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Anschlag-Zeddel im Namen von Philadelphia

Avertissement

Allen Liebhabern der übernatürlichen Physik wird hierdurch bekannt gemacht, daß vor ein paar Tagen der weltberühmte Zauberer Philadelphus Philadelphia, dessen schon Cardanus in seinem Buche de natura supernaturali Erwähnung tut, indem er ihn den von Himmel und Hölle Beneideten nennt, allhier auf der ordinären Post angelangt ist, ob es ihm gleich ein leichtes gewesen wäre, durch die Luft zu kommen. Es ist nämlich derselbe, der im Jahr 1482 zu Venedig auf öffentlichem Markt einen Knaul Bindfaden in die Wolken schmiß und daran in die Luft kletterte, bis man ihn nicht mehr gesehen. Er wird mit dem 9ten Jänner dieses Jahres anfangen, seine Ein-Talerkünste auf dem hiesigen Kaufhause öffentlich-heimlich den Augen des Publici vorzulegen, und wöchentlich zu bessern fortschreiten, bis er endlich zu seinen 500 Louisd'or-Stücken kommt, darunter sich einige befinden, die, ohne Prahlerei zu reden, das Wunderbare selbst übertreffen, ja, so zu sagen, schlechterdings unmöglich sind.

Es hat derselbe die Gnade gehabt, vor allen hohen und niedrigen Potentaten aller vier Weltteile und noch vorige Woche auch sogar im fünften vor Ihro Majestät der Königin Oberea auf Otaheite mit dem größten Beifall seine Künste zu machen.

Er wird sich hier alle Tage und alle Stunden des Tages sehen lassen, ausgenommen montags und donnerstags nicht, da er dem ehrwürdigen Kongreß seiner Landsleute zu Philadelphia die Grillen verjagt, und nicht von 11 bis 12 des Vormittags, da er zu Konstantinopel engagiert ist, und nicht von 12 bis 1, da er speiset.

Von den Alltags-Stückchen zu einem Taler wollen wir einige angeben, nicht sowohl die besten, als vielmehr die, die sich mit den wenigsten Worten fassen lassen.

1) Nimmt er, ohne aus der Stube zu gehen, den Wetterhahn von der Jacobi-Kirche ab und setzt ihn auf die Johannis-Kirche, und wiederum die Fahne des Johannis-Kirchturms auf die Jacobi- Kirche. Wenn sie ein paar Minuten gesteckt, bringt er sie wieder an Ort und Stelle. NB. Alles ohne Magnet durch die bloße Geschwindigkeit.

2) Nimmt er zwei von den anwesenden Damens, stellt sie mit den Köpfen auf den Tisch, und läßt sie die Beine in die Höhe kehren; stößt sie alsdann an, daß sie sich mit unglaublicher Geschwindigkeit wie Kräusel drehen, ohne Nachteil ihres Kopfzeugs oder der Anständigkeit in der Richtung ihrer Röcke, zur größten Satisfaktion aller Anwesenden.

3) Nimmt er 6 Lot des besten Arseniks, pulverisiert und kocht ihn in 2 Kannen Milch und traktiert die Damens damit. Sobald ihnen übel wird, läßt er sie 2 bis 3 Löffel voll geschmolzenes Blei nachtrinken, und die Gesellschaft geht gutes Muts und lachend aus einander.

4) Läßt er sich eine Holz-Axt bringen und schlägt damit einem Chapeau vor den Kopf, daß er wie tot zur Erde fällt. Auf der Erde versetzt er ihm den zweiten Streich, da dann der Chapeau sogleich aufsteht und gemeiniglich fragt: was das für eine Musik sei? Übrigens so gesund wie vorher.

5) Er zieht drei bis vier Damens die Zähne sanft aus, läßt sie von der Gesellschaft in einem Beutel sorgfältig durch einander schütteln, ladet sie alsdann in ein kleines Feldstück, und feuert sie besagten Damen auf die Köpfe, da denn jede ihre Zähne rein und weiß wieder hat.

6) Ein methaphysisches Stück, sonst gemeiniglich ð?í meta physica genannt, worin er zeigt, daß wirklich etwas zugleich sein und nicht sein kann. Erfordert große Zubereitung und Kosten, und gibt er es bloß der Universität zu Ehren für einen Taler.

7) Nimmt er alle Uhren, Ringe und Juwelen der Anwesenden, auch bares Geld, wenn es verlangt wird, und stellt jedem einen Schein aus. Wirft hierauf alles in einen Koffer, und reiset damit nach Kassel. Nach 8 Tagen zerreißt jede Person ihren Schein, und so wie der Riß durch ist, so sind Uhren, Ringe und Juwelen wieder da. Mit diesem Stück hat er sich viel Geld verdient.

NB. Diese Woche noch auf der obern Stube des Kaufhauses, künftig aber hoch in freier Luft über dem Marktbrunnen. Denn wer nichts bezahlt sieht nichts.

Göttingen den 7. Jänner 1777.

 

 


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