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Das Glück in der Welt

Die Frage nach dem Glück

Maeterlinck hat einmal ein wunderliches Stück geschrieben, das ich in Gesellschaften vorzulesen empfehle, die man in eine gruselige Stimmung zu versetzen wünscht. Es heißt »Der Eindringling«. Ungenannt im ganzen Stücke, ungesehen vom Zuschauer, unbemerkt von den handelnden Personen und doch für jedermann schauerlich fühlbar, tritt der Tod in ein Haus. Er geht durch das Tor, durch den Garten, kommt ans Haus, tritt ein, geht die Treppe hinauf, setzt sich unter die Gesellschaft, bis er im Nebenzimmer verschwindet und dort die kranke Hausfrau dahinrafft. Nur einer scheint ihn gesehen zu haben, aber er sagt's nicht. Das ist der blinde, alte Großvater, der einzig Sehende in der Gesellschaft.

Der Grundgedanke des Ganzen ist viel lebenswahrer, als es auf den ersten Blick erscheint. Darum ergreift er auch die Zuhörer so mächtig. Es gibt Dinge, die fühlbar da sind und jeden berühren, aber wenige sehen sie und sind imstande, sich Rechenschaft darüber zu geben.

Wenn nun der Tod, das große Nein, eine so tiefgehende Wirkung hat, wie vielmehr sollte das Leben, das Ja, Einfluß haben! Was bei dem Tode Schauder und Grausen ist, das kommt bei dem Leben als Wirkung von Sonnenschein und Glück zur Geltung.

Es gibt ungeheuer viel Sonnenschein und Glück in der Welt, aber auch eine stumpfsinnige Art von Menschen, die mitten drin sind im Sonnenschein des Lebens und nichts davon merken, daß sie das Glück beständig an- und auslacht, und die mit den Falten des Grames als wandelnde Seufzer auf diesem Planeten herumsteigen. Auch hier sieht ein Blinder oft mehr als viele Sehende.

Die Menschen brauchten eigentlich nicht das Glück zu suchen, denn das Glück sucht sie. Aber sie brauchen Seher. Seher, die nicht so sehr die Zukunft als die Gegenwart in ihrem wahren Wesen schauen und den Menschen ihr Schauen erzählen. Sie wären freilich den einen die Verrückten, den anderen aber die eigentlichen Lebensquellen. Das ist das Schicksal der Schauer. Schon im Altertum standen sie den Rasenden sehr nahe. Aber sie waren doch mitunter echte Propheten.

Man darf also die Frage nicht so stellen: Gibt es überhaupt in der Welt Gutes, gibt es Glück? Wer so fragt, fragt falsch und erhält meistens die falsche Antwort: Nein! Dann wird ihm die Welt das bekannte Jammertal, und er geht auch den Weg aller Jammerseligen. Das ist der Todesweg, der Schattenweg.

Gibt es Glück in der Welt? – so darf man nicht fragen. Die Frage ist an sich falsch gestellt. Auch wenn ein lieber, leichter Sinn die Frage fröhlich bejahen wollte, so hätte er noch keinen sonderlichen Nutzen. Er bliebe am Einzelnen hängen und fände etwa in dieser oder jener Lage, diesem oder jenem Erlebnis das Glück und das Gute. So ist's aber eng begrenzt. Leute, die sich ihrer Glücksumstände und guten Erlebnisse rühmen, tun es in der Regel nicht lange. Solange nämlich, bis eines Tages das große Leid über sie kommt. Dann verneinen sie gewöhnlich das Gute, das Vergangene, und bleiben in irgendeiner schwarzen Finsternis gefangen, bis der Tod sie zerdrückt. So ist's Unzähligen ergangen, die froh ihren Lebensweg in der entzückenden Vollkraft der Jugend antraten, denen das Glück gleichsam angeboren war, die sich dann auch noch glücklich verheirateten und schließlich in immer schwärzeren Schatten versanken und als vergrämte Leute vor der Zeit endeten.

Man muß überhaupt ganz anders fragen. Wer recht fragen will, muß die ganze Wucht seines Seins hineinlegen und mit einer Zuversicht, die ein Zurückweichen einfach nicht kennt, seine Frage in die Welt schleudern. Er muß sie stellen nicht in guten und leichten Tagen, sondern gerade aus der Tiefe der Not und des Leides heraus. Denn es weht ein großes Leid überall in der Welt, das seine Schatten in jedes Herz senken möchte. Dann muß die richtige Frage wie ein Felsen in das Meer des Elends gestellt werden, daß seine Wogen dran branden, ob sie ihn auch hoch bedecken. Die Frage, die einzig Berechtigung hat und wert ist, gestellt zu werden, lautet: Wo ist das Glück?

Das Glück ist da, es liegt überall und lacht aus allem heraus. Es ist die Kraft, auf die die ganze Welt gegründet ist, das Licht, das in allem Sein leuchtet, die eigentliche Urkraft aller Dinge. Der Tod, das Leid, das Unvollkommene, ist nur der Schatten. Aber wo viel Schatten ist, gerade da ist viel Licht, denn nur das Licht ermöglicht den Schatten. Alle vergrämten, verbitterten, übellaunigen Menschen sind krank, dauernd oder nur vorübergehend krank, und ihre Krankheit ist ein Zustand der Lebensblindheit. Man muß sie als Kranke ansehen und behandeln und darf sich auch dann nicht sonderlich anfechten lassen, wenn die ganze Welt gelegentlich als Krankenhaus erscheinen sollte. Eine Welt gibt's übrigens, in die man dann flüchten kann zur Erholung von der übellaunigen, gräulich gräßlichen Krankenwelt, das ist die Welt der Kinder und der Jugend. Sie steht der Urgesundheit noch näher. In sie können Erholungsbedürftige flüchten und sich Kräfte abgucken zu einem erneuten Zeugnis der Gesundheit und des Lebens unter den Kranken.

Krankheiten sind übrigens nicht immer das große Unglück, als das man sie anzusehen geneigt ist. Ich glaube, es wird allmählich eine Anschauung durchdringen, die ihrer viele als Heilkrisen auffaßt. Sie bezeichnen im Leben vieler Menschen Uebergänge zu neuer Gesundheit. Menschen, die vieles falsch gemacht haben und davon krank geworden sind, lernen sich wieder richtig benehmen und stauen gleichsam im besinnlichen Krankheitszustande Kräfte an, die sie in neues Leben hinübertragen. Das kann auch geschehen, wenn ein Uebelbefinden lange gedauert und anscheinend viel Lebenskräfte verzehrt hat. Denn wie in der ganzen Natur das Glück und das Gute verschwenderisch ausgebreitet liegt, genau so liegt auch im Menschen, der kleinen Sonderwelt, eine unerschöpfliche Quelle von Gesundheit. Man braucht also nie an denen zu verzweifeln, die an sich selbst verzweifeln. Ihr Gutes liegt ihnen ja unendlich viel näher, als sie ahnen.

Wir schwimmen alle in einem Meere von Güte und Leben. Wenn wir uns gelegentlich wie Raubfische, Stichlinge und Stacheltiere benehmen, so ist nicht das Meer schuld. Aber die Natur paßt sich überall an. Hat sie sich angepaßt an das Weh des Weltmeeres, warum sollte sie sich nicht auch anpassen an das Gute und Erfreuliche!

Und noch eins. Die Welt ist gut. Also haben wir nicht das Recht, das Gute außerhalb der Welt zu suchen. Erstlich gibt es kein »Außerhalb«. Die es aber doch hinausverlegen, verbreiten, ohne es zu wollen, die Uebellaunigkeit und Grämlichkeit. Sie sind nicht die Heilsträger für die Menschheit. Dazu sind sie viel zu weltfern. Wer wirklich nützen will, muß es tun von einem festen Punkte innerhalb der Welt aus. Denn man kann nicht neben die Welt treten. Dieser feste Punkt liegt in der Frage, die einzig des wirklichen Lebens würdig ist: Wo ist das Glück? Wer die Frage so stellt, öffnet hungrige, aufmerksame Augen und wird sie nicht schließen, bis er gesehen hat, wonach sich sein ganzes Wesen sehnte.

Wo ist das Glück?

Wenn es wahr ist, daß das Glück in der Welt ist, so müssen sich überall seine Spuren finden, ja eigentlich muß erkannt werden, daß die Welt auf dem Glück aufgebaut ist, und mit der zunehmenden Welterkenntnis muß das Glücksbewußtsein zunehmen. Das Erkennen der Welt muß den Beweis des Glückes erbringen. Denn ohne Beweis wird der fortgeschrittene Geist der Neuzeit nichts mehr annehmen. Die Massen zwingt man mit Glaubenssätzen, die Auserwählten nur mit Beweisen.

Ist nun der Erweis des Glückes tatsächlich gelungen? An sich würde es gar nichts schaden, wenn das vorläufig noch nicht der Fall ist. Wir würden dann einfach sagen können: Es muß gelingen, und alles strebt darauf zu, daß es gelingt. Wie es nach langen Bemühungen gelungen ist, die Bewegung der Erde und der Sonne nachzuweisen und überhaupt die Bewegungskraft im All zu erkennen, so müßte es auch gelingen, das Glück zu erweisen. Denn Bewegung ist die äußere Kraft, die die Welt regiert, die innere Kraft ist das Glück.

Was heißt eigentlich Glück?

Das, was viele Glück nennen, das hasse ich, denn es ist weiter nichts als eine Bevorzugung einzelner, ein törichter Zufall, der tausende kränkt, damit ein einzelner einen kleinen Vorteil erhascht.

Solches Glück ist für die Allgemeinheit das Unglück. Es könnte nur dadurch einigermaßen ausgeglichen werden, wenn der Glückliche den unverdienten Vorteil benutzte, um damit dem weniger Begünstigten dienstbar zu werden. Bekanntlich geschieht das nicht oft; geschieht es aber, so ist es ein Zeichen des wahren Glücks.

Zum wahren Glück gehören zwei Dinge. Es muß erstlich für alle gleichmäßig da sein. Ein Glück, das nur wenigen zuteil wird, während alle anderen darben, verdient den Namen nicht und tut weh. Es muß aber zweitens auch einen sicheren Bestand haben. Ein vergängliches Glück kann keine wahre Freude hervorrufen. Was nicht an diesem Maßstabe gemessen werden kann, ist nur Zufall, kein Glück, was aber drunter fällt, ist wirklich das Glück, das Gute, das Wahre. Wir begrüßen darin eine sichere Lebensfülle, einen bleibenden Kraftzuwachs der Menschen. Nur so vermag es die Menschen zu befriedigen.

Das wahre Glück besteht darin, daß der Mensch Machtfülle gewinnt, die ihn über die Welt der Dinge stellt und seine eigentliche Wahrheit, seine Größe und Herrscherstellung offenbart. Es muß aber eine Machtfülle sein, die der Allgemeinheit zugute kommt und jeden daran teilnehmen läßt, die den Gegensatz von Gewalttätigen und Unterdrückten völlig aufhebt.

Dieses Glück kann nur erarbeitet und sauer erworben sein. Sonst hätte es ja keinen Bestand. Es könnte aber nicht angeeignet werden, wenn es nicht an sich da wäre. Es muß die Fülle sein, die die Welt durchflutet, und die der Mensch in seinen Dienst nimmt. Die Welt muß durchwaltet sein von Gutem. Allem Sein muß Beglückendes zugrunde liegen, und was die Menschheit sich davon aneignet und erwirbt, das ist ihr Glück. Es mag Zustände geben, in denen der Mensch die Kräfte, die die Welt durchwalten, nicht versteht und sich aus Unverstand von ihnen beherrschen läßt, statt sie selbst in seinen Besitz zu nehmen. Aber indem die Menschheit in Erkenntnis zunimmt, lernt sie alles Sein verstehen und ihrem Willen dienstbar machen und löst mehr und mehr die Aufgabe, das Glück für sich, und zwar für jeden einzelnen, zu erarbeiten. Sie erhöht ihre Lebenshaltung und schafft das Bewußtsein der Freiheit, der Macht, der Freude, und jeder einzelne darf an diesen Errungenschaften teilnehmen.

Wo gibt es ein solches Glück? Ist es schon verwirklicht, kann es überhaupt verwirklicht werden?

Darüber kann nur der Blick auf das Ganze der Menschheit Aufklärung geben. Welches ist wohl der tiefste Eindruck, den man als denkender Mensch bei Betrachtung der Gegenwart und Vergangenheit der gesamten Menschheit ohne weiteres bekommen muß?

Es läßt sich in ein einziges Wort zusammenfassen – Fortschritt. Die Menschheit ist die Darstellung eines ungeheuren Vorwärts. Man mag heute in die Hand nehmen, was man will, alles verkündigt eine gewaltige Entwickelung, und wo je etwas stehen geblieben ist, so schreit es nach Entwickelung und beruhigt sich nicht früher, als bis sie wenigstens in Gang gekommen ist. Niemand, der einigermaßen Leben in sich spürt, mag heute mehr stehen bleiben, und wer es doch tut, verkümmert mit der Notwendigkeit eines Naturgesetzes.

Wer aber zurücksieht in die Geschichte, er mag betrachten, welches Gebiet er will, bekommt denselben Eindruck. Es hat nie eigentlichen Rückschritt oder Stillstand gegeben. Zwar sind zuweilen ganze Kulturvölker mit allen ihren Errungenschaften untergegangen, aber was sie erworben, ist stets neu erwacht, und jede folgende Kultur war größer als ihre Vorgänger. Völker sind untergegangen zu Hunderten, vielleicht zu taufenden, aber die Ursache ihres Todes war nur das Stillestehen. Weil die Menschheit vorwärts drängte, wurde alles, was sich nicht zum Träger des Fortschreitens machte, beiseite gelassen und erstarrte im Tode.

Das Leben ist Entwickelung. Wie ein Glied im Körper einfach nicht mehr mit ernährt wird, wenn es durch eigene oder fremde Schuld von dem Lebensstrome ausgeschlossen wird, so erging es allen Gliedern der Menschheit, die stehen blieben und nicht vorwärts schreiten wollten. Neue Völker, neue Stände, neue Menschen überwuchsen die Zurückbleibenden. Denn das Gesetz des Fortschritts ist unlöschlich eingegraben in das ganze Sein der Lebendigen. Die Geschichte der Menschen bezeugt es.

Aber es gibt auch eine ungeschriebene Menschheitsgeschichte. Lange ehe schriftlich die Geschicke der Völker festgehalten wurden, gab es eine Geschichte der Menschheit. Wir übersehen ja nur den allerkleinsten Teil der wirklichen Menschengeschichte, eine Minute der Menschenjahre. Auch diese nur sehr unvollkommen. Aber auch die vorgeschichtliche Menschheit mit all ihren gewiß hohen Leistungen hatte nur ein Wahrzeichen, unter dem sie stand, den Fortschritt. Sonst gäbe es heute keine Geschichte, keine Wissenschaft, keine Kultur. Alles Sein ist nur eine große Kette des Werdens, in der jeder Ring gleiche Bedeutung hat. Die geschriebene Menschheitsgeschichte stellt nur die beleuchteten Ringe dar. Die unbeleuchteten sind ebenso wichtig.

Es wäre aber unmöglich, daß gerade die Menschheitsgeschichte den Fortschritt darstellte, wenn nicht überhaupt alles Leben dieses Gesetz in sich trüge. Auch die Menschheit ist nur ein kleiner Ausschnitt der Wirklichkeit des Lebens. Es hatte seine Riesengeschichte, ehe ein einziges Menschenwesen auf diesem Planeten atmete.

In spärlichen Runen zeichneten die Erdschichten diese Geschichte der Lebendigen auf. Was sich tief in den verschiedenen Erdschichten als Rest früherer Lebewesen findet, verkündigt ebenso das Grundgesetz des Lebens: Vorwärts. Denn das Leben hat nie weder Stillstand noch Rückschritt geduldet. Beides ist ja Nichtleben, also Tod. Tod ist ein Heraustreten aus dem Bereiche des Lebens, ein langsames oder schnelles Beschatten und Zerdrücken des Lebens. Alles was stehen bleibt, ergibt sich dem Tode.

Aber woher stammt das Leben selbst, diese unermüdlich, unaufhaltsam vorwärts drängende Urkraft?

Den Ursprung des Lebens festzustellen dürfte wissenschaftlich unmöglich sein. Es ist auch nicht notwendig. Wir werden niemals alle Geheimnisse der Welt ergründen. Aber man kann sich mit der Annahme beruhigen, daß das Leben eine Eigenschaft des Stoffes ist und zwar die bemerkenswerteste. Jedenfalls finden wir das Leben dem Stoffe eingepflanzt, und da alles Sein nur eine ungeheure Einheit darstellt, kann es von ihm nicht wesentlich verschieden sein. Es kann einen toten Stoff nicht geben.

Wenn nun Fortschritt das Grundgesetz des Lebens ist, so ist er auch das Grundgesetz des Stoffes, der Erde, der Welt überhaupt. Die Welt ist aufgebaut auf lebendiges Werden, das alle Kräfte in Bewegung setzt, und das nicht ruhen wird, bis es Befriedigung findet. Die Aneignung dieser Kräfte und das Bewußtwerden des unentwegten Fortschreitens ist das Glück. Alles Sein bewegt sich dem Glücke zu. Es sehnt sich bewußt oder unbewußt nach dem Guten, das durchaus werden muß, weil es die Triebkraft des Ganzen ist. Die Sehnsucht nach Vollkommenheit ist das Grundgesetz, das als tiefster Zug allem Sein eingeschrieben ist. Wo Vollkommenheit zum Bewußtsein kommt, da ist das Glück.

Dieses Grundgesetz des Seins kann nie erschüttert werden. Angenommen auch, es käme nächstens irgendein dunkler Weltkörper von der Größe unserer Sonne aus dem Weltenraume daher und zerschmetterte die Sonne nebst allen ihren Planeten und zermahlte auch alles Leben dieser Planeten zu Weltsplittern, so würde damit an dem Grundgesetz des Seins so wenig geändert, als wenn ein herabfallender Dachziegel einmal einen Menschen tötet. Solche Dinge können sich ereignen, aber sie ändern am Leben, am Glück des Ganzen, auch das Leiseste nicht. Würde das ganze Sonnensystem in Staub und glühende Gase verwandelt, das Leben, die Entwickelung der Welt, liefe dessenungeachtet weiter dem Glücke entgegen. Es gibt Myriaden von Sonnensystemen, auf denen es seine Stätte haben kann, auch wenn einmal eines zertrümmert wird.

Wir können ja gar nicht wissen, ob unser heutiges Sonnensystem das erste ist, das aus seinen Stoffmengen gebildet wurde. Vielleicht haben dieselben Massen von Stoff einmal als Bausteine eines ganz anderen Planetentums gedient und sahen auf früheren Welten unendliches Leben und Glück erstehen und wieder vergehen vor Milliarden von Jahren. Dessenungeachtet sind sie alle Keimträger des Glückes und des Lebens, die sich, wo irgend Gelegenheit ist, zur größtmöglichen Glücksentfaltung auswachsen werden. Irgendwo und irgendwie wird dieses Ziel doch erreicht, und jeder von uns trägt einen Keim in sich und spiegelt – das Glück.

Wo ist also das Glück? Seine Keime liegen überall, sein Wachstum ist in allem Sein. Es ist die Geistessonne, die dem All leuchtet, das große Ziel, dem alle Welten, alle Wesen, alle Menschen unentwegt zustreben müssen.

Aber ich?

Aus allen Ausführungen über das Glück in der Welt läßt sich aber – das muß zur Steuer der Wahrheit gesagt werden – auch das Gegenteil folgern. Es hat auch nicht wenige Menschen gegeben, die die Welt als wahre Unglücksstätte hingestellt haben, geeignet, jede Glücksempfindung aufs schrecklichste zu zertreten. Das ist in sich unwahr. Aber ein solcher Schluß ist mehr als ein bloßes Gedankengebilde. Er ist eine Gewalt, die sehr verhängnisvolle Wirkungen hat. Doch davon später. Die Hauptfrage, von der aus Menschen zu dem Unglücksschlusse gelangten, ist nämlich: Wo bleibt in all den unendlichen Entwickelungsreihen das Ich, der Einzelne? Zugegeben auch, daß das Weltglück des Alls in der großen Entwickelung besteht, daß Glück die Grundlage ist, auf der alles aufgebaut ist, das goldene Gesetz des Lebens, so bleibt doch das drückende Bewußtsein, daß die Entwickelung nur unbegrenzte Reihen kennt. Ihr Glücksziel erreicht sie erst in Jahrtausenden, vielleicht in Jahrmillionen. Nach dem Ich, dem Einzelnen fragt sie überhaupt nicht. Ob's ihm gut oder schlecht geht, oder ob er ganz zugrunde geht, das kümmert doch die Entwickelung nicht. Sie geht kalt und mitleidlos ihre Bahn. Für sie gibt's kein Wohl und Wehe des Einzelnen. Nun ist aber der Einzelne gerade der Widerschein des Glücks. Es kann nirgends zurückgestrahlt werden als aus dem Ich. Doch aus der Reihe nicht. Die ist ja stumpf und fühllos. Vielmehr gehört zur Glücksempfindung durchaus ein Ich, und ein Glück ohne Glücksempfindung gibt's nicht. Um so grausamer ist also die Welt eingerichtet. In ihr liegt die unbezähmbare Sehnsucht nach Gutem, nach Vollkommenheit unlöschlich eingegraben, aber ihre notwendige Ergänzung, der einzige Ort, wo sie voll zur Geltung kommen kann, der eigentliche Sitz der Empfindung wird von ihr erbarmungslos zertreten. Vom Menschen herunter bis zum geringsten Lebewesen ist alles voll Weh, weil überall das einzelne mißachtet und dem Fortschritt der Gattung aufgeopfert wird. Verkehrte Welt! Sie sollte sorgen für das Wohlbehagen des Einzelnen, denn nur er kann Glück zurückstrahlen, und sollte die Gattung dadurch beglücken, daß sie alle Einzelwesen froh macht.

Dieser Gegensatz nun zwischen dem Großen und Kleinen, der Allgemeinheit und dem Einzelnen ist's, über den viele nicht hinwegkommen können. Hier liegen die Wurzeln der Unglückseligkeit, der Weltverachtung, der Jammertallehre und alles Düsteren, was als Lehre oder als persönliches Schmerzgefühl in aller Welt zum Ausdruck kommt. Die Welt ist vielleicht voll Glück, aber in ihr zu leben erscheint als das größte Unglück.

So ist die herbe Wirklichkeit. Aber wir können uns mit ihr nur abfinden, indem wir sie zu verstehen und Stellung zu ihr zu nehmen suchen. Aendern können wir Wirklichkeiten nicht, um so weniger, als hier offenbar die stärksten Grundgesetze alles Seins in Betracht kommen.

Schon von vornherein werden wir uns indessen sagen müssen, daß die Naturordnung in sich richtig sein wird. Wenn etwas falsch ist, so ist es höchstens unsere Stellung dazu.

Wir sahen schon, daß ein echtes Glück erworben sein muß, und wenn es der ganzen Welt zugrunde liegt, so muß es sehr groß sein. Also kann es gar kein Glück geben, das in erster Linie den Einzelnen berücksichtigt, sondern nur ein solches, das aufs ganz Große gerichtet ist. Aber damit ist ja der Einzelne davon gar nicht ausgeschlossen. Im Gegenteil, je mehr der Einzelne sich Gutes zu eigen macht, um so eher wird das große Ziel des Ganzen erreicht. Gerade auf dem Einzelnen ruht die große Glückshoffnung der Allgemeinheit. Versagt der Einzelne, so geht die große Hoffnung ja nicht verloren, aber sie sucht sich andere Träger.

Gerade darin liegt aber die Bedeutung des Einzelnen. Er ist zum unentbehrlichen Mitarbeiter für die Erreichung des großen Zieles gemacht. Je bewußter ein Wesen ist, desto mehr ist es in den Dienst des Glücks eingestellt. Der Mensch ist also der eigentliche Glücksträger. Freilich Arbeit erfordert's. Wer nicht mitarbeitet auf das große Ziel hin, sitzt natürlich im Unglück. Dieses Einstellen des Einzelnen ist gerade der große Gedanke. Das Große ist unentwegt ins Auge gefaßt, von dem Kleinen ist der Anschluß gefordert.

Wer im Einklange mit der Natur handeln will, muß also unausgesetzt arbeiten, daß die Entwickelung durch ihn vorwärts geht. Darin besteht sein Sonderglück, daß er arbeitet auf ein Gutes, dessen Wirkungen der Allgemeinheit zugute kommen können. Die Natur überläßt also die Glücksfrage jedem einzelnen Ich und sorgt nur, daß die Richtung aufs Große und Ganze nicht verloren geht.

Um den Einzelnen ist sie allerdings erstaunlich unbekümmert. Aber ehrt sie ihn damit nicht aufs höchste? Als wollte sie sagen: Du bist ein Teil von mir. Auch in dir liegt derselbe Trieb nach vorwärts, also kannst du solange nicht unglücklich sein, als du in meiner Richtung arbeitest. An jedem Ich kommt die Welt zum Selbstbewußtsein, also muß jedes Ich befähigt sein, sein eigenes Glück selbst zu besorgen. Hier walten Naturgesetze mit der unerschütterlichen Wahrhaftigkeit, die ihnen eignet.

Das ist die wahre Ausnutzung der Kräfte, ein Zeichen, daß wirklich das Glück die Grundlage der Welt ist. Das Sonderglück kann dem Einzelnen getrost überlassen werden, und alles, was bewußt und unbewußt arbeitet, schafft mit an der Verwirklichung der größten Erdenziele.

Demnach gilt als Gesetz: Das Glück des Einzelnen ist in ihm selbst begründet. Soweit er sich dem großen Ziele selbsttätig und bewußt anschließt, soweit muß er glücklich werden. Die alten Römer hatten ein Sprichwort: fortes fortuna adiuvat, d. h. den Starken hilft das Glück. Fortuna ist nach dem Wortklange nichts anderes als Kraftentfaltung: Den Kräftigen hilft die große Kraft.

Vom Glück ausgeschlossen sind also alle Faulen und alle, die nur ihr eigenes kleines Ich selbstsüchtig suchen. Diese können ja zuweilen einen kleinen Vorteil erringen. Aber sie werden niemals voll beglückt und befriedigt. Das Glück liegt in rastloser Arbeit, die aber durchaus das große Weltziel im Auge haben muß: das Gute für alle. Die Arbeit belohnt sich reichlich, wenn dem Vorwärtsschreitenden ihre großen Ziele mehr und mehr zum Bewußtsein kommen. Je enger jemand den Kreis zieht, in dem seine Arbeit Nutzen schafft, um so enger begrenzt er sein Glück. Je weiter jemand den Blick öffnet und seine Ziele steckt, desto mehr erweitert sich sein Glück!

Es gibt also auf diesem Planeten die Möglichkeit herrlicher Befriedigung. Diese liegt durchaus nicht ausschließlich in der Erreichung der letzten Ziele, sondern schon in dem Bewußtsein der Zielgemäßheit, das der Einzelne auf jeder Stufe erreichen kann. Auf so verschiedener Entwickelungsstufe die Menschen auch stehen, auf jeder können sie glücklich sein. Es gibt glückliche Barbaren und Halbbarbaren ebenso wie Kulturmenschen.

Natürlich ist der Grad des Glücks verschieden. Der Barbar mit seinem geringen Bewußtsein erreicht kein sehr großes Glück, aber er erreicht es verhältnismäßig leicht; dem Kulturmenschen, der so tief empfindet, eignet ein weit größeres Glück, aber er erreicht es sehr schwer. Es ist ja unendlich viel höher. Darum gibt's unter niedrig stehenden Leuten sehr viele Glückliche, unter höher stehenden sehr wenige. Die Tierwelt ist in sich ganz glücklich. Sie kann höchstens in einzelnen Vertretern von außen her unglücklich werden. Unsere Nöte, Glücksnöte, kennt sie nicht. Bei jedem ist der Glücksgrad, den er vorläufig erreichen kann, verschieden. Je höher Wesen entwickelt sind, desto höher liegt ihr Glück, desto mehr Arbeit erfordert es, desto bewußter werden ihnen die Schwierigkeiten, desto leichter fallen sie herunter und werden verzagt. Niedrig stehende sind nicht so leicht verzagt, ihr Glück ist unschwer erreichbar, denn ihr Glücksbereich ist geringer.

Das Ich ist der bewußte Mitarbeiter der großen Glückskraft, die die Welt regiert. Der unbewußte Stoff ist die Kraftprobe für das Ich. In dem Maße, als es die Herrschaft über ihn ausübt, arbeitet es zugleich an seinem Glück und dem Glücke des Ganzen.

Aus dem Stoffe und seiner Sprödigkeit und Widerspenstigkeit kommen beständig Widrigkeiten über das Ich, als versuchte der Stoff sich der Herrschaft des Menschen zu entziehen. Sie erscheinen als Unglücksquellen und find es auch. Gäbe es keine solchen, so gäbe es kein Glück, denn nur das in heißer Arbeit Errungene ist überhaupt Glück. Also ist jede Widerwärtigkeit eine Probe, die der Einzelne zu bestehen hat: Wirst du's jetzt gewinnen?

Das Ich hat in dem Haushalt der Natur eine große Stätte zur Erlangung von Glück. An dem Maße, als es selbst den Einklang herstellt zwischen seinen Sonderbestrebungen und den allgemeinen Weltzielen, ist es ein Gefäß von Glück. Es könnte kein einziges unglückliches Ich geben, wenn es im Einklange mit dem Ganzen stünde. Unglücksbewußtsein ist meist die Spiegelung irgendwelcher Naturwidrigkeit.

Nicht vernachlässigt ist das Ich, sondern erst recht gewertet. Es ist berufen, an seinem Teil in vollem Umfange teilzunehmen an den Zielen, die der Welt eingeprägt sind, an dem Streben nach Vollkommenheit.

Der Trost der Unglücklichen

Trotz aller Glücksordnungen gibt es zahllose Unglückliche in aller Welt. Das Glück fließt als Ergebnis aus einem beständigen Kämpfen und Arbeiten. Dabei unterliegen viele, sei es, daß sie ihre Kräfte nicht voll ausnutzen, sei es, daß einzelne Proben wirklich über ihre Kräfte gehen. Die Unterliegenden aber werden zerdrückt.

Das Unglück kommt über sie in vielfacher Form. Es naht als Krankheit oder allerlei Mißlingen äußerlicher Art. Das sind aber in der Regel nur Erscheinungsformen und Erkennungszeichen viel tiefer liegender Not. Das eigentliche Unglück beginnt im Geiste und tritt erst später in die Erscheinung. Innerliches Verzagen und Verbittertsein, ein Erschrecken vor der Größe der Aufgabe verdüstert das Innere des Menschen und bestimmt ihn zurückzuweichen.

Solche Zustände können sogar erblich sein wie Krankheitsanlagen. Sie sind auch Krankheiten. Durch sie ist für den Einzelnen oft die Möglichkeit des Glückes von vornherein ungeheuer erschwert, wenn nicht unmöglich. Manche sind beherrscht von düsteren Todesgewalten, noch ehe sie geboren sind.

Wenn es gelingen würde, einen Menschen innerlich zu fassen und wieder aufzurichten, so würden sich auch äußerlich seine Verhältnisse und sonstigen Nöte bessern müssen. Aber es ist viel schwerer, eine Krankheit zu heilen, als zu verhüten. Man sollte jedem freien Ich zurufen: Du hast dein Glück selbst in der Hand. Es hängt ab vom Grade deiner Zuversicht. Von deinem Mute und nicht von deinen Verhältnissen wird dein Schicksal bestimmt.

Wer schon ganz daliegt, bei dem muß freilich ein langer Heilungsvorgang eintreten. Mit Uebellaunigkeit und Verbitterung fing's regelmäßig an, mit allgemeinem Mißlingen endet es.

Jedenfalls soll man aber nicht sagen, daß das Unglück die Welt beherrscht. In der Welt, im Stoffe liegen ja Schwierigkeiten, eine gewisse Sprödigkeit, die überhaupt den niederen Stoffteilen eignet. Sie kann überwunden werden durch die allgemeine und besondere Glückskraft, die in der Welt und im Ich schlummert. Diese muß aber geweckt werden, sonst gewinnt es das Unglück. Das Ich ist an sich stärker als jede Unglücksgewalt, aber es muß seinen Besitz erst in heißem Ringen erwerben. Unglück entsteht fast nur infolge innerer Mängel.

So gäbe es also doch zweierlei Menschen! Die einen die Kraft– und Glücksmenschen, die fähig und willig sind, im Sinne der Weltordnung zu arbeiten, und die selbst ihre Verhältnisse zu gestalten vermögen, die anderen, die nicht so auskömmlich gestellt sind, denen Erkenntnis und Kraft mangelt, und die einfach zertreten werden von mitleidlosen Sterbegesetzen.

Das ist aber nicht so. Auch das Leid hat eine Glücksbeziehung. Das Glück hört damit noch lange nicht auf, daß jemand vom Leid überwältigt wird. Man kann sich auf doppelte Weise zum Leide stellen. Man kann ihm ins Gesicht lachen. Dann verschwindet es bald. Denn es fürchtet ein frohes Lachen. Wer lacht, hat es damit innerlich schon überwunden. Dann dient das Leid zur Erhöhung des Glücks. Es gäbe kein Glück, wenn's kein Leid gäbe. Wie das Geld in dem Augenblicke seinen höchsten Wert hat, wenn man's weggibt, so hat ihn das Glück dann, wenn es aus dem Leide auftaucht.

Aber nicht alle können lachen. Nicht bei allen taucht das Glück aus dem Leide auf. Die meisten seufzen und lassen sich verzweifelnd zerdrücken. Auch diese sind damit noch nicht vom Glücke verlassen und für immer ausgeschlossen. Sie wissend nur nicht. Gerade im Leide sammeln sich Kräfte des Glücks. Viele Menschen sind gleichsam entleert worden, sei es durch eigene Nachlässigkeit, sei es durch die Oede ihrer Umgebung und Erziehung, sei es auch so, daß ihre Kräfte schon verzehrt waren, lange ehe sie zur Welt kamen. In letzterem Zustande befinden sich die Reste früherer Kulturvölker und die Nachkommen von Uebermenschen.

In solchem Falle müssen aufs neue Kräfte gesammelt werden. Das geschieht am sichersten unter dem Schutze des Leides. Nöte sind Krankheiten, und Krankheiten sind Heilkrisen. Der Mensch weiß oft gar nicht, wie er gerade zu diesem oder jenem Leide kommt und verflucht es und wünscht es weit weg. Es geht schließlich auch weg, denn kein Leid währt ewig. Aber unter seiner Anwesenheit hat es seinen Träger unvermerkt gereift und gestählt und ihm heimlich neue Lebensmöglichkeiten erschlossen. Wer aus dem Leide einmal auftaucht, der hat das unvergängliche Glück. Das echte Glück ist unverlierbar.

Das Leid ist ein vorübergehender Druck, der Mensch aber ein ewiges Ich. Das Ich überdauert weit jegliches Leid. Daher ist für viele Entkräftete oft das Leid der einzige Weg zum Glück, die einzige Möglichkeit, wieder stark zu werden. Das Unglück braucht nur Zeit, um auszuheilen, und Zeit steht unendlich viel zu Gebote.

Wer also tief drin sitzt, und wen die Menschen nicht mögen vor lauter Unglückseligkeit, der kann sich wenigstens den Trost geben: Ich sitze jetzt einsam und sammle neue Kräfte zu ungeahntem Lebensaufschwung. Mein Augenblick kommt noch.

Aber wenn man darüber stirbt, ehe man das Glück erreicht! Das ist das Los vieler. Es kann aber auch das kein sonderliches Unglück sein. Zuweilen mag der Tod geradezu die Glückswendung bedeuten, in keinem Falle hat er mehr Kräfte, als das Ich ihm gewährt. Denn er ist keine selbständige Macht neben dem Leben. Er ist nur eine Lebensunterbrechung. Auch das Unglück ist nur verhülltes Glück. Leben und Glück kann überhaupt nicht verlorengehen, denn nichts geht verloren. Bekanntlich ist es unmöglich, daß irgendein Stoffteilchen je verloren geht. Es kann verwandelt und in neue Verbindungen übergeführt werden, aber verloren gehen kann's nicht. Das ist chemisch nachgewiesen. Es ist ferner unmöglich, daß irgendeine Kraft je verloren geht. Auch die leiseste Bewegung setzt sich unendlich fort. Sie wird verwandelt, aber nicht vernichtet. Das ist physikalisch erwiesen.

Warum soll denn Leben verlorengehen? Ist das nicht auch Kraft? Warum soll ein Ich verloren gehen? Das ist eine Kraftquelle ersten Ranges. Sie kann erschöpft werden, ja, aber sie muß sich unter allen Umständen wieder sammeln können. Im Leide wird sie gesammelt. Dazu ist das Leid da. Während des Leides sammelt das Ich neue Kräfte. Gerade während es meint vergehen zu müssen, wächst es sich unvermerkt und still zu neuem Lebensaufschwung aus. Das sollten alle Unglücklichen wissen.

Darum begreifen wir, daß unser Glücksgesetz so mitleidlos waltet. Es richtet sich zielbewußt auf Entwickelung im Stoffe, weil das Ich sein eigenes Glück in sich selber trägt. Es ist keinem Leide möglich, es zu vernichten, im Gegenteil wird jedes Leid es festigen.

Wer das heute weiß, ist eigentlich nicht mehr fähig, unglücklich zu sein. Das Leid ist nur ein kurzes Jetzt, das Glück das große Einst. Wer es nicht weiß, dem sollte man's sagen. Die meisten werdend ja nicht glauben, viele wollen's gar nicht glauben, weil es eine gewisse Wollust des Elends gibt, den höheren Grad der Verbitterung und des Verdrusses. Aber die es glauben, werden sich dadurch innerlich gelöst fühlen und im weiteren Aufmerken werden sie Gutes erleben.

Menschen, die Trostquellen für Unglückliche sind, wirken sich im allgemeinen ganz unbewußt aus. Wohltätige Wirkungen entströmen ihnen wie sonnige Glücksstrahlen. Ihr ganzes Sein vermag zu trösten, nicht ihr Tun oder Reden. Aber auch wenn dieses unbewußte Wirken nicht erkannt werden sollte, so wird am Bestande des Glücks doch dadurch nichts geändert, daß Leute nicht dran glauben. Ihr Besitz bleibt, ob sie ihn anerkennen oder nicht, denn er ruht auf dem Grundgesetz der Welt.

Wenn daher einmal die Massen der Menschen nicht mehr an das Gute glauben wollten, so würde daran die Menschheit nicht zugrunde gehen. Es bedürfte nur Weniger, um die Wahrheit des Glücks und des Guten aufrechtzuerhalten für alle. Diese Wenigen würden Sonnen werden, um die dunkle Massen zu kreisen anfangen, und sie würden sie erwärmen und erleuchten. Wenn in einem Haushalte nur ein einziges Glückskind in aller herrschenden Verdüsterung und Verbitterung ist, so ist das eine ein Lebensquell und Lebenszeuge für alle. Denn seine Strahlen müssen schließlich alle erleuchten und dem Unglück wehren. Darum bleibt auch hier die Wahrheit stehen. Das Gute, das Glück ist die Urkraft, auf der alle Welt aufgebaut ist. Das Ich kommt dabei auch nicht zu kurz. Es ist das Gefäß des Glücks, das voll läuft, sobald es dafür leer ist. Es kann kein Ich geben, das hoffnungslos vom Glück und vom Guten ausgeschlossen wäre.

Das Glück der Menschheit

Solange es Menschen gibt – und das ist sehr lange – hat es stets einzelne Träger dieser hohen Würde gegeben, in denen das Glück Gestalt gewann, und die darum befähigt waren, auch die minder günstig gestellten ihrer Brüder an das Glück anzuknüpfen.

Das ist dadurch geschehen, daß alle, die jemals der Menschheit vorwärts halfen, unentwegt an das Gute und an den Fortschritt geglaubt haben. Sie wären sonst völlig unfähig gewesen, eine wirklich nutzbringende Arbeit zu leisten.

An sich ist die Geschichte der Menschheit die Geschichte des Fortschritts und des Glücks. Großes ist errungen für alle und Größeres noch wird errungen werden. Das Gute für jeden Menschen ohne Unterschied ist das leuchtende Ziel, dem wir uns unausgesetzt nähern. Ob es je vollkommen erreicht wird, braucht uns dabei weiter nicht zu beunruhigen. Es ist schon weit mehr erreicht, als die kühnsten Erwartungen früherer Zeiten je zu hoffen wagten.

Wer hat nun zu solchen Fortschritten geholfen? Nur solche Leute, die unverzagt immer vorwärts schauten und an den Sieg der Vollkommenheit glaubten. Die größte Schwierigkeit für den Erfinder und Bahnbrecher war stets der Unglaube oder Aberglaube der Mitmenschen. Als in England die erste Eisenbahn gebaut wurde, gab der Erfinder an, welche Strecke er in der Stunde hoffe zurücklegen zu können. Da bat man ihn, das nie in Gegenwart der Arbeiter zu wiederholen. Sie würden sonst alle davonlaufen. Heute wird eine drei- bis vierfach so große Strecke bequem zurückgelegt.

Wer einen Schritt vorwärts wagen will, darf niemals auf die entgegenstehenden Urteile der Menge horchen sondern muß ausschließlich sein Ziel ins Auge fassen. Denn die Massen sind immer verzagt und verdüstert. Sie mißgönnen auch denen, die nicht zur Masse gehören, den Sieg des Fortschritts. In der Wirklichkeit war es stets so, daß die Massen im Unglück saßen, und nur einzelne Träger des Glücks sie fortrissen. Je mehr solche Einzelne sich von den Massen loslösen und selbstbewußt an der zielsicheren Arbeit des Ganzen teilnehmen, desto durchgreifender und schneller kommen die Gesetze des Lebens zur Geltung und Wirkung. Das Ich ist dazu berufen, bewußt zu erfüllen, was der ganzen Welt als Gesetz und Richtung des Fortschritts aufgeprägt ist.

Es ist demnach völlig unmöglich, irgend etwas zu erreichen, wenn man nicht das Bewußtsein des Sieges in sich trägt. Alles große Werden ist zuerst im Geiste fertig geworden. Aus diesem trat es heraus in sichtbare Wirklichkeit. Was nicht im Geiste fertig ist und mit der Urkraft felsenfester Zuversicht daherbraust, kann niemals Wirklichkeit werden. An der Entstehung jeder Maschine kann man das Wesen der ganzen Welt beobachten, am Kleinsten das Ganze. Jede Maschine war einmal nichts weiter als ein einziger Gedanke, der blitzartig in irgendeinem Hirn aufleuchtete, eine Offenbarung der Glückskraft. Dann wurde sie ein Gefüge von Gedanken, das langes Sinnen verlangte, indem sich Gedanke an Gedanke reihte und von einem beherrschenden Geiste ordnen ließ; schließlich wurde sie sichtbarer Plan, der sich endlich mit dem Stoffe verband. So wurde die Maschine fertig. Ihr Wesen ist Geist, ihre Gestalt ist Stoff. Sogar ihre Bewegung ist Geist. Wir sehen nur die Mechanik, aber die Mechanik wäre nicht, wenn ein Geist sie nicht gedacht hätte.

So ist die ganze Welt. Sie ist die Darstellung des Willens zum Guten und Vollkommenen. Wir sehen nur den Stoff, aber er ist bis ins kleinste Teilchen hinein durchbebt von dem Drang nach vorwärts. Durch ihn wurden die Formen. Sie sind der Ausdruck des Geistes. Jede einzelne Form ist in sich vollendet und zweckentsprechend, aber keine bleibt stehen, sondern ist fähig, mit veränderten Verhältnissen sich zu wandeln und aus der Vollkommenheit immer vollkommener zu werden. Was bei der Maschine die ausführende Hand ist, das ist in der großen Welt die Zeit der Entwickelung und der Wandel der Formen, die durch ihren zielsicheren Wechsel einander bereiten halfen.

Es ist also alles Geist, und ohne Geist gäbe es weder Form noch Stoff. Der Geist sucht überall das Vollkommene und stellt es dar im Stoff. Ein ewiges Werden, ein ewiges Leben, ein ewiges Glück trägt uns und erfüllt uns, und indem das Ich sich diesem Geiste anpaßt, wird es auf jeder Stufe des Seins glücklich und fähig, das Leid zu überwinden. Wo es sich nicht anpaßt, ist sofort sein Werdegang gehemmt; es empfindet die Hemmung als Leid, aber auch diese bezweckt nur, seine Kraft zu stauen und zu neuem Werden durchbrechen zu lassen. Aus dem Reiche der Vollkommenheit vermag man so wenig herauszufallen wie aus der Welt überhaupt. Das Ich ist unzerstörbar wie der Stoff, mit dem es sich verhüllt; kein Schmerz, kein Leid vermag es zu vernichten. Sie müssen ihm schließlich dienen und es vorwärts führe», denn es ist Geist.

Das ist alles so selbstverständlich, daß es sich kaum lohnt besonders auszusprechen. Aber der Mensch ist, scheint's, so angelegt, daß ihm manche Wahrheiten öfters gesagt werden müssen. Weil ihm das Leid den Trost verdunkelt, muß man ihn vom Glück des Lebens überleuchten lassen.

Heute ist schon sehr viel Gutes unter den Menschen gelungen. Unendlich viele fangen doch an aufzuatmen, und die Lebenshaltung Unzähliger ist schon ein Aufatmen gegen das Dunkel früherer Zeiten. Wenn es aber einmal gelingen würde, noch breitere Massen der Erkenntnis des Fortschritts, des Glücks und des Lebens zu erschließen, so wird auch die Entwickelung in immer schnellerem Gange vorwärts gehen, und die Menschheit wird noch Wunder der Kraft vollbringen lernen. Sie wird und muß den Stoff noch ganz anders zwingen lernen, als sie es heute vermag, denn sie ist Geist.

Ich sage aber nicht, daß Geist und Stoff wesentlich verschieden sind. Der Stoff ist nur eine Form von Geist, gleichsam eine schwerfällige Verdichtung des Geistes, die belastend wirkt. Ihrer Herr zu werden und den Stoff völlig zu beherrschen, ist das Ziel des ungeheuren Werdens. Und es ist erreichbar, wenn auch unermeßbare Zeiträume dazu verbraucht werden. Aber es ist nicht erreichbar, um damit einen Stillstand einzuleiten, sondern nur um dem Geiste zu immer größerer Entwickelung zu helfen, die unser heutiges Denken sich entfernt nicht vorzustellen vermag.

Wer sich nun heute in den Sieg des Geistes und des Glückes hineinleben kann, durch den läuft die Lebenswelle der Menschheit hindurch, der ist auch fähig, etwas Nützliches und Förderndes zu leisten. Noch niemals hat jemand etwas geleistet, der nicht durchdrungen war von der Gewißheit des Sieges. Ein verzagtes Heer wird niemals siegen, und ein verbitterter Geist kann nichts erreichen. Um am Glück der Menschheit mitzuarbeiten, dazu muß man selbst Glücksträger sein und voll des großen Vertrauens, dem schließlich alle Herrschaft und Kraft beschieden ist.

Die Taten des Fortschritts der großen Geister waren Verkörperungen ihrer innersten Ueberzeugung, die in stofflicher Erscheinung aus ihnen heraustrat. Eine andere Möglichkeit, den Stoff zu beherrschen, gibt's nicht. Das Glück der Menschheit ruht in ihrer Ichheit, und ihre Geschichte ist die Gewähr, daß ihr Ziel erreicht wird.

Du und das Glück

Da lächeln die Unglückseligen alle wehmütig, verbittert, überlegen. Unglücklich fühlen sich aber weitaus die meisten, mindestens sind sie unzufrieden oder überhaupt abgestumpft. Natürlich reicht das Unglück nicht weiter als über ihr Ich. Die ganze Welt liegt im Sonnenschein, nur sie nicht, weil sie die schwarze Unglückskappe übergezogen haben.

Mit dem Glück geht's nämlich gerade wie mit dem Licht. Der ganze Raum ist licht, weil seine Sonnen ihre Strahlenfluten unausgesetzt in ihn ergießen. Finster ist's nur zuweilen auf den Planeten und ihren Monden. Diese Finsternis bereiten sie sich aber selbst durch ihren eigenen Schatten. Dann erscheint ihnen das Licht der zahllosen Sonnen wie fernes, unerreichbares Sternengefunkel. Ebenso verdunkeln sich Menschen das Glück durch ihren eigenen Schatten. Dann scheint es ihnen wie ein weltfernes Flimmern, und sie sitzen doch mitten drin.

Einer dieser Unglücklichen schrieb mir einmal unter anderem, seiner ganzen Familie sei überhaupt kein Glück beschieden. Sie müßten alle mit Unglück erblich belastet sein. Ein Zufall führte uns gelegentlich zusammen, und ich war gespannt, dieses gesetzmäßig geschützte Elend anzusehen, war auch zum aufrichtigsten Mitleid fest entschlossen. Aber ich muß sagen, daß ich selten einen so frohen Tag verlebt habe, wie mit diesem Muster aus einer Unglücksfamilie. Anscheinend war seine Lage natürlich keine beneidenswerte. Er war arm und siech, aber er hatte etwas, was wenige besitzen. Während er gelegentlich von seinem Unglück redete, lebte in ihm eine so unerschütterliche Glückszuversicht, daß von Elend schließlich doch nicht die Rede sein konnte. Er stand innerlich also drüber, und das Leid war nur ein äußerer Behang, der Schleier stofflicher Verhältnisse. Schließlich fingen wir beide so herzlich an zu lachen, daß die Elendswolken einfach verschwanden, und der Sonnenschein des Lebens durchbrach.

Manchen Menschen fehlt nur jemand, der mit ihnen lacht. Ihr Elend würde dann verschwinden und sie zum Bewußtsein des großen Guten, das sie umgibt, und das auch in ihnen lebt, bringen.

Bei vielen ist's natürlich mit dem Lachen nicht getan. Da kostet's stärkere Hebel, sie herauszuheben. Das sicherste Heilmittel für Verbitterte und Unglückselige beruht auf Ansteckung durch Gesundheit. Gesundheit des Geistes ist Zuversicht und Hoffnungsfreudigkeit. Lebensträger und Kraftbehälter sind die mit gesundem Geist Begabten, denn in ihnen ist das Grundgesetz der Welt und ohne sie bleibt die Menschheit stumpfe Masse.

Aber wer das Glück hat, solchen Menschen zu begegnen, muß wissen, daß er nur dann gesundet, wenn er sich selbst finden lernt. Solange man nur eines anderen Leben findet, solange fehlt noch das eigene Glück.

Wer glücklich werden will, darf überall Leben suchen und von überallher Gutes ausnehmen, aber dann muß er's in sich zu einem ganz neuen Sondersein verarbeiten, das sich eigenständig auswirkt, und alles, was nicht für ihn brauchbar ist, muß er abstoßen.

Anhängerschaften sind Krankenheime und Unglücksstätten. Man findet in allen Wahneifer, den sichersten Ausdruck der geistigen Beschränktheit, und das Unvermögen eigener Entwickelung. Und die, welche Anhänger um sich sammeln, erkranken meistens an dem Massenwesen und den Ausdünstungen ihrer Umgebung. Diese verflacht in Unselbständigkeit und jene verkommen in Eitelkeit und Größenwahn. Das Glück selbst ist beiden entflohen.

Wer das Glück sucht, darf sich nirgends anhängen. Anhängertum ist der Ausdruck geistigen Stillstandes. Stillstand ist Tod und Unglück, Vorwärtsgehen ist Leben und Glück.

Wer leben will und glücksfähig sein will, muß die Verantwortung für sein Leben selbst auf sich nehmen und darf sie nicht auf andere abwälzen. Er muß Unmittelbarkeit gewinnen und sich mit ganzem Sein dem großen Leben in der Welt anschließen, mag er's Stoff, Glück, Weltgeist oder Gott nennen. Nur so werden wahrhaft freie Leute, und ohne Freiheit gibt's kein Glück. Fremdes Leben, fremde Gedanke», fremde Fortschritte sind gut. Sie gehören der Menschheit, und jeder hat Anspruch darauf und darf sie benutzen. Aber ihre rechte Wirkung haben sie erst, wenn sie Ausgangspunkte eigenständigen Werdens sind. Werden sie zu Fesseln, so sind sie schädlich.

Wer in kleinlichem Eigenwollen sein Glück sucht, wird's verlieren, und wer in seinem unselbständigen Schwanken nur im Fremden Halt sucht, wird's nicht erhalten. Wer sein Glück finden will, muß sein ganzes Sein unmittelbar anschließen an das große Walten, das das All durchzieht, und das Leben und volle Befriedigung für jedermann gewährt.

Dabei kann der Mensch viel tun, seine Gesundung zu fördern oder zu verzögern. Es gibt Menschen, denen es eine gewisse Wollust bereitet, immer im Schweren herumzuwühlen und Düsteres zu denken. Es ist aber gar nicht gleichgültig, woran wir herumdenken. Gedanken sind Kräfte, denn es sind Geistesäußerungen. Wir verbinden uns durch unser Denken entweder mit Mächten der Finsternis oder des Lichts. Eines ist ganz gewiß. Durch verbittertes Denken werden wir völlig ausgeschaltet aus dem Strome des Glücks und unfähig, an jeder Vorwärtsbewegung teilzunehmen. Währt der Zustand lange, so verkümmern wir und versinken im Tode. Wir würden nicht sterben, wenn wir uns nicht freiwillig in das Sterben hineinstellten durch Aufnahme des Düsteren und Drückenden.

Wer seinen Geist mit guten Gedanken anfüllt, wird bald merken, daß sie unendlich viel stärker sind als die unguten. Diese haben nur darum heute soviel Macht, weil sie die Massen noch beherrschen, und die Zahl der Lichtträger noch so gering ist. Trotz aller großen Fortschritte der Zeit dürfen wir nie vergessen, daß wir erst in den Anfängen des Menschwerdens stehen.

Wem es aber gelingt, sich den Lichtsgedanken offenzuhalten, der wird nicht nur selbst licht sein, sondern auch bald anfangen zu leuchten, und zwar ganz unbewußt. Im Unbewußten liegt der Wert des Leuchtens. Bei den großen Blendlaternen der Zeit merkt man zuviel Absicht durch. Der Kundige weiß, daß hinter der Lichtquelle nur ein großes Blech steht, das die wenigen Strahlen solange vervielfältigt, bis sie wirklich blenden. Sie können aber nur nach Einer Seite leuchten, nach allen anderen sind sie rabenschwarz.

Die eigentlichen Lichtträger leuchten, ohne es zu wissen, aus dem unpersönlichen Leben heraus. Sie leuchten nach allen Seiten und ahnen ihren Wert gar nicht. Aber sie haben es schwer, in ihrer einsamen Stellung das Glück festzuhalten, gegenüber der allgemeinen Unglückseligkeit der Massen. Ich kenne einige Menschen, die schüchtern immer fragen, ob sie wirklich auf dem rechten Wege seien, während alle anderen doch anders geartet wären, die aber tatsächlich die einzigen Lichter ihrer Umgebung sind. Ihre Gegenwart wird oft schwer empfunden von den Verdüsterten, aber niemand wird so vermißt wie sie. Denn jeder Mensch sehnt sich doch heimlich nach Licht und Leben. Die Menschen atmen auf und fühlen sich befreit, wo sie aus einem Mitmenschen heraus die Glücksstrahlen anlachen. Ja sie bedürfen der Glücksträger, wie sie des Lichts bedürfen.

Ganz entbehrt kein Mensch des Glücks, und einmal hat es jedem geleuchtet. Es ist das holde Geheimnis der Kinder und der Jugend, daß sie unbewußt Glücksträger sind. Nur ist ihr Glück noch nicht erworben und erprobt. Darum hält es bei so vielen nicht stand. Wenn sie älter werden, versinken sie nur zu leicht in der Masse der Verdüsterten. Erst wer sich selbst durchringt zum Fortschritt und Leben, der nimmt zu im Lichte und kann niemals ausgelöscht werden.

Das Glück legt aber auch eine Verpflichtung auf. Sie wird im Zunehmen des Glücks so zur Selbstverständlichkeit, wie der Strahl die naturgesetzliche Aeußerung des Lichts ist. Sie ist auch ein Naturgesetz und lautet: Das Gute für jeden Menschen. Wir sind allen Menschen, mit denen wir zusammenkommen, für das Gute verpflichtet.

Die Menschen gehören, ob sie wollen oder nicht, durch ihr bloßes Dasein zum Ganzen der Vorwärtsentwicklung. Wer sich innerlich davon ausschließt und mit Gedanken des Elends oder Stillstands füllt, bleibt zurück.

Es gibt eigentlich nur Ein Gebot für den Menschen: Oeffne dein ganzes Wesen dem großen Sein, das die Eine allgemeine Welt durchwaltet. Aber das andere gehört dazu. Denke dich in den anderen Menschen hinein.

Ein großes Naturgesetz, das wenige kennen, heißt: Alle Geister haben gemeinsame Ziele. Sie sind also alle füreinander haftbar. Scheinbar sind die Interessen ja widerstreitend und infolgedessen auch ihre Träger. Aber das ist nur Kurzsichtigkeit und kleinliches Wesen. Anscheinend sind vieler Menschen Vorteile widersprechend, aber im Geiste und in der Wahrheit gibt es kein Gutes, das nicht für alle da wäre, und ist keiner ganz glücklich, solange es nicht alle sind. Wer in der wahren Glückslinie steht, muß daher das Gute des anderen suchen, dann findet er das eigene.

In diesen beiden Spuren allein liegt die Zukunft der Entwickelung. Wer sich in ihnen bewegt, geht auf dem Wege des Glücks und des Lebens im Einklang mit dem großen Naturgesetz, das allem Sein zugrunde liegt. Man könnte es auch die Religion der Zukunft nennen, die alle Menschen einigen kann. Denn mehr als dieser Einen Richtschnur bedarf's für keinen Menschen. Alles andere Drum und Dran ist entbehrlich.

Aber Religion wollen wir's lieber gar nicht nennen. Sonst wird's Formel, Lehre oder Aeußerlichkeit und bekommt am Ende gar noch einen pflichtmäßigen Vertreterstand von Ausnahmemenschen und Ordnungswächtern. Als Religion hilfts auch nichts. Es hilft uns nur, wenn es unser Grundsein wird, nur als durchlebte Wahrheit. Die Wahrheit muß Fleisch werden. Erst wenn sie Fleisch ist, wirkt sie erlösend. Es ist kein Zweifel, daß sie einmal das bezeichnende Merkmal und Erkennungszeichen einer neuen, glückseligen Menschheit sein wird. Aber allen, die sich heute noch gedrückt und unbehaglich fühlen – wir haben alle ohne Ausnahme solche Zeiten und Stunden – möchte ich doch den Rat geben: Achtet auf euer Glück. Ihr habt viel mehr, als ihr denkt, denn es umflutet euch wie ein Meer. Ihr habt nur euer Gehäuse so fest zugeklemmt, daß kaum Tropfen eindringen.

Ich habe sehr viele Menschen kennen gelernt. Mehr Unglückliche als Glückliche. Aber unter ihnen war doch keiner, den nicht gelegentlich ein Sonnenscheinchen angelächelt hätte, keiner, der wirklich ganz unglücklich gewesen wäre. Es liegt wirklich oft nur am Sehen. Denn das Glück ist immer da. Einer unserer Dichter sagt:

Dulde, gedulde dich fein!
Ueber ein Stündlein
Ist deine Kammer voll Sonne.


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