war ihr unerträglich, im Zimmer zu sitzen, sie suchte beständig die Einsamkeit ihres Gartens auf, wo alles traurig und versonnen war und ihrer Stimmung entsprach: verschlafen rauschte der Springbrunnen, schläfrig flogen die Falter von einer Blume zur andern; aber auch dieses wurde Nephora bald zur Last. Und nun brach die neue Jahreszeit an. Die Garten-Akanthus und die gelben Mimosen, die lebendigen Mauern aus verschiedenfarbigem Flieder, Jasmin und Rosen, die hohen Palmen, die Akazien und die Balsambäume, – alles blühte und duftete, und alles summte, erfüllt vom glühenden Leben der Insekten. Dieser Ansturm des Lebens fiel Nephora noch viel mehr zur Last und regte sie auf; es kam ihr sogar vor, als plätscherten die goldenen Fischlein im steinernen Bassin des Springbrunnens viel zu laut und viel zu lebhaft. Nephora flüchtete in den geräumigen Gemüsegarten und konnte dort lange vor den Büschen des purpurroten Mohnes verweilen, sie pflückte die großen Blumen und zupfte die Blätter ab und legte sie sich auf die flache Hand, blies darauf und klatschte mit der anderen Hand darauf, und flüsterte dabei mit bewegungslosen Lippen: »Lieben oder nichtlieben?« Und wenn das Mohnblatt mit einem kleinen Knall zerriß, dann konnte sie wieder lächeln, dann blühte ihre Seele auf, sie wurde froh und aß wieder und schlief und beschenkte ihre Dienerinnen mit Kleidern, ihren Verlobten aber ließ sie nicht vor; wenn jedoch das Mohnblatt sich welk zwischen ihre Handflächen schmiegte, dann warf sie es fort und setzte sich auf den Boden und weinte, bitter und laut wie ein Kind. Oftmals fanden die Dienerinnen Nephora auf der feuchten Erde zwischen den großen Bernsteinbällen, denn nicht anders sahen die reifgewordenen, aromatischen Melonen aus, und dann mußten die Dienerinnen ihre bewußtlose Herrin von dort ins Haus bringen. Anfangs benachrichtigten sie den Statthalter, wenn Nephora solch einen schweren Anfall gehabt hatte, und jener schickte sogleich Ärzte und auch seinen Sohn, da jedoch die Kunst der Ärzte sich als kraftlos erwies und da außerdem Nephora den Sohn des Statthalters gar nicht zu sehen wünschte und sogar verstimmt wurde, wenn sie ihn auf ihr Haus zusteuern sah, so schickten die abergläubischen Frauen bei dem nächsten grausamen Anfall, den Nephora erlitt, aufs neue nach dem bärtigen Weibe Bubasta, die eine so flache Stirne hatte und so große Ohren.

Das Weib tränkte ihr Gesicht mit dem Wasser des Nils und sagte:

»Das Gift, das die Schlange in deinem Herzen zurückgelassen, ist stark, aber noch stärker sollst du sein, um dich an ihm zu rächen, und nicht nur an ihm, sondern an allen Christen überhaupt. Die Stunde der Rache rückt heran: Ägyptens alte Götter eilen uns zu Hilfe, um den verhaßten neuen Glauben auszurotten. Wir werden uns bald an den Eindringlingen rächen, nah ist das Ende aller Christen in Alexandrien.«

»Aller?« fragte Nephora nachdenklich.

»O ja, aller, oder zum mindesten der meisten, und in ihrer Zahl wird auch jene Schlange zertreten werden, die dein Leben vergiftete.«

Nephora betrachtete die flache Stirne und die Ohren des Weibes Bubasta und mußte sich unwillkürlich an die Gesichter der alten Ägypter erinnern, die die Lehre der Christen haßten, und sie entgegnete, während sie ein Beben nicht zu unterdrücken vermochte:

»Ich habe allerdings den Wunsch, mich zu rächen; doch wenn du mir von solcher Rache sprichst, dann ist es mir fast zu viel, dich anzuhören. Du bist doch schon alt – warum nur hassest du sie so?«

»Oho! … Ja, ich bin alt! … Es ist wahr,« erwiderte Bubasta mit einem Kopfnicken, wobei die langen und breiten Ringe in ihren Ohren in Schwung gerieten: »Freilich bin ich alt, aber ich sagte dir doch, daß mein alter Mann sich in den Steinbrüchen zu Tode arbeitet; das Brot, das ich esse, erwerbe ich mit der Arbeit meiner Hände, und auch meine Söhne und auch die Söhne meiner Töchter arbeiten, – Weber sind darunter und Seiler und Gerber, und allen reicht es kaum zu ihrem Unterhalte, die Christen aber haben jetzt ihre Werkstätten an besonders umfriedeten Orten, wo sie beten, und andere speisen sie und darum können sie, da sie ihr Brot umsonst haben, auch die Arbeit billiger als unsereins machen … Unsere Arme und Hände genügen uns bereits nicht mehr, soviel zu erarbeiten, wieviel wir zu unserem Unterhalte brauchen … Verdammt seien sie, es wird Zeit, mit ihnen abzurechnen … Der alte Paeoch sah, wie ein schwarzer Ibis am Ufer tanzte und dabei ins Wasser schaute. Tanzen sollen sie uns eins, – bald sollen sie tanzen! Die Zeit der Rache ist nahe heran gerückt. Ägyptens Herrscher werden aufwachen und aus ihren Pyramiden hervorkommen, jenen Pyramiden, die der blutige Schweiß ihrer früheren Sklaven zusammengekittet hat … Beachte dies … bald schon kommt die Nacht des Wassers »Die Nacht des Wassers« – 27. Juni. Anmerkung des Verfassers., und doch will unser Nil seine Wasser nicht anschwellen lassen, um in diesem Jahre die Täler Ägyptens zu befruchten. Die Augen aller Menschen spähen vergebens am weißglühenden Himmel nach der fliegenden Taube aus, die vom Oberlauf her die freudige Nachricht bringen soll, daß das Wasser in Memphis zu steigen beginnt …«

»Ja,« fuhr Bubasta fort, und packte mit ihrer starken und groben Hand Nephoras zarte Hand. »Ja, das Wasser will nicht steigen. Ägyptens alte Herrscher, die dort in den Pyramiden von Gizeh schlummern, lassen den Nil nicht zu uns, weil wir allerhand Eindringlingen gestattet haben, in unserem Lande zu wohnen, allerhand Leuten verschiedener Glaubensbekenntnisse, und zumal diesen Christen, die in ihren Gemeinden den faulen Leuten Unterhalt gewähren … Ihnen gehts gut, uns aber hindern sie, den gebührenden Preis für unsere Arbeit zu verlangen, Tod ihnen, – Tod ohne Erbarmen all jenen, die die Preise drücken! Sie haben sich schon zu sehr festgesetzt, sie haben ihre Ältesten hier, – den einen nennen sie Patriarch und den anderen Bischof, – ihr Glauben fängt sogar schon an, Mode zu werden, und vielleicht werden bald alle vornehmen Leute zu ihrem Glauben übergetreten sein … Aber du hörst mir ja gar nicht zu, – dir ist es freilich gleichviel, welche Götter Ägypten regieren, das Volk jedoch braucht, daß der alte Nil mit ihm in Übereinstimmung sei. Wenn der Nil aus seinen Ufern tritt und die Felder Ägyptens überschwemmt, dann verschwindet die Verzagtheit des Volkes: dann wehen in allen Häfen der Nilmündungen die hellen Wimpel der fremden Schiffe, die großen ägyptischen Flußfahrzeuge mit den trostvollen Nachbildungen der Ibisköpfe ziehen durch die Flut, und fernhin erschallen die Lieder der hellstimmigen Sänger vom Delta, für unsere Schönen werden kostbare Gewebe aus Malta gebracht, Steine aus Sardinien, von Zypern Honig und Wein, Öl von den Griechen, Mastix und Bronzegeräte, aus dem lustigen Tyrus die bunten Segel, Zedern vom Libanon, ohne die in Ägypten, das keinen Wald hat, nichts gebaut werden kann, jene aber kaufen von uns für teures Geld unser Korn und das feine Papyrus, die Spitzen aus Sais und die Wagen aus Memphis, da es nirgends auf der ganzen Welt leichtere und bequemere gibt … Tritt jedoch der Nil nicht über seine Ufer, dann umfängt die Menschen an Stelle der Belebung der Schlaf des Todes: mit jedem Tage trocknet der Fluß mehr aus, und es beginnt die allgemeine Furcht vor der Hungersnot, und schon hört man, daß die Leute in Memphis krank geworden seien. Noch gestern brachte eine Taube die Botschaft, daß die Menschen hinter Sáun und in Theben bereits dunkle Flecken hätten, – furchtbares Elend rückt immer näher heran; nach drei Tagen bricht die Nacht des Wassers an, und wenn während dieser drei Tage und drei Nächte unser heiliger Nil nicht anschwellen sollte, so wollen wir das ganze Volk zum Aufstand bringen und alle vor den Statthalter treten, damit er den Christen befehle, von uns fortzuziehen, oder wenn nicht, so werden wir sie in den Nil stürzen, und das wird dann für uns alle die Rache sein. Aber es ist vielleicht dein Wunsch, daß nicht alle ertrinken möchten? Vielleicht wünschest du einen einzigen am Leben zu erhalten?«

»Ja,« entgegnete Nephora: »einen dieser Christen wünschte ich tatsächlich länger als die anderen dazuhaben, doch nur, damit er die Schmach und das Verderben der anderen mitansehe, und damit er erst dann zugrunde ginge, wenn ich vollauf mein Racheverlangen an ihm gekühlt.«

»Erzähle mir, wodurch er dich beleidigt, und ich will zu den verborgenen Magiern gehen, um mit ihnen eine entsetzliche Rache für ihn zu ersinnen, was du willst, das wird der Statthalter tun, denn er hört auf das, was du sprichst, schmück dich mit deinem schönsten Gewande, eile zu ihm, jammere ihm des Volkes wegen vor und bitte ihn, zu tun, was wir dir sagen werden, dann wird auch deine Rache an ihm, der dich beleidigt hat, vollzogen werden, und an allen Leuten seines Glaubens.«

Nephora befand sich in einem so grauenhaft verstörten Zustande, daß sie dem Weibe Bubasta wie in einer Entrückung alles erzählte, was vor einem Jahr in Zenons Wohnung geschehen.

Das Weib Bubasta hörte sie aufmerksam an und schlug dann die Hände zusammen, so daß ihre Ohrringe aufs neue zu klirren begannen und ihr auf den Wangen baumelten.

»Götter!« rief das Weib: »ist das wohl je erhört worden, daß ein andersgläubiger Mann es gewagt hätte, so dreist den Apfel der Quitte abzuweisen, den ihm eine so schöne Frau geboten? Ihm zugunsten eines Meisters zu entsagen, der den Menschen die süßesten Süßigkeiten des Lebens verwehrt! Wahnsinn ist es! Du wirst entsetzlich gerächt werden, o Nephora, und nicht mehr als drei Tage werden vergehen, dann soll es geschehen. Halte dich jetzt zu Hause und vertrau mir: was ich gesagt habe, das wird auch geschehn.«

Bei diesen Worten schlang das Weib Bubasta ihr dunkelbraunes Tuch um ihre Schultern und entfernte sich.

 

Zehntes Kapitel

Das Weib Bubasta schritt, nachdem sie Abschied von Nephora genommen, auf ihren Stab gestützt durch das Tor des Mondes und über das Heptastadion zur Insel Pharos, auf deren nördlichem Ufer, gleich neben dem Hafen der Seeräuber, die Sterndeuter hausten, jene Liebhaber der Weisheit, von denen gesagt wird, sie kennten die verborgenen Wissenschaften und hätten die Gabe, all das erblicken zu können, was die Natur vor den Augen der gewöhnlichen Menschen verbirgt. Hier auf diesem Pharos lebten unweit von der Alexander-Mole jene, welche die heiligen Bücher der Hebräer ins Griechische übersetzten, jene anderen aber, welche die biblischen Geschichten für eine Sammlung unanständiger jüdischer Phantasien hielten, lebten in der Nähe des Räuberhafens. Und eben dort hauste abseits von allen anderen in einer dicht am Meeresufer gelegenen geräumigen Höhle ein dunkelgesichtiger Memphit namens Paeoch. Es war ein alter und typischer Ägypter, ein greiser Abkömmling alter Priestergeschlechter, ein Mensch mit flacher Stirne, hervorstehenden Backenknochen und sehr großen Ohren. Er war leidend, dieser Mensch: der Rheumatismus hatte ihn ganz krumm gezogen, und ein Katarrh der Augenlider entstellte ihn zudem auf das greulichste; seine Augen tränten beständig und waren eingesunken, die Wimpern auseinandergespreizt, und zwischen dem Augapfel und dem Lid war ein weißlicher Kreis. Der ägyptische Pöbel hielt Paeoch für einen großen Glaubenseiferer und suchte ihn beständig auf, um Ratschläge von ihm zu erhalten, denn er war ja der Mann, der nicht nur einen scharfen und durchdringenden Geist hatte, sondern gleichzeitig mit unstillbarem Haß alles verfolgte, was nicht mit der alten Zeit übereinstimmte. Paeoch haßte freilich mit der gleichen Unerschütterlichkeit alle Glaubensbekenntnisse, die nicht mit dem Glauben der alten Ägypter übereinstimmten, und war durchaus bereit, einem jeden Andersgläubigen zu schaden; allein da man um jene Zeit, in der unsere Erzählung spielt, lieber als alle anderen die Christen verfolgte, übertraf Paeoch sich darin in Erfindungsgeist, wie man, wo immer es auch sei, den Christen Übles antun, oder sie zum mindesten ärgern könnte. Das war damals nicht einmal so schwierig, denn Gründe, die Christen zu überfallen und auszuplündern, konnte man zu jeder Stunde finden. Jedes öffentliche Unglück: Brände oder Erdbeben, Schiffbrüche oder Straßenverschüttungen, Mißernte oder Epidemien, – die Schuld daran wurde immer den Christen zugeschoben. Zu ihrer Beschuldigung genügte ein Umstand wie etwa der, daß der Tiber in Rom über seine Ufer getreten war, oder daß im Gegenteil der Nil in Ägypten zu wenig gestiegen; auch wurden alle möglichen seltenen und außergewöhnlichen Naturerscheinungen ihnen regelmäßig zur Last gelegt. Alles Ungünstige wurde als ein Zeichen des Unwillens der Götter ausgelegt, die darüber gekränkt wären, daß seit einiger Zeit unter ihren Verehrern auch andersgläubige Leute wohnten, die ihnen, den alten Göttern, keinen Respekt erwiesen, sondern anders und auf ihre eigene Art beteten, – einen ans Kreuz geschlagenen Nazarener verehrten diese und mit seinem Blute vollzogen sie etwas äußerst Geheimnisvolles. Wozu brauchten sie dieses Blut? Sie sagten, daß sie sich hierdurch vor ihren Feinden retteten. Alsdann: wer waren denn ihre Feinde? Augenscheinlich doch jene, die diesem sonderbaren Glauben nicht anhingen. Folglich war es mehr als klar, wen sie überwältigen und durch das Blut des Gekreuzigten zugrunde richten wollten. Und es würde ihnen wohl auch gelingen, denn man erzählte, daß sie Blut nach den verschiedenen Windrichtungen hin spritzten und daß die Folge davon wäre, daß viele Menschen Geschwüre bekämen und den Aussatz, die Augen eiterten davon, die Halsdrüsen schwollen an, und im Schlund trat Fäulnis ein. Und wenn sie einen Tropfen Blutes auf die Erde vergossen, stiegen alsbald Mückenschwärme auf, die verheerend über die Gurken und die Melonen fielen und den Kindern in Mund und Augen kamen: die Melonen und Gurken verdarben davon und faulten, die Kücken aber, die an ihnen pickten, wurden grindig, verloren ihre Federn und gingen ein, bei den Menschen jedoch begannen die Augen zu tränen und erblindeten schließlich …

Und immer, wenn es wieder einmal zu einem dieser hier gar nicht so ungewöhnlichen Unglücksfälle kam, packte alle sogleich eine geradezu abergläubische Furcht, und man suchte die Ursache des Unheils in den Christen und fiel über sie her, – die Menschen schlug und erschlug man, ihr Eigentum aber wurde gestohlen und in alle Winde verstreut. Die Regierenden wußten, daß die Christen lediglich geduldet würden und daß sie keinem erwünscht seien, und drückten daher, wenn solche Zügellosigkeiten wieder einmal überhand nahmen, die Augen zu; die Anhänger des Christenglaubens wurden nicht besonders eifrig verteidigt, ja, man freute sich gelegentlich sogar darüber, daß der erbitterte und elende Pöbel statt sich über seine tatenlose Obrigkeit zu beklagen, seinen Grimm an den Christen ausließ und dadurch die ganze Gereiztheit restlos verging. Geschah es dann aber, daß die Christen allzu grausam geschlagen und ihr Hab und Gut allzu gierig geplündert wurde, dann mischte sich endlich die Obrigkeit ein, besänftigte die Sieger, nahm die Aufrührer fest und verbannte sie in die Steinbrüche, das gestohlene Gut aber machte sie sich selber zum großen Teil zunutzen. Und sie hatten dabei auch keine Angst, die Gewalthaber, von der hohen aber fernen Obrigkeit der Christen wegen etwa streng zur Rechenschaft gezogen zu werden, denn diese Menschen wurden ja allgemein verachtet. Zwar gab es hie und da Fälle, daß man für die Kränkungen, die Christen zugefügt worden waren, Erklärungen abgeben mußte, doch fanden die Machthaber stets viele Gründe, sich zu rechtfertigen, und noch häufiger erhoben sie Gegenvorstellungen, daß nämlich die Christen selber an allem schuld seien, weil sie so geheimnisvollen Riten huldigten und sich abseits von allen hielten, wodurch sie sich den allgemeinen Haß zuzögen. So kam es denn, daß man die Nachsicht, die jene gegenüber den Christenverfolgungen der Menge bewiesen, für wohlangewendete staatsmännische Klugheit hielt und oben zu der Ansicht kam, daß der örtliche Machthaber durch sein Verhalten ein noch viel größeres Unglück abgelenkt hätte, das unter Umständen sogar sich zu einem politischen Aufstand hätte auswachsen können.

Man hielt die Christen nicht für so wertvoll, um irgend jemand ihretwegen streng zu bestrafen, und darum gingen die Verfolgungen und Metzelungen, die in den entfernter gelegenen Christengemeinden stattfanden, und nicht selten grausame Quälereien, Totschläge und die kränkendste Verhöhnung ihres Glaubens zur Folge hatten, häufig völlig ungeahndet vorüber, oder es wurden so geringfügige Strafen hierfür auferlegt, daß man zum Schluß darüber nur lachte. Noch häufiger wurden solche Verfolgungen in Byzanz oder in Rom garnicht erst bekannt.

 

Elftes Kapitel

Aufstände und Empörungen werden am leichtesten in Zeiten der Niedergeschlagenheit und der Furcht angezettelt.

Wenn zu der Jahreszeit, da das Wasser des Nils eigentlich über die Ufer hätte treten sollen, das Flußbecken wasserarm war, herrschte im ganzen ägyptischen Lande von Philä bis Alexandrien allüberall eine lähmende Unruhe: alle fürchteten, ohne Brot zu bleiben, und gingen trübselig und gereizt an ihr Tagewerk, viele trugen Trauerkleidung und gürteten sich hoch auf der Brust, dort, wo die Stelle war, aus der die Seufzer kamen, die ungeduldigen Frauen rauften sich die Haare, die nachdenklichen Männer aber blickten stumm mit trauervollen Augen, an deren Wimpern Spuren von Tränen hingen.

Bei der finsteren Gemütsart der Ägypter kam nach und nach das Entsetzen über das ganze Land. Und so war es auch diesmal, zu der Zeit nämlich, in der unsere Erzählung handelt. Die Lage wurde zudem, wie wir bereits von Bubasta vernahmen, durch das Auftreten vieler epidemischer Krankheiten noch bedeutend verschlimmert. Die Posttauben, die vom Oberlauf des Stromes aus Heliopolis, Memphis und Theben kamen, brachten die niederdrückendsten Nachrichten nach Alexandrien: das gesamte Thebais und Heptanomis, allein auch Unter-Ägypten verschmolzen in einer einzigen Klage, in einem Stöhnen, – dort hungerten die Menschen und erblindeten, einer fürchtete den anderen, und alle waren nur darauf bedacht, wen sie für das Elend, das sie erduldeten, zur Verantwortung ziehen könnten.

Und so wurden denn endlich zur lebhaften Genugtuung vieler die Schuldigen gefunden, und natürlich waren es wie immer die Christen. Schon hatten die rechtgläubigen Ägypter in Heliopolis die christlichen Weber verprügelt, und ein gleiches geschah in Memphis den Radmachern und den Glasbläsern. Sie hatten es freilich verdient, denn hatten sie nicht den Webern und Radmachern dadurch, daß sie billiger arbeiteten, als alle anderen Lohnarbeiter in Ägypten, die Preise verdorben? Das konnten sie leicht tun, denn sie lebten in Gemeinden und bekamen viele Gaben von den reichen Leuten, die ihren Glauben teilten, wer aber von seiner eigenen Arbeit lebte und keine Gaben empfing, der konnte um so geringen Lohn weder weben noch spinnen und erst recht keine Reifen biegen. Und darum eben war das unerträglich, darum mußte es abgestellt werden, allein um es gründlich abzustellen, war es nicht das Einfachste, die Christen kurzerhand zu verprügeln, ihnen ihr Hab und Gut zu nehmen, die Webstühle zu zerbrechen und sie selber in den Fluß zu werfen? Zudem war klar, daß der heilige Nil, diesen Vorgang für ein ihm dargebrachtes Opfer halten würde, und die alten Leute hatten Beispiele dafür, daß dann das Wasser im Nil zu steigen begann.

Es war der günstigste Augenblick, die Leidenschaften aufwallen zu machen.

Das Weib Bubasta war zum Memphiten Paeoch gegangen, um ihm mitzuteilen, daß das Volk voll Unwillen sei und daß sie eine Persönlichkeit gefunden hätte, deren Wunsch es sei, sich an den Christen zu rächen, und die den Statthalter mit Leichtigkeit dazu bringen würde, die Ausschreitungen des Volkes zu verzeihen. Paeoch saß mit dem Rücken an den Felsen gelehnt im Schatten und hörte, was das Weib Bubasta, das vor ihm stand, ihm erzählte, aufmerksam an. Er wußte bereits, daß eine allgemeine Niedergeschlagenheit darüber herrschte, daß der Nil so lange zögerte, über seine Ufer zu treten, aber es freute ihn ungemein, daß Bubasta sich Nephoras Mitwirkung gesichert hatte, denn diese konnte allerdings den Statthalter wehrlos machen, und so würden denn den Ägyptern alle Kränkungen, die sie den Christen zufügen würden, verziehen werden, und keine grausamen Strafen zur Folge haben.

»Du bist ein kluges Weib,« entgegnete Paeoch: »Diese Leute sollen freilich unseres Unglücks wegen leiden.«

»Gewiß; allein wie fangen wir es am besten an? Du, weiser Paeoch, bist allerorts berühmt, du hast, bei deiner Lampe sitzend, alle die heiligen Rollen gelesen; du kennst nicht nur das Licht, das unserem heiligen Glauben entströmt, sondern auch die Lügenworte der anderen Lehren, wir aber kennen keine der anderen Religionen, – wir hassen sie nur aus vollem Herzen. Sei du das Haupt auf den Schultern, unter denen das Herz des Volkes des heiligen Chemi seufzt und bebt; lehre du uns, was wir zu tun haben, damit den Christen eine Schmach zustieße, die über die ganze Welt ginge, und damit sie unwiderruflich vernichtet würden? Unterweise uns, was wir von den Christen fordern sollen, doch muß es etwas sein, das aus ihrem Glauben stammt, damit der Welt dadurch ihre ganze Kraftlosigkeit offenbar würde und sie noch mehr beschämt würden.«

Paeoch lächelte nur, er streichelte mit seiner schmutzigen Hand einen gezähmten Ichneumon, und sagte dann:

»Schon gut, ich will euch zeigen, wie man den Frosch auf die Leiter setzt, aber schaut mir dann nur zu, daß ihr ihn nicht wieder herunter laßt!«

»Oh, den lassen wir nicht mehr herunter!«

 

Zwölftes Kapitel

Schweigsam schaute der alte Paeoch in sein Lämpchen und sagte nach einer Weile zum Weibe Bubasta:

»Du sprachest ein wahres Wort, Bubasta, in der Tat kenne ich nicht nur meinen wahrhaftigen Glauben, sondern auch alle fremden Aberglauben und all die abergläubischen Gottheiten. Ich kann sowohl über den hellenischen Zeus sprechen, als auch über Ormuzd und Ahriman der Parsen, über Jehova sowohl, den Rachegott unserer vormaligen Sklaven, der Hebräer, als auch über jenen Bettler, der gekreuzigt wurde, und den die Christen als ihren Gott ansehen. Wir werden ihnen mit seinen eigenen Worten eine Falle stellen: Er spricht nämlich, daß, wenn einer aufrichtig daran glaubt, was er gelehrt hat, daß dann ein solcher zum Berge sagen könnte: ›Hebe dich auf‹ und der Berg würde sich alsbald von seinem Standort fortbewegen und ins Wasser fallen. Vom Dach eures Statthalters aus kann man in der Richtung gegen Sonnenuntergang den Berg Ader sehen. Wenn die Christen wahrhaftig nur das Gute wollen, so sollen sie zur Rettung aller nunmehr ihren Gott bitten, der Berg Ader möge sich von seinem Fleck bewegen und in den Nil stürzen, um dort als Damm die Strömung zu stauen. Dann werden sich die Gewässer des Niles erheben und die verdorrten Felder tränken. Sollten jedoch die Christen sich weigern, zu veranlassen, daß der Berg Ader in Bewegung geriete und den Nil staue, dann ist ihre Schuld klar. Dann wird ein jeder einsehen, daß ihre Lehre nichts als Lüge ist, oder daß es nicht ihr Wunsch ist, das allgemeine Elend abzuwenden, und dann mögen durch Alexandrien die römischen Rufe schallen: christianos ad leones!«

»Du bist weise, sehr weise bist du, Paeoch,« entgegnete das Weib Bubasta und streckte ihre Arme aus und klirrte wieder mit ihren Ohrringen. »Morgen schon wird das Volk vor den Statthalter ziehen und verlangen, er möge den Christen befehlen, den Berg zu bewegen.«

Mit diesen Worten nahm das Weib Bubasta Abschied von dem Memphiten Paeoch und eilte zu jenen von ihren Ägyptern, die ihr als die besten Drahtzieher des Volkes bekannt waren, und überredete sie, dem Volke klarzumachen, daß am Nichtanschwellen des Nils einzig die Christen schuld seien.

Bald darauf schwoll die allgemeine Erregung immer höher an, und auch dem Statthalter drang die Kunde hiervon zu Ohren, es beunruhigte ihn ungemein, denn er wußte nicht, wie er der Aufregung Herr werden sollte. Das Weib Bubasta aber lief zu Nephora und stachelte deren Zorn und Eifersucht mit listigen Worten immer mehr an, und bestärkte sie in ihrer Absicht, vor den Statthalter zu treten und ihn zu bestürmen, dem Elend des Volkes zu steuern und der Menge neue Hoffnung zu geben, denn das Volk glaube daran, daß das Gebet der Christen den Berg bewegen könnte, damit dieser den Nil staue und die Wasser zum Steigen und zum Überfluten der Weideplätze brächte, – nur so könnte die Not behoben werden.

Nephora, deren Leidenschaften schnell entzündbar waren, ließ sich nur zu bald von diesen Worten fangen, geschwind kleidete sie sich mit großem Prunk an und eilte zum Hause des Statthalters, um auszuführen, was das Weib Bubasta sie gelehrt.

 

Dreizehntes Kapitel

Die Gerüchte, die zum Statthalter drangen, und ihm von der wachsenden Empörung des Volkes berichteten, versetzten ihn in eine nicht geringe Bestürzung. Bubasta war es gelungen, mit ihren Erzählungen von der Schuld der Christen, den ganzen alexandrinischen Pöbel in Bewegung zu bringen, und schon eilten viele, ihrer Unterweisung folgend, auf die Insel Pharos zum Memphiten Paeoch, damit er ihnen die Worte der Bubasta bestätige, andere aber sammelten sich, um in ungeheurer Schar vor das Haus des Statthalters zu ziehen.

Als Nephora sich dem Hause des Würdenträgers näherte, gewahrte sie schon von weitem die dichte Menschenmenge, die in festgekeilter Masse den Palast umgab. Die riesige Schar war in ihrer Geschlossenheit und Farbigkeit überraschend: sie bestand aus Kaufleuten in weißen Gewändern mit bunten Fransen, sowie aus furchtbar vielen halbnackten Ziegelbrennern, Töpfern, Fischern, Bootsleuten, Webern, Wollschlägern, Ambraträgern, Papyrusverkäufern, Mattenhändlern, Korndreschern, Butterhändlern, Kehrichtputzern, Fußwaschern, Fächerschwingern und Glasbläsern. Die Mehrzahl dieser Leute war nur mit kurzen Schürzen oder irgendwelchen Fetzen bekleidet, die an schmalen Gürtelchen hingen. Es waren Leute, die durch ihre Entschlossenheit furchtbar werden konnten, da sie nichts zu verlieren hatten. Als sie hierherzogen, nahmen sie gleichzeitig alles, was sie besaßen, mit, – ihre Weiber in den kurzen Überwürfen und ihre nackten Kinder, sowie die Hunde und die Katzen. Von Kindern wimmelte es geradezu. Jene, die noch zu klein waren, wurden von den Frauen auf den Schultern oder an der Brust getragen, die größeren wurden an der Hand geführt. Die Augen vieler Säuglinge waren eitrig und alle die Kinder schrien jämmerlich und weinten durchdringend, jene aber, die bereits herangewachsen waren, stießen sich unablässig, keiften und prügelten sich um die wenigen Abfälle. Viele der Hunde und Katzen, die nicht von der Seite ihrer Herren gewichen waren, taten ein gleiches: sie trieben ihr Wesen unter den Füßen der Menschen, knurrten einander an und heulten und schnaubten und hatten die grausamsten Raufereien. Allein das war noch längst nicht alles: wie mit einer gewissen Absicht erschallten zur Vergrößerung des Lärmes und zur Erhöhung der Unruhe an einigen Stellen sonderbare Laute aus der Menge: hier schnarchte ein baktrisches Schlachthorn, dort antwortete dröhnend eine syrische Schelle und an einem dritten Orte donnerte die persische Trommel. All das schallte und lärmte und rief immer mehr Leute herbei. Vergeblich schwangen die Geißelträger des Statthalters in ihren gelben Tunikas und den hohen Mützen ihre streifenartig gefärbten Stäbe. Sie wurden von den kräftigen Wollschlägern entweder gar nicht erst beachtet, oder aber es wurden ihnen die Stäbe entwunden, in Stücke zerbrochen und den Geißelträgern ins Gesicht geschleudert.

Und über der ganzen Erregung dröhnte es wie ein allgemeines Gebrüll, aus dem nur zuweilen einzelne Worte vernehmbar schallten:

»Das Wasser des Nils will nicht steigen! … Wir werden bald vor Hunger umkommen! … Die Christen nehmen uns alle Arbeit weg! … Sie haben es leicht, billig zu arbeiten, da sie von Almosen leben! … Darum sollen sie jetzt für uns beten! … Befiehl ihnen, den Berg in den Nil zu werfen, damit das Wasser über die Ufer ströme!«

Nephoras Trägern gelang es nur mit größter Mühe, sie auf ihrer Sänfte durch die Menge zu tragen. Der Haupteingang des Hauses war verriegelt, und sie konnte die Hallen des Statthalters lediglich durch eine Geheimtüre betreten, die ihr der Pförtner, der sie kannte, bereitwillig öffnete, die jedoch hinter ihr sogleich wieder fest verschlossen wurde. Die Wache behütete von allen Seiten die Eingänge.

Der Statthalter war in großer Unruhe und war ängstlich und aufgeregt. Er wußte nicht mehr, was tun: das Volk mit Gewalt abtun, war er zu schwach, andrerseits hielt er es aber für seiner unwürdig, auf die unsinnigen Forderungen des Pöbels einzugehen. Der Statthalter war von seiner Familie umgeben, dortselbst befand sich im mittleren Gemach sein törichter Sohn, der feistnasige Dunasius und auch die nächsten seiner Untergebenen: alle bemühten sich, die verschiedenartigsten Ratschläge zu ersinnen, und er hörte alle die Meinungen aufmerksam an, obwohl er sich für keine entscheiden konnte. Als er Nephora eintreten sah, freute er sich über ihr Kommen und rief lebhaft:

»Das nenn ich mir einen teuern und unerwarteten Gast, dessen anmutiges Erscheinen mir gewiß Freude bringen wird! Oh, wie dankbar bin ich dir, Nephora, daß du dich entschlossen hast, in so aufgeregter und verdrießlicher Minute mein Haus zu betreten! Damit hast du mir deine Freundschaft stärker denn je erwiesen, und so bitte ich dich denn, mir deine Meinung zu sagen, was du von dem, was dort der dumme und verächtliche Pöbel treibt, hältst? Ich weiß, daß dir die Gabe eines scharfsinnigen Geistes wurde und ich möchte mich gern auf deinen Ausspruch stützen: ich gebe dir vor allen, die hier sind, mein Wort, daß ich nur das tun werde, was du mir raten wirst.«

Nephora entgegnete, daß ihr freilich alles, was dort draußen geschähe, bekannt sei, daß sie jedoch keineswegs glaube, daß die Lage irgendwie aussichtslos sei.

»Und was würdest du an meiner Stelle tun?«

»Ich würde sie kurzerhand alle betrügen.«

»Vortrefflich; aber sage mir, wie das geschehen soll?«

»Erfüll ihre Forderung: frage die Christen, ob sie wirklich nach ihrem Glauben den Berg bewegen und ihn zwingen können, sich in den Nil zu stürzen, bevor dieser seine Gewässer von Philä bis zum Meere ergießt?«

»Aber Nephora, seit wann ist es erhört, daß jemand Berge bewegen könnte?«

»Die Christen vermögen es, o Statthalter. Der alte Paeoch, der alle Glaubensbekenntnisse kennt, hat es in der Lehre der Christen gelesen.«

»Der alte Paeoch! … Nun wahrhaftig, dann ist er es, der uns dieses dumme Volk aufgewiegelt hat, und ich schwöre, er ist reif für einen echt ägyptischen Schlag mit dem Holzpflock auf seinen eigensinnigen Schädel.«

»Was kümmert es dich? Diesem Schicksal wird Paeoch, wenn es erst so weit ist, nicht entgehen.«

»Nun, und wenn die Christen den Berg dennoch nicht bewegen können?«

»Ist denn das ein Unglück? Das Volk wird sie ein wenig auslachen und vielleicht sogar ein wenig verprügeln. Das wird ihnen eine gute Lehre sein, fernerhin nicht mehr so zu prahlen … Sie werden bescheidener werden und weder in Byzanz noch in Rom wird man groß für sie eintreten. Das Volk sucht in seiner Bekümmerung nach der Ursache all des Jammers, und in aller Gedanken sind jetzt die Christen … Zudem sind ihrer hier nicht viele und man kann nicht sagen, daß sie irgend besonders geachtet würden … Überantwort sie dem Volke! Es ist sogar deine Pflicht, das zu tun, damit der Aufruhr nicht etwa allgemein würde, denn natürlich sind jetzt die Posttauben schon längst nach On unterwegs und nach Memphis und nach Akanthos, genau so, wie nach Hermopolis und Abydos und Theben. Glaube mir, die Empörung kann sich sehr bald über ganz Ägypten erstrecken, und dann wird es so großes Elend geben, daß dir der Imperator nicht vergeben wird und du abgesetzt werden wirst. Mit einer geringen Nachgiebigkeit jedoch kannst du alles abwenden und durch ein kleines Opfer das größte Unglück verhüten. Und wenn du hierauf nicht eingehen willst, dann werde auch ich mein Wort nicht mehr halten und verweigere es, die Gattin deines Dunasius zu werden.«

Nephoras Ansicht stimmte mit dem, was der Statthalter selber dachte, völlig überein. Er sah nämlich ebenfalls keinen anderen Ausweg und war im Grunde zu der Nachgiebigkeit bereit, dennoch aber fuhr er fort, ein wenig zu zaudern, als plötzlich ein neuer Umstand eintrat, der den Statthalter zwang, sich Nephoras Einflüsterungen zu unterwerfen. Noch während er sich mit Nephora unterhielt, erschienen draußen auf dem Platz, von der Seite her, wo die Nadel der Kleopatra ragte, drei sehr bemerkenswerte Gestalten, deren Aussehen und Bewegungen ungewöhnlich waren.

Es waren drei Männer, zwei davon waren hochgewachsen, der dritte jedoch war fett. Alle drei trugen lange und feine weiße Gewänder mit breiten Halsverzierungen und Kopftüchern, die eng über Stirn und Schläfen lagen und über den prunkvollen schwarzen falschen Haaren, die bis auf den Rücken herunterhingen. Ihre dunklen Gesichter waren ruhig und ernst, ihr Gang fest und majestätisch. Alle drei hielten lange Stäbe in den Händen; die zwei, die an den Seiten schritten, hatten Stäbe aus wohlriechendem Holz, an dem noch die Rinde war, auf jedem Stab war oben die Nachbildung einer blau und weißen Lotosblüte; jener aber, der in der Mitte schritt, trug einen Stab aus Silber, und diesen Stab krönte ein goldenes Nilkrokodil mit weitoffenem Rachen, über dem Straußfedern schaukelten. Außerdem schimmerte auf seiner Brust das heilige Amulett aus Saphiren. Von ihren langen Gewändern, ihren falschen Haaren, ja von allem, mit dem sie angetan waren, ging ein ungemein starker Moschusgeruch aus.

Es waren die Priester, die »Säulen des unerschütterlichen Volksglaubens«, den von allen Seiten der Druck der fremdländischen Aufklärung bedrängte. Diesen waren die Babylonier und Römer genau so verhaßt, wie etwa die Griechen.

 

Vierzehntes Kapitel

Als die Menge die Priester sah, gab sie ihnen bereitwillig Platz, und ohne die geringste Anstrengung schritten sie durch das Volk. Was die Liktoren des Statthalters trotz allen Kraftaufwandes nicht erreichen konnten, beim Erscheinen der langhaarigen Perücken und des Steckens mit dem aufgerissenen Krokodilsrachen machte es sich ganz von selber. Die Priester schritten wie auf einer Gasse durch die Menge, und nichts stand ihnen im Wege; sie brauchten nicht einmal mit ihren niedergeschlagenen und von den Lidern halb verdeckten Augen aufzuschauen. Ihre Bewegungen waren ernst-zurückhaltend, aber von einer geradezu wunderbaren Vollkommenheit: es machte den Eindruck, als schritten sie nicht, nein, als schwämmen die Priester die breite Marmortreppe hinauf, die zu den Hallen des Statthalters führte, und als verschmölzen ihre Gesichter und ihre Leiber eng mit der schweren bronzenen Türe. Gleichzeitig pochten die drei mit ihren Stäben an die Türe und verharrten dann, ohne sich zu rühren und ohne noch einmal zu klopfen. Es war fast, als wären sie eins mit dem Kupfer geworden und als wüßten sie genau, daß sie bald hindurchdringen würden, getragen von einer Welle, die alles niederwirft, was sich ihr in den Weg stellt. Diese Welle flutete hinter ihnen und trug sie. Das Volk strömte hinter seinen Priestern her, und sein Druck war so heftig, daß es nicht nur die Priester zusammenquetschte, sondern auch viele innerhalb der Menge. Furchtbare Schreie ertönten, die Schreie jener, die heranstürmten, aber auch das Gebrüll jener, die zu Tode gepreßt wurden.

Dieses Gekreisch war für diejenigen, die im Hause des Statthalters weilten, ebenso furchterregend, als auch aufmunternd. Der törichte Sohn des Statthalters, der dickstirnige Dunasius, fletschte die Zähne und meinte lachend:

»Aha! Da ist auch schon ihr Ende gekommen!«

»Wessen Ende?« fragte Nephora.

»Das Ende jener, die so stark nach Moschus riechen, daß ich es sogar hier hinterm Fenster noch merken kann. Wo Moschus ist, da ist auch das Gespann des Todes nicht fern.«

»Ja, das ist freilich wahr,« entgegnete Nephora und wies mit der Hand durchs Fenster, von wo man sehen konnte, wie am anderen Ende des Platzes, eben dort, wo noch vor einem Augenblick die Priester zwischen den Nadeln der Kleopatra erschienen waren, ein Widder zum Mauerbrechen sichtbar wurde, der auf Rädern stand; das Volk strömte dorthin, um die Zugstricke zu fassen und den Mauerbrecher vor die bronzene Türe des Statthalters zu ziehen.

Dunasius sowohl, wie auch sein Vater und alle, die bei ihnen waren, erstarrten, Nephora jedoch winkte mit ihrem blauen Schleier durchs Fenster, und als der Lärm auf dieses Signal hin ein wenig nachließ, sprach sie zum Volke:

»Fort von der Treppe! … Der Statthalter wird eure Priester empfangen und alles tun, was überhaupt denkbar ist, damit der Nil schneller über seine Ufer flute.«

Das Volk wich von der Treppe zurück, die Priester traten durch die für sie geöffnete Türe; kurze Zeit darauf verließen sie das Haus des Statthalters und eröffneten den versammelten Menschen, daß der Statthalter sogleich zum Patriarchen der Christen senden würde und ihm befehlen wollte, das zu erfüllen, worum die aufgeregte Menge bäte, nämlich ein allgemeines Gebet zu veranstalten, damit der Berg sich bewege.

Die Menge war den Priestern gehorsam; wieder schnarchte das Horn, freilich jetzt auf eine andere Art, wieder dröhnte die Schelle und donnerte die Trommel: die Aufrührer zerstreuten sich. Der Platz wurde nach und nach leer, die Menge strömte zu den Vorstädten hinter der Nekropolis und in der Richtung auf Lochias, in den Gemütern aber loderte immer noch die gleiche Erregung und war bereit, sich jeden Augenblick zur Tat zu ballen und loszubrechen. Truppweis saßen die Menschen hinter der Rennbahn und an den Ufern des Kanals und warteten mit Spannung auf Nachrichten, welche Folge ihre Bitte haben würde. Posttauben waren in der Tat, ganz wie Nephora es angenommen hatte, von den Priestern ausgeschickt worden und trugen jetzt die aufrührerischen Streifen schmaler Papyrusse nach On, nach Memphis, Abydos und Theben, weithin bis nach Karnak und Luxor. Bald schon drangen die Nachrichten aus Alexandrien bis zu den Ohren der wahrsagenden Memnon-Statue und bereits um die nächste Morgenröte öffnete Amenhotep seine Lippen.

Nur für eine Weile hielt des Statthalters Nachgiebigkeit die Erregung in Alexandrien im Zaume, sie war nicht etwa erloschen, und dann hielt es der Statthalter für das Beste, nicht etwa direkt vorzugehen, sondern mit List: er schickte in aller Stille an den Imperator einen Bericht über die vom Pöbel verursachten Unruhen, wobei er untertänigst bat, ihn durch die Zusendung von Hilfstruppen zu unterstützen, andrerseits aber beschloß er in Erwartung dieser Verstärkung dem Verlangen des Volkes insoweit stattzugeben, als es sich um die Ruhe und vielleicht auch um das Leben einiger dieser Christen handelte. Er wußte, daß die Christen bei der Obrigkeit nicht allzu gut angeschrieben waren, da diese eher geneigt war, sie für Menschen zu halten, die die allgemeine Ordnung gefährden konnten; selber aber war der Statthalter dem Patriarchen von Alexandrien durchaus nicht gewogen, denn dieser war ein kluger und geschickter Mann und hatte viele mächtige Freunde in der Hauptstadt, deren Neigung er sich durch die Sendung jener alexandrinischen Purpurteppiche zu erhalten wußte, von denen schon Theokrit singt, sie wären »sanfter als Schlaf und leichter noch als Flaum«.

Diese Teppiche wurden von Christen angefertigt, die in der Gemeinde von den Spenden der anderen lebten, und kamen somit dem Patriarchen viel billiger zu stehen, als sie der Statthalter von den freien Handwerkern erhalten konnte. Darum war es so schwer, ihm in Geschenken, Opfern und Darbringungen gleichzukommen.

Und überhaupt sah der Statthalter schon lange scheel auf den anwachsenden Wohlstand des Patriarchen, er beneidete ihn und ärgerte sich, daß er gar kein Mittel in der Hand hatte, jenen zu überbieten, jenen, der so ungezwungen über Geschenke verfügte, die von den Eroberern Ägyptens so ungemein geschätzt wurden.

 

Fünfzehntes Kapitel

Um dem rebellischen Pöbel Genugtuung zu geben und um die Stellung des Patriarchen nach Möglichkeit schwierig zu machen, berief der Statthalter sogleich einen seiner nächsten Untergebenen und befahl ihm, einen Blumenstrauß zu nehmen und sich mit ihm zum christlichen Patriarchen zu begeben, dort angekommen hätte er dieses alles Vorgefallene zu erzählen und ihn zu fragen, ob es in der Tat richtig sei, daß es in der Lehre der Christen eine solche These gebe, laut welcher sie, kraft ihres Glaubens, einen Berg veranlassen könnten, sich fortzubewegen und ins Wasser zu stürzen? Und sollte der Patriarch darauf zur Antwort geben, daß das richtig sei, so sollte er den Patriarchen bitten, er möge zum allgemeinen Besten sämtlicher Bewohner des gesamten ägyptischen Landes seinen Presbytern befehlen, das Gebet in diesem Sinne augenblicks zu beginnen, und er möge geruhen, selber daran teilnehmen.

Allein der Patriarch war schon lange vorher von allem, was in der Stadt geschah, unterrichtet worden, und da im Gefolge des Statthalters zudem sich einige von ihm erkaufte Leute befanden, die ebenfalls die Teppiche »sanfter als Schlaf und leichter noch als Flaum« schätzten, war es kein Wunder, daß er von diesen beständig über alles informiert wurde. So wußte er denn schon, daß ein Gesandter zu ihm abgehen sollte, und begab sich, in Erwartung des Boten mit dem Blumenstrauß, in sein prunkvolles Bad, wo er, nachdem er sich entkleidete, in einem breiten und runden Bassin Platz nahm, über dem in buntem Marmor in die Decke eingelassen die Worte zu lesen waren: »Wir glauben an Jesus Christus, den alleinigen Gott, und an die Auferstehung des Leibes.«

Der Gesandte der Regierung erschien, als der Patriarch, von seinen Akolythen und Jünglingen umgeben, die kleine Gefäße mit aromatischen Narden hielten und große, leichte Fächer aus Pfauenfedern schwangen, gerade im Bad saß und wurde darum lange nicht empfangen und mußte lange im Vorzimmer mit seinem Bukett warten. Schließlich erschien dem Boten die Wartezeit zu lange, und er bat, dem Patriarchen zu melden, er sei mit einer eiligen Nachricht erschienen, widrigenfalls er, ohne auf die Antwort zu warten, zum Statthalter zurückzukehren drohte.

Der Patriarch verließ alsbald das Bad, ließ sich mit Narden salben, tat goldene Sandalen an die Füße, bedeckte sich mit einem weißen Chiton und empfing, auf einem Ruhelager sitzend und sein Gesicht mit kühlem, nach Veilchen duftenden Wasser erquickend, den Boten. Der Patriarch war von seinen Akolythen umgeben und Jünglingen, die große Fächer schwangen. Man nahm dem Boten das Bukett aus »sprechenden Blumen« ab, das ein Beweis der friedfertigen Gesinnung seiner Botschaft sein sollte, und hierauf übergab er einen Brief, in welchem der Statthalter dem Patriarchen erklärte, worin die Sache bestände, und in dem er ihm Vorwürfe darüber machte, daß die christlichen Weber und Teppichmacher die andersgläubigen Arbeiter schwer reizten, indem sie in ihre Gemeinschaft alle faulen und nichtswürdigen Leute aufnähmen, die sich ohne jedwede Überzeugung taufen ließen, einzig und allein deswegen, um in der Gemeinde auf Kosten der Gläubigen leben zu können, und daß eben diese, da sie Almosen in Gestalt von Brot, Fleisch und Wein erhielten und also umsonst gefüttert würden, daß diese Leute also natürlich bei weitem billiger arbeiten könnten, als die anderen und fleißigen Handwerker, die zudem noch meistens eine ganze Familie zu ernähren hätten. Dieser Umstand schien dem Statthalter der Grund des ganzen Hasses des Volkes gegen die Christen zu sein; er verurteile ihn zwar und insbesondere die Rebellen, er hätte aber augenblicklich keine Machtmittel, den Aufruhr mit starker Hand zu bändigen, bevor er nicht eine Verstärkung erhielte. Und aus diesem Grunde bäte er den Patriarchen darum, wenn tatsächlich die christliche Lehre ein Mittel an die Hand gäbe, einen Berg zu bewegen, doch ja zur Beruhigung der erregten Menschen ein öffentliches Gebet am Fuße des Berges Ader anzuberaumen, damit dieser sich vom Fleck bewege und sich in den Nil stürze, hiermit gewissermaßen als ein Damm die Strömung des Flusses zu stauen, so daß endlich die allgemeine Überschwemmung erfolgen könnte.

Der Patriarch hatte seinerseits schon vorher überlegt, daß es unmöglich wäre, den Plan, den der listige Paeoch erdacht, geradewegs abzulehnen; während er noch in seinem Bade saß, hatten seine Diener draußen alles hergerichtet, damit er unverzüglich die Stadt verlassen könnte. Darum entgegnete er dem Boten, daß, obwohl selber Homer sich irren konnte, es für den Glauben nichts Unmögliches gäbe, jedoch daß er, der Patriarch, nur sozusagen die höhere geistige Leitung unter sich hätte, und daß er für alles übrige einen besonderen Bischof für Alexandrien eingesetzt, und daß man sich darum an diesen wenden solle und ihm sagen, er möge alles tun, was erforderlich wäre.

Der Akolyth verfaßte eilig ein in diesem Sinne gehaltenes Sendschreiben des Patriarchen an den Statthalter und überreichte diese Epistel dem Boten zusammen mit einem Strauß aus weißen Rosen und persischem Flieder, der aus dem Garten des Patriarchen kam. Der Bote nahm die Antwort und die Blumen und begab sich mit der Antwort zum Statthalter, der Patriarch jedoch kleidete sich augenblicks an, sammelte alle seine Kostbarkeiten und sein Gefolge und verließ auf schnellen Maultieren die Stadt durch die Pforte der Sonne, bog aber, kaum er die Stadtmauern hinter sich gelassen, nach Osten ab, denn er hoffte durchaus, in einer der sieben Nilmündungen eine griechische Trireme vorzufinden, oder irgend ein anderes schnellfahrendes fremdländisches Schiff, auf dem es ihm gelingen würde, dem rebellischen Lande und seinem listigen Statthalter zu entfliehen, dem er aus sicherer Ferne den Verrat heimzuzahlen gedachte.

Fast gleich darauf wurde dem Statthalter das Entkommen des Patriarchen mitgeteilt und es erzürnte ihn unbeschreiblich: er schickte seine Häscher aus, ihn zu verfolgen, allein es war nutzlos, da niemand wußte, wohin sich der Patriarch gewendet hatte, nachdem er durch die Pforte der Sonne entkommen. Der Statthalter schrie:

»Er hat nicht ohne Absicht in seiner Antwort geschrieben, daß auch Homer sich irren konnte: das, was er getan hat, habe ich allerdings nicht erwartet und habe mich also ebenso wie Homer geirrt.«

Und befahl darauf seinen Kriegern, den Bischof zu greifen und ihn herzuführen.

Der Bischof wohnte fern am äußersten Ende der Stadt und konnte daher noch nicht wissen, was der Patriarch getan.

Als die Krieger erschienen, den Bischof zu holen, saß er gerade ruhig beim Schachspiel mit einem Pfarrkind seines Sprengels, einer vornehmen Dame, und wunderte sich sehr über all das, was er zu hören bekam, und sagte schließlich, daß er nur eine untergeordnete Persönlichkeit sei und nichts ohne den Patriarchen vermöge; als man ihm aber mitteilte, daß der Patriarch ihn als eine in Alexandria selbständige Persönlichkeit bezeichnet hätte und selber mit unbekanntem Ziele abgereist sei, begann der Bischof zu weinen.

Die Boten ließen ihn nicht lange jammern; sie griffen ihn und führten ihn in einem verschlossenen Wagen zum Statthalter, der ihn geradeheraus und ohne jede Höflichkeit fragte, ob es wahr sei, daß in der Christenlehre davon gesprochen würde, daß es einem, der den christlichen Glauben hätte, möglich sei, einen Berg zu versetzen? Und als der Statthalter die Antwort vernahm, daß eine solche Erwähnung in der Tat erfolgt sei, wollte er von nichts mehr hören, sondern sagte nur noch:

»Dann gebe ich dir also eine Frist von drei Tagen. Während dieser drei Tage will ich allen Bedürftigen Arbeit geben und sie dafür bezahlen, daß sie mir rund um den Fuß des Berges Ader Bänke zum Sitzen errichten sollen, und Holzbuden für die Verkäufer von Eßwaren, für euch Christen aber will ich inmitten dieser Bänke einen Platz vom Fuß des Berges bis zum Nil offen lassen. Sammle du jetzt deine zuverlässigsten Leute, von denen du weißt, daß sie am festesten im Glauben sind, und erscheine dort am dritten Tage von heute ab gerechnet in der Frühe des Morgens. Und gebt mir Obacht! Betet, wie euer Glauben es euch vorschreibt, doch unbedingt so, daß der Berg in Bewegung gerät und sich ins Wasser stürzt; wenn ihr es aber nicht tut, wird es euch übel ergehen. Das ganze Volk aus Alexandrien wird da sein, um euch zuzuschauen, und es ist eure Sache, es so zu machen, daß ein Triumph eures Glaubens dabei herauskommt – möglicherweise aber auch nur eure Schande. Sollte der Berg wirklich in Bewegung geraten und den Fluß zum Steigen bringen, so wird das Volk eure Hilfe wohl zu würdigen wissen, denn ihr erweist hierdurch dem ganzen Lande eine Wohltat. Sollte es jedoch geschehen, daß ihr den Berg Ader nicht zu bewegen vermöchtet, dann werden alle erkennen, daß ihr das Gute, das ihr tun könntet, nicht tun wollt, und daß ihr mithin für die Menschen, in deren Mitte ihr wohnt, kein Herz habt. Dann werde ich euch nicht mehr schützen können, und mag dann das mit euch geschehen, was ihr in den Augen der Menge wert seid. Ich werde jetzt den Befehl geben, dich und eure übrigen Ältesten streng zu bewachen, und wenn ihr etwa nicht gewillt sein solltet, gutwillig zum Berg zu kommen, um dort euer Gebet zu verrichten, nun, dann werde ich eben den Auftrag geben, euch mit Gewalt hinzuschaffen. Für Ungehorsam werdet ihr nicht nur die ganze Ungestümheit des Zornes unseres geplagten Volkes, das ihr gereizt habt, erdulden müssen, sondern auch ich werde dann die ganze Härte des Gesetzes gegen euch anwenden: alles, was ihr besitzt, werde ich zugunsten der Kassen des Imperators einziehen, euch selber aber werde ich, soweit es sich um Erwachsene handelt, mit Rädern um den Hals und in Ketten auf ewige Zeit in die Steinbrüche verbannen. Und nicht einen einzigen von euch werde ich davon ausnehmen, alle werdet ihr mit gefesselten Armen nach Süden ziehen müssen, ganz in die Nähe des Landes, das vom törichten Volk der Kusch bewohnt wird, und es soll hinter dem Gürtel eines jeden von euch sein Urteil stecken, in dem zu lesen stehen wird, wieviel Schläge mit dem Ochsenziemer die Äthiopier diesem Menschen dreimal des Tages aufzuzählen haben: morgens, um Mittag und auf die Nacht. Und so lange sollt ihr dort in den Steinbrüchen schmachten, bis nicht der Staub der Steine eure Körper verzehrt haben wird.«

 

Sechzehntes Kapitel

Nachdem der Statthalter diese kränkende Rede gehalten, befahl er, dem Bischof einen zu diesem Zweck gespitzten Griffel zu reichen, und verlangte von ihm, daß er die Namen aller ihm bekannten Christen aufzeichne, von denen er wüßte, daß sie in Alexandrien lebten; er drohte ihm ferner, daß, wenn er ihm auch nur einen Namen verhehlen würde, er den Bischof so behandeln wollte, als sei er bereits ein Sträfling in den Steinbrüchen.

Der Bischof verzagte völlig, er empfing den Griffel mit zitternder Hand und schrieb erschreckt die Namen derjenigen auf, die er Grund hatte, für Christen zu halten, allein trotz all seiner Mühe, auch nicht einen der zuverlässigen zu vergessen, wollte ihm der Statthalter immer noch keinen Glauben schenken und veranlaßte ihn, einen Schwur zu leisten, daß er ihm niemand vorenthalten habe. Der Bischof besorgte, zur Verantwortung gezogen zu werden, und erinnerte sich noch an viele und schrieb noch eine Menge dazu, schwören aber wollte er nicht, denn sein Gedächtnis war schon recht altersschwach, und darum begann er wieder zu weinen. Zenons Namen jedoch fehlte in dem Verzeichnis des Bischofs.

Der Statthalter erbarmte sich des Bischofs und entließ ihn endlich, wobei er allerdings nicht ohne Strenge hinzufügte:

»Heule nicht. Solltest du dich geirrt und nicht alle aufgeschrieben haben, so will ich es dir verzeihen, denn auch Homer konnte sich irren. Laß dieses Verzeichnis deiner Christen jetzt hier und geh hin und versammle diese und die anderen, die du etwa vergessen hast; dreimal am Tage werde ich Boten zu dir schicken, um zu erfahren, wieviel der Euren sich gesammelt haben, um den Berg zu versetzen. Jetzt aber werde ich sogleich Ausrufer mit Klappern nach allen Seiten hin ausschicken, die dem ganzen Volk verkünden sollen, daß das allgemeine Verlangen erfüllt wird und daß niemand verzagen soll, sondern daß alle sich aufmachen sollen, um zu schauen, wie der Berg Ader aufstehen und den Nil eindämmen wird.«

Der Statthalter kannte seinen Vorteil genau, es war ihm nur darum zu tun, heitere Hoffnungen in den Gemütern der erregten niedergeschlagenen Bevölkerung zu erwecken; die Lage des Bischofs war dagegen eine wesentlich andere.

Der Bischof verneigte sich, wobei er zum Zeichen des Gehorsams die Arme über der Brust kreuzte, und schritt, immer noch tränenüberströmt, hinaus. Er wagte gar nicht, an das zu denken, was ihm anbefohlen worden war, und ebensowenig daran, was jetzt zu tun sei? Und erst recht nicht daran, selber zu versuchen, dieses Werk zu bestehen, und alle die, deren Namen er in dem Verzeichnis aufgeschrieben hatte, zu dieser Prüfung mitzunehmen, denn wahrlich es war eine Prüfung, die der listige und rachsüchtige Paeoch sich nur darum erdacht hatte, um die Möglichkeit zu gewinnen, den christlichen Glauben öffentlich vor den Augen von tausend Zuschauern zu verspotten.

Ob er es nun wollte oder nicht, das erste, was ihm in den Kopf kam, war der Gedanke an das gleiche, das der über ihm stehende Patriarch für den besten Ausweg gehalten hatte, und war es nicht auch der vernünftigste und der leichteste Ausweg? Und hatte nicht ferner der gleiche Patriarch allen geraten, sich daran zu erinnern, daß »auch Homer sich irren konnte«?

Der Bischof entschloß sich, die ihm ergebensten Leute um Rat zu fragen, und erzählte, kaum, daß er nach Hause gekommen war, die furchtbare Neuigkeit seinem vornehmen Pfarrkinde, jener Dame, die seine Rückkunft erwartete. Diese sehr namhafte Dame erschrak ganz ungemein und schickte sogleich ihre Sklaven aus, alle anderen vornehmen Pfarrkinder jenes Sprengels zu ersuchen, unverzüglich ihr Haus zwecks einer unaufschiebbaren Beratung aufzusuchen. Die vornehmen Pfarrkinder kamen sogleich und gerieten alle, nachdem sie die Erzählung angehört, in das schrecklichste Entsetzen; allein anstatt den Bischof mit verständigen und scharfsinnigen Ratschlägen aufzumuntern, machten sie ihm nichts als Vorwürfe, daß er ihre Namen aufgeschrieben hätte. Er aber entgegnete ihnen:

»Ist es möglich, daß es euch lieber gewesen, wenn ich gelogen, oder mich der Obrigkeit ungehorsam gezeigt hätte?«

Jedoch sie erwiderten kurz, daß das nicht ihre Sache sei, und waren alle sehr niedergeschlagen und dachten nur, daß ihnen Paeochs schlauer Plan mit Verlust und Zerstörung all ihres Hab und Gutes drohe, ja, daß durch die Wut des aufgestachelten Volkes sogar ihr Leben nunmehr in Gefahr wäre. Und sie endeten damit, daß sie aufs neue dem Bischof Vorwürfe machten:

»Aus welchem Grunde hast du uns, die namhaften Leute, aufgeschrieben und uns jetzt hier versammelt? Das ist ganz gegen den Glauben: vor Gott sind alle Menschen gleich, die Vornehmen und die Niedrigen. Wir wollen uns nicht vor den Niedrigen und Armen überheben und wollen nicht gegen Gottes Willen verstoßen. Verschiebe deine Entscheidung auf morgen früh, und wenn du dann morgen um Sonnenaufgang auf deine kupferne Tafel schlagen lassen wirst, dann wollen wir uns gemeinsam mit den einfachen Leuten des christlichen Glaubens bei dir versammeln, – es ist möglich, daß in ihren einfachen Köpfen mehr zu finden ist, als in den unseren, mehr Glauben, mehr Verstand und mehr Kühnheit.«

Der Bischof erklärte sich damit einverstanden, doch als er, nach einer sehr unruhig verbrachten Nacht, in der Morgenfrühe selber auf die kupferne Tafel schlug, bemerkte er, daß freilich sein Hof sich mit allerlei einfachen Leuten aus der Gegend des Kleinen Hafens und anderer entfernter Vororte füllte, allein von den gestrigen Vornehmen, die hier mit den einfachen Leuten zusammentreffen wollten, konnte er auch nicht einen einzigen wahrnehmen.

Der Bischof erkannte in der Menge einige Sklaven jener, die noch nicht erschienen waren, und fragte sie, ob ihre Herrschaften bald kämen, die Sklaven aber schüttelten nur die Köpfe und flüsterten ihm leise zu:

»Auf die wartest du vergebens; sie werden nicht kommen. Sie sind jetzt schon weit von hier.«

Dennoch wartete der Bischof und wartete so lange, bis die Menschen auf seinem Hofe vom Hunger gepeinigt ihre Gürtel höher schoben und enger gürteten, mit den Zähnen knirschten und endlich, schwermütig den Bischof anblickend, um Brot baten. Da schickte denn der Bischof alle seine Akolythen und Fächerschwinger aus, um die Vornehmen zur Eile zu mahnen, allein die Akolythen und Fächerschwinger kehrten zurück und meldeten, daß keiner der Vornehmen mehr in der Stadt weile. Als der Bischof diese schauderhafte Nachricht erfuhr und die zunehmende Erschlaffung bemerkte, die der Hunger bei den Menschen hervorrief, schickte er seinen Lieblingsfächerträger zu der vornehmen Dame von gestern, um sie zu bitten, sie möge selber kommen und ihm so schnell als möglich einige Körbe mit Brot für die einfachen Leute schicken, jedoch auch dieser Fächerträger kehrte mit leeren Händen zurück und teilte ihm mit, daß er im Hause des vornehmen Pfarrkindes niemand außer einem kränklichen Sklaven angetroffen habe, der ihm mitgeteilt hätte, daß seine Herrin noch gestern nacht, gleich nachdem sie allein geblieben, alle ihre Sachen gepackt und mit ihren besten Dienern auf sechs Wagen die Straße nach Kanope genommen hätte.

Da zog der Bischof das Tuch, das um seinen Kopf geschlungen war, tief ins Gesicht, und rief, die Hände überm Kopf zusammenschlagend:

»Oh, welche List! Ich habe mich so geirrt, wie selbst Homer sich nie hätte irren können!«

 

Siebzehntes Kapitel

Die Trauer des Bischofs über die Flucht seiner namhaften Freunde war groß, allein er konnte sich nicht lange der Verzweiflung hingeben: das auf seinem Hof versammelte einfache Volk verlangte gebieterisch nach Nahrung, und darum beeilte sich der Bischof, die Menge einstweilen nach Hause zu schicken, wobei er sie freilich aufforderte, morgen wieder zu kommen, er versprach ihnen, daß am nächsten Tage für alle reichlich Speise vorhanden sein würde und ebenso ein Getränk aus verdünntem Wein. Er selber eilte zu dem anderen Ausgang, der seinen Hof mit dem Hause der vornehmen Dame verband, er durchsuchte all ihre Gemächer, doch fand er nirgends eine lebendige Seele, in ihren Zimmern konnte er aus der Unordnung, in der alles herumlag, die Spuren des hastigen fluchtähnlichen Aufbruches bemerken. Schließlich fand der Bischof auf einer Truhe, in der das Schachspiel aufbewahrt wurde, einen von einem Bändchen umwundenen Papyrus, und darin die Mitteilung, daß die Dame, die aufgeregte Vorkommnisse vorhersähe, zeitweilig nach Pelusa reise und all ihre leichtbeweglichen Kostbarkeiten mit sich nehme; die ganzen Vorräte in ihren Speichern jedoch und ihrem Hause überantworte sie dem Bischof, der mit diesen schalten könnte, wie es ihm gutdünke.

Dortselbst in der Truhe, in der das Schachspiel lag, fand er auch den Schlüsselbund mit den Schlüsseln zu den Vorratskammern und Speichern, die Aufschriften auf Elfenbeintäfelchen besagten, wohin ein jeder Schlüssel gehöre.

Das traf sich gut, denn aus besonderen Gründen konnte das Volk, das er fortgeschickt hatte, den bischöflichen Hof nicht verlassen. Der Bischof nahm die Schlüssel und ließ sie durch seinen Fächerträger nach drüben bringen, selber aber begab er sich nunmehr zu jenen anderen Vornehmen, die sich am Abend vorher so darüber erregt hatten, daß er, der Bischof, ihre Namen aufgeschrieben, und die ihm, als sie von ihm gingen, bestimmt versprochen hatten, sich anderentages in der Frühe gemeinsam mit den einfachen Leuten bei ihm einzufinden, und die dennoch nicht gekommen waren. Allein auch von diesen fand er keinen vor: alle hatten ihre Wohnungen verlassen und die Schlüssel zu den Vorratskammern und Speichern in die Hand des Bischofs gelegt, und benachrichtigten letzteren nur kurz, daß sie in der Richtung der Häfen abgereist seien, dieser nach Kanope, jener nach Sais, der eine nach Mendes, der andere nach Pelusa, wohin, wie bereits erzählt, die vornehme Dame als erste geflüchtet war.

Der Bischof ging von Haus zu Haus und fand bei all den Vornehmen genau das gleiche und hatte schließlich eine solche Menge von Schlüsseln, daß er sie kaum mehr zu tragen vermochte, von seinen Fächerträgern aber eilte ihm keiner zu Hilfe, und als der Bischof endlich nach Hause kam, war keiner seiner Akolythen mehr zu finden und keiner seiner Fächerschwinger. So schnell und ansteckend hatte die Furcht gewirkt, und mit ihr war jedem der Gedanke an die Flucht gekommen, die die Vornehmen zuerst ergriffen hatten, denn sie besaßen ja Maultiere und Wagen, die stets bereit standen, und hatten Häuser vor der Stadt und Freunde und Verwandte in Sais und Pelusa, und meistens auch ihre eigenen Schiffe in allen sieben Nilmündungen. Das einfache Volk jedoch: die Weber und Wollschläger, genau so wie die Ziegelbrenner und Glasbläser, waren noch immer auf dem Hofe und schrien, daß sie hungrig seien und daß sie nicht hinauskönnten, denn die Pforte sei von der Straße her versperrt und eine Wache stünde davor.

So war denn der Bischof mit einem Male zum reichen Besitzer all dessen geworden, was von den geflüchteten vornehmen Leuten ihm zurückgelassen worden war, aber was sollte ihm jetzt all dieser Reichtum, da doch nur noch zwei Tage geblieben waren, denn dann mußte er mit den andern ausziehen, um den Berg Ader zu versetzen und den Nil dadurch abzuleiten?

Der Bischof schleuderte den Webern und Wollschlägern die Schlüssel zu den Vorratskammern und Speichern zu und zeigte ihnen den geheimen Gang, der auf den Nachbarhof führte, doch als das Volk dorthingeströmt war, um seinen Hunger zu stillen, schleuderte der Bischof auch die Schlüssel zu den anderen Vorratskammern und Speichern auf den steinernen Fußboden und stieß sie mit seinem Fuß weit von sich.

Was soll mir, dachte er, was soll mir all dieser Überfluß jetzt, da mich die Vornehmen verlassen haben und ich sehr bald schon gezwungen sein werde, gemeinsam mit den unwissenden Fischern und Webern und Wollschlägern die Todesqual zu bestehn?

Bald jedoch kam er wieder zu sich, richtete sich auf und eilte zu seinem Pferdestall, um zu schauen, ob sein Maultier zu trinken habe, und ob es nicht am Ende ohne Futter sei, und ob wohl die kupfernen Hufbeschläge fest säßen.

Der Stall war leer.

Der Bischof schlug die Hände über dem Kopf zusammen … Es war ja nur zu klar, daß natürlich das Maultier den Stall nicht aus eigenem Antriebe stillschweigend verlassen, und besonders nicht die Krippe, die noch voll von saftigem Futter lag … Und wer war es wohl gewesen, der ihm den bischöflichen reich mit Borten verzierten Sattel aufgelegt, und den Zügel mit den Quasten, wer war es, der nicht einmal die seidene kleine geflochtene Peitsche vergessen hatte?

Nicht lange war es dem Bischof beschieden, in dieser Lage zu verharren, eine Hand berührte völlig unerwartet seine Schulter, und eine sorglose und spöttische Stimme sprach hinter ihm:

»Du kamst gewiß nachschauen, ob die Hufeisen deines Maultieres noch fest säßen?«

»Was geht das dich an?« erwiderte der Bischof.

»Ich habe ein Anliegen zu dir, der Statthalter hat mich zu dir geschickt, und hier stehen meine Krieger und meine Geißelträger. Der Statthalter ist über dich erzürnt, da du ihm einen ganzen Tag lang nichts darüber gemeldet hast, welche Vorbereitungen ihr getroffen habt, um durch euren Glauben den Berg zu versetzen.«

Der Bischof entgegnete ihm:

»Ich habe nichts zu melden, alle fliehen mich und mir will scheinen, daß ich bald ganz allein zurückgeblieben sein dürfte.«

»Das ist nicht unsere Sache,« antwortete der Bote der Obrigkeit: »Wir kamen, dich zu holen, folge uns jetzt, um dem Statthalter deine Erklärungen abzugeben.«

Bei diesen Worten gab der Bote seinen Geißelträgern einen Wink, und sie umschnürten sogleich die Handgelenke des Bischofs mit ihren Stricken und führten ihn so unter starker Bedeckung vor den Statthalter.

 

Achtzehntes Kapitel

Der Statthalter war, obwohl er einverstanden gewesen war, aus dem Auszug der Christen, die den Berg versetzen sollten, ein öffentliches Schaustück zu machen, dennoch mit sich unzufrieden, denn es reute ihn, daß er dem Drängen des aufgerührten Pöbels nachgegeben hatte und er suchte jetzt nach Mitteln, seinen Ärger zu ersticken. Er versuchte darum, sich vom Kreise seiner Freunde erheitern zu lassen, und nahm, während der Bischof zu ihm geführt wurde, gerade seine Abendmahlzeit mit seiner Familie ein, wobei ihn vornehme Gäste, unter denen natürlich Nephora war, umringten. Man saß in dem großen Speisesaal, der eine Verschmelzung hellenischer Formenschönheit mit ägyptischer Buntheit und Farbenfreudigkeit darstellte, die Wände waren mit Kacheln ausgelegt, die nach griechischer Sitte bemalt waren. Die Farben waren erstaunlich lebhaft. Der Speisesaal war ohne Decke. Sie wurde durch ein bewegliches Seidengewebe ersetzt, das an Ringen, die über bronzene Stangen liefen, hing und beweglich war. Tags, wenn die Sonne vom Himmel herunterbrannte, war das Gewebe fest zugezogen, zur Abendmahlzeit dagegen wurde es geöffnet. So auch jetzt, das Gewebe war nach dem schwülen Tage aufgezogen und über den Häuptern der Menschen, die sich in diesem prunkvollen Raume an den Leckerbissen ergötzten, schimmerte majestätisch der tiefe Himmel mit seinen vielen Sternen. Das Licht des Mondes drang schräge herein und versilberte lediglich eine Ecke des Gemaches.

Durch die vielen Kandelaber und Lampen, die auf dem Tisch brannten, schien der ferne, unendliche Raum dort oben in einen schwarzen Abgrund verwandelt, in dessen Tiefe die Sterne wie feurige Kugeln hingen. Auf dem Tisch prangten Speisen und die mannigfaltigsten Leckerbissen: es standen dort die dampfenden riesenhaften Braten aus Kamelfleisch und verbreiteten appetiterregenden Duft, Fische mit roten Flossen, teuere Untersetzer aus Chios und ebensolche Vasen, auf denen erlesene Früchte in schöner Anordnung lagen: Weinbeeren, Feigen, Weintrauben und bernsteinfarbene Melonen; auf glasierten Tontellern mit reichem Figurenschmuck lag der zarte Käse; zwei wundervoll ausgeführte silberne Bienenkörbe, eine Arbeit von Zenon, bargen köstlichen Honig, zwischen diesen zwei Bienenstöcken ragte ein hohes silbernes Schmuckstück, ebenfalls von der Hand Zenons, das ein wenig an die Opferaltäre in den griechischen Tempeln erinnerte, – Myrten und Rosen bekränzten es. Über diesem Opferaltar dampfte wohlriechend ein Räucherbecken und nebenan stand eine große silberne Schale mit Wein, der mit Wasser vermengt war. Rund um diese Schale standen die Becher, alles Nachbildungen von Tier- und Vogelköpfen. Die Gesellschaft war sehr lustig. Geschmückte Frauen waren da und junge Männer, alle in heiterster, scherzhaftester Laune; das Fest, das so unerwartet übermorgen stattfinden sollte, war der Gegenstand ihrer witzigen Bemerkungen, ein Fest, das sowohl das Volk zu beruhigen, als sie zu belustigen erfunden worden war. Die Christen, die dabei die leidende Rolle zu spielen hatten, mochten dazu sagen, was sie wollten. Einer der Anwesenden meinte:

»Welcher Ansicht man auch über die verächtlichen Leute sei, zu denen unsere Weber und Wollschläger gehören, man muß immerhin anerkennen, daß sie uns nunmehr ein ungewöhnliches Vergnügen bereiten werden. Die Pferderennen sind ohne Zweifel schön und zeigen viele Beispiele graziöser Verwegenheiten, aber das alles haben wir ja schon so oft gesehen, und es hat den Reiz der Neuheit für uns verloren. Einen Berg dagegen nur durch die Kraft des Glaubens zu versetzen, das ist unbedingt neu und sehr ungewöhnlich, und somit erhebe ich denn meinen Pokal auf die scharfsinnigen Weber und Wollschläger.«

Irgend ein anderer entgegnete:

»Pöbel bleibt immer Pöbel, und die Lobsprüche, die wir soeben vernahmen, gebühren nicht ihm, sondern dem alten Paeoch, der auf der Insel Pharos lebt.«

»Auch das ist noch nicht ganz richtig,« warf hier der Sohn des Statthalters, der fette Dunasius ein: »Das ganze Vergnügen, das uns erwartet, verdanken wir Nephora, meiner schönen Braut, denn sie war es, die meinen Vater so weit brachte, daß er sich gegen die Forderungen des Pöbels nachgiebig stellte und seine Erlaubnis dazu gab, die Christen zum Berg Ader zu treiben. Welch ein glücklicher Gedanke! Noch vor zwei Tagen war der Pöbel arbeitslos und heute arbeiten tausende von Händen, um in aller Eile ein prächtiges Amphitheater für die Zuschauer zu errichten; die ganze Stadt ist voll von neuem Leben: alle Maultiere sind bereits vermietet, und die Pastetenbäcker und Fruchthändler, die Fischer und die Weinverkäufer der ganzen Stadt treffen ihre letzten Vorbereitungen, um den Wünschen des Publikums zu entsprechen. Und schon morgen werden die Blumenverkäuferinnen dorthin eilen, die Sänger und die Gaukler, – eine Unzahl lustiger Zelte wird es dort geben mit Blumen, Getränken und Speisen, übermorgen aber wird bereits in aller Frühe die ganze Bevölkerung Alexandriens dort sein, um zu schauen, wie diese lächerlichen Leute vermöge ihres Glaubens an den gekreuzigten Gott den Berg von seinem Ort und in den Nil versetzen werden.«

»So ist es: mein Sohn Dunasius nähert sich mit seinen Worten allerdings der Wahrheit,« bestätigte der Statthalter; »trotzdem jedoch hat Dunasius das, was die schöne Nephora, die ich mit Ungeduld endlich meine Schwiegertochter nennen möchte, für uns getan, noch lange nicht genügend gewürdigt. Ihr Geist ist ihrer ungewöhnlichen Schönheit ebenbürtig und kann diese nur deswegen nicht überstrahlen, weil das vollkommen unmöglich wäre. Wir müssen der schönen Nephora nicht nur dankbar dafür sein, daß sie uns und dem ganzen Volke einen fröhlichen Zeitvertreib auf Kosten der Christen verschafft hat, sondern wir verdanken ihr auch, daß wir jetzt außer jeder Gefahr sind. Es drohte ein allgemeiner Aufruhr auszubrechen, dessen ich mit der geringen Zahl von Kriegern und Geißelträgern, die zu meiner Verfügung stehen, nicht Herr geworden wäre. Meine Krieger sind kaum in der Lage, unter den gewöhnlichen Voraussetzungen die Ordnung aufrechtzuerhalten, geschweige denn bei einer solchen Volksaufwallung, wie jene vor drei Tagen, die urplötzlich auftrat und ohne Zweifel mit größter Schnelligkeit um sich gegriffen hätte; für einen solchen Fall sind meine Kräfte völlig ungenügend. Meine Teppichausbreiter haben zudem heute morgen einige Tauben aufgegriffen, mit denen die Nachricht kam, daß ungeheure Massen arbeitenden Volkes von Hermopolis nach Alexandrien unterwegs seien und wir werden sicherlich schon morgen ihre dickbäuchigen Barken zu sehen bekommen. Diese Scharen werden landen und zu meinem Palast strömen, sie werden jedoch von den Bänken, die man amphitheatralisch rings um den Ader errichtet hat, aufgehalten und abgezogen werden. Die Leute aus Hermopolis werden das, was sie zu sehen erwarten, nicht zu Gesicht bekommen: in unserer Stadt herrschen weder Erschlaffung, noch Hammer. Die Leute arbeiten mit ihren Beilen und ihren Tapeziererinstrumenten; ein jeder erhält hohen Tagelohn; Teppiche und all das andere Material zum Tapezieren sind um das doppelte gestiegen; alle Menschen sind froh und arbeiten und wissen, daß ein noch größeres Vergnügen ihnen bevorsteht, entweder jenes, daß die Christen den Berg in der Tat in Bewegung bringen und ihn zwingen werden, sich in den Nil zu stürzen, oder zum mindesten das, daß es belustigend sein wird, zu schauen, wie diese Prahler vergeblich auf ihre Weise beten werden und schließlich ihre Schwäche abends unwillkürlich werden eingestehen müssen …«

»Allein dann wird das Volk sich auf die Leute stürzen und ein furchtbares Blutvergießen verursachen und nachher wird der Aufruhr, der uns allen, die wir vermögend sind, das größte Unheil bringen kann, aufs neue aufflammen,« unterbrach ihn einer der Gäste.

»Nein,« entgegnete ruhig der Statthalter: »das würde höchstens geschehen können, wenn sich nicht zur Weisheit und dem reichen Opfer der großmütigen Nephora auch ein Teilchen meiner alten Erfahrung im Regieren der Völker gesellt hätte. Ich will es nicht länger vor euch verhehlen, daß Nephora noch viel mehr getan hat, als ihr alle wißt: sie hat mich nicht nur von der Weisheit der getroffenen Maßnahmen überzeugt, sondern mir auch die Mittel gegeben, sie durchzuführen: meine Kassen waren leer und ich selber war nicht in der Lage, alle die Kosten zu bestreiten, die die reichliche Entlohnung der von uns zum Bau angeworbenen Leute verursachen mußte, – diese Mittel stellte mir Nephora zur Verfügung.«

»Ist es erhört? Das wußten wir allerdings nicht!« riefen die Gäste und drängten sich um Nephora, die die ganze Zeit über in ihrer Mitte still und nachdenklich gesessen hatte.

»Gewiß, das wußtet ihr nicht,« fuhr der Statthalter fort: »und da ich euch nun ihr ganzes Geheimnis enthüllt habe, will ich euch gleichzeitig auch mein Geheimnis enthüllen, damit ihr hinsichtlich eurer Gefahrlosigkeit völlig beruhigt seid und auch die großherzige Nephora sich nicht mehr um die von ihr zum allgemeinwohltätigen Zweck gestiftete Summe zu sorgen braucht.«

»Ich bekümmere mich wenig darum, ob ich sie wiedererhalte,« warf Nephora hin.

»Ich weiß es, daß du daran nicht denkst, ich glaube es dir gerne, – allein darf ich dir mein Erstaunen darüber aussprechen, daß du heute traurig bist?«

»Meine Stimmung wird keineswegs durch das Geld beeinflußt.«

»Ich glaube dir, doch da du bald zu meiner Familie gehören wirst, würde ich um keinen Preis zulassen, daß du dein Vermögen verschwendest, wenn ich nicht die begründete Hoffnung hätte, dir alles und sogar mit einem Überschuß zurückzuerstatten, was du mir zur Bestreitung der Unkosten gegeben hast. Die Beschämung, die den Christen am Ader zu Teil werden dürfte, wird niemand Ungelegenheiten, außer ihnen selber, diesen widerwärtigen Abergläubigen, verursachen. Das Volk wird keinerlei Möglichkeiten haben, etwa auch bei den wohlhabenden Leuten zu plündern, denn ich habe eine Flotte mit Hilfstruppen angefordert, und schon heute mittag sind von der Bolbitinischen Mündung aus zehn Kriegsschiffe gesichtet worden. Ihre Segel waren groß und der Wind weht günstig, – sie fahren schnell und dürften bereits morgen in Kanope sein, um die Zeit aber, da das ganze Volk sich aus der Stadt begeben wird, um zu schauen, wie die Christen den Berg bewegen wollen, werden die Truppen um Lochias herum kommen und die Stadt besetzen. Und auf welche Art auch die Sache mit dem Berge ausgehen sollte, – die zurückströmenden Volksmengen werden von den Truppen angehalten und entwaffnet werden. Tags darauf wird aber das Gericht stattfinden: die Haupträdelsführer werden mit dem Todesurteil in ihrem Gürtel auf das Hepta hinausgeführt werden, um dort ihre Hinrichtung zu erleiden, ihr Eigentum dagegen wird der Kasse zufallen, nachdem freilich zuvor jene Summe, die notwendig ist, um das zu ersetzen, was wir von Nephora erhielten, ausgeschieden worden ist.«

»Vortrefflich! Du bist ein weiser und gerechter Gebieter!« riefen viele Stimmen gleichzeitig: »und jetzt hindert uns nichts mehr, uns einer sorglosen Heiterkeit in deinem Hause hinzugeben, in diesem wunderbaren Speisesaal, in den von oben her die Sterne des Himmels schauen und sicherlich neidisch sind auf die klaren Augen der schönen Nephora. Erheben wir die Pokale auf die Augen Nephoras und auf Dunasius' Glück.«

Nachdem dieses Wohl getrunken, fügte der Statthalter lächelnd hinzu:

»Seid nur heiter und trinkt, preiset die Schönheit und den Verstand Nephoras: keinem von euch droht irgendwelche Gefahr, das Lächerliche aber, das dem allgemeinen Ergötzen dienen soll, hat inzwischen bereits begonnen: der Patriarch nämlich und alle ein wenig wohlhabenden Leute, die dem Glauben der Christen anhängen, sind geflohen; ein geschickter Verräter aus der Schar der bischöflichen Diener hat uns soeben die Nachricht überbracht, daß auch der Bischof sich in seinen Pferdestall begeben hätte, um die Fußeisen seines Maultieres zu untersuchen … Es ist klar, daß auch er nach Anbruch des Dunkels von diesem Tier gewisse Dienste verlangt hätte, allein ich ließ es nicht erst soweit kommen, denn das hätte uns ja der Gefahr ausgesetzt, Zuschauer ohne Schauspieler zu werden. Ich schickte Leute aus, den Bischof herzubringen, und gab den Befehl, keinen einzigen Christen mehr aus der Stadt zu lassen, sondern sie alle auf dem bischöflichen Hofe zu halten, von wo aus sie dann gemeinsam ihren Auszug nehmen sollen, das Gebet am Fuße des Ader zu vollziehen.«

Gleichzeitig trat der Führer ein und meldete dem Statthalter die Ankunft des Bischofs; da die Versammelten ihn zu sehen wünschten, wurde er in den Speisesaal geführt und mußte dort vor den tafelnden Gästen, unter denen sich auch Nephora befand, stehen. Schnell richtete das junge Weib ihre scharfen und durchdringenden Blicke auf den Greis, ganz so, als wollte sie in seinem Gesicht etwas lesen, für das ihr die umständlichen Erklärungen des Statthalters bisher keine genügenden Erklärungen gegeben hatten.

 

Neunzehntes Kapitel

Dem Bischof war die erniedrigende Stellung, in der er sich befand, vollauf bewußt, und also antwortete er auf alle Fragen kurz und ungern, was jedoch begreiflich war, denn alle Fragen, die ihm der Statthalter und seine Gäste stellten, wurden ganz augenscheinlich nur in der Absicht gestellt, die ohnehin schwierige Lage des Befragten nur noch schwieriger zu gestalten, und nicht nur ihn selber, sondern auch alle die Leute, deren Glauben und Hoffen er an dieser Stelle in seiner Person verkörperte, zum Gegenstand des Spottes und loser Scherze zu machen. Hierbei tat sich besonders Dunasius hervor, der durch die Frechheit, mit der er den schutzlosen und völlig verwirrten Greis behandelte, Nephora zu gefallen hoffte; allein Dunasius erzielte damit genau das Gegenteil: sein Hohn gefiel Nephora keineswegs, und zwar vielleicht besonders deswegen, weil er ihr verhaßter Verlobter war, der sich auszuzeichnen suchte, und schließlich sagte sie:

»Vor diesem Mann steht eine ernste Sache und er wird alle seine Kräfte dazu brauchen, darum möchte ich, wenn es mir gestattet ist, bitten, ihn jetzt seines Weges ziehen zu lassen, denn weder sein Anblick, noch der Gedanke an das Schicksal, das seinen Glaubensgenossen bevorsteht, sind besonders geeignet, mich heiter zu stimmen.«

Als der Bischof diese Worte hörte, blickte er Nephora an und äußerte nicht ohne Würde:

»Ich danke dir, o mitleidige Herrin, und bete, daß Gottes Gnade dir dafür den schönsten deiner Wünsche erfüllen möge.«

Nephora erhob sich von ihrem Platz, rief ihre Sklavin herbei und senkte ihren Arm in den langen gelben Seidenbeutel, der am Gürtel der Sklavin hing, sie holte eine Handvoll Gold heraus und übergab es dem Bischof mit folgenden Worten:

»Nimm dies von mir für deine Armen.«

»Derentwegen brauchst du dich nicht zu sorgen,« erwiderte dankbar der Bischof, obwohl er ihre Hand mit der Gabe fortschob: »die, die mit mir gehen, haben sich alle mit dem Gedanken an einen baldigen Tod vertraut gemacht, wozu soll uns jetzt noch Gold?«

»Dann hofft ihr also nicht, den Berg zu versetzen?« fragte Dunasius.

Der Bischof schwieg.

»Immerhin brauchst du deswegen noch nicht zu verzweifeln,« mischte sich der Statthalter ein. »Du kennst doch die Worte, daß ›sogar Homer sich irren konnte‹?«

»Ich verzweifle keineswegs.«

»Das ist vortrefflich: aber schau dir einmal die Liste all der besten Leute eures Glaubens an, die du selber aufgestellt hast, und sage mir, ob es wirklich wahr ist, daß sie alle so eines Sinnes waren, daß sie einmütig Alexandrien ohne Ausnahme verlassen haben? Und wo stecken sie denn nun wohl alle?«

»Ich habe sie nicht gesehen, ich weiß nur dies, daß ihre Häuser leer sind.«

»Dann geh jetzt und gib mir auf die anderen besser acht, auf jene nämlich, die zurückgeblieben sind, du verantwortest mir für sie. Morgen werde ich eine Abteilung meiner Geißelträger zu deinem Hause schicken lassen, unter deren Bedeckung ihr zum Berge Ader wandern werdet. Du kannst gehen!«

Der Bischof verneigte sich und ging. Nephora eilte ihm nach und hielt ihn in einiger Entfernung von den andern an, und sagte:

»Alter Mann! Ich will dich darauf aufmerksam machen, daß du dich irrst.«

»Worin?«

»Du hast nicht alle zuverlässigen und der Beachtung werten Leute deines Glaubens aufgezählt!«

Der Bischof dachte angestrengt nach, um darauf zu kommen, aber schließlich entgegnete er ihr:

»Ich versichere dir, daß ich niemand absichtlich verhehle, andere Christen aber, als die, die ich bereits genannt, kenne ich nicht.«

»Nein, nein, ich sehe, daß du einen vor uns verbirgst!«

»Sage mir seinen Namen!«

»Er heißt Zenon.«

»Zenon!«

»Freilich! … Er ist ein berühmter Künstler … Ein jeder in Alexandrien kennt ihn, und es ist geradezu unmöglich, ihn nicht zu kennen.«

»Ach, du meinst den einäugigen Zenon, den Goldschmied?«

»Du machst, als wäre er dir nicht gleich in den Kopf gekommen?«

»So ist es, denn ich kenne ihn ja kaum.«

»Wie ist das möglich! Du kennst Zenon kaum, obwohl ihn ganz Alexandrien kennt?«

»Das heidnische Alexandrien!«

»Und wieso denn nur einzig das ›heidnische‹?«

»Er macht allerlei Bildhauerarbeiten.«

»Ist das so schlimm?«

»Es ist eines Christen nicht würdig, sich mit derlei zu befassen.«

»Warum denn? Ist für den Christen die Kunst etwas Erniedrigendes?«

»So hat es Vater Agapet gelehrt.«

»Wie dem aber auch sei, Zenon ist dennoch euer Glaubensgenosse?«

»Nein, wir zählen ihn nicht zu den unseren.«

»Wieso das? Glaubt er etwa nicht an die Lehre des Gekreuzigten?«

»Du, Herrin, vermagst nicht hierüber zu urteilen.«

»Aber ich kann darüber urteilen, was ich selber gesehen, und ich sah wahrlich einen großen Beweis dafür, daß Zenon ein Christ ist. Laß Zenon schleunigst holen, eile selber zu ihm und rufe ihn zu dir.«

»Er wird nicht kommen.«

»Er wird kommen, und wenn es überhaupt möglich ist, den Berg zu versetzen, dann ist Zenon gewiß der einzige, dem das gelingen könnte. Erwarte mich, damit ich dich überzeuge: ich werde selber zu dir kommen und dir noch viel mehr erzählen.«

Der Bischof ging, allein er schickte niemand nach Zenon; die vornehmen Gäste gaben sich ihrem Gelage weiter hin, bis am dunklen Himmel die Sterne blasser flimmerten und der vom Mond versilberte Winkel dunkel wurde und im halben Schatten der Wand und ihrer Karniese verschwand. Zwar tranken die Gäste den Falerner und den Wein aus Chios mit Wasser vermengt, jedoch auch dieses Getränk machte ihre Köpfe und Gefühle nach und nach immer schwerer. Dunasius kam es einmal so vor, als wäre der Mond verschwunden. Er erzählte es den anderen, doch die lachten ihn aus. Auch dem Statthalter war es, als wäre auf seinen kahlen vom Wein erhitzten Schädel ein kalter Tropfen gefallen, er schaute zum Himmel auf, allein er wagte es nicht, irgend etwas hierüber verlautbaren zu lassen, um nicht lächerlich zu erscheinen.

 

Zwanzigstes Kapitel

Der Morgen des folgenden Tages, auf den der Tag folgen sollte, an dem die Christen den Berg versetzen sollten und das Militär einzugreifen hatte, das die Einwohner zur Ruhe bringen sollte, dieser Morgen war trübe, was um jene Jahreszeit in Ägypten etwas Seltenes ist. Wind wehte und am Himmel zeigten sich Spuren von Federwölkchen. Den Menschen, die nach Ader zogen, war das willkommen, denn es erleichterte ihnen den Weg und machte ihnen das Wandern angenehm.

Von der Stadt bis zum Berg Ader war es auf der Straße nach Kanope nicht mehr als ein Tagesmarsch. Diesen Weg legte man unschwer als Spaziergang zurück. In der ungeheuren Menge rein ägyptischen Volkes wimmelte es von fremden Reisenden und berittenen Fremdstämmigen. Eine fast unendliche Menschenkette zog sich des Weges hin; die einen ritten auf Eseln, die anderen auf Kamelen, jene benutzten Wagen, von Maultieren gezogen, die meisten aber machten den Weg zu Fuß. Alte Leute waren darunter, hauptsächlich jedoch bestand die Schar aus erwachsenen Männern und Frauen. Die letzteren hatten ihre nackten Kinder bei sich. Händler trugen oder fuhren auf Handkarren die schweren Körbe mit Fischen, mit gewürztem, gebackenem Fleisch, aromatischen Pfeffernüssen und allerhand Gemüsen, die hauptsächlich aus den riesenhaftesten Gurken, die fast einen Fuß lang sein konnten, bestanden und aus ungeheuren Melonen, von denen manche einen halben Zentner schwer war. Die Früchte ruhten in Nesselblättern, die manchmal zwei Männerhände groß waren. Andere Händler wiederum trugen große glasierte Tongefäße von Manneshöhe auf dem Kopf. Die schmalen Hälse dieser Gefäße waren von frischen Nesselblättern verstopft und manchmal auch mit einer Blase zugebunden. Syrischer Wein war in diesen Gefäßen, und war er auch nur einfach, er mundete doch dem gewöhnlichen Mann nicht schlechter, als den Angehörigen der höheren Schichten der Wein aus Chios, oder jener vom Fuß des Vesuv. Die Bäcker schoben ihre langen Handkarren mit frischgebackenen Broten vor sich her, manche hatten daneben auch gleich den Feuerbock und Kessel mitgenommen, sowie Säcke mit Reis und Knoblauch, um an Ort und Stelle eine Suppe zu kochen. Alle wollten trinken und sich amüsieren und eilten schneller hin, um einen möglichst günstigen Platz zu erwischen. Manche führten auch leichte transportable Zelte mit sich. Die reichen Leute hatten sich durch ihre bereits vorgeschickte Dienerschaft am Fuße des Ader Zelte aufschlagen lassen, die meisten anderen führten ihre leichten Zelte auf Eseln mit sich. Jene Gruppen stachen besonders hervor, die aus halbnackten Seiltänzern bestanden und aus Gauklern, die schon während des Marsches lebendige Schlangen schluckten und sozusagen im Fluge ihre mehr oder weniger passenden Vorstellungen gaben, am meisten jedoch fesselten die geschmückten Blumenmädchen die Aufmerksamkeit aller, ihre Schar war beständig von der munteren Jugend umkreist, denn für diese waren die Reize und die Heiterkeit dieser gar nicht strengen und bezaubernden Schönen einfach unwiderstehlich. Selbst die allervornehmsten Jünglinge fühlten sich hier, nachdem sie die Stadt verlassen, wo sie die tausend Anstandsregeln beengten, in voller Freiheit und ließen sich durch nichts mehr beengen, sondern gaben sich im Gegenteil den allerungezügeltesten Zerstreuungen hin, die ihr Alter oder ihr Temperament ihnen zumutete. Die Blumenmädchen waren junge Frauen des ägyptischen Schlages, waren ihre Stirnen auch flach, so waren sie selber doch dafür so lebendig und lustig, zuweilen wohl sogar auch geistreich, und zudem waren sie nicht selten schön und schlank, ihre Formen waren angenehm gerundet und ihr Körper erstaunlich elastisch. Als Priesterinnen des gleichen wollüstigen Kultes trugen sie alle die gleichen halbdurchsichtigen weißen Gewänder mit hellen geblümten Säumen. Diese Gewänder wurden von einem Bande gehalten, das über die linke Schulter ging, ihre Arme und die rechte Brust waren entblößt. Überdies schimmerte der ganze Körper durch das leichte und durchsichtige Gewebe und entzündete die Blicke der jungen Leute, die auf ihren mit Federn verzierten pannonischen Pferden sie beständig umkreisten. Wenn diese glänzenden jungen Männer sich ihnen näherten, lächelten die Blumenmädchen ihnen zu und schlugen ihnen vor, die Kränze und Sträuße aus Apfelsinenblüten und Veilchen zu kaufen und warfen gleichzeitig vor ihnen den Quittenapfel, der das Symbol ihrer Liebe ist, in die Höhe. Die jungen Leute klatschten vor Entzücken in die Hände und kauften die Blumen und gaben sich alle Mühe, den ihnen zugeworfenen Quittenapfel aufzufangen und ihn zu zerbrechen. Die Blumenmädchen hatten keine Eile, vorwärtszukommen. Sie machten halt, wenn sie dazu Lust hatten und schlugen so schnell und gut es ging, ihre kleinen und leichten Seidenzelte auf, von denen ein jedes nur Platz für zwei Menschen bot. Und sie verweilten in diesen Zelten genau so lange Zeit, als dazu nötig war, den Quittenapfel zu zweit zu verspeisen.

War das geschehen, dann wurde das kleine Zelt wieder zusammengerollt und auf den Rücken des Esels gepackt, der Jüngling ritt auf seinem pannonischen Pferdchen mit der gestutzten Mähne seines Weges, das Blumenmädchen aber kehrte zu ihrem Rudel zurück, wo ihre Gefährtinnen sie mit Händeklatschen empfingen und ihr neue Blumen gaben und einen neuen ganzen Quittenapfel.

So zogen unzählige Scharen aller möglichen Bewohner Alexandriens lustig zum Fuß des Ader und hatten nur den einen Wunsch, die kanopische Nilmündung noch am Vorabend zu erreichen, war es doch der Vorabend des Tages, auf den die letzte Nacht des Wassers kommen sollte. Es waren ja Menschen, deren Absicht dahin ging, noch rechtzeitig hinzukommen, die Zelte aufschlagen zu können und den langen Abend in der reinen Luft am Flußufer mit Speise und Trank zu verbringen, um späterhin in Muße all das genießen zu können, was ihnen die Freiheit und die Hülle der dunklen Nacht verhieß.

Die vornehmen Leute, denen ihre Stellung verbot, sich an diesem ausgelassenen Vorabend mit der Menge zu vermischen, waren gezwungen, erst abends aufzubrechen, um zur Stunde des Morgenrots einzutreffen, und dann geradewegs ihre Plätze in dem riesigen Amphitheater einzunehmen, das aus Brettern und Holzpfählen errichtet und mit allerlei bunten Geweben und Teppichen ausstaffiert worden war. Die Christen dagegen sollten unter der Bedeckung von Kriegern und Geißelträgern erst um Mittag ihren Auszug nehmen, damit sie noch vor dem Statthalter und den vornehmen Personen zum Berg Ader kämen, und nicht etwa die Möglichkeit irgendeines Betruges dazwischen käme, andererseits aber sollten sie keinen Grund haben, sich zu beklagen, man hätte ihnen zu wenig Zeit zu ihrem Gebet gelassen.

 

Einundzwanzigstes Kapitel

Nephora kehrte vom Feste des Statthalters, im Verlaufe dessen sie den Bischof gesehen und gesprochen hatte, nach Hause zurück, und warf sich aufs Bett, allein sie konnte trotz der späten Nachtstunde nicht einschlafen: die Mitteilung, daß der Künstler Zenon, der sie verschmäht hatte, sich nicht in der Schar der Christen befinden würde, die den Berg versetzen sollten und sich aller Wahrscheinlichkeit nach den allgemeinen Spott zuziehen würden, machte Nephora betroffen und verscheuchte ihre Ruhe. Also war alles, was sie geplant, alles, was sie angestiftet, um sich an Zenon zu rächen, unnütz gewesen; Zenon würde nichts von allem merken und nur unbeteiligte, andere Menschen, die Nephora nicht das geringste zuleide getan hatten, mußten dadurch Verdruß haben und sogar zugrunde gehen, Zenon aber, der Künstler Zenon, würde ruhig weiter leben, wie er bisher gelebt! … Paeoch und Bubasta erreichten, was sie gewollt, Nephora aber würde nichts erreichen, – betrogen war sie und zwar durch ihre eigene Schuld, ihre eigene Fahrlässigkeit. Verwünscht! Hatte sie das erwarten können? Und was waren denn das für Unterschiede bei den Christen, die niemand verstehen konnte? … Eine christliche Sklavin, Nephoras Amme, hatte ihr, als sie noch ein Kind war, viel von ihrem Gott erzählt, der in Jerusalem gekreuzigt worden war. Nephora hatte gerne den Geschichten zugehört, wie er allen seine Liebe geschenkt, und wie er allen aufgegeben, keiner solle mehr dem andern etwas Böses tun. Und hatte Nephora etwa nicht mit der Sklavin zusammen geweint, wenn diese ihr davon sprach, wie man ihn gehetzt hatte, und wie oft man ihn töten wollte und zum Schluß auch getötet hatte? Er war rein und gut, und sein Wille war, daß alle einander lieben und die Kränkungen vergeben sollten. Und so war ihr nach und nach die Überzeugung aufgestiegen, daß hier der Kernpunkt des Ganzen liege. Sie mußte annehmen, daß auch Zenon nach dieser Lehre lebe: was jener geboten hatte, das führte er gehorsam aus. Allein was der Bischof ihr gesagt hatte, war ihr neu und unverständlich. Das sah ja wie eine ganz neue Sache aus und verdarb jedenfalls Nephoras Plan gründlich. Sie fühlte, wie ihr Zenon entglitt … Morgen war der letzte Tag. Morgen abend fuhr alles zum Berg Ader. Nephora hatte ihrem Haushofmeister bereits den Auftrag gegeben, den Wagen bereitzustellen, und schon hatten ihre Sklavinnen auf breiten Teppichen ein prunkvolles Gewand ausgebreitet, das sie schmücken sollte, wenn sie auf einem der vordersten Plätze des Amphitheaters saß. Nephoras Absicht war nämlich, alle zu überlisten: Paeoch genau so, wie Dunasius und Bubasta und den Statthalter selber. Da sie fest davon überzeugt war, daß der Berg sich nicht vom Fleck rühren würde, mußte sie ebenso davon überzeugt sein, daß der wütende und verzweifelte Pöbel sich, sobald die Christenlehre diese Beschämung erlitten, augenblicks auf die Christen stürzen würde, um sie in den Nil zu werfen. Paeoch und Bubasta sollten das Zeichen dazu geben, allein zu der gleichen Zeit, da die anderen ihren Untergang finden würden, sollte Zenon gerettet werden, denn Nephora hatte ihm in der Person des Anführers der Geißelträger einen geheimen Beschützer und Verteidiger erkauft. Er sollte weit fortgebracht werden und zwar auf ihr Gut, das hinter Pelusa lag, und dort wollte sie ihn nach einigen Tagen aufsuchen. Sie liebte ihn doch, sie wollte ja nichts, als seinen Glauben erniedrigen, dessentwegen er sie gekränkt hatte, indem er sie verschmähte. Niemand würde Zenon bei ihr finden, sie wollte ihn vor allen versteckt halten; ihr Eigentum würde er sein, ihr Sklave … und gleichzeitig ihr Geliebter … Oder aber sie würde ihn peinigen, quälen, foltern und … Sie wußte selber noch nicht, womit das alles enden würde, aber es sollte ihrem Leben einen Inhalt geben und Wert … Nun aber mußte nach den Worten, die der Bischof ihr gesagt, alles unverhofft und plötzlich anders gehen. Die vielen Leute werden ersaufen, ohne daß Nephora das Ziel erreicht hätte, Zenon aber wird ruhig mit seinem besonderen Glauben weiterleben, von dem der Bischof beteuerte, daß er durchaus etwas anderes als der wirkliche und echte Glauben der Christen sei. Der Fehler ist nicht wieder gutzumachen, – es fehlt an Zeit dazu … Natur und Menschen sind längst zur Ruhe gegangen, und auch Nephora muß jetzt schlafen, schlafen, damit morgen ihr Körper frisch und kräftig sei, und ihr Antlitz klar … Sie muß ihren ärgerlichen Fehler vor allen verbergen … und sie wird jetzt schlafen. Sie legte den Arm um ihre Lieblingskatze, schloß die Augen und dachte einfach an nichts mehr. Über Nephora kam eine Minute der Untätigkeit und der Leere, aber nur ein Augenblick, und gleich wieder war etwas da, das ihr nicht Ruhe ließ: ihr war heiß, die Katze wärmte ihre Brust zu sehr. Nephora schob die Katze mit der Hand weg und aus dem dicken Fell des Tierchens blitzten zwei kleine rote Funken, um sogleich wieder still zu erlöschen. Die junge Frau bettete die Katze zu ihren Füßen und wieder blitzten die Funken. Nephora wendete sich mit dem Gesicht zur Wand und gab sich aufs neue Mühe, einzuschlafen, aber an der Wand unter dem Teppich bewegte sich etwas. Die Schwüle nahm zu; von irgendwoher scholl das unangenehme Blöken eines Kamel-Füllens und als Antwort kamen die knarrenden Schreie eines alten Kamels. Bald dieses bald jenes hinderte Nephora daran, einzuschlafen. Kaum waren die Kamele still geworden, da schrillte die widerliche Stimme eines Pfaus. Nephora streckte den Arm aus, ergriff eine Seidenschnur und zog die Vorhänge zurück; Silberglöckchen, die an den Fransen angebracht waren, klingelten melodisch und ein breites Fenster mit steinernem Rahmen wurde sichtbar. Der Himmel lichtete sich bereits. Die Morgenluft gab Nephora neue Frische und flößte ihr den kühnen Gedanken ein, es noch einmal zu versuchen, Zenon in die kommenden Vorgänge hineinzuverwickeln. Sie rief nach ihrer Dienerin, zog sich hastig an, und befahl, ein gesatteltes Maultier so schnell als möglich vor die Freitreppe ihres Hauses zu schaffen.

 

Zweiundzwanzigstes Kapitel

Als Nephora herauskam und sich in den Sattel schwang, war der Himmel noch grau, und alles in der Runde still, nur einige tonfarbene Tauben hoben sich von ihrem bunten Taubenschlag und gurrten traurig, als wäre da etwas, das sie unzufrieden machte.

Nephora verschleierte sich dicht und befahl ihrem Führer, das Maultier zum See Mareotis zu geleiten, an dessen Ufern in einer Gegend, die ihr bekannt war, der Bischof der Christen lebte.

An einer Straßenkreuzung flatterte etwas an Nephora vorüber und gleichzeitig sah ihr Führer mit einem bedeutsamen Blick zu ihr auf.

»Was war das?« fragte Nephora.

»Eine Nilschwalbe.«

»Und was soll's?«

»Sie fliegen sehr schnell … und halten sich dabei dicht an der Erde …«

»Hat das etwas zu bedeuten?«

»Sie tun das nur, wenn … Aber verzeih, Herrin, ich höre dort viel Volk sich bewegen … Laß uns hier einen Augenblick verweilen … Das Volk hat in dieser Nacht ein schwarzes Böckchen auf Pharos vor der Höhle Paeochs geopfert und gibt jetzt dem Alten das Geleite … Schau nur, dort sieht man sie schon, dort biegt ein weißes Kamel, das einen prachtvollen Teppich trägt, um die Ecke, der dunkle Alte, der auf ihm reitet – ist Paeoch. Und schau doch nur, wie heilig er ist, wie dürr und abgezehrt sein Körper. Und beachte nur: seine wenigen Fetzen werden über den Hüften nur von Schilf und Riedgras zusammengehalten, aber auch dieser zerbrechliche Gürtel ist fest genug für ihn. Es ist schon viele Jahre her, daß Paeoch zum letzten Male seine Höhle auf Pharos verließ, und jetzt begibt er sich gewiß zur Mündung von Kanope, wohin ganz Alexandrien strömt, um zuzuschauen, wie jene abergläubischen Menschen, die an einen gekreuzigten Gott glauben, den Berg Ader versetzen wollen. Das Volk verbrachte die Nacht vor Paeochs Höhle und zieht in hellen Scharen mit ihm: es könnte sein, daß jemand aus der Schar dich beleidigen wollte, wenn du mir nicht den Auftrag gibst, hier zu halten und jene vorüberzulassen, auf daß wir nicht den Weg des heiligen Mannes kreuzen.«

»Halt denn an und laß sie vorbei.«

Und Nephora sah, wie der dunkelgesichtige, hagere und breitstirnige Memphit auf seinem weißen Kamel an ihr vorüberzog, umgeben von den ungezählten Scharen des ehrfurchtsvollen Pöbels. Hier waren keine Menschen, die etwa wie jene, die der früher aufgebrochenen Schar angehörten, irgendwelche leichtfertigen Vergnügungen suchten. In dieser rauhen Schar gab es keine zudringlichen Fischverkäufer, hier gab es keine lustigen Seiltänzer, keine Gaukler, keine niedlichen Blumenmädchen, mit ihren leichten Zelten auf den kleinen Eseln. Paeoch wurde von einer fanatischen Schar düsterblickender halbnackter Männer und Frauen geleitet, die unablässig ihre Säuglinge hoch in die Luft hoben, damit diese Paeoch sehen könnten. Viele dachten nämlich, daß ihre Kinder hierdurch ihre Augenübel verlieren würden, und daß auch die durch das viele Schreien gebrochenen Stimmbänder dadurch wieder geheilt werden könnten.

Nephora sah den abgezehrten dunklen Körper des alten Memphiten und den furchtbaren Blick seiner Augen mit den kranken Augenlidern und den blitzenden Augäpfeln.

Auch in dieser Schar gab es freilich viele Hunde und Katzen, hinter allen aber ritt auf einem alten Kamel das Weib Bubasta; vor ihrem Sattel lag ein lebendiger schwarzer Hammel mit vergoldeten Hörnern, zwischen denen bereits das blitzende Opfermesser angebracht war.

Dieses Tier war dazu ausersehen, als Dankopfer zu dienen, nachdem an der Mündung von Kanope das Werk der Rache vollzogen worden war.

Das Weib Bubasta erkannte Nephora, sie wies auf das Opfermesser und rief ihr zu:

»Jetzt ist die Stunde nah, da du deine Rache stillen kannst, von Bubastas Rache aber wird man schon bald in den Steinbrüchen was vernehmen.«

Und ein jeder, der das Weib Bubasta anblickte, hätte der gerechten Bemerkung des ägyptischen Pharaos Amasis zugestimmt: »Die Frauen in Ägypten sind rachsüchtig und dreist; es ist leichter, mit einer erzürnten Löwin zu tun zu haben, als mit einer beleidigten Ägypterin.«

 

Dreiundzwanzigstes Kapitel

Nephora ließ den Zug vorüber und kam danach zum Wohnsitz des Bischofs, der von Kriegern bewacht wurde; diese Krieger hatten vom Statthalter den Befehl erhalten, nur solche eintreten zu lassen, die sich selber als Christen bezeichneten, oder aber wiederum jene, die von den Polizisten und Geißelträgern herbeigeschafft wurden, denn diese fahndeten überall nach Christen, damit deren Schar am Fuße des Berges Ader nicht etwa zu klein oder zu unscheinbar erschiene. Die Büttel erfüllten getreulich ihre Pflicht. Obwohl niemand da war, der etwa gutwillig gekommen wäre und sich als Christ bezeichnet hätte, war der bischöfliche Hof dennoch voll von gewaltsam zusammengetriebenen Personen beiderlei Geschlechtes, die schrecklich schalten und weinten und dem Bischof zürnten. Dieser saß still auf einem Fleck, den Kopf tief zu Boden gebeugt, und antwortete nicht nur auf keine Beleidigung, sondern es schien sogar, als bemerke er sie gar nicht, als bemerke er nichts von alledem, was rings um ihn vorging. Sein Gesicht war verschattet und bekümmert. Genau so wie Nephora hatte er in der vergangenen Nacht nicht einen Augenblick Schlaf gefunden, nach all der heftigen Erregung war jetzt eine gewisse Abgestumpftheit über ihn gekommen. In einer sehr ähnlichen Verfassung befanden sich auch die in seiner Nähe weilenden Presbyter und Diakonen, welch letztere unablässig auf und ab zu gehen hatten, um den Menschen draußen genügend Nahrung zukommen zu lassen.

Um zum Bischof durchzudringen, gab es für Nephora nur ein Mittel, und zwar sich selber als Christin zu bezeichnen, was sie auch tat; sogleich ließen die Krieger, die das Hoftor bewachten, sie herein, ihr Maultier freilich und ihren Begleiter mußte sie draußen unter einem Baume zurücklassen.

Als Nephora sich durch die Menschenmenge, die in dieser ungewissen und aufgereizten Lage den Hof erfüllte, hindurchdrängte, sah sie viele weinende Frauen und jammernde Kinder, und ihr Herz wurde weich; als sie aber dann nicht ohne Kraftanstrengung bis in die Gemächer des Bischofs gedrungen war und dessen versteinerten Gleichmut sah, mußte sie sich höchlich darüber wundern. Trotzdem er Nephora erblickte, war keine bemerkbare Bewegung an ihm wahrzunehmen, er heftete sogleich seine Augen auf einen anderen Gegenstand und rieb nur seine greisenhaften Hände.

»Ich kam in einer wichtigen Angelegenheit zu dir,« sagte Nephora ein wenig zu hastig, indem sie sich nach allen Seiten umblickte.

Der Bischof schwieg.

»Ich hätte gern mit dir Auge in Auge gesprochen.«

»Bist du eine Christin?«

»Ja, ich bin eine Christin.«

»Aber … wie ist mir … sah ich dich nicht gestern auf dem Festmahl, das der Statthalter gab … Warst du nicht dort als sein Gast?«

»Ja, du sahst mich allerdings. Ich war dort … ich wollte alles erkunden, was sie zu tun gedächten.«

»Und was wünschest du?«

»Mir bangt davor, was mit euch geschehen wird, wenn ihr den Berg nicht versetzen werdet.«

Die Presbyter, die den Bischof umgaben, stießen, als sie diese mitleidigen Worte vernahmen, einander leise an und flüsterten:

»Man sollte sie anhören.«

»Sprich vor ihnen, sie alle wollen dich hören!« entgegnete der Bischof.

Als Nephora bemerkte, daß es ohne die Anwesenden nicht gehen wollte, gab sie sich keine Mühe mehr, irgend etwas zu verheimlichen, sondern sprach mit aller Offenheit:

»Ich wundere mich darüber, daß ich in eurer Mitte einen Menschen nicht sehe, der einzig euch in diesem Augenblick von größtem Nutzen sein könnte.«

»Und wer ist es denn? Er ist gewiß keiner der Unsern, oder hat er vielleicht seinen Glauben abgeschworen?«

»O nein, er ist der christlichen Lehre ergeben, und keiner von denen, die etwas abschwören.«

»Dann nenne schneller seinen Namen.«

»Der Künstler Zenon.«

Kaum hatte Nephora den Namen ausgesprochen, da fielen alle hastig ein:

»Wie! der berühmte Zenon der Goldschmied!«

»Zenon, der Freund der vornehmen Leute?«

»Der erste Meister in Ägypten? Zenon, in dem der Geist Theodors lebt, der der Bildhauer des Pharaos Amasis war?«

»Zenon der Einäugige mit der Binde über dem linken Auge, das er aus unbekannten Gründen verloren hat?«

»Ja, ja, ja; er ist es, der gleiche Zenon, Zenon, der Goldschmied, den alle vornehmen Leute kennen und schätzen, in welchem die Kunst des Bildhauers des Pharao Amasis wieder auferstanden ist; Zenon mit der blauen Binde über dem linken Auge, das er plötzlich und aus unbekanntem Grunde verloren hat. Er verhehlt ihn, diesen Grund …«

»Ja, gewiß, darüber hat er noch zu niemand gesprochen.«

»Das ist es eben! Und er muß ihn verhehlen … Ich aber kenne den Grund!« sagte Nephora.

»Sie kennt den Grund, den Zenon allen verhehlt! Wir wollen sie anhören!«

»Wie interessant!«

»Aber was hat das mit unserer jetzigen Lage und mit unserer Sache zu tun?«

»Freilich hat eben dieses mit eurer jetzigen Sache zu tun. Zenon ist nämlich der Mensch, den ihr jetzt braucht … Zenon ist es, der euch retten kann!«

»Was sagt sie da? Was sagt die Dame?« schrien die Menschen auf dem Hofe, die sich in der Nähe der Terrasse, auf der Nephora mit dem Bischof und den Presbytern sprach, drängten, und mehrere eilten bereits die Stufen hinauf.

»Drängt euch nicht hierher, sonst werdet ihr uns alle, die wir hier sind, von unseren Plätzen verdrängen!« rief einer der Presbyter: »Bleibt ruhig stehen und ich will euch erzählen, worum es sich handelt. Diese Dame ist eine Christin, sie kam aus freien Stücken zu uns und sagt, daß sie einen Menschen kenne, der es erzielen könnte, daß der Berg sich von seinem Platz bewege und ins Wasser rücke …«

Allein kaum hatte der Presbyter diese Worte ausgesprochen, da schwoll der Lärm der Stimmen unten gewaltig an, und alle Leute warfen sich auf die Terrasse und schrien:

»Sie soll zu allen sprechen! … Wir wollen nicht zu Grunde gehen, wir wollen hören, was sie zu sagen hat!«

Im Nu war die Terrasse voll von Menschen, die Presbyter wurden einfach von ihren Plätzen weggemäht, der Bischof aber, der seinen Sessel mit der hohen Rückenlehne verlassen hatte, machte schleunigst, daß er in seine inneren Gemächer kam. Nephora sprang augenblicks auf seinen leergewordenen Stuhl und hielt sich mit der einen Hand an die obere Verzierung des Stuhles, die andere aber stieß sie nach oben und sagte sehr laut:

»Schweigt jetzt alle!«

Der Lärm des Volkes ließ nach, und endlich schwiegen alle.

»Bin ich schön?« fragte Nephora.

Niemand antwortete ihr.

»Ich bin nicht hergekommen, um euch zu betören, sondern ich will euch von eurer Angelegenheit sprechen.«

»Du bist sehr schön!«

»Betören könntest du, wenn du nur wolltest!« ertönten jetzt die Stimmen des Volkes.

»Du könntest sogar bewirken, daß man die Furcht angesichts des unausbleiblichen Todes vergäße,« sagte eine Stimme dicht neben dem Sessel, auf dem Nephora stand.

»Und dennoch war das alles kraftlos gegen den, den ich euch jetzt nennen will: Zenon, der Künstler ist es, der meine Schönheit verschmähte und zwar einzig um den Worten eures Gottes zu genügen … Er stieß mich fort, und er stieß, um meine Schönheit, die ich ihm hingeben wollte, nicht zu sehen, sich ein Messer ins Auge. Seht ihr nun den Grund, aus dem euer großer Zenon, der Goldschmied einäugig geworden, erkennt ihr nun, wie stark sein Glauben sein muß! Rufet ihn schneller her, denn wenn es wirklich wahr ist, daß ein Mensch kraft seines Glaubens Berge versetzen kann, dann ist es Zenon, der den Berg versetzen wird.«

»Ja gewiß, wer so überzeugt und gläubig ist, wie Zenon, der freilich kann Berge versetzen! … Aber wo ist er denn, wo denn? Wir rufen nach Zenon!«

Da wendete sich Nephora zu einem der Diakone:

»Schreib schneller eine Nachricht für Zenon und wirf die Rolle von der Mauer her meinem Sklaven zu, der dort jenseits der verschlossenen Pforte unter einem Baume mit einem gesattelten Maultiere hält. Er soll zu Zenon eilen und keine Rücksicht auf das Maultier nehmen, und ihr werdet sehen, daß, ehe noch die Geißelschwinger da sein werden, um euch von Stricken eingezäunt, zum Berg Ader zu treiben, Zenon hier erscheinen wird; euren Herzen wird sein Kommen Trost gewähren, ich aber bleibe inzwischen hier als Pfand für meine Versprechungen.«

Alles geschah so, wie Nephora es bestimmt hatte. Die Erregung der Menge war so groß, daß weder der Bischof noch irgendeiner der Presbyter es für möglich hielt, einzugreifen, Nephora war die unbestrittene Herrin der Lage, alle wollten nur noch sie anschaun und nur auf ihre Worte hören. Der Diakon fand einen Griffel und einen Papyrus und schrieb mit zitternder Hand:

»Zenon! Leute in großer Todesnot rufen nach dir. Komm, und erleichtere oder teile mit ihnen ihr Los.«

Nephoras Sklave sprengte mit dieser Mitteilung zu Zenon, und nun begannen alle zu warten, ob wohl der Künstler wirklich kommen und ob sein Kommen noch rechtzeitig erfolgen würde, bevor die Abteilung der Geißelschwinger da wäre, deren Aufgabe es war, die Christen zum Berge Ader zu treiben?

 

Vierundzwanzigstes Kapitel

Die Stimmung der aufs äußerste erregten Menge änderte sich mit jedem Augenblick und ging von Hoffnung zur tiefsten Verzweiflung über; bald waren die Christen voller Zuversicht, daß Zenon bestimmt kommen würde und daß es ihm, als einem Menschen, der gut mit allen vornehmen Leuten bekannt war, gelingen könnte, die Härte des Statthalters zu verringern; bald wieder meinten sie: »Was sollte Zenon wohl veranlassen, sein ruhiges Leben aufzugeben und freiwillig zum Teilnehmer unseres traurigen Schicksals zu werden?« Der Bischof und die ihm Näherstehenden hielten es ebenfalls für vollkommen ausgeschlossen, um so mehr, als Zenon für sie kein Christ war.

»Er,« meinten sie, »er weiß ja, daß wir nicht mit ihm einverstanden sind. Und was geht ihn das Wunder an, das man von uns fordert. Er wird sich uns auf unserem Weg zur Richtstätte nicht anschließen.«

In solchen Zweifeln und Überlegungen verging eine geraume Zeit, die allgemeine Verstimmung wurde immer stärker, und schließlich, es war eine Stunde vor Mittag, begannen diejenigen, die von der Mauer her in die Stadt schauten, heftig mit den Armen zu winken, und schrien dabei:

»Die Geißelschwinger kommen!« … mehrere fielen dabei vor Schreck zu Boden.

Ein Mann doch, der nicht mit den anderen herabgesprungen war, sah, daß von der anderen Seite her in vollem Galopp ein junger stattlicher Reiter mit unbedecktem, nach griechischer Art gekämmtem Haupte auf einem rotbraunen Roß heransprengte, dieser Reiter trug eine Binde über dem linken Auge.

»Brüder!« rief der Mann, der den Reiter erblickte, »Brüder, wir sind gerettet: Zenon, der Goldschmied kommt.«

Und in der Tat kam Zenon den Geißelschwingern zuvor, er ließ die Zügel seines Pferdes fahren, sprang ab und rief der Wache laut zu:

»Öffnet mir das Tor und laßt mich ein: ich bin ein Christ: ich will mich denen anschließen, die den Leidensweg gehen sollen!«

Die Pforte öffnete sich und die Wache ließ Zenon eintreten.

Im gleichen Augenblick umringte ihn die gesamte Christenschar, und alle beeilten sich, auf ihn einzureden, er aber antwortete keinem, sondern schritt ruhig durch die Menge und sagte immer wieder nur dies eine mit leiser Stimme:

»Fürchtet euch nicht! … Christus ist mit uns … Ehren wir sein Gebot durch Gehorsam … Sterben wir für unseren Lehrer!«

»Sterben wir; wenn es nötig ist, sind wir bereit zu sterben!« scholl es aus dem Volke.

Zenon umarmte und küßte die Leute rechts und links.

Nephora blickte von der Höhe der Terrasse auf Zenon und freute sich an der Ruhe seines Ganges und an den gelassenen Bewegungen seiner Arme, mit denen er die Leute, die wehklagend und jammernd zu ihm drängten, bald umarmte, bald liebkoste.

Es war, als kennte die Seele dieses Menschen keine Furcht, und es schien Nephora, sie sähe keinen Märtyrer vor sich, der bereit war, in Bälde Erniedrigung und Tod auf sich zu nehmen, sondern, als sähe sie einen Schauspieler, so schön und zart war eine jede Bewegung Zenons und gleichzeitig doch so voll Würde und Kraft.

Als Zenon Nephora erblickte, blieb er einen Augenblick lang stehen. Ihre Anwesenheit wunderte ihn, allein er kam sogleich wieder zu sich, hob die Hand zu seinem ausgestochenen Auge, richtete die Binde und setzte unaufhaltsam seinen Weg zu den inneren Gemächern, in denen der Bischof weilte, fort. Dort blieb Zenon einen Augenblick und sprach, als er wieder auf der Terrasse erschien:

»Brüder und Schwestern! Wenn der Geist, der euch beseelt, frisch und stark ist, so soll man uns nicht führen, – selber sollen wir unsern Weg gehen. Ich kenne den Statthalter und werde sogleich zu ihm eilen, und ihn bitten, er möge uns erlauben, allein und ohne die Obhut der Geißelträger zum Berg Ader zu gehen.«

»Warum das?« fragten einige Stimmen.

»Damit alle sehen könnten, daß wir freiwillig gehen und nicht etwa gezwungenermaßen.«

Die Menge schwieg, da trat aus der Schar ein Wollschläger, namens Malatheus, und sagte, indem er Zenon listig ins Antlitz blickte:

»Ich verstehe, was du willst. Ja, geh' denn und bitte für uns. Schwöre, daß wir den Weg allein zurücklegen werden.«

»Zwar weiß ich nicht, wie du mich verstanden hast, aber schwören werde ich nicht. Es ist uns nicht erlaubt, zu schwören, so werde ich denn nur sagen, daß wir den Namen Christi nicht erniedrigen werden.«

Und alle riefen ihm zu:

»Ja, ja! Vortrefflich! Ziehe denn hin, du, unser Bruder Zenon und verpfände unser Wort, daß wir den Namen Christi nicht beflecken werden.«

»Wie aber, wenn du selber nicht mehr zu uns zurückzukehren gedenkst?« fragte darauf Malatheus, der Wollschläger.

Zenon erbleichte nur und entgegnete:

»Ich habe weder Frau noch Kinder, die ich euch als Geiseln zurücklassen könnte, doch ich lüge nicht, ich bin ja ein Christ.«

»Ich bleibe als Geisel hier, daß Zenon zurückkommt!« rief Nephora.

Zenon blickte sich nach ihr um und sagte:

»Ich danke dir dafür. Ich brauche nicht mehr als eine Stunde Zeit. Sollte aber …«

»Wenn du nach einer Stunde nicht zurück sein solltest, so möge man mich hier auf diesem Gerüst zerfleischen,« sprach Nephora weiter.

Zenon streckte ihr seine Hand hin und drückte die ihre herzlich.

Die Wache ließ Zenon mit einem Geißelträger ziehen, der Künstler kehrte lange vor Ablauf einer Stunde allein zurück und trug in seiner Hand einen Papyrus, auf dem den Christen freier Abzug zum Berge Ader ohne jede Wache zugesichert wurde.

Die Geißelschwinger öffneten die Tore, die Christen durften frei herausziehen. An der Spitze schritt der kranke Bischof, er stützte sich auf Zenon und auf eine Frau in einem dunklen Schleier.

Es war Nephora.

Solange der Zug sich noch durch die Stadt bewegte, schlug sie den Schleier nicht zurück, und darum fragten viele, wer sie sei? Die Christen antworteten, es sei eine neubekehrte Christin! Allein sie selber fragten sich, wo und wann diese Frau getauft worden sei? Und welchen Christennamen sie führe? Zenon mußte vieles von ihr wissen, allein auch von Zenon war es nicht bekannt, wo er zum Glauben übergetreten … Im Augenblick freilich schien es nicht ganz angebracht zu sein, danach zu fragen, denn mutiger als alle anderen schritten die beiden an der Spitze der Schar, und auf ihre Schultern lehnte sich der greisenhaft schwache Bischof …

 

Fünfundzwanzigstes Kapitel

Während also die Christen frei ihres Weges zum Berg Ader zogen, begab sich in der gleichen Richtung zur Mündung von Kanope noch vor Abend aus Alexandrien eine dritte Gruppe von Reisenden. Und auch diese stellte wiederum etwas völlig anderes vor als die geräuschvolle Horde der Weber und Wollschläger und der lustigen Zuschauer mit ihren Gauklern, Tänzern und Blumenmädchen, allein sie war auch ganz anders, als das Häuflein der niedergeschlagenen Christen. Die dritte Gruppe zeichnete sich durch Vornehmheit aus: sie bestand aus den namhaften Persönlichkeiten und ihrem Gefolge.

Auf dem Weg nach Kanope zeigten sich zuerst die ägyptischen und die griechischen Soldaten, die einander von Grund aus haßten; hinter ihnen kamen die Kaufleute in ihren gleichförmigen Gewändern mit den bunten Fransen. Den Kaufleuten folgten die ägyptischen Priester in ihren langen und ebenfalls gleichförmigen weißen Gewändern mit kostbaren Schärpen, auch der breite Schmuck, den sie um den Hals trugen, war einförmig, und ebenso die Stirnbinden und die falschen schwarzen Locken, die ihnen auf Hals und Rücken hinunterhingen. Hinter den langgelockten Priestern schritten in der gleichen strengen Ordnung andere Priester, deren Häupter glatt geschoren waren. Und nach diesen kam in einiger Entfernung der älteste Priester, auf dessen Brust das Amulett aus Saphiren schimmerte.

Alle Priester trugen lange silberne Stäbe, deren Knäufe von den weißen Blüten des Lotos geschmückt waren; der Stab des ältesten Priesters war aus Gold und die silberne Lotosblüte war von einem Busch von Straußfedern umgeben. Ihren Gewändern und Perücken entströmte durchdringender Moschusgeruch. Hinter den Priestern gingen die Beamten, und nach diesen die Fackelträger, die Geißelschwinger und die Teppichausbreiter, es folgten die Stabträger, die Weinschenken und die Brotvorschneider, und diesen folgten die von Maultieren gezogenen, einförmig angestrichenen leichten Wägelchen, auf denen grellfarbige Körbe und Fässer ruhten; hinter den Brotvorschneidern schritten in ihren riesigen hohen Mützen die Geburtshelfer und die Augenärzte, und nach diesen kamen die Auskleider und Ankleider, die feierlichen Sänger folgten und die Volkssängerinnen, die freilich bescheidener gekleidet waren, als die Blumenmädchen, obwohl sie um die Taille entblößt waren und kaum mehr als ihre durchsichtigen, kurzen und leichten Röckchen trugen, dann kamen die Mundschenken beiderlei Geschlechtes, in ihren freien und verschiedenartigen Gewändern und ihren viel ungezwungeneren Bewegungen, obwohl auch ihnen eine Atmosphäre von Moschus, die von jedem von ihnen ausging, gemeinsam war. Und erst hinter dieser ungewöhnlich großen Schar von Fußgängern folgte der Statthalter selber auf seinem ausgezeichneten Roß aus Nicäa, dessen Schweif und Mähne gestutzt waren, während es selber sehr künstlich blau angestrichen war.

Der Statthalter war in einen roten, goldgestickten, breiten und sehr langen Mantel gehüllt, sein Sattel, die Zügel und der Zaum seines Rosses waren reich mit Gold verziert und hatten goldene Borten.

Ein Gespann aus schwarzem Holz mit eingelegtem Elfenbein folgte ihm, dessen Deichsel aus Silber war, und aus Silber waren auch die Beschläge der Räder. Vier Rappen zogen den Wagen, Rappen, die sich rühmen konnten, die direkten und reinblütigen Abkömmlinge der Rosse der Pharaonen zu sein. Ihr Geschirr war aus goldglänzender Seide, ihre gestutzten Mähnen bedeckten Netze aus feinstem Goldgespinst, eine Arbeit Zenons. Dieser Wagen war leer, denn er war für Nephora bestimmt gewesen, allein Nephora war vor dem Aufbruch einfach nicht mehr aufzufinden gewesen, ihr plötzliches Verschwinden hatte den Statthalter nicht wenig bestürzt gemacht und diente jetzt als Unterhaltungsstoff für die gesamte vornehme Welt. Hinter Nephoras leerem Wagen folgte eine Menge anderer, unter denen sich auch verschlossene Fuhrwerke befanden, in denen die Frauen saßen, und dann kamen die Musikanten und die Trommler, den Beschluß machten wiederum Geißelträger in ihren hohen Mützen, die gleichmütig mit ihren langen Stäben Hiebe nach rechts und nach links austeilten, überall hin, wo in der Menge, die sich angesammelt hatte, um den Zug der Vornehmen zu bestaunen, ein Streit entstand, oder auch nur ein einigermaßen lebhaftes Gespräch.

 

Sechsundzwanzigstes Kapitel

Die große Stadt machte einen geradezu verödeten Eindruck. Viele Häuser waren ganz geschlossen worden, in anderen waren nur die Kranken zurückgelassen worden und einige Bedienung, die achtzugeben hatte. Alle Lichter wurden früh gelöscht und schon bald darauf brach eine absolute Stille an. Der Mond beleuchtete völlig verödete Straßen, hell strahlte der Sirius im Sternbild des Hundes. Drei Sterndeuter in langen gelben Chitonen traten jetzt auf den runden Platz, der zwischen dem Tor der Sonne und dem Tor des Mondes lag. Zwei davon befanden sich bereits im tiefsten Alter, der dritte war ein wenig jünger. Lange blickten sie zum Himmel auf, an dem der Sirius so hell strahlte und schauten dann ihre Tabellen an, die sie mitgebracht hatten, mit einem Male klatschten sie gleichzeitig in die Hände und streckten die Arme nach vorn, so, als wollten sie etwas von sich abwenden. Das war die Art, wie die Ägypter gewöhnlich beteten. Endlich seufzten die Sterndeuter tief auf und sagten nur ein Wort: »Zu spät« und eilten, die Säume ihrer Gewänder raffend, schnell ihren Häusern zu, deren Türen sie fest hinter sich verschlossen.

In den geräumigen aber leeren Hallen des Statthalters herrschte eine sonderbare und fast unerträglich unheimliche Stimmung. Als der im Palast zurückgelassene Brotvorschneider, ein alter Sklave, der aus Babylon stammte, den Speisesaal betrat, um die von den Gästen nicht verzehrten Speisen fortzuräumen und ebenso die nicht ausgetrunkenen Weine, war ihm, als glitten über die Wände des offenen Gemaches sonderbare Schatten. Oder war es vielleicht der Mond, der heute ganz anders als sonst schien?

»Ja,« sprach er zu sich selber: »Am Himmel stimmt etwas nicht. Ist das vielleicht der Grund, weswegen ich eine gewisse Schwere empfinde und im Munde den bitteren Geschmack des Meerrettichs? Oder ist es vielleicht nur deswegen, weil ich all diese Tage über sehr beschäftigt war und auch heute viel zu früh aufstehen mußte? … Welch widerwärtige Leute doch diese Christen sind! Im übrigen würde es mir nicht schaden, sie jetzt zu vergessen und in aller Ruhe hier für mich zu schmausen: der Wein, zumal der gute, noch gar nicht angebrochene vom Fuße des Vesuv, schmeckt vortrefflich, und es ist wahrhaftig vollkommen überflüssig, ihn nach dieser griechischen Mode mit Wasser zu verdünnen. Ein guter Wein muß in allen Lebenslagen helfen können. Ich will mich auf den Platz meines Gebieters setzen und die guten Weine aus seinem Pokale trinken.«

Er beging nicht den Fehler, nach griechischer Mode den Wein mit Wasser zu verschlechtern, sondern setzte sich gemächlich in den ruhigen Sessel seines Gebieters, rückte die Flaschen mit dem Falerner und den Weinen aus Chios und Cypern näher heran und ging daran, sich von dem bitteren Geschmack in seinem Munde zu befreien. Und da er sich so eifrig dem Vergleichen der Tugenden der verschiedenen Weine hingab, bemerkte er gar nicht, wie schnell bei dieser Beschäftigung die Zeit verstrich und wie sehr gleichzeitig die Unordnung am Himmel zunahm. Immer schwächer wurde das silberne Licht des Mondes und war endlich ganz verschwunden, und zu guter Letzt fiel auf den kahlen Schädel des Brotvorschneiders, der genau so kahl war wie der Scheitel seines Herren, ein kalter Tropfen. Der Brotvorschneider wischte den Tropfen mit der Hand fort und dachte gutgelaunt:

»Oh, Ahriman, Ahriman, warum hast du dich über mich erzürnt? Spuck nicht auf mich, erlaube mir, meine Lage ganz auskosten zu dürfen. Und ich bitte dich, laß doch wieder den Mond an den Himmel … Ich will noch ein Trankopfer zu deinen Ehren vollziehen … So ist's gut! …«

Und in der Tat, der Mond schien wieder. Der Brotvorschneider bemerkte das noch, freilich erhob sich jetzt ein mächtiges Getöse in seinem Schädel, und auch in der Luft stand ein gewaltiges Lärmen. Um sich ein wenig Erleichterung zu verschaffen, trank der Brotvorschneider noch einen großen Pokal voll Wein, was ihm eine solche Beruhigung verschaffte, daß er seinen Kopf auf die Arme legte und nach einem tiefen Gähnen augenblicklich einschlief. Und wie gut schlief er! Er träumte von seiner lustigen Kindheit, von der heißen Sonne im Tale des Euphrat, von Kunaxa und vom Zug der zehntausend Griechen, schöne Jünglinge mit entblößtem Halse und lustigen Augen sah er im Traum und lief mit ihnen und haschte sie, sie aber lachten nur über ihn und liefen vor ihm fort, plötzlich aber sah seine Frau, die Ägypterin, diese Spiele und stürzte sich mit einem wilden Wahnsinn auf sie. Herrschsüchtig und durch nichts zu bändigen war sie, wie eine jede Ägypterin, und vollzog jetzt fürchterliche Dinge mit ihm: er fühlte, wie heftig sie ihn schüttelte, so sehr, daß ihm die Erde unter seinen Füßen zu schwanken schien und ebenso der Tisch, auf dem sein Kopf ruhte, ringsum aber stand ein einziges Brüllen in der Luft, alles war voll Feuer und Wasser, Wasser verschmolz mit dem Feuer und die unnatürliche Vereinigung dieser beiden Elemente schien nunmehr das ganze offene Gemach auszufüllen, der nasse Himmel aber, bald hing er tief herunter, bald schlug er wieder in die Höhe, zerschlug sich und zersplitterte und klatschte wie ein gewaltiger Waschlappen bald an den Schläfer, bald an die Gefäße mit dem Wein und zerschmetterte alles, woran er rührte und warfs in heulende Dunkelheit, die Teller und die Schalen, und läutete zu all diesen Schandtaten auch noch mit all den Glöckchen, die an die Borten der verschiebbaren Vorhänge genäht waren, und krachte mit dem Krachen der zerplatzenden nassen Seide.

Leider war das kein Traum: all das vollzog sich in der Tat so, wenn auch nicht ganz und gar so, wie es der trunkene Kopf des Brotvorschneiders empfand. Ein furchtbares Gewitter und ein entsetzlicher Wolkenbruch, beide von einer Stärke, die man in Europa nicht kennt und die auch in Ägypten zu den seltensten Erscheinungen zählen, entluden sich über Alexandrien. Auf den Flügeln eines alles zerstörenden Sturmes hatte sich eine grauenhafte Wolke herbeigeschwungen, – und nun schwärmten die Blitze nur so nach allen Seiten aus, in den Zwischenzeiten aber war einfach nichts zu sehen. Der Brotvorschneider konnte unmöglich feststellen, ob es schon Morgen, oder ob es noch Nacht war; das Wasser strömte in einem unbeschreiblichen Guß herunter, es war stockfinster und der Wind peitschte die von ihren Gestellen herabgerissenen Decken und Vorhänge durchs Zimmer. Auf den Steinplatten des Fußbodens raste das knietiefe Wasser, und es schwammen darin die Sitzpolster und allerhand andere Hausgegenstände. Unter dem nassen Vorhang war es zum Ersticken. Der Brotvorschneider schrie verzweifelt auf und floh Hals über Kopf, unter dem gedeckten Portale Rettung zu suchen.

Hier versteckte er sich hinter einer Kolonne und wurde mäuschenstill, da die Furcht ihm aufs neue das letzte Fünkchen Verstand geraubt hatte.

Es war also kein Irrtum, daß gestern die betrunkenen Augen des Dunasius den Mond nicht mehr sehen konnten, kein Irrtum, daß dem zechenden Statthalter ein kalter Tropfen auf den kahlen Schädel fiel; es war kein Irrtum, daß nachts die Kamele unruhig schrien und Nephora nicht schlafen ließen; und nicht ohne Grund hatte ihr Führer ihre Aufmerksamkeit auf die niedrig fliegenden Nilschwalben gelenkt. Sie hatten die Annäherung des gewaltigen Ereignisses gespürt, das von den Menschen keiner erwartet hatte und das nur die Sterndeuter mit ihrem »zu spät« festgestellt und sich darauf beeilt hatten, ihre Türen fest abzuschließen.

Nachdem der furchtbare Sturm vorüber und der Wolkenbruch spärlicher schüttete, kam auch unser Brotvorschneider nach und nach wieder zu sich und begab sich auf den Hof, wo er sich, da seine Beine ihn noch nicht recht tragen wollten, an eine Mauer lehnte und in dieser Stellung längere Zeit verharrte, wobei er mit seinen ein wenig getrübten Augen bald nach rechts und bald nach links schaute und die breiten Lippen sonderbar vorschob.

Nichts von alledem, was er sonst sah, was er zu sehen gewohnt war, wenn er am Morgen vors Haus trat, um den Haushof seines berühmten Herren zu überblicken, war diesmal zu sehen: das gewöhnlich so wohlgeordnete Haus war jetzt nichts als ein völliges Chaos. Bänke schwammen auf dem Hof und Türen, Aushilfswagen und allerhand Gerät, aber auch die vom Regen erschlagenen oder im Wasser ertrunkenen Hühner und Pfauen, und plötzlich sah der Brotvorschneider in der Zahl der verschiedenen hin und wieder schwimmenden toten Vögel eine jener Tauben, die zum Befördern von Briefen benutzt wurden.

Es war wie eine Eingebung, die den Brotvorschneider überkam, denn bei diesem Anblick fühlte er etwas Ungünstiges: er watete sogleich knietief ins Wasser, packte den Vogel und suchte unter seinem Halse die kleine Glimmerröhre, aus dieser zog er den winzigen Papyrus hervor, las seinen Inhalt und schrie laut auf; im Laufschritt eilte er zu dem Häuschen, darin seine Wohnung war.

Hier fand er endlich Unterstützung an seiner Frau, die vor Schreck und Freude, daß ihr Mann noch am Leben, ihm aus aller Kraft auf den Kopf schlug, und ihm augenblicks den kleinen Zettel entriß, den er noch immer in Händen hielt; sie las die kurze aber schicksalvolle Nachricht:

»Schiffe gekentert angesichts Lochias.«

Nun spreizte auch die Frau ihre Lippen, genau so wie ihr Mann, und setzte sich genau so, wie er es jetzt tat, ihm gegenüber auf ein kleines Bänkchen, sie fragten einander im Flüstertone:

»Was soll nun werden?«

Allein endlich kam über den Brotvorschneider eine neue Erleuchtung, er stand auf, legte den Finger an die Stirne und antwortete, nachdem er ein wenig nachgedacht:

»Ich weiß nicht, was werden soll, aber ich habe jetzt erraten, was geschehen ist!«

»Und was denn ist geschehen?« fragte ihn die Frau.

»Geschehen ist nichts, als das, daß die Christen den Berg versetzt haben!«

»Mir will scheinen, daß du noch immer nicht nüchtern bist?«

»So ist es. Du bist mit dieser deiner Vermutung genau so auf der richtigen Fährte, wie ich mich darin nicht täusche, daß sie in der Tat den Berg versetzt haben.«

 

Siebenundzwanzigstes Kapitel

Die Volksmengen, die sich lange vor dem Aufbruch des prunkvollen Hofstaates des Statthalters auf den Weg gemacht hatten, kamen zum Berge zu verschiedenen Zeiten und lagerten mithin an verschiedenen Orten. Die lustige Schar, in deren Mitte die Blumenmädchen weilten, aber auch die Musikanten, die Fischhändler und Gaukler, kam lange nicht als erste am Platze an. Ihr waren alle jene Leute zuvorgekommen, die zu Schiff hieher gefahren waren; die Schiffe dieser Personen ankerten jetzt angesichts des Berges Ader auf dem Flusse. Die reichen Leute, die auf den grell bemalten Booten mit den Krokodilen am Buge und den purpurfarbenen und hellblauen Segeln gekommen waren, hatten es sich bereits im Amphitheater bequem gemacht; die ärmeren dagegen, die zu ihrer Fahrt die dickbäuchigen Barken mit den Segeln aus grauer oder brauner Leinwand benutzt hatten, lagerten auf der Erde. Es war ein gewaltiges Lager des einfachen Volkes, abseits von den mit Teppichen bespannten Bänken und Schutzdächern, die für das erwartete große Publikum errichtet waren. Der Pöbel und die Bummler, die mit dem Haufen der anderen hierhergezogen waren, suchten keinerlei Verbindung mit der vornehmen Welt. Alles, was sie zu ihrer Erheiterung und ihrem Vergnügen brauchten, fanden sie in ihrer eigenen Mitte. Ihre Schar befand sich jetzt im Zustande der größten Belebung: Holzhaufen brannten hier, in Kesseln wurden Fische abgekocht, man trank Wein und tanzte; die Gaukler ließen aus dem gleichen Gefäß Wasser rinnen und Blut. Schwäne entglitten ihren breiten Ärmeln, wenn aber das Volk zu nahe an sie herandrängte und ihre Arena zu sehr einengte, dann warfen sie Kirschenstäbchen auf die Erde, die aus kleinen Teilchen bestanden, welche sehr geschickt auf einer dünnen Schnur aufgereiht waren, und wenn sie dann mit ihrer geübten Hand diese Stäbchen an dem einen Ende ergriffen, gerieten sie in Bewegung und wanden sich wie Schlangen. Lachend und schreiend lief das Volk auseinander. Zwei oder drei Äthiopier, die dem »widerwärtigen Stamm der Kusch« angehörten, hatten hübsche und geschickte Kamele von der Gattung der »Megari« mit sich und ließen sie tanzen. Auf jene, die diese Kunst der Kamele nicht zu würdigen wußten, verstanden die verständigen Tiere mit großer Sicherheit zu spucken, was ebenfalls lebhaftes Gelächter hervorrief. Die Tänze der Megari lockten hauptsächlich Weiber und Kinder herbei. Die Männer jedes Alters stürmten die Zelte der Blumenmädchen. Im breit auseinandergezogenen Lager konnte man die allerverschiedensten Musikinstrumente hören: an einem Orte dröhnten die starken medischen Hörner, dort ertönte die sanfte Flöte aus Phrygien, an einer dritten Stelle klimperten die Zymbeln aus Judäa und gurrten die Harfen, ebenso konnte man weiterhin die Töne der Tamburins aus Paphlagonien unterscheiden, der syrischen Schellen, der Muschelhörner aus Indien und der karischen Trommeln. Inmitten der Städter, die soeben angekommen waren, wanderten Bauern aus den umliegenden Ortschaften: diese trugen ungegürtete lange Hemden und boten in Eimern frisches Wasser feil. Auch die Buchmacher stellten sich ein wie zu den Rennen: still ritten sie auf ihren alten Eseln durch die Menge, sie brachten Geldsäcke mit sich und Tafeln, auf die die Wettenden, die bald für die eine, bald für die andere Seite stimmten, die von ihnen eingesetzten Beträge aufschrieben. Diese Wettveranstalter setzten sich aus Hellenen, Persern und Hebräern zusammen, das, was wirklich geschehen würde, war ihnen vollkommen gleichgültig, denn sie munterten sowohl zu Wetten auf, daß der Berg sich bewegen würde, wie auch zum Gegenteil, daß er auf seinem Fleck verharren würde. Es wurden auch andere Wetten angenommen: zum Beispiel, ob der Statthalter im Falle, daß sich der Berg nicht bewegen wollte, gestatten würde, alle Christen umzubringen, oder ob er befehlen würde, nur einen von ihnen, den Anführer, in den Nil zu schmeißen, die anderen aber verurteilen würde, mit dem Urteil hinter dem Gurt in die Granit-Steinbrüche bei Assuan zu wandern. Die einen wetteten auf das eine und die anderen auf das andere. Die von allen Völkern bewohnte Hafenstadt hatte ihr ganzes buntes Gesindel hergegeben und das ganze Bild, bestrahlt vom Flackern der Feuer, belebt vom Wiehern der Rosse und dem Kreischen der ausgelassenen und ihrer Freiheit frohen Menge, machte wahrhaftig einen berauschenden Eindruck. All das schwoll an und rötete sich immer mehr, wie ein entzündetes Geschwür, das nach irgendeiner Richtung hin aufbrechen muß. Die Nacht flog in wildester Trunkenheit vorüber; viele schliefen bereits voll von Wein an den heruntergebrannten Scheiterhaufen; andere freilich schliefen noch nicht, aber auch sie bemerkten nicht, daß der Mond sich schon einige Male vom Himmel verzogen hatte. Es mußte noch etwas geschehen, um die Augen von allem, was in der Umwelt geschah, völlig abzulenken. Und da geschah folgendes. Aus dem seidenen Zelt eines der Blumenmädchen drangen zerreißende Schreie und gleich darauf hörte man etwas Schweres zwischen den Zelten aufschlagen. Ein Mann hatte mit gewalttätiger Hand einen anderen erschlagen und den toten Körper hinausgeworfen. Ein Schrei ertönte: »Die Griechen morden!« – anderen aber war es, als würde dort »die Griechen werden ermordet!« geschrien. Rufe und Schreie übertönten jählings die Musik und alle anderen Geräusche, Messer blitzten auf, und Menschen stürzten sich aufeinander, die schlaftrunkenen Geißelschwinger bemühten sich vergebens, die Ruhe und die Ordnung wiederherzustellen. Die erbarmungslos niedergemetzelten Leute fielen sowohl unter den Stößen der griechischen Messer, als auch und zwar noch viel häufiger, unter den Schlägen der stumpfen ägyptischen Pfähle. Und all das ging im dichtesten Dunkel vor sich, beim heftigen Lärm des plötzlich heranbrausenden Sturmes; gleichzeitig drang ein furchtbares und ungewöhnliches Getöse vom Fluß, wo die vor kurzem angekommenen Barken mit ihren flachen Böden, ihren Ibisschnäbeln und ihren langen Fischschwänzen, die an Stelle des Steuers dienten, verankert lagen. Der fürchterliche Wind hatte einen hohen Wellengang zur Folge gehabt, und die Schiffe bäumten sich auf, wobei eines an das andere stieß: ihre Ibisschnäbel und Fischschwänze brachen, die hohen Masten aber, an denen die Segel, die man einzuziehen vergessen hatte, hingen, schwankten wild, wie Riesen, die in Kampf geraten sind. Und nun fing es auch an zu blitzen, der Donner knallte, und ein Wolkenbruch stürzte zur Erde, als wäre er ein Ozean, der sich vom Himmel herab ergösse. Vom Berge rasten Ströme herab, die alles auf ihrem Wege zerstörten, und bald standen die gesamten Niederungen rings unter Wasser.

Paeoch und die anderen Fanatiker mieden die allgemeinen Lagerplätze, sie hatten sich in einem Graben gelagert, in dem sie sich bis zu dem Zeitpunkt verborgen halten wollten, an dem der Christen Schmach, die Paeoch so schlau erdacht hatte, offenbar werden mußte – nun aber befanden sie sich in großer Gefahr. Ihr schwarzes Lamm mit dem Opfermesser zwischen den Hörnern hatten die trüben Wellen bereits fortgespült, und auch ihnen drohte der Tod in den Wellen, die wie rasend vom Berge Ader herabstürzten.

Die vornehmen Reisenden hatten, als der Sturm losbrach, den Berg noch nicht erreicht. Der Wolkenbruch überraschte sie auf offenem Felde, die Gewalt des Unwetters zwang sie, dortselbst zu lagern, und sie wurden völlig durchnäßt, ohne zu ahnen, wann die Überschwemmung enden würde.

Die Christen aber hatten noch viel größere Schwierigkeiten.

 

Achtundzwanzigstes Kapitel

Die Schar der Christen schmolz sozusagen auf dem Wege zusammen. Gleich hinter dem Tor, das nach Kanope führte, durch das sie die Stadt verließen, begann die Zahl derjenigen, die dem Bischof folgten, immer kleiner zu werden, immer größer aber wurde die Anzahl derer, die zurückblieben. Die einen fielen zu Boden und jammerten, sie könnten vor Schmerzen in den Beinen oder vor Magenkrämpfen nicht mehr weiter, andere setzten sich einfach hin und begannen zu weinen. Es gab keine Möglichkeit, sie zu veranlassen, weiter zu gehen. Der Wollschläger Malatheus äußerte seine Meinung, daß es zur Abschreckung der anderen besser wäre, die, die sich nur verstellten, zu steinigen, Zenon jedoch trat für sie ein und entgegnete, daß es nicht gut wäre, irgend jemand gegen seinen Willen zu etwas zu zwingen. Er sagte auch, daß es sich hier nicht so sehr um viele Menschen handele, als um die Kraft des Geistes, die in ihnen sei, und führte als Beispiel für seine Behauptung an, daß Gideon alle diejenigen, die aus der hohlen Hand tranken, zurückließ, und nur jene mit sich nahm, die das Wasser auf Hundeart aufschleckten.

Da jedoch kehrte auch Malatheus, der Wollschläger, um und schritt zurück, und mit ihm gingen alle, die noch vor kurzem so bereit gewesen waren, all die, die vor Schrecken schwach geworden und schon vorher zurückblieben, zu steinigen. Unter denen, die mit Malatheus zurückkehrten, befanden sich auch einige Presbyter. Die übrigen Christen, deren Zahl nur mehr gering war, wanderten den ganzen Tag über und erreichten gegen Abend die Mündung von Kanope. Dort nämlich ragt der Berg Ader. Von der einen Seite steigt er als ein hügeliger Höhenzug an, von der anderen Seite aber, die zum Fluß gerichtet ist, hat er einen jähen Kamm, schroffe Vorsprünge, Schluchten und Rinnen. Es ist fast so, als hätte er schon einmal den Versuch gemacht, zum Fluß zu kriechen und unterwegs haltgemacht. Auf der abschüssigen Seite war der Schotter nur mit spärlichem Gewächs bedeckt, dafür jedoch war die zum Fluß gewendete Seite ganz ohne Leben. Hier lag in Massen der Fliesenstein, hier gab es Tonschichten, feine Kiesel und gröbere Steine, und zuweilen konnte man sogar Durchbrüche von Schichten anderer Erdarten wahrnehmen, die bald dunkel waren, bald gelblich-grau, bald wieder ganz ins Weißliche spielend. An einigen Stellen brach aus dem Innern ein Gang zerbröckelten Gesteines, an anderen Stellen standen reihenweise riesige Granitblöcke wie Rippen hervor. Ihre Grundlagen versanken im dunkelroten Ton, ihre Spitzen aber waren von Sand und in Staub zerfallenem Gestein fast verschüttet. Hier hatte ohne Zweifel vor Zeiten eine heftige Umwälzung der Dinge stattgefunden, – alles war irgendwohin gekrochen und zum Schluß stehengeblieben.

Als die Christen angekommen waren, fragte Zenon den Bischof, was er jetzt zu tun gedenke? Der Bischof antwortete ihm:

»Ei! Wie respektvoll du bist, mein Zenon! Du wendest dich an mich, als an deinen Seelenhirten. Wie schade, daß ich dir nicht schon viel früher begegnet bin; jetzt, mein Sohn, bin ich selber nichts, als ein Schäflein, und zudem eines, daß man inmitten des Winters fortgenommen und geschoren hat. Die einen haben mich stehen lassen, die anderen freilich gehen noch mit uns, aber nicht ich bin es, dem sie folgen, sondern du bist es. Ich bebe vor Erschöpfung und Schaudern; Kälte haust in meiner Brust, mein Kopf doch brennt wie der eines Bäckers, der vor seinem Backofen steht. Wozu fragst du mich überhaupt? … Ich bin so schwach, daß ein Kind mich jetzt umwerfen könnte … Denk lieber, daß ich schon gestorben wäre, und tu, was du für richtig hältst, und wenn sich Leute finden sollten, die bereit sind, dich zu hören, nun, dann sollen sie eben auf dich hören, ich aber werde wie ein Toter sein.«

»Denk jetzt nicht an mich, sondern denk nur daran, wie du diesen verzagten Menschen schneller eine Unterweisung geben könntest, ihren Geist zu stärken, auch sollst du ihnen sagen, was zu beginnen ist. Sonst kannst du es erleben, daß auch diese von uns laufen werden.«

Da entgegnete der Bischof:

»Du schreckst mich vergebens mit dem, was ich noch erleben könnte. Ich bin bereits gestorben. Malatheus, der Wollschläger, raunte mir zu, ob ich dich wohl tot sehen möchte; aber so bin ich gar nicht, – ich wünschte das nicht zu sehen, und möchte jetzt nichts lieber als meine Augen schließen, um überhaupt nichts mehr zu sehen. Ich bin schon gestorben: ich will auf die Seite gehen und dort für mich beten.«

Die drei Presbyter, die noch da waren, wollten eigentlich dem Beispiel des Bischofs folgen, da auch sie sich gestorben fühlten und die Absicht hatten, sich zum Gebet zurückzuziehen, allein das Volk umringte sie bestürzt und forderte, daß sie in aller Gegenwart beten sollten und daß sie ferner die anderen lehren sollten, wie man am besten bete, damit der Berg sich unbedingt bewege und fortrutsche, sollte er sich aber nicht bewegen, nun dann würde man gleich die Schuldigen entdecken. Und nun wurden die verschiedenartigsten Meinungen ausgetauscht: während die einen behaupteten, daß es am besten sei, mit in der Luft ausgestreckten Armen wie ein Gekreuzigter dazustehen, versteiften sich die anderen darauf, daß die sicherste Methode die wäre, die Worte des Gebets in getragener Weise zu singen, und daß man dabei auf griechisch-heidnische Art zu stehen hätte, die Arme nach oben gestreckt, gewissermaßen bereit, die erbetene Gnade vom Himmel entgegenzunehmen. Aber auch hier gab es wieder Unstimmigkeiten: einige waren da, denen schien, man müßte die beiden Handflächen nach oben strecken, anderen wieder kam es wahrscheinlicher vor, daß man hierbei nur die eine, die rechte zu erheben hätte, die linke aber, die müßte zur Erde gesenkt werden, und zwar zum Zeichen dessen, daß alles, was der Himmel in die rechte Hand legen wollte, über die linke zur Erde hinabgelange. Und wiederum gab es welche, deren Gedächtnis nachließ, oder aber sie waren schlecht unterwiesen worden, denn diese sagten ein völlig verdrehtes Ding und bestanden darauf, daß man die rechte Hand zur Erde senken müßte, während die linke zum Himmel erhoben werden sollte. Als Zenon gewahrte, daß in einer solchen schicksalsvollen Minute ein unfriedlich und schwerlich ganz aufzulösender Streit über die Menschen kam, eilte er schnell in der Richtung davon, in der sich der Bischof entfernt hatte, denn er wollte ihn bitten, alle diese Mißverständnisse zu schlichten; allein, da die Nacht dunkel war, fand er den in der Finsternis betenden Bischof nicht, als er aber zurückkam, umringten ihn die streitenden und keifenden Leute und schrien ihm in die Ohren:

»Wenn du wirklich heilig bist, so lehre uns, wie wir beten sollen.«

»Wer hat euch gesagt, daß ich heilig bin? Ich bin im Gegenteil sogar sehr sündig.«

»O nein, das glauben wir dir nicht: du hast dir ja dein Auge ausgestochen und auch jetzt bist du der einzige unter uns, der ruhig ist. Du hast keine Furcht vor dem Tode. Sage uns denn, wie wir beten sollen? Wenn es mit Gesang geschehen muß, dann werden wir eben alle singen, wenn aber gesprochen werden soll, dann werden wir alle die Gebete sprechen. Sprich schneller, denn wir dürfen nicht mehr lange warten, uns ist schon sowieso wenig Zeit geblieben, um zu beten.«

Da Zenon keineswegs die Absicht hatte, all die Gegensätze noch zu verschärfen, entgegnete er sanft den neben ihn Stehenden, es sei seine Gewohnheit, in ehrfürchtigem Schweigen zu beten, daß er jedoch auch jene keineswegs tadeln könnte, denen es beliebe, sowohl ihre Augen, als auch die Hände zum Himmel zu erheben, denn vonnöten sei seiner Ansicht nach nur, daß die Hände der Betenden nur rein seien von Eigennutz, und die Seele frei von allem Bösen sich in die Himmel mit dem Gedanken an die Ewigkeit schwänge. Denn dann verschwinde gleichzeitig aus ihr auch die Furcht um den Verlust des kurzfristigen Erdendaseins … und dann würde sich auch der Berg bewegen …

»Das ist es eben, was wir jetzt brauchen: keine Furcht, solange der Berg sich nicht gerührt hat.«

Zenon trennte sich inzwischen still von der Gruppe und schritt, verhüllt vom Dunkel der ägyptischen Nacht, zum Gipfel des Berges.

Nachdem er sich so weit entfernt, bis wohin ein starker Arm zweimal einen leichten Schleuderstein zu werfen fähig, setzte er sich auf die Erde und begann, die Knie mit den Armen umschlingend, eine völlige Ruhe in seiner Seele herzustellen, die in so entscheidenden Augenblicken notwendig ist. Er dachte an Christum, an Petrus, an den heiligen Stephanus, aber auch an seinen Lehrer, er dachte daran, wie diese die letzten Minuten vor dem Sterben verbracht, und ward immer mehr in dem Entschluß bestärkt, morgen in aller Frühe den Gipfel des Berges zu besteigen, allen Mut in seiner Brust zusammenzufassen und angesichts der versammelten Menge unten dort zu stehen und zu erwarten, was kommen würde.

»Mag mich dann ein Pfeil treffen,« dachte Zenon: »vielleicht wird ihnen mein Tod genügen, und sie werden die anderen ziehen lassen, ich aber werde glücklich sein: denn ich werde mein Werk vollbracht haben.«

Von dem Platz, auf dem Zenon saß, war es bis zum Gipfel des Berges, von wo das Lager, das Amphitheater und der Fluß Nil sichtbar waren, nicht weiter als höchstens zwei Steinwürfe.

Von unten her drangen die Töne der Musikinstrumente und der Klappern zu seinem Ohre, doch auch die trunkenen Schreie des Gelages, von der anderen Seite aber, von dort her, wo die Christen geblieben waren, trug der Wind den griechischen Gesang des Gebetes zu ihm her, das die Presbyter angestimmt hatten.

Allein plötzlich fuhr Zenon, der tief in Gedanken versunken saß, zusammen, denn unverhofft hatte eine zärtliche Hand seine Haare berührt.

 

Neunundzwanzigstes Kapitel

Zenon erhob den Kopf und gewahrte Nephora.

»Was willst du wieder von mir?« fragte Zenon.

»Vordem wollte ich deine Liebe, seit der Zeit jedoch, da du mich verschmähtest, sann ich auf nichts, als auf dein Verderben.«

»So mag dir der Himmel deinen bösen Wunsch vergeben: wenn du aber nur auf mein Verderben sinnst, warum muß dann eine solche Menge von Menschen zugrunde gehen und warum nicht allein ich?«

»Ich hasse alle Leute deines Glaubens; ich will, daß ihr alle in dem, was ihr glaubt, gleichzeitig verlacht würdet, und das ist schon erreicht.«

»Es könnte leicht sein, daß du dich täuschtest.«

»Laß die Torheiten! Siehst du denn nicht, daß sogar alle eure besten Leute es bezweifeln? würden sie sonst wohl fortgelaufen sein, und warum suchen die anderen auch jetzt noch nach Mitteln und Wegen, sich zu verbergen? Und du selber, bist du etwa nicht selber auch aus dem gleichen Grunde fortgegangen, dich vor den anderen zu verstecken und dein Leben zu retten? Ich kann dich nur zu gut verstehen, – gewiß leidest du sehr, da du deinen Fehler eingesehen und die Schwäche deiner Glaubensgenossen erkannt hast; ich bin sehr froh darüber, daß ich auf diesen Augenblick habe warten dürfen und daß ich dich jetzt retten kann, folge mir darum, so schnell du kannst. Ich habe alle Vorbereitungen getroffen, um dich vor der Schande und dem Untergang zu erretten.«

»Woher weißt du mit solcher Bestimmtheit, daß Schande und Untergang uns erwarten?«

»Es ist ganz ohne Zweifel!« entgegnete Nephora: »der Berg wird sich nicht von seiner Stelle bewegen und wird nicht in den Nil stürzen, um dessen Wasser steigen zu machen, das erzürnte Volk aber wird euch zur Vergeltung zu Tode steinigen oder aber in den Strom werfen. Folge mir, laß uns fliehen: meine Liebe wird dich verstecken und dein Trost sein!«

Und sie schickte sich mit großer Kraft an, Zenon an der Hand mit fortzuziehen.

»Ich bin nicht einverstanden, zu fliehen!« entgegnete Zenon und entfernte Nephoras Hand sanft.

Sie blieb stehen.

»Was willst du tun?«

»Ich werde meine Pflicht erfüllen, und wenn es nötig ist, sterben.«

Nephora ließ sich nieder und setzte sich neben ihn auf die Erde; sie sagte:

»Dann will auch ich hier mit dir verweilen.«

»Warum das?«

»Weil ich dich liebe, weil das Leben ohne dich für mich unerträglich ist. Wisse denn: in meiner Verzweiflung versprach ich dem Statthalter, seinen Sohn zu heiraten, und bin nicht stark genug, dieses Versprechen zu erfüllen. Mit dir sterben ist mir unendlich mehr wert, als leben mit dem verhaßten Dunasius. Mag man mir meinen Reichtum nehmen, mich selber will ich nicht verschleudern und werde hier mit dir sterben.«

Zenon ergriff ihre Hand und sagte sehr leise:

»Ich müßte dir eigentlich für solche Gefühle danken; da du mich jedoch so sehr liebst, so will ich dich bitten, ein anderes für mich zu tun.«

»Sprich, ich will alles für dich tun!«

Tränen drangen durch Nephoras Stimme.

»Wenn es der Willen des Himmels ist, daß wir nach einer Stunde alle zugrunde gehen sollen, so flehe ich dich an, dich nicht freiwillig mit uns ins Verderben zu begeben, auch sollst du nicht jenen Menschen heiraten, der weder über Verstand verfügt, noch über ein gutes Herz. Tu du ein anderes.«

»Was soll ich denn tun?«

»Viele Waisen werden da sein und auch viele Greise, die man wahrscheinlich gefesselt in die Steinbrüche verschicken wird, – bleibe du am Leben und lebe für sie. Schenk mir dieses Almosen … versprich mir das, o Nephora, und ich werde froh sterben können, da ich meine Liebe zu den leidenden Menschen auf dich verpflanzt habe!«

Beim Worte »Liebe« erbebte Nephora und konnte nur noch flüstern:

»Wiederhole es.«

»Was denn?«

»Wiederhole es noch einmal, dieses Wort. Oh, Zenon! Wenn du wüßtest, wie stark es auf mich wirkt, dieses kleine Wort ›Liebe!‹«

»Ich weiß es, Nephora, ich weiß es. Die Liebe umfängt alles in einem Herzen.«

»Warum hast du mich nicht geliebt, oh, Zenon?«

»Mit jener Liebe wußte ich nichts anzufangen, denn sie zwang mich, den Gehorsam zu verletzen, den ich den Worten meines Meisters schuldig bin, und hätte mich gezwungen, seine Bitte zu vergessen, die sich gegen die Freuden des Fleisches wendet. Jetzt jedoch, da du nicht mehr die bist, die du warst, da du eine andere geworden bist, da du meinen Geist nicht mehr schwächest, sondern ihn stärkest, da du mir versprichst, dich dem Werk der Liebe hinzugeben, – jetzt liebe ich dich, o mitleidige Nephora.«

Mit ihren beiden Händen packte Nephora die Hände Zenons und rief laut aus:

»Du nahmst mir mein Herz … Ich will alles tun, was du nur willst, ich will mit dir gemeinsam nur noch für die Taten der Güte leben … aber ist es nicht besser, wenn wir dennoch von hier fliehen: in der Menge dort unten gibt es Menschen, die uns verstecken werden, wir werden bestimmt entkommen, und ich will deine Sklavin sein.«

»Sklavin? Warum nur, Nephora? Liebst du denn nicht die Menschen ohne Unterschied ihres Stammes und ihres Glaubens? Du bist doch bereit, ihnen zu dienen, du bist jetzt eines Geistes mit mir, du bist meine Schwester, meine Freundin … Willst du, so sei meine Verlobte … Ich bin glücklich, ich fürchte nichts mehr und werde sterben und dich dafür segnen, daß du mit deiner wunderbaren Leidenschaft mich so erhoben hast, fliehen aber, fliehen will ich nicht, ich will mich nicht vor denen, die unglücklich sind, verbergen … und … ich will nicht, daß Er auch nur durch einen Spott erniedrigt würde … Er, den ich meinen Lehrer nenne und meinen Herrn … Genug schon wurde Er erniedrigt! Und selbst wenn ich allein hier zurückbleiben sollte – was vielleicht geschehen könnte, – so will ich dennoch auf den Gipfel des Berges steigen: mag man denn gewahren, daß jeder, der Ihn liebt, Ihm auch glaubt.«

»Doch wozu ist das nötig?«

»Nötig ist es für das Glück der Menschen, denn in seiner Lehre liegt der Weg zum Glück der Allgemeinheit, um aber diesen Weg gehen zu können … muß man zuerst glauben, Nephora, – muß man im Leben das versetzen können, was schwerer ist und härter, denn ein Berg, und darum muß man immer auf alles bereit sein, ohne erst lange zu zählen, wie groß die Schar sei: ob man allein ist, oder ob viele da sind.«

»Du wirst nicht allein sein,« entgegnete Nephora, und wieder brachen Erregung und Tränen durch ihre Stimme.

Zenon ergriff aufs neue ihre Hand und sagte:

»Warum bist du jetzt verwirrt und weshalb diese Trauer in deiner Stimme?«

»Ich fürchte mich, dir die Wahrheit zu sagen.«

»Keine Furcht, antworte ruhig.«

»Er … dieser dein Lehrer, Er stand und steht zwischen dir und mir … Du liebst Ihn mehr als mich … Er trennt mich von dir …«

Zenon schüttelte nur den Kopf.

»Nein, Nephora,« sagte er schließlich: »Der, den ich liebe, Er, der einer der Vornehmen sein konnte und es vorzog, ein Armer zu sein, wie leicht hätte Er seine Feinde vernichten können, und doch zog Er es vor, für sie zu beten, – Er trennt niemals, – Er vereinigt uns und wird uns die Liebe lehren, die den Geist erhebt und das Herz!«

»Ich will eine solche Liebe nicht.«

»Weshalb nicht?«

»Eine solche Liebe kann niemals das Herz einer Frau erfüllen.«

»Du täuschest dich. Höre mich geduldig an. Wir leben hier im Lande der Pharaonen. Nacht verhüllt vor unseren Augen die Orte, die ich dir sonst zeigen könnte und dabei sprechen: dort liegt die Stadt On, und dort sind auch die Pyramiden von Gizeh, die noch Jussuf und Suleika Zenon erzählt hier die Geschichte Josephs und der Frau Potiphar so, wie sie auf uns in den ägyptischen Überlieferungen, aber auch im Koran des Mahomet gekommen ist. (Vergl. Koran, Kap. XII). Anmerkung des Verfassers. gesehen haben. Suleika liebte den Jussuf mit einer wilden Leidenschaft, vielleicht mit derselben, die du einmal Oberhand über dich gewinnen ließest. Und sie scheute nicht davor zurück, sich selber und ihren Gatten durch diese Liebe zu erniedrigen. Jussuf war sehr schön. Er war natürlich viel schöner als ich, und es kam auf uns die wunderbare Geschichte von den beiden. Als einst die vornehmen Frauen Suleika Vorwürfe darüber machten, daß sie den Jussuf liebe, gab diese einer jeden der Frauen ein Messer und eine Apfelsine, und als sie alle damit beschäftigt waren, ihre Apfelsinen zu schälen, rief Suleika ihren »Sklaven«‹ herbei. Jussuf trat ein, und alle Frauen schnitten sich in die Hand und ließen ihre Apfelsinen fallen … Aber Jussuf liebte damals die schöne Suleika noch nicht, und zwar zog es ihn deswegen nicht zu ihr, weil Jussuf die Lüge und den Betrug nicht leiden konnte. Suleika aber rächte sich dafür und sann auf sein Verderben. Es kostete ihn mehr als nur ein Auge. Jussuf ward in einen Kerker geworfen, Suleika aber begann zu kränkeln und sich um ihn zu härmen, und als endlich ihr Mann gestorben, ließ sie ihr Haus und lebte in einem Zelte und tat nichts, als unzählige Male den Namen Jussufs wiederholen … Und als Jussuf die Kunde hiervon vernahm, erwärmte sich sein Herz, und er kam zu Suleika in ihr Zelt aus Schilfrohr und sprach: ›Du bist gut, meine Taube, so sei denn meine Frau.‹ Ist es wirklich deine Meinung, daß eine solche Liebe geringer ist als der Kohlendunst einer benebelnden Leidenschaft, die bald vorübergeht und nichts als Reue zurückläßt? Die Liebe dessen jedoch, der sprechen kann: ›alles ist gut an dir, meine Taube‹, nur eine solche Liebe verspricht ein verständiges Leben, ein Leben über jedem schnellflackernden Feuer … Urteile selber, was besser ist? Auch du bist heute sanft und gut … es ist nicht dein heißestes Bestreben mehr, alle anderen Frauen auf der Versammlung durch deinen künstlichen Schmuck auszustechen; du hörst mich mit stillem Herzen an und vielleicht … vielleicht sagst du jetzt: ›Oh, Zenon, oh, mein Freund! wie sehr fühle ich in mir ein neues Herze. Sei denn auch du stark und verzage nicht. Mag geschehen, was geschehen soll: geh, wohin du gehen mußt, sei es in den Tod oder in die Steinbrüche, – Nephora ist dein Freund: sie bleibt am Leben, sie wird die Mutter all der unglückseligen Waisen sein, die von den armen, zugrunde gegangenen Christen zurückgelassen werden …‹«

»Nicht mehr! oh, nicht mehr! ich will alles tun und alles für dich.«

»Nein, nicht für mich, sondern für Ihn, den ich mehr als mich liebe, und dem ich in allem gehorsam sein will, gleichviel, ob mir seine Worte klar geworden oder ob sie mir unverständlich geblieben sind.«

»Mag es denn so sein! Dein Freund bin ich und die Sklavin deines Herrn!«

Zenon erhob sich und drückte einen leisen Kuß auf Nephoras Haupt, dann sagte er:

»Jetzt ist es geschehn, der Berg hat sich gerührt.«

»Ja,« entgegnete Nephora: »es war auch mir so, als hätte sich die Erde unter meinem Fuß ein wenig bewegt …«

»Du bist sehr müde, es ist Zeit für uns, uns zu trennen. Der Sonnenaufgang kann nicht mehr fern sein. Es dämmert schon, und ich bemerke in der Ferne einen Bauern auf seinem Spargelfelde. Lebe wohl, Nephora, mein Freund, – kehre schneller in die Stadt zurück und kümmere dich nicht mehr um mich: Ich werde tun, was ich tun muß: ich fürchte mich nicht vor den Steingrüften; ich bin ein Künstler, und man wird mich nicht zwingen, Granit zu hauen, sondern ich werde dort Köpfe der Göttin Hathor meißeln … und werde dennoch auch dort in der Ferne und Verbannung glücklich sein, denn ich werde an dich denken und werde froh darüber sein, daß du nicht mehr die bist, die du warest, sondern, daß du jetzt die Menschen liebst und dafür lebst, um den Menschen Gutes zu tun. Noch einmal denn, lebe wohl, und folge mir nicht … Allein was ist das? … Jetzt war es auch mir wahrhaftig so, als hätte sich die Erde unter unseren Füßen gesenkt und wäre dann wieder aufwärtsgequollen!«

»Ja, ja! Die Erde bebt!«

»Und ich höre ein Donnern … es knistert etwas und prasselt dort in der Tiefe … Und woher kommen diese Wolken?! Feuer und Wasser stürzen gleichzeitig vom Himmel! …«

Es war das Gewitter, – eine unter dem wolkenlosen Himmel Ägyptens so seltene Erscheinung, daß Nephora sich so etwas nicht einmal vorstellen konnte, Zenon hingegen hatte Strabo gelesen und erkannte die Erscheinung augenblicks und erinnerte sich daran, daß sie trotz ihrer Seltenheit in Ägypten furchtbar und unwiderstehlich zu sein pflegte. Allerdings blieb ihm kaum mehr Zeit, irgend etwas zu überlegen, denn gleichzeitig brach ein so entsetzlicher Wolkenbruch über die beiden herein, daß ihnen nichts anderes übrig blieb, als sich schnell hinzuwerfen. Das waren keine Tropfen mehr, oder Güsse, in denen das Wasser herunterraste, es war ein ununterbrochener Strom; dabei jagte ein Blitz den andern, der Donner toste, und die Erde bebte, schwoll an und senkte sich und schwoll aufs neue an und brüllte.

Das schreiende Kamel, die nächtlichen Tropfen im Hause des Statthalters und der auf dem Ufer tanzende schwarze Ibis, – sie hatten sich wahrhaftig als untrügliche Vorzeichen erwiesen: über der Erde der Mizraim wiederholte sich das Gewitter und der Wolkenbruch des Strabo …

Als Zenon so zu Boden stürzte, dachte er nur an dies eine: wenn das hier auf dem Berge schon so ist, daß man nicht aufstehn und keinen Schritt machen kann, wie schlimm muß es da erst in den Tälern sein, wohin jetzt die von den Bergen strömenden Wasser in rasendem Laufe fegen?! …

 

Dreißigstes Kapitel

Mehr denn eine Stunde strömte dieser Ozean des Wassers in rasendem Guß auf die Erde, doch kaum sänftigten sich die wilden Fluten, da erhob sich Zenon und hob auch die bewußtlose Nephora an ihren Ellbogen in die Höhe, lehnte sie gegen einen Stein und eilte selber auf den Kamm des Berges. Er fürchtete nämlich, zu spät zu kommen und am Ende als letzter dort anzulangen, wo alle sich zu versammeln hatten; kaum jedoch war er oben angelangt, als er bemerken mußte, daß noch keiner der Christen dort war, unten aber konnte er das ihm so wohlbekannte Bild nicht mehr wiedererkennen; die Erde war ganz verschwunden und unermeßlich wogte der Nil wie ein grenzenloses Meer. Auf seinen trüben Wellen schaukelten sich umgeworfene Kähne, Hütten schwammen dort und ganze Palmen, die es mitsamt den Wurzeln herausgerissen hatte, am Fuß des Berges aber kämpften mehrere menschliche Geschöpfe und kletterten einer auf die Schultern des andern, wie Krebse in einem Kochtopf …

Zenon fiel auf die Knie und rief:

»Himmlischer Vater! verschone alle, die noch am Leben sind! Du gabst ihnen zu verstehen, daß Dir alles möglich sei, so senke denn jetzt in ihre Herzen auch die Liebe zu den andern Menschen!«

Und während er so betete, fühlte er, daß der Berg wie ein Schwamm aufschwoll, seine harten Rippen aus Kieselstein fielen ein, das mürbe Geröll quoll hervor und die Schichten, die es bedeckt hatten, barsten und zerbröckelten … Und plötzlich fuhr alles durcheinander, Splitter kleiner Steine spritzten wie aus der Schleuder geworfen durch die Luft, und Schutt und Geröll gerieten in Bewegung und krochen in breiten Schichten nach unten.

»Zenon, der Berg bewegt sich!« rief jemand hinter Zenons Rücken und gleichzeitig glitt Nephora aus der Höhe in seine Arme.

Zenon blickte sich um und sah, daß ein ungeheures Felsstück, und zwar gerade das, auf dem er stand, sich abgetrennt hatte und über den abschüssigen Hang zum Wasser rutschte.

»Gottes Wille geschehe!« flüsterte Zenon und preßte die erschöpfte Nephora an seine Brust.

Und so glitt denn die Klippe mit den beiden immer weiter, aus dem Wasser aber und aus den Schluchten des Berges schrien die Leute, die zu Zeugen dieses Augenblicks wurden:

»Der Berg bewegt sich! … Der Berg bewegt sich! Groß ist der Gott der Christen! Der Künstler Zenon, der Goldschmied, hat den Berg versetzt!«

 

Einunddreißigstes Kapitel

Gleich als der erste Donnerschlag fiel und sofort nachdem der schauerliche Wolkenbruch zu rasen begonnen, sprangen alle die Leute, die am Fuße des Berges lagerten und deren Sinne noch nicht völlig vom Rausche der Trunkenheit benebelt waren, augenblicks auf und eilten, was sie konnten, den Berg zu umgehen, auf der Rückseite des Berges begegneten sie der kleinen Christenschar, an der die Fluten sich in einem breiten Graben vorüberwälzten. Vor allen anderen hatte der Statthalter die Flucht ergriffen und jagte nun auf seinem Wagen hin, vor den man in der Eile nur eines seiner eigenen Pferde gespannt hatte, das zweite war unbekannter Herkunft. Vor einer der Felsschluchten begegnete er dem aus einer Höhle hervorkriechenden Paeoch und rief ihm zu:

»Du siehst es, der Berg bewegt sich!«

»Ich sehe es,« entgegnete Paeoch mürrisch.

»Dann sage mir schneller, ob in der christlichen Lehre irgendwo davon gesprochen wird, was man zu tun hat, um den Berg aufzuhalten?«

»Leider wird in ihrer Lehre nur davon gesprochen, wie man den ›Berg versetzen‹ kann, nicht aber davon, wie man ihn aufhalten soll.«

»Warum hast du uns das nicht früher gesagt?«

Alle griffen das Wort des Statthalters auf und schrien jetzt:

»Ja, warum hast du uns nichts davon gesagt? Verdammter Weiser! Du hast uns nun zugrunde gerichtet!«

Paeochs entzündete Augen funkelten auf, und er erhob die Hand, um auf die, die ihn beleidigten, seinen Stab zu schleudern, im gleichen Augenblick jedoch rollte er bereits vor die Füße des Statthalters, denn ein Keulenschlag auf den Nacken hatte ihn hingestreckt …

Der Statthalter erschrak und trieb seine beiden verschiedenartigen Rosse schneller an, um das Lager der Christen zu erreichen; er schrie ihnen zu:

»Meine Freunde! Wollet ihr nicht beten, damit der Berg stehenbleibt!«

Die Christen aber waren ganz verwirrt, denn da sie die ganze Zeit über auf der entgegengesetzten Seite des Berges weilten, hatten sie auch nichts davon wahrnehmen können, was dort bei den Klippen und Abhängen mit Zenon und Nephora geschehen war, und entgegneten darum:

»Ach, Herr, warum verhöhnest du uns so bitter? Wir sind noch nicht ganz übereingekommen, wie wir beten sollen, damit der Berg sich bewege, und nun verlangst du bereits ein neues, daß wir den Berg aufhalten sollen.«

Der Statthalter machte nur eine verächtliche Handbewegung und rief ihnen im Weiterfahren zu:

»Der Berg bewegt sich, lauft schneller nach oben, und ihr werdet von dort sehen, was sich zugetragen hat.«

Die Christen eilten sogleich zum Gipfel des Berges hinauf, von wo kurz vorher Zenon und Nephora gekommen waren und sahen ein erstaunliches und völlig neues Bild, und zwar durchaus nicht jenes, das der Statthalter gesehen hatte, sondern ein ganz neues: der Berg und das Wasser hatten sich bereits vereinigt … der tonhaltige Felsblock, auf dem Zenon und Nephora hinuntergeglitten waren, ragte jetzt über der Oberfläche des Wassers … Eine Barke mit seidenen Segeln schwamm heran, Zenons Diener stand darin, jener Perser. Er war Zenon und Nephora behilflich, in die Barke einzusteigen, darauf segelten sie davon. Die Oberfläche des Wassers strömte nicht mehr in Wirbeln dahin, sondern war jetzt ruhig und glatt. Außer Zenons Barke schwammen viele blaue und weiße Lotosblüten auf dem Fluß, näher zum Ufer aber strichen Schwärme von Vögeln dicht über dem Wasser hin, Möwen und Seeraben, die gierig unter den Scharen der vielen herangetriebenen Fische räuberten; noch näher zum Ufer aber schwammen und häuften sich die goldschimmernden Kugeln der riesenhaftesten Melonen … und plötzlich sahen alle mit einem Male etwas Längliches schwimmen, das auf den ersten Blick den Eindruck eines Weidenstumpfes mit narbiger Rinde machte … es war ein Krokodil! …

Das Erscheinen eines Krokodiles war das sicherste Kennzeichen dafür, daß der Lauf des Niles voll Wasser war, denn die Krokodile kommen immer als Boten aus den Sümpfen von Philae und Siut.

Und so war es auch in der Tat, aus der Stadt sprengte dem Statthalter ein Bote mit einem Briefe entgegen, den noch vor dem Gewitter eine Taube aus Memphis gebracht hatte: der Nil war über seine Ufer getreten und die Bewohner von Theben hatten sich bereits auf ihre Dächer geflüchtet.

Somit war es denn an der Zeit, sich zu erheitern und lustig zu sein: die Ernte war gesichert, und die Schuld der Christen konnte auf eine geraume Zeit wieder vergessen werden. Das ganze Lager wurde aufgehoben. Die Diener versuchten, so gut es ging, im zähen Schlamm die Pferde einzufangen und anzuspannen, sie sattelten die Esel und die Kamele. Alle die durchnäßten und verängstigten Menschen wurden im hellen Strahlen der aufgehenden Sonne wieder munterer und begannen, während sie sich der Stadt näherten, nach und nach wieder zu scherzen und zu lachen …

Die Überbleibsel der untergegangenen Zelte, Tiere und Menschen nahm der Nil mit sich fort … Zenon und Nephora aber waren nirgends zu sehen, und keiner sprach von ihnen und niemand erkundigte sich nach ihrem Verbleib. Alle beeilten sich, nach Hause zu kommen … Die Christen waren wieder beruhigt und fanden zu ihrer Freude, als sie wieder in Alexandrien waren, dort sogar ihren Patriarchen vor, denn es war diesem gelungen, noch vor den anderen wieder in sein Haus zurückzukehren. Der Statthalter wollte ihn unbedingt sehen und sandte einen Wagen zu ihm, der Patriarch jedoch gab zur Antwort:

»Der Wagen da kann genau so bequem den Statthalter zu mir schaffen, wie mich zu ihm, und der Weg von mir bis zu ihm ist genau so lang, wie der Weg von ihm bis zu mir. Mag er denn zu mir kommen, wenn es ihm behagt.«

 

Zweiunddreißigstes Kapitel

Und der Statthalter setzte sich augenblicklich in seinen Wagen und fuhr zum Patriarchen; dort angekommen äußerte er:

»Entschuldige mich, ich war nicht sicher, ob deine Heiligkeit bereits zu Hause wäre.«

»Unsere Demut ist immer gleich nah und gleich weit von dem, was einer verdient,« entgegnete der Patriarch.

»Deine Heiligkeit weiß natürlich, welchen Verlauf die Dinge nahmen? Euer Glauben wird jetzt hierorts von allen respektiert.«

»Gott ist erstanden, und seine Feinde schmelzen hin.«

»Allerdings, der ränkespinnende Paeoch ward durch einen Keulenhieb in den Nacken, der von der Hand eines seiner Glaubensgenossen kam, getötet, das Weib Bubasta aber wurde erwürgt.«

Der Patriarch verstummte: das Weib Bubasta war kein Wort von ihm wert; der Statthalter jedoch fuhr fort zu erzählen, wie man ihr den Mund und die Nase mit Lehm verstopft hätte, und daß jetzt viele Andersgläubige zu jenen hinströmen würden, die den Berg versetzt hatten.

»Ich erwartete das,« meinte der Patriarch.

»Ich aber erwartete es keineswegs, und ich gestehe beschämt ein, daß ich mich sehr geirrt habe.«

Der Patriarch lächelte nur und sagte leise:

»Was tun? auch Homer hat sich geirrt.«

»Ja, ich irrte, und ich bitte jetzt deine Heiligkeit, dich mit mir zu versöhnen: wir können einander noch sehr nützlich werden.«

»Mir jedoch scheint, daß unsere Demut jetzt niemand mehr nützlich werden kann.«

»Dann mag deine Glückseligkeit sich daran erinnern, daß auch Homer sich irren konnte.«

Und der Patriarch erinnerte sich.

So blieben sie denn eine geraume Zeit allein und plauderten ohne die Anwesenheit der Akolythen und der Fächerschwinger.

Noch am gleichen Tage erschienen viele Leute bei den Presbytern, und äußerten den Wunsch, sich taufen zu lassen, der Bischof wußte wahrhaftig nicht mehr, was er tun sollte: ob er warten sollte, bis, wie es sonst üblich, die Katechisatoren sie genügend unterwiesen hätten, oder ob er in Anbetracht der ungewöhnlichen Vorkommnisse alle, die danach verlangten, taufen solle, ohne lange zuzuwarten?

»Ich stelle dir frei, zu tun, was dir nützlicher erscheint,« antwortete der Patriarch.

Scharenweise drängte sich das Volk zu den Presbytern und bat um die Taufe. Und die verstocktesten Götzengläubigen, die echten »Rem-en-kemi« schauten finster zu und flüsterten einander leise ins Ohr: »Es mußte so sein … Der gekreuzigte Gott wird alle Götter in Kemi besiegen und der Name des Propheten aus Palästina wird über die Fluten des heiligen Jaro aufwärtsdringen … Die Vögel, die in den Nestern wohnen, die sie in den Ohren der sprechenden Bildsäule Amenhotep errichtet, hörten es.« Kemi ist die alte Bezeichnung für Ägypten. Rem-en-kemi bedeutet ein Mensch aus Ägypten, Jaro – der Nil, Amenhotep – Memnon. Anmerkung des Verfassers.

 

Dreiunddreißigstes Kapitel

Auch dem fetten Dunasius war in seinen Berechnungen ein Irrtum unterlaufen. Nephora änderte ihren Entschluß und heiratete ihn nicht, freilich lag ihm auch nicht mehr viel daran, da ihr Reichtum auf die Neige gegangen war: sie hatte alle ihre Sklaven freigelassen und ihr ganzes Vermögen, nach dem Dunasius' Sinnen und Trachten stand, an jene verteilt, die verarmt waren und nichts hatten, wovon sie ihre Familien ernähren konnten. Dunasius machte sich daran, eine andere Braut mit großem Vermögen zu suchen und fand sie auch. Nephora lebte von nun an zurückgezogen als Wohltäterin der Armen; sie gründete einige Schulen für Kinder, in denen diese in nützlichen Wissenschaften und Gewerben unterwiesen wurden. Es verging keine lange Zeit, da trug das Gerücht die Kunde hiervon auch Zenon zu. Und da geschah es, daß der Künstler sich aufmachte, sie besuchte und folgendes zu ihr sprach:

»Der Friede Gottes, der mehr ist als alles, ist mit dir: du hast das Gute liebgewonnen; warum sollten wir wohl noch länger getrennt voneinander leben? Komm in mein Haus und laß uns zusammen leben, jenen zum Nutzen, denen wir Gutes erweisen können. Werde meine Gemahlin, o Nephora!«

Und so geschah es auch. Zenon und Nephora vermählten sich und lebten lange und waren gegen die Menschen hilfreich und Gott angenehm. Zenon ging nach wie vor seinem künstlerischen Berufe nach und tadelte niemals eine fremde Überzeugung und prahlte niemals mit seinem Glauben. Einmal, als er wegen einer Bestellung zum Patriarchen berufen worden war, fragte ihn dieser:

»Sage mir, Zenon, wer dich in deinem Glauben unterwiesen und bestärkt hat?«

»Mich hat noch niemand richtig darin unterwiesen,« entgegnete Zenon.

»Wie kommt das?«

»Der Glauben enthüllt sich mir nur nach und nach und niemals gleichmäßig: manchmal flackert er nur schwach in mir, wie das Flimmern des Morgenrotes, zuweilen aber lodert er klar, und dann wird mir vieles deutlich.«

»Dann bist du also noch schwach in deinem Glauben?«

»O ja, ich bin noch sehr schwach.«

»Warum bemühst du dich nicht, ihn immer mehr zu kräftigen?«

Zenon dachte nach.

»Sage mir, worüber du jetzt nachdenkst?« fragte ihn der Patriarch.

»Ich erinnere mich an die Worte des Amasis: ›Die Sehne am Bogen ist schwach, so lange man nicht den Pfeil drauftut, und sie anzieht. Wenn es jedoch nötig wird, daß sie straff wird, dann wird sie straff und gibt große Kraft von sich; allein wenn man sie beständig anzieht und immer in Anspannung hält, dann kann es geschehen, daß sie abgenutzt wird und ihre Kraft verliert.‹ Und da fürchte ich mich eben, das wenige nicht auch noch zu verlieren, das mir vom Himmel zuweilen geschenkt wird.«


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