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Vierter Aufzug

Erste Szene

Beim Bischof von Bamberg

Ein Gärtchen. Am Spalierobst ist ein alter Gärtner (Mönch) beschäftigt. Der Bischof von Bamberg steht im Gespräch mit dem Prior, den er eben entläßt, worauf er sorgenvoll hin und her wandelt.

Gärtner-Mönch

(freundlich, um etwas zu sagen)

Es lenzt, Herr Bischof!

Bischof

(zerstreut)

Scheint wohl, Philipp ... Prior!

(Spricht noch kurz mit ihm, Prior ab.)

Sagtest du etwas, Philipp?

Gärtner

Just nicht viel.
Doch wollt Ihr etwas Schönes sehn, Herr Bischof?
Guckt dieses Pfirsichzweiglein an, behängt
Mit roten Knospen, und an jeder Knospe
Ein rundes Tröpflein, blitzeblank! Wenn man
Hineinschaut, muß man lachen und muß gleich
Vor so viel Schönheit 's Käpplein ziehn: »Grüß Gott!«

(Er tut's.)

Bischof

(bleibt bei ihm stehen, seufzend)

Bist glücklich, guter Alter.

Gärtner

Ei, Herr Bischof,
Seid Ihr etwa unglücklich? Mit Verlaub:
Warum? Hat Euch der Heiland nicht erlöst?
Habt Ihr im Himmel keinen guten Vater?

Bischof

Das wohl. Doch in den Sorgen dieser Welt
Vergißt man's manchmal.

(Der Prior kommt)

Prior, ist's getan?

(Zum Gärtner)

Wir haben morgen einen schweren Tag,
Mein guter Philipp.

(Zum Prior)

Laßt uns noch einmal
Die Ordnung prüfen!

(Der Gärtner hört dabei zu, auf die Hacke gestützt, die Hand am Ohr.)

Also: Raspes Ritter
Samt Dienerschaft verteilt Ihr in der Stadt
In edlen Häusern. Nur Herr Raspe selber
Wohnt hier im Schloß, doch weitab! Will ihn nicht
Vor morgen an der Bahre Ludwigs sehen!
Doch Vargila samt allen Kreuzzugs-Rittern –
Und wär's der letzte Stallknecht – wohnt im Schloß.
Raspe kommt heute abend; Vargila
Will mit dem Kreuzheer und der Leiche Ludwigs
Morgen Schlag zwölf in Bamberg einziehn. Ihr
Samt Mönchen, Knaben und was sonst an Bürgern
Berufen ist, empfangt den Zug am Stadttor
Und zieht mit Chorgesang herauf aufs Schloß
Bis vor die Schloßkapelle. Dort steht Raspe
Mit seinen Rittern. Und Elisabeth,
Die Witwe Ludwigs, wird von mir geführt.
Das Wort nimmt dann Rudolf von Vargila.
Und alles weitere findet sich. – Pax tecum!

(Macht entlassende Handbewegung, Prior geht.)

Gärtner

O, wahrlich, Herr, ein schwerer Tag.

Bischof

Der schwerste,
Den ich erlebt – obwohl's mich selbst kaum angeht.

Gärtner

Die arme Frau Elisabeth!

Bischof

Das ist's!
Die tut mir altem Mann so bitter leid!

Gärtner

Sie weint wohl Tag und Nacht?

Bischof

Nicht eine Träne!
Sie lächelt, ist zu allen gut; ihr Atem
Ist Liebe und tut jedem wohl, der nur
Von fern in ihren Kreis tritt. Doch es ist
Etwas so Überirdisches, so Totes,
So Seliges in ihrem fremden Wesen,
Als wär' sie nicht mehr auf der Welt ...

Gärtner

Ich bin nur
Ein armer, ungelehrter Mönch. Begreif' nicht
Den Pater Konrad ...

Bischof

(leise, halb für sich)

Ich bin Bischof – und
Auch ich begreif' ihn nicht. Es ziemt mir nicht,
Zu richten. Doch ein solcher

(plötzlich laut)

Pfaffe schädigt
Die Kirche mehr als tausend Ketzer! – Doch:
Das sagt' ich diesem Pfirsichbäumchen, Philipp.

Gärtner

(hat sich bei des Bischofs Ausbruch abgewandt und gehüstelt; jetzt dreht er sich lächelnd wieder um)

Ich hör' ein wenig schwer ...

Bischof

Als Ketzerrichter
Zieht er im Westen um wie ein Gespenst.

Gärtner

Der Pater Konrad? ... Ja, das mag ihm passen.
Jedoch Elisabeth ...

Bischof

(in Bekümmernis)

Dies Kind aus Ungarn!
Aus altem, gutem, deutschem Königshause
Herfahrend wie aus fernem Märchenland,
So fremd, so schön, so herzig anzuschauen!
Denn sie ist ja ein Kind! Sie hat ein Herz,
Wie man's im Paradies gehabt, wie wir's
Im Himmel wieder haben werden! Sieh,
Wie Kinder zu 'nem kranken Hündchen laufen
Und gar nicht anders können, und das wunde
Pfötchen ihm streicheln und ihr Butterbrot
Dem kleinen Freunde teilen, aus dem tiefen
Ureingebornen Himmelsdrang, zu helfen –
So geht sie durch die Welt, dies große Kind,
Dies echte, lieberfüllte Weib! – Doch ach,

(Fährt über die Augen)

Wie ward sie mißverstanden! Eisenach,
Das war kein Ehrentag, als du die Herrin
Feig von den Türen jagtest! Buben lachten
Ihr nach, und Alte gafften hinterm Fenster:
»Seht, eine Landgräfin, die betteln geht!«
So ließ das Volk die sinnverwirrte Frau
Durch Winternacht und Nebel ziehn! O Welt!

(Er hält aufstöhnend die Hand vor die Augen.)

Gärtner

(wischt in den Augen)

Und ihre Kinder?

Bischof

Liefen mit der Mutter!

Gärtner

War denn da nicht ein Spittelhaus?

Bischof

Sie fühlte
Sich dort nicht sicher, Raspe war zu nahe ...
Ich hab's zu spät erfahren. Eines Abends,
In blasser Dämmerung, tritt in meine Stube
Ein armes Weib, umhüllt von schlechten Lumpen,
Ein Kind krampfhaft im Arm, die beiden andern
Lehnten mit ihren schmächtigen Gesichtchen
An ihrer Mutter Kleid. Ich schaue auf.
»Wer bist du, armes Weib?« Da tönt es leise:
»Ich war die Landgräfin Elisabeth« –

(Schluchzen übermannt ihn. Er geht hin und her, mit Armbewegungen, wie den Kummer abschüttelnd, um sich zu beruhigen. Dann)

»Ich war die Landgräfin Elisabeth,«
So sprach es leis, »ich bring' hier meine Kinder.
Nehmt sie, mein Oheim, sie verhungern sonst!«

(Der Gärtner weint still vor sich hin.)

O Gott, ich bin ein Greis, ich hab' im ganzen
Leben nicht so geweint wie an dem Abend,
Als dieses Kind, das ich auf Armen trug,
Die herzig-heitere Elisabeth,
Die so mit ganzem Antlitz strahlen konnte,
So abgezehrt in meiner Stube stand,
Angst in dem hagern Antlitz, wie wenn einer
Die Kinder rauben wollte! ... Großer Gott!

Gärtner

(die Tränen trocknend)

Wir haben's viel zu gut, Herr Bischof.

Bischof

Ja,
Ich hab' nicht viel gelitten auf der Welt –

(Gen Himmel, das Käppchen abnehmend)

O Herr, nimm aus der ungeprüften Seele,
Bevor ich scheiden geh', das letzte Restchen
Hochmut!

Gärtner

(ebenso einfach)

Amen.

Bischof

(sich wieder bedeckend)

Sie ist nun ruhig, seit sie
Die Kinder sicher weiß und hat vergessen,
Was man ihr tat ... Ich bin der Erde satt ...
Doch morgen ist ein Tag der Abrechnung –
Ich freue mich des Tages! – Habe Dank,
Philipp, ich hab' mich leichtgeplaudert. Morgen,
Will's Gott, wird Vargila die Worte finden!

Er grüßt mit einer Handbewegung; der Gärtner zieht das Käppchen.)

(Zwischenvorhang.)

Zweite Szene

Vor der Schloßkapelle

Schon vor Beginn hört man gedämpften Trauergesang. Bei Aufgehen des Vorhangs sieht man links in glänzenden Trachten Heinrich Raspe und seine Ritter stehen; rechts in sehr verwitterten Kleidern und Rüstungen Rudolf von Vargila und die Kreuzritter. In der Mitte steht ein Sarg (Ludwigs Leiche) mit schwarzem Bahrtuch überdeckt, worauf Kreuze gestickt sind; Wappenschild und Schwert liegen darauf. Geistliche, Mönche, Chorknaben mit Kerzen vollenden singend ihre halbkreisförmige Aufstellung. Aus der Kapelle, zu der einige Stufen hinaufführen, treten langsam der Bischof von Bamberg und, auf seinen Arm gestützt, in Schleiern Elisabeth. Sie steht bewegungslos und schaut nur den Sarg an. Alle Ritter verneigen sich; der Trauergesang verstummt; Vargila tritt vor.

Vargila

(sehr ernst und tiefbewegt)

Frau Landgräfin Elisabeth, wir bringen
In diesem Sarg, was sterblich ist von Ludwig,
Der Euer Gatte war und unser Herr.
Vernehmt sein letztes Wort: »Sagt meiner Gattin,
Ich hab' sie lieb wie einen Engel Gottes.«
Als er den Geist aufgab, erhoben sich
Im Feld zwei weiße Tauben: schimmernd flogen
Die Tauben himmelwärts – wir schauten nach,
Und einer sprach: »So rein war Ludwigs Seele.«

(Elisabeth lehnt einen Augenblick den Kopf an des Bischofs Schulter, dann steht sie wieder still und aufrecht)

Doch dies und andres sprechen wir zu Euch
In stiller Stunde. Heut' und hier verlangt
Ein hochgestauter Zorn ein schärfer Wort.

(Wendet sich zu Raspe, der unbehaglich steht)

Herr Landgraf Heinrich Raspe, nunmehr grüßen
Wir Euch und Eure Ritter. Ihr zwar seid
Thüringens Herr und Landgraf, und wir werden
Euch dienen, unsrem Land zu Nutz. Doch heut'
Sind wir noch Diener dieses hohen Toten.
Betrachtet uns: schlecht ausgestattet kehren
Wir heim aus ganz unsagbar harter Mühsal.
Das Kreuz auf unsrer Schulter ist verblaßt,
Doch in den Herzen glüht ein ander Kreuz,
Das nie verblaßt! Wir sind nicht schön wie ihr,
Ihr schmucken Ritter, doch das Kleid der Ehre
Blieb unbefleckt! – Drum, Heinrich Raspe, darf ich
Dich fragen, feierlich, an diesem Sarg:
Hast du den Eid gehalten, den du dort
Im Wartburghofe öffentlich geschworen?

(Pause)

Antwort, Herr Raspe! Habt Ihr diese Frau,
Die Gattin Eures toten Bruders, wirklich
In harter Winternacht vom Schloß gejagt?

(Pause)

So nenn' ich Euch in dieses Toten Namen
Meineidig

(Bewegung)

Raspe

Vargila!

Vargila

Meineidig und
Verflucht! Der Hölle verfallen und dem Richter,
Des blutrot Kreuz wir auf der Schulter tragen!
O unbegreiflich schlechter Mann: indes
Wir draußen um den lieben Heiland fochten,
Bist du zu Hause zwiefach ungetreu?!
Kein Sarazene tut so feige Tat!

(Wachsende Bewegung, drohendes Murren)

Wer will das widerlegen?! Her den Mann!
Fürsprecher her! Ich will den Ritter sehn,
Der solche – ritterliche Tat verteidigt!

(Zum Bischof)

Oh, ich zieh' nicht das Schwert, besorgt nichts, Bischof!
Mein Schwert, im Gotteskriege schmal geschliffen,
Ist viel zu heilig, solchen Schimpf zu rächen!

(Zu Raspe)

Doch hab' du acht auf deine Todesstunde!
Wir waren Jugendfreunde, Heinrich – heut'
An dieser Bahre, zwischen Zorn und Tränen,
Du schwer Verirrter, sag' ich dir das letzte
Wahnwort: Hab' acht auf deine Todesstunde!
Die wird nicht gut! Du gabst auf deiner Höhe
Dem Volk der Tiefen ein so schmachvoll Beispiel,
Daß Tausende durch dich nun fallen werden,
Verführt durch dich, zur Hölle gebracht durch dich!

(Legt die Hand auf die Bahre)

Tritt her – sag' diesem Toten, daß du ihm
Den Eid gebrochen hast!

Raspe

(in die Knie sinkend)

O Bruder Ludwig,
Es war nicht gut, daß du dein Land verlassen!

(Verbirgt das Gesicht aufstöhnend in den Händen.)

Vargila

Es war nicht gut, daß solch ein Mann zurückblieb –
So füg' hinzu! Und frage dort den Bischof,
Wie Gott die Meintat straft!

Raspe

(in Verzweiflung)

Bischof von Bamberg,
Brach ich dem Toten, der hier liegt, den Eid?
Ich hab' die Frau hier nicht verjagt – sie ging
Freiwillig – – nein, ich weiß, sie ging aus Angst –
Und also hab' ich doch den Eid gebrochen.
Unsegen spür' ich seitdem überall –
Mich reut die Tat! Bischof, Ihr sollt mir raten!

Bischof

(ruhig-kühl)

Die Frau, der Ihr das Leid getan, spricht Urteil.

Elisabeth

(ist zu Raspe gegangen, hebt ihn liebreich auf)

Steht auf, mein Bruder Raspe!

(Steht vor dem Sarge, zu Häupten, regungslos.)

Vargila

Sprecht, liebe Herrin!
Es ist etwas in Eurem Angesicht,
So kummervoll, so jenseits aller Tränen,
Daß mich ein Weinen ankommt, seh' ich Euch
So wortlos an der teuren Leiche stehen!

Elisabeth

(zu Vargila)

Du sagst sehr recht, mein Freund. Etwas in mir
Ist jenseits aller Tränen. Bräche gleich
Die Welt zusammen oder sonst das Größte,
Was sich erdenken läßt – sieh, Vargila,
Wir scheint, ich hätte nur ein Lächeln. Selbst
Die Kinder, nächst dem Gatten mir das Liebste,
Ich will sie andren überlassen, denn
Sie können nichts mehr von der Mutter lernen.
Die Mutter ist ja tot, tot wie die Gattin.
Wer sie getötet, weiß ich nicht. Nicht ihr,

(Innig)

Herr Raspe: Euch und allen bin ich gut.
Nach vieler Tränen Maienregen wuchs
Aus mir ein ander Wesen, unerreichbar
Dem bösgemeinten Wort, ganz erdenfern.
Wie will man einen Schatten kränken? Könnt Ihr
Den Rauch einfangen und das leichte Licht?
Was ich geliebt, als ich auf Erden war,
Liegt still in diesem Sarge ...

(Sie beugt sich etwas, innig, zum Sarge sprechend)

Du, mein Gatte!
Weißt du noch, Ludwig, wie wir an der Wartburg
Das Kreuz bekränzten? Weißt du, wie vor Rosen
Kein Wundmal mehr zu sehen war? Und weißt du,
Wie ich versprach, mit edlem Rosenglanz
Das ganze Leid der Erde zu verklären? ...
Du bist jetzt drüben, Freund, ich muß noch hier sein:
Doch komm' ich bald dir nach! Ich komm' mit vielen
Befreiten Seelen – und wir laufen beide,
Wie wir als Kinder auf dem Anger liefen,
Stürmisch zum Vater, der uns ausgesandt!

(Gen Himmel)

Vater, hab' Dank! An diesem Sarge bring' ich
Dir reinsten Dank, daß dieser mich geliebt,
Und daß du mir vergönnt hast, ihn zu lieben!
Er lebte schön und starb im Feld der Ehre,
Fechtend für dich! Laß du auch mich so fallen,
Inmitten vieler Seelen, dir gewonnen!
Dann ruf mich heim zu dir –
und dir, mein Gatte!

(Sie streicht sanft über das Tuch, wie über einen Schlafenden, streichelt lächelnd Schild und Schwert, kehrt sich dann gütig und heiter zu den Anwesenden)

Soll ich denn richten – nun, Herr Heinrich Raspe,
Gebt mir mein Wittum Marburg, gebt mir jährlich
Mein Leibgeding, wie Euch mein Gatte auftrug.
Es wird nicht lange dauern ... Doch, solang' ich
Auf Erden weile, will ich alle Habe,
Die mir rechtmäßig zukommt, Armen spenden.
Wollt Ihr das tun, Herr Raspe?

Raspe

Edle Frau,
Viel mehr, viel mehr – –

Vargila

(erstaunt und verdrossen)

Wie denn? Warum denn arm sein?
Wir Heimgekehrten werden im Triumph
Euch wieder auf die Wartburg führen!

Elisabeth

(In ruhiger Hoheit)

Nie mehr!
Das war einst, und wird nie mehr sein – wie dieser!
Wollt Ihr als frei mich achten und als Herrin,
So gebt mir Freiheit, meinen Weg zu gehen,
Ich bitt' Euch, Vargila, ich bitt' Euch, Raspe!
Einem auf Erden bin ich Untertan
Durch geistigen Verspruch: dem Pater Konrad.
Mit ihm besprach ich's: er erlaubt und wünscht,
Daß ich das Kleid der grauen Schwestern nehme
Und gänzlich arm sei – –

Vargila

Arm? Ihr sollt nicht arm sein!

(Sieht sich hilflos-zornig um)

Wo ist der Pater, der uns diese Frau
Entfremdet und zu schmutz'gen Bettlern lockt?!

Bischof

(tritt vor, da Elisabeth sich hilfesuchend umschaut)

Ihr habt an diesem Sarge schön gesprochen –
Wischt's nun nicht wieder aus, Herr Vargila!

(Zu Raspe)

Ist meiner Nichte klarer Wunsch erfüllt?

Raspe

Mein Wort ist wertlos – –

Bischof

Sei es fortan wertvoll!

Elisabeth

(zu Raspe)

Versprecht mir noch: Ihr rächt den Tadel nicht,
Den dieser rasche Mann gesprochen?

Raspe

(düster)

Frau –
Es wird wohl schwer sein, jemals diese Bahre
Und diese Worte zu vergessen – –

Vargila

Herrin,
Ich hab' noch solche Worte, daß er wohl
Das Kleinere vergißt: denn Kaiserbotschaft
Hab' ich mir aufgespart bis jetzt –

(Zur Landgräfin)

Für Euch!

(Allgemeines Aufmerken)

Elisabeth

Für mich?

Vargila

Für Euch – doch insgeheim.

Elisabeth

(ruhig)

Wozu?
Ich bin mit meinem Volk und allen Menschen
Aufs innigste versponnen. Sagt's vor allen,
Was Ihr zu sagen habt.

Vargila

Nicht hier am Sarge.

Elisabeth

Ist's Schlechtes, was Ihr bringt? Darf's dieser Tote
Etwa nicht hören? – So verzicht' auch ich.

Vargila

Als Geist darf er es hören. Wär' er lebend,
Es käme keine Botschaft.

Elisabeth

Sprich, mein Freund.

Vargila

(läßt sich auf ein Knie nieder)

In Deutschen Kaisers Namen knie' ich hier:
Friedrich der Zweite bittet um die Hand
Der Witwe Landgräfin Elisabeth!

(Allgemeine Bewegung.)

Elisabeth

(erschrocken)

Wie redet Ihr an diesem Sarge?!

Vargila

Nur,
Was mir befohlen ward. Wir führen viele
Geschenke mit: sie sind ein Kaiserdank
Für dieses Toten Dienste, sind zugleich
Ein Werben, wie es einem Kaiser ziemt.

(Steht auf)

Nun spricht nur Vargila. Mich wird wohl niemand
Dem Toten untreu nennen. Dennoch bitt' ich –
Nein: deshalb bitt' ich – nehmt die Werbung an!
Ihr wißt, schon immer schwebte Kaiser-Ahnung
Um unsre Wartburg: heut' erfüllt es sich!
Die Kaiserkrone kommt! Sie kommt zur besten
Der deutschen Frauen, deren Sonnenherz
Bekannt ist bis Palermo. Nehmt die Krone!

(Allgemeine Erregung. Einzelne Rufe: »Heil, Kaiserin!« Wachsendes freudiges Reden, noch einmal stärkere und zahlreichere Rufe: »Heil, Kaiserin!« Endlich, allgemein, außer Raspe, einigen Anhängern und dem ernst seine Nichte beobachtenden Bischof, der brausende Ruf: »Heil, Kaiserin!« Waffenschlagen.)

Elisabeth

(ist lächelnd an den Sarg getreten, den sie nicht aus den Augen gelassen)

Hörst du den Ruf? Und lächelst du, mein Gatte?

(Zu den Rittern)

Nicht weiter diesen Ruf! Ich nehme an –
Doch anders – habe lang schon angenommen:
Ich möchte gerne, als des Volkes Erste,
Dienen, ihr Herr'n, als Kaiserin der Armen.
Dies ist mein Kaisertraum. – Doch wollt ihr mich –
Herr Vargila – Herr Raspe – wahrhaft ehren?
So bitt' ich euch: gebt euch die Hände! Haltet,
An diese Stunde denkend, edlen Frieden!

Vargila

(bewegt)

O, welche Kaiserin verläßt uns heut'!

Raspe

(aufatmend, rasch)

Ich gebe die Hand zuerst – hier, Vargila!

(Sie reichen sich die Hände.)

Elisabeth

(legt segnend ihre Hände auf die der beiden, feierlich)

So fließe aller Segen, der vielleicht
Der Kaiserin beschieden war – auf euch!
Und gieße sich durch euch auf unser lieb
Thüringer Land, dem wir zu früh gestorben,
Mein Gatte dort und ich.

(Tritt zurück, mit einer hoheitvollen Bewegung der Arme nach beiden Seiten)

Lebt alle wohl!

(Alle verneigen sich tief. Der Bischof gibt ein Zeichen: Trauergesang setzt ein, der Sarg wird in die Kirche getragen. Alle folgen.)

(Vorhang.)


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