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Fünfter Teil.
Reisen ist so bildend

Also, Mrs. Babbitt, ich muß Ihnen sagen, und ich weiß, ich kann das auch im Namen von Mrs. Schmaltz tun, daß uns noch nie n Dinner besser geschmeckt hat – und das war so ziemlich das feinste Brathuhn, das mir in meinem ganzen Leben über die Zunge gekommen is – und es is mir wirklich n außerordentlich großes Vergnügen, daß ich diesen friedlichen Abend mit Ihnen und George haben kann. Ich persönlich, mich freuts, daß der Reverend und seine Frau nicht kommen konnten. Ich verehre den Reverend Hickenlooper ebenso wie irgendn anderer – wie Sie sagen, s gibt wahrscheinlich keinen Menschen, der einen größeren Einfluß auf das christliche Mannestum in Zenith hat – aber s is kolossal nett, daß wir so friedlich mit Ihnen und George plaudern können.

 

Und jetzt, George, die Fahrt zum Yellowstone-Park, wegen der Sie sich erkundigt haben.

Ich weiß nicht, ob ich nem alten, erfahrenen Langstreckenautomobilisten wie Ihnen behilflich sein kann, mit Ihrer reichen Erfahrung, obwohl ich nie der Meinung war wie Sie, daß man bei steilem Bergabfahren nicht in den niedrigeren Gang gehen soll, aber im Langstreckenfahren sind Sie mir wohl über, und ich hab oft zu Mrs. Schmaltz gesagt – nicht wahr, Muttchen – um eines beneid ich George F. Babbitt entschieden, und das is, wie er einmal dreihundertsechzehn Meilen in einem Tag gemacht hat, von morgens bis Mitternacht. Aber ich bild mir nicht ein, diesen prachtvollen physischen Leibesbau zu haben wie Sie, und ich bin nie imstande gewesen, mehr als zweihundertneunundachtzig Meilen in einem Tag zu machen, wenn ich mich dabei, wenn ich so sagen darf, freuen soll und spüren, daß ich mich erhole.

Aber trotzdem, es wird mir n kolossales Vergnügen sein, Ihnen mit jeder Auskunft zu dienen, die Ihnen vielleicht auf Ihrer Fahrt, wenn Sie sich entschließen, sie im nächsten Sommer zu machen, dienlich sein kann, also Ihnen jede Auskunft zu geben, wenn Sie sie dienlich finden.

Also ich persönlich, ich bin nicht ganz bis zum Yellowstone-Park gekommen. Wissen Sie, es is doch komisch, wie viele Leute in dieser Männerstadt meinen, ich bin von Zenith bis ganz bis zum Yellowstone-Park gefahren. Ich hab nie etwas Derartiges behauptet.

Allerdings, wie ich damals meine kleine Ansprache im West Side Bridge Club über meinen Ausflug hatte, da hat man sie – und kurz hat auch in der Spalte Nachrichten von der West Side der Evening Advocate drüber geschrieben – da hat mans also so aufgefaßt, als ob ich bis zum Yellowstone-Park gekommen wäre.

Aber s war keine Fahrt bis ganz bis zum Yellowstone-Park. In Wirklichkeit, und ich war immer der erste, das zuzugeben, bin ich gar nicht bis ganz bis zum Yellowstone-Park gekommen, sondern nur bis zu den Schwarzen Bergen in Nord-Dakota.

In Wirklichkeit wollt ich auch nicht nur die landschaftlichen und landwirtschaftlichen Wunder von Minnesota und Wisconsin und Dakota und so weiter sehen, sondern Muttchen hat einen Schwager – ich bin sicher, Mrs. Schmaltz wird entschuldigen, daß ich von Familienangelegenheiten rede, vor so alten Freunden wie Sie beide – sie hat diesen Schwager, der Unglück gehabt hat, und einer der Zwecke unserer Reise war, dorthin zu kommen und zu sehen, ob wir ihm behilflich sein könnten, ihm aus seinen Schwierigkeiten herauszuhelfen – ja, wissen Sie, der arme Teufel war in solchen Schwierigkeiten und Nöten, daß er tatsächlich Geld borgen mußte, um sein Geschäft fortführen zu können, er is in der Apotheken- und Papierwarenbranche. Also wissen Sie –

Ein ganz prachtvoller feiner Herr is er, und seine Frau is eine kolossal gescheite und gebildete kleine Frau. Sie ist auf das Ladies' Home Journal abonniert und liest es jeden Monat ganz durch. Und der arme alte Lafayette – so heißt nämlich der Schwager von Mrs. Schmaltz – hat ne ausgezeichnete Erziehung genossen; er hat nicht nur ein pharmazeutisches College absolviert und seine Prüfungen gemacht, er hat außerdem das Buchhaltungswesen in Briefen studiert. Aber irgendwie hat er nie was aufstecken können. Ich glaube, er is n bißchen n Träumer. Gleichzeitig mit seiner ersten Apotheke hat er auch eine Vertretung für die Florida Palmen- und Orangenbaum-Umpflanzungsgesellschaft übernommen, aber in Dakota hat er kaum ne einzige Palme absetzen können – die schwedischen Farmer sind ja vielleicht ganz tadellos als Farmer, aber auf der kulturellen Höhe von Palmen sind sie vorläufig noch nicht. Und dann später in einer anderen Stadt is er in Kompanie gegangen mit einem Herren, der Petroleum gefunden hatte, und außerdem wollt er auch ne Heizungsfabrik aufmachen –

Und wissen Sie, die Idee war nicht mal so schlecht, wie sie sich angehört hat. Selbstverständlich, das war ne Stadt, wos gar kein Eisen und gar keine Kohlen in der Nähe gegeben hat, und die Eisenbahnverbindungen waren auch nicht sehr gut, aber trotzdem, s war höllisch kalt – entschuldigen Sie, Mrs. Babbitt – s war schrecklich kalt im Winter, und wo braucht man schließlich mehr Heizungen als dort, wos kalt is? Aber trotzdem, die Sache is nicht richtig in Schuß gekommen. Schließlich hat sich rausgestellt, daß in dem Petroleumfeld gar kein Petroleum war, und die Heizungsfabrik konnte irgendwie nicht mit dem Trust konkurrieren, und so hat der arme alte Lafayette sein Geld fast ebenso schnell verloren wie verdient.

Also, wie wir rausgefahren sind, um ihn aufzusuchen –

Sie wissen, wie das Unglück den Gerechten mit dem Ungerechten heimsucht, und ich kann Ihnen sagen, grade damals waren der arme Lafe und seine Frau so schlimm dran, daß sie nicht mal n Automobil hatten!

Und ihr Radio war so alt und so billig, daß sie kaum Minneapolis kriegen konnten!

Also, daran können Sie ja sehen, wie elendiglich arm und vom Unglück verfolgt sie waren – sie haben in Tomahawk City, Nord-Dakota, gewohnt.

Na, um ein Langes kurz zu machen, da haben Muttchen und ich uns aufgemacht, um ihn aufzusuchen, und ich hab ihm alle Ratschläge gegeben, die ich ihm geben konnte, und dann sind wir weitergefahren und haben uns die Schwarzen Berge angesehen, aber wir hatten keine Zeit mehr, bis zum Yellowstone-Park zu kommen, aber trotzdem, bis dahin waren ja nur noch vier-, oder vielleicht können es auch sechs- oder achthundert Meilen gewesen sein, und so bin ich praktisch imstande, Ihnen eine detaillierte Beschreibung der Straßen und der Halteplätze und so weiter über die ganze Strecke zu geben.

 

Und wissen Sie, ich kann Ihnen wirklich ganz entschieden empfehlen, die Tour zu machen. Da kann man sagen, was man will. S gibt Leute, die behaupten, daß Bücherlesen am meisten bildet, und andere wieder wollen, daß man am meisten und am schnellsten lernt, wenn man sich Vorträge anhört, aber ich sage immer: »S gibt nichts, was so bildet wie Reisen.«

Also, nehmen Sie zum Beispiel bloß mal folgendes als Beispiel: Wie ich durch Minnesota gekommen bin, da hab ich festgestellt – das hab ich tatsächlich selber gesehen, aus erster Hand – daß dort ebensoviel Schweden wie Deutsche sind. Und komische Namen – ich kann Ihnen sagen, die hatten die allerkomischsten Namen! Swanson und Kettleson und Shipstead und lauter so ne Namen – einfach lauter Witze. Ich hab zu Muttchen gesagt: »Na, Mrs. Schmaltz«, hab ich gesagt – so sag ich oft zu ihr, wenn wir so n bißchen Unsinn machen – »na, Mrs. Schmaltz«, hab ich gesagt, »Du wolltest was Lustiges auf der Fahrt, und da hast Dus«, hab ich gesagt, »in den komischen Namen da.«

Und lauter so Sachen.

Wir glauben hier in Zenith, daß jeder Mensch, ich meine, jeder normale Mensch, genau so lebt wie wir, aber dort draußen in Minnesota hab ich gemerkt, daß ne ganze Menge von den Leuten nie in ihrem Leben auch nur von unserem Bürgermeister hier in Zenith gehört haben – die haben bloß von der Politik in Minneapolis und Saint Paul geredet! Ich kann Ihnen sagen, wenn man so reist, bekommt man nen ganz neuen Einblick in den menschlichen Charakter und erfährt, wie groß die Welt schließlich is, und, wie unser Pastor, Dr. Edwards, oft sagt, die Fähigkeit des Herren, neue Garnituren von psychologischen Modellen zu schaffen, is praktisch, könnt man sagen, vollständig unbegrenzt.

 

Also, ich will Ihnen in ganz großen Umrissen von der Tour erzählen. Von hier bis zum Yellowstone-Park müssen so ungefähr zweitausend Meilen sein, und da kann ich natürlich nicht auf Einzelheiten eingehen, sondern nur von den größeren Ortschaften reden, die Sie werden sehen wollen, und ganz allgemein von den Dingen, auf die man bei großen Touren achten muß, wenn man sie wissenschaftlich machen will.

 

Ja, danke schön, ne Zigarre werd ich nehmen, aber trinken will ich nichts. Na, von mir aus, aber ganz schwach. Schön, so is schön. Schließlich, wie ich oft zu meinem Jungen sage, zu Robby, wo die Prohibition nun mal Landesgesetz ist, sollen wir gar nichts trinken oder höchstens sehr wenig. So wirds recht sein. Halt! Na, jetzt wo Sies schon eingeschenkt haben, dürfen wirs nicht verkommen lassen, was? Nur noch n bißchen Soda. Schön! Grade recht!

 

Also wie gesagt, ich wills kurz machen. Wir sind nach Dakota losgefahren, nur Muttchen und ich – die Kinder haben mit ihren Schulen und ihren Studien zu tun gehabt –

Ich weiß nicht, ob ichs Ihnen schon erzählt hab, aber Delmerine hat gemerkt, daß sie n bißchen mehr Talent zum Malen hat als für Musik, obwohl, für mich hat sie eine der hübschesten Stimmen, die ich in meinem ganzen Leben bei einem so jungen Mädel gehört hab, aber ihr is von einer der besten Autoritäten gesagt worden, daß sie in der Kunst noch mehr leisten wird als in der Musik, und da is sie zur Kunstschule übergegangen, und Robby hat damals im letzten Sommer n paar Extrakurse machen müssen –

Aber davon is ja nicht die Rede, s handelt sich drum, daß Muttchen und ich ganz allein losgefahren sind.

Also Muttchen wird hoffentlich entschuldigen – sie weiß, wie gern ich sie mal flachse – also ich wollte sagen, grade wie wir so weit waren und losfahren wollten, da hat sie die Idee gekriegt, s war ne gute Idee, ihre alte Tante Sarah mitzunehmen, die da draußen in Rosedale wohnt.

»Nehmen wir doch Tante Sarah mit, damit sie auch mal was Nettes hat«, sagt sie.

»Wen mitnehmen, und was?« sage ich.

»Ja, Tante Sarah mitnehmen. Sie is noch nie wo gewesen«, sagt sie.

»Ausgezeichnet!« sage ich. »Hör mal, das wird ja einfach blendend. Und da wollen wir doch auch gleich das St.-Agatha-Waisenhaus mitnehmen und die Heilsarmee und die Rekonvaleszenten vom Zenither Allgemeinen Krankenhaus«, sage ich, »damit wirs auch wirklich gemütlich haben.«

Na, wo Muttchen hier is, kann ich Ihnen nicht recht gut alles erzählen, was wir hin und her geredet haben, aber auf jeden Fall haben wir Tante Sarah fallen lassen – wissen Sie, die Alte pfeift schon durch die Zähne, und das einzige Mal, daß sie in ihrem ganzen Leben geküßt worden is, das war, wie Brigham Young vor zweiundneunzig Jahren hier durchgekommen is – aber weiß Gott, das kann ich nicht leugnen, Muttchen hat sich revanchiert.

Ich hatt mir so ganz heimlich gedacht, daß ich vielleicht Jackie – das is unser Hund, n ganz prachtvoller und nützlicher Hund is das – daß ich ihn einschmuggeln könnte, aber ich mußte Jackie für Tante Sarah hergeben, und deshalb war, wie wir losgefahren sind, niemand an Bord außer Mrs. Schmaltz und mir.

Also jetzt weiß ich, daß Sie mich zuallererst fragen werden, was für ne Ausrüstung Sie auf so ne Tour mitnehmen sollen. Ich bild mir ja nicht ein, n Ammunsen zu sein, und wenn ich schon mal in meinem Leben irgendnen Südpol entdeckt hab, dann haben die Zeitungen vergessen, mir Mitteilung davon zu machen. Aber meine Erfahrung will ich Ihnen gern zum Selbstkostenpreis geben.

Also wegen Kleider –

S gibt Leute, die behaupten, auf so ner langen und, man könnt sagen, gefährlichen Reise soll man ganz einfach nen gewöhnlichen alten Anzug tragen. Und dann gibts wieder Leute, die behaupten, man soll Kord tragen. Ich kann Ihnen sagen, viele und viele Stunden hab ich mit Auseinandersetzungen zwischen diesen beiden Schulen verbracht. Aber ich für meine Person, wissen Sie, ich will nichts weiter als ne nette Kakhijacke und Kakhihosen, allemal. Das Zeug kann noch so dreckig werden, man sieht nie, wie dreckig es is, na also was machts denn dann?

Und Muttchen ebenso. Sie hat sich extra ne hübsche Kakhijacke und Breeches machen lassen, und wenn sie manchmal geknautscht und mich gefragt hat, ob die Hosen sie auch wirklich gar nicht breit in den Hüften machen, da hab ich immer zu ihr gesagt: »Teufel« – Entschuldigen Sie, Mrs. Babbitt. »Dreck«, hab ich zu ihr gesagt, »wenn Dirs in ihnen bequem is, und wenn Du findest, daß sie beim Kriechen durch Stacheldrahtzäune und bei sonen Sachen bequem sind, wen gehts dann was an –« hab ich sie gefragt, »ob n paar Leute meinen, daß sie Dich um die Mitte rum breit machen oder nicht!«

Also, Muttchen, Du brauchst mir gar nicht sone dreckigen Blicke zuwerfen, denn wir sind doch hier direkt im Schoß der Familie, könnt man sagen.

Und dann noch etwas, was ich sehr wichtig gefunden hab.

Außer den gewöhnlichen Schuhen, die Sie beim Fahren anhaben – und das muß n gutes, kräftiges Paar Schuhe sein, denn wer weiß, wann Sie mal in nen Obstgarten gehen und n paar Äpfel stehlen wollen oder auch auf nen Hügel rauf, um sich ne Ansicht anzusehen, oder irgend so was – außerdem sollten Sie sich n paar leichte Schuhe für den Abend mitnehmen – das is auch eleganter; dann können Sie, wenn Sie in so n Provinzhotel kommen, zeigen, daß Sie vielleicht für die Autotour bequem angezogen sind, sich aber zu Hause ebenso gut anziehen können wie sonst wer, oder vielleicht noch besser.

Ich für meine Person, ich hab da ja n fürchterliches Glück gehabt. Ich hatte da n paar alte Pumps, und die hab ich mir nachschwärzen lassen, und dann haben sie praktisch fast so gut wie neu ausgesehen.

Komisch, ich werd nie vergessen, wie ich diese Pumps gekauft hab.

Also das war so:

Ich war in Chicago, auf ner Geschäftsreise, wissen Sie, und da bin ich zufällig durch die South State Street gegangen, im ärmeren Viertel, und da komm ich zu nem großen Schuh- und Fußbekleidungsgeschäft, und da hab ich diese Pumps gesehen, und sie sind mir recht hübsch vorgekommen. Und der Kerl, dem der Laden gehört hat, aber er war n Ramscher, wissen Sie, der kommt raus und sagt zu mir – natürlich hat er ganz ungebildet gesprochen – und er sagt zu mir: »He, Herr, die Schuhe will ich Ihnen billig verkaufen« – Sie wissen ja, wie die Leute reden.

Also, ich hab ihn bloß so n bißchen amüsiert angesehen, und natürlich konnt ich merken, daß er merkt, daß ich nicht einer von den ungebildeten Kaffern war, mit denen er sonst seine Geschäfte macht, und ich sage zu ihm: »So, mein Freund, so«, sage ich zu ihm, »Sie wollen sie mir also billig verkaufen, so!«

»Freilich«, sagt er, »klar; Sie sollen sie staunend billig haben.«

»Also, Freundchen«, sag ich zu ihm, »ich bin überzeugt, daß das sehr nett von Ihnen is, aber was bringt Sie auf den Gedanken –« und dabei hab ich n bißchen gelacht. »Was bringt Sie auf den Gedanken«, hab ich gesagt, »daß ich solche Fußbekleidungsgegenstände überhaupt brauche?«

»Na, ich kann sehen, daß Sie n Herr sind, der sich oft nen Frack anzieht, und das sind richtige Prachtschuhe«, sagt er. »Ich hab sie aus dem Konkursverkauf vom wirklichen Bon-Ton-Elite-Laden in Chicago«, sagt er, »wirklich wahr, von Waffleheim und Spoor, und für meine gewöhnlichen Kunden sind sie zu gut«, sagt er.

Also, aus purer Neugier hab ich mir die Dinger angesehen, und Tatsache, ich hab sofort gemerkt, daß er wirklich die Wahrheit gesagt hat. Ich kann Ihnen sagen, wenn die Pumps das waren, wonach sie ausgesehen haben, dann waren sie nicht einen Cent weniger wert als fünfzehn Dollars oder mindestens zwölf fünfzig. Na, selbstverständlich bin ich innerlich ganz aufgeregt geworden. Damals hab ich erfahren, wie der Doktor – na, ich weiß nicht mehr, wie er heißt, der, der für die Saturday Evening Post schreibt, da hab ich erfahren, wie dem zu Mute is, wenn er ne Erstausgabe von Harold Bell Wright für einen Vierteldollar findet, die er später vielleicht fürn paar tausend verkaufen kann. Also, ich hab mir Mühe gegeben, nicht aufgeregt auszusehen, und hab ihm gesagt, ganz gleichgültig hab ich ihm gesagt: »Na, Bruder, sie sehen aus, als ob sie mir ungefähr passen könnten, und zwei Dollars will ich Ihnen dafür geben.«

Na, Sie hätten vielleicht gelacht, wenn Sie gesehen hätten, wie der hochgegangen is. Ich kann Ihnen sagen, er is einfach in die Luft geklettert. Er schreit und brüllt und sagt, sie sind wenigstens fünf fünfzig wert. Sie wissen ja, wie die verdammten Ausländer sich benehmen – und wissen Sie, wenn Sie n Philosoph wären, dann würden Sie merken, daß das Benehmen von den Leuten auch ein inneres geistiges Etwas, könnt man sagen, verrät, das verrät, warum sie mit der klaren, sicheren, wortkargen Geistigkeit des nordischen Menschen nicht konkurrieren können. Er fuchtelt mit den Händen rum und –

Ach, Sie wissen ja.

Aber hören Sie, ich fürchte, ich komm n bißchen von meinem Thema ab. Also, ich hab ihn runtergehandelt und die Schuhe für dreieinhalb gekriegt, ich kann Ihnen sagen, gepaßt haben sie wie angegossen, und ich hab sie fünf Jahre lang bei den feinsten Gesellschaften und Soiréen in Zenith getragen, und wie wir diese Reise nach dem Westen angefangen haben, da waren sie grade das Richtige zum Mitnehmen, ums den Füßen am Abend bequem zu machen. Also vergessen Sie nicht und nehmen Sie so was mit – vornehm, aber bequem.

 

Und jetzt wegen der Autoausrüstung, George.

Sie müssen was mithaben, damit Sie aus nem Dreckloch wieder raus können, wenn Sie mit dem Rad drin stecken. Es is ja ganz richtig, daß Sie jetzt überall, wo Sie Autotouren in den Vereinigten Staaten machen, vollständig zementierte Straßen finden. Aber manchmal – Sie wissen ja, wies is. Ab und zu mal n Loch in der vollständig zementierten Chaussee, und Sie stecken im Dreck.

Und natürlich müssen Sie Ketten mithaben und Reservereifen. Und ganz besonders empfehl ich Ihnen einen von den kleinen Kochern mit Hartspiritus. Wenn Sie auf der Tour sind, haben Sie bald genug von den Restaurangs, wo Sie überhaupt nichts kriegen außer nem kleinen Steak oder Hackbraten, aber manchmal wollen Sie eben ne Kleinigkeit zum Essen haben, und wenn Ihnen so zu Mute is, dann können Sie natürlich nichts anderes tun als selber kochen.

In den meisten von den kleinen Städten gehen Sie in n Lokal rein – ja, draußen hats n großes, wunderschön beleuchtetes elektrisches Schild, wo »Essen« oder irgend so was drauf steht, so daß Sie meinen, s wird ne feine, moderne Sache sein, aber Sie gehen rein, und dann sehen Sie, daß es nem alten Farmer mit seiner Tochter und seiner Alten gehört.

Vaters Hauptbeschäftigung besteht darin, daß er an der Registrierkasse steht und den Zahnstocher nicht in Frieden läßt. Er hat zu viel damit zu tun, daß er dran denken muß, was fürn zivilisierter Stadtmensch er geworden is, als daß er irgend was tun könnte außer Kassier spielen – bei sechs Gästen in einer Stunde! – oder vielleicht bewundert er auch die ganzen Kunstschätze im Lokal – das blendende Bild mit den zwei Birnen und dem Hummer und die Schilder: »Achten Sie auf Ihre Garderobe« und »Ohne Borgen keine Sorgen« und »Rührei mit Schinken auf Bauernart, 20 c« – Bauernart, das heißt, daß n Stück in Asphalt eingeweichtes Brot ins Ganze hineingeschmissen wird.

Und draußen in der Küche is Mutter, die macht, was sie für Kochen hält. Das einzige, was sie nicht anbrennen läßt, is das Trinkwasser. Und Töchterchen bildet sich ein, daß sie bei Tisch bedient. Aber Töchterchen hat für niemand Interesse, außer für Reisende, die sie für unverheiratet hält – was kein Reisender is, seitdem der liebe Gott kleine Äpfel gemacht hat. Und im ganzen Lokal is n netter, angenehmer Geruch von verbranntem Steak mit Zwiebeln.

Sie setzen sich also auf nen hübschen hohen Stuhl, der gewöhnlich einmal am Tag mit dem Fetzen abgewischt wird, mit dem sonst die Bratpfanne geschmiert wird, und Sie sagen zu Töchterchen: »Können Sie uns n bißchen gehacktes Corned Beef bringen?« Und die sieht Sie an, wien Evangelist wen ansieht, von dem er glaubt, daß er nen bleiernen Vierteldollar auf den Sammelteller gelegt hat, und dann sagt sie: »Gehacktes is nicht mehr.«

Und dann denken Sie – und dabei merken Sie, daß Sie gar kein großer Denker sind – Sie könnten vielleicht n Schweinekotelett haben, oder n Schnitzel, oder n bißchen Roastbeef, und dann sagen Sie schließlich, schon n bißchen nervös: »Also, was können wir denn kriegen?«

»Hören Sie«, sagt sie, »werden Sie bloß nicht frech! Sie können n kleines Steak haben, oder Rührei mit Schinken – bloß glaub ich, Eier sind nicht mehr.«

Herrgott! Ich hab immer geglaubt und auch gesagt, daß Amerika die einzige Nation is, wo man feines Essen kriegen kann, aber sogar n Patriot wie ich muß manchmal denken, daß wir dieses besagte feine Essen überall gekriegt haben, außer in Städten, Marktflecken und Farmhäusern.

Also nehmen Sie nur n kleinen Kocher mit. Und dann müssen Sie noch nen Sucher mitnehmen und einen Spaten, und –

 

(Hier mußten auf Verlangen des Verlages siebenunddreißig weitere Artikel, die Mr. Schmaltz empfohlen hat, gestrichen werden. – DER HERAUSGEBER.)

 

Also, am ersten Tag, wie eins so zum anderen kommt, und dazu noch das Packen, sind wir erst mittags weggekommen, nachdem wir vor der Abfahrt noch nen kleinen Lunch gegessen hatten, und wissen Sie, das polnische Mädel, das wir damals hatten, also die hätt ich totschlagen können – die hat Rühreier gemacht und uns überhaupt keinen Ton gesagt, wie sie fertig war, und dann waren sie ganz kalt, und für nen Menschen, der was fürn wirklich nettes gutes Essen übrig hat, für den lohnen kalte Rühreier kaum das Essen.

Na, auf jeden Fall sind wir Punkt dreizehn Minuten nach zwölf losgefahren – ich hab auf der Tour so n bißchen Buch geführt über die Zeiten, über die Meilenanzahl und über den täglichen Öl- und Benzinverbrauch, und wissen Sie, wenn ich meine Zahlen hier hätte, könnt ich Ihnen beweisen, daß wir mit dem Dainty-Daisy-Benzin mehr Meilen rausgeholt haben als mit Samson, trotz allem, was Samson von Kraftersparnis redet. Ja, und wie gesagt, wir sind n bißchen spät losgefahren, und so wollten wir an dem Tag nicht mehr viel machen, nur bis Mittewoc, hundertundfünfundsiebzig Meilen.

Ich mach nie gern mehr als zweihundertfünfzig Meilen per Tag. Ich weiß, daß Sie nicht meiner Ansicht sind, George, aber ich meine, wenn man dreihundert oder dreihundertfünfzig macht, dann kann man eben wirklich nicht die Landschaft so gut sehen und die Landwirtschaft und andere Einzelheiten des Landes so genau studieren, wie wenn man in nem gemütlichen Fünfundvierzig- oder Fünfzigstundenmeilentempo langschunkelt und nicht aufdreht. Aber das is ne Sache für sich. Wir wolltens gemütlich machen und nicht vor halb acht hinkommen.

Ich kann Ihnen sagen, an dem Tag hab ich gesehen, wie weit wir fortgeschritten sind.

Wie ich die Straße das erstemal gefahren bin, da war sie bloß ne ganz gewöhnliche dreckige Straße, die an lausigen Farmen vorübergeführt hat, und jetzt sieht man jede Meile oder so ne feine, moderne heiße Würstelbude – n paar wie Blockhütten und n paar wie kleine chinesische Pagoden oder Indianer-Wigwams oder ganz kleine, zehn Fuß hohe Nachbildungen von Mount Vernon und so, und dort hats alle möglichen Erfrischungen für den inneren Menschen gegeben – heiße Würstel und Apfelkuchen und Zigarren und so weiter und so fort – und natürlich die ganze Straße lang moderne Plakate, damit n bißchen Abwechslung reinkommt, und vielleicht alle fünf Meilen Garagen, und in jedem Ort n feiner kostenloser Autoparkplatz mit kostenlosem Wasser und Holz für die Touristen. Und viele von den Farmern haben ihr altes schweres Handwerk aufgegeben und verkaufen Äpfel und Apfelwein an die Automobilisten – übrigens, einen hab ich gefragt, wie er seinen Vorrat ergänzt, und da stellt sich raus, daß er nicht einen einzigen Apfelbaum da hat – er hat alles aus nem Lebensmittelgeschäft aus dem nächsten Ort gekriegt. Ach ja, der Automobilismus hat schon große und wunderbare Fortschritte in dem Land hervorgebracht!

An dem ersten Tag haben wir gar nichts Besonderes erlebt – nur ein oder zwei kleine Sachen. Ich kann mich erinnern, da war n Kerl, er hat ausgesehen wien Vagabund, und der hat mit der Hand gewinkt und uns angehalten.

»Nun, mein Freund, was wünschen Sie?« sage ich – er hat sehr schäbig ausgesehen.

»Können Sie mich n Stück mitnehmen?« sagt er.

»Mitnehmen?« sage ich.

»Ja, ich möcht gern mitfahren«, sagt er.

»Sie haben zwei gute Füße zum Gehen, oder nicht?« sage ich.

»Ja«, sagt er, »aber ich hab nen weiten Weg.«

»So, einen weiten Weg haben Sie, so!« sage ich. »Hören Sie mal, mein Freund, ich will Ihnen mal nen Rat geben.«

»Ich hab Sie nicht um einen Rat gebeten«, sagt der. »Ich hab Sie gebeten, daß Sie mich n Stück mitnehmen.«

Da bin ich natürlich n bißchen wild geworden, wie der mir so frech geantwortet hat, ohne daß ihn wer darum gebeten hat, und da hab ich gesagt: »Also, ich hätt Sie vielleicht mitgenommen«, sage ich, »wenn Sie nicht so frech geworden wären, aber jetzt – also, ich kann Ihnen nur eines sagen, wenn Sie sich an die Arbeit machen würden und arbeiten wollten und Geld verdienen würden«, hab ich ihm gesagt, »dann würden Sie vielleicht Ihr eigenes Auto haben und müßten niemand bitten, daß er Sie mitnimmt. Guten Tag!« hab ich gesagt, und dann bin ich weitergefahren. Das wird ihm vielleicht ne Lehre gewesen sein. »Machen Sie sich an die Arbeit und verschwenden Sie nicht die Zeit damit, daß Sie bitten, daß man Sie mitnimmt«, hab ich ihm gesagt, »und dann werden Sie vielleicht Ihr eigenes Auto haben!«

Dann haben wir in nem kleinen Nest gehalten, n schreckliches kleines Bauernloch war es, Neu-Paris hats geheißen, wenn ich mich recht erinner, und dort haben wir gehalten, um nen Eiscrêmesoda zu trinken, und wie ich aufgefahren bin, da bin ich n ganz kleines bißchen in nen Wagen vor mir reingefahren. Ich hab ihm weiter gar nichts getan, bloß meine Stoßstange n bißchen verbogen, aber Du lieber Gott, wenn Sie gehört hätten, was der Kerl fürn Geschrei drüber gemacht hat, Sie hätten gemeint, ich hab seinen Wagen in lauter kleine Stücke zertrümmert und seine Tante Jenny umgebracht. N großer starker Lümmel war er – ganz würdelos.

Obwohl ich in der Stadt geboren und aufgewachsen bin, bewunder ich den Farmer und ehre seine Arbeit. Was würden wir denn schließlich ohne Weizen und Mais und Flachs und Gerste und Rettich und so weiter tun? Aber trotzdem, ne ganze Menge von den Bauern haben gar keine Manieren und keine Würde, wie der Kerl da. Gleich war er da und hat gebrüllt:

»He, Sie haben meinen Wagen angefahren!«

»Diese Tatsache ist mir bereits bekannt«, hab ich gesagt, ganz kalt – der große Lümmel! – wenn der sich eingebildet hat, daß er mir Angst einjagen kann! Ich bin also ausgestiegen und hab mir die Sache angesehen, ich hatte ihm seinen Reservereifen hinten n ganz klein wenig demoliert.

»Also, was wollen Sie tun?« sagt er.

»Was ich tun will?« sage ich.

»Ja, was wollen Sie tun?«

»Nun, in Anbetracht und in Ansehung, daß ich nicht den geringsten Schaden vollführt habe«, hab ich ihm mitgeteilt, »habe ich den Eindruck, daß ich aller Wahrscheinlichkeit nach nicht das geringste tun werde.«

»Das werden wir noch sehen!« sagt er.

»Freilich werden wir das sehen!« sage ich. »Sie können die Gesetzesvertreter rufen«, sage ich, »und dann werden wir sehen, was die zu der Angelegenheit sagen. Und ich darf Sie vielleicht auf die Tatsache aufmerksam machen, daß Sie nicht im vorgeschriebenen vorschriftsmäßigen Winkel aufgefahren sind«, sage ich, »und wir werden sehen, was die Autoritäten dazu zu sagen haben werden!«

Na, selbstverständlich war das Ganze bloß n fürchterlicher Bluff. Ich hatte überhaupt keine Ahnung von den Parkvorschriften. Aber ich hab mir gedacht, er wird wahrscheinlich auch keine Ahnung davon haben. Und natürlich hab ich gewußt, wenn er nen Schutzmann holt, wird er alles mögliche zusammenlügen und verdrehen, und lauter so Sachen, die so ekelhaft sind, wenn man mit einem ungebildeten Klotz zu tun hat. Aber ich war ganz vorbereitet darauf – ich hab mir vorgenommen, ich werd dem Schutzmann erzählen, daß ich n großer Anwalt aus der Stadt bin und mehr von den Automobilgesetzen versteh als alle Menschen, seitdem der liebe Gott n kleiner Junge war, und so wär ich auch mit der Polizei fertig geworden.

Und ich kann Ihnen sagen, s hat gewirkt wie n Zauber!

Der Kerl is buchstäblich weiß geworden.

»Also, Sie sollten vorsichtiger sein«, hat er gebrummt – Sie hätten bloß sehen sollen, wie komisch das war, wie er aus der Sache wieder rauskommen wollte – und damit, wissen Sie, war das Ganze auch erledigt.

Aber was ich ihm nicht gesagt habe, und wozu ich auch gar keine Veranlassung spürte, es ihm zu sagen, wenn ers nicht selber sehen konnte, das war, wie ich ihm seinen Reservereifen demoliert hab – n Stück hat rausgehängt, und das Ventil hab ich ihm ganz eingetrieben, und wenn der Mr. Farmer den Reifen hat aufziehen müssen, dann wird er ja n feines Vergnügen gehabt haben, das is ihm auch ganz recht geschehen, dafür, wie er mit mir geredet hat – wissen Sie, ich hab oft lachen müssen, wenn ich an den armen Bauernschädel gedacht hab, wie er so ganz weit draußen mit nem Reifendefekt dasitzt und den Mistreifen aufziehen will!

Also, Muttchen und ich, wir sind in die Apotheke gegangen, und ich hab mir n Erdbeereiscrêmesoda geben lassen, und sie hat, wenn ich mich recht erinner – wenn ich mich irre, Muttchen, so sags – sie hat ne Brauselimonade genommen, und dann sind wir zur nächsten Garage gefahren, und dort hab ich mir meine Stoßstange wieder herrichten lassen.

Das war aber wirklich ne feine Garage, für so n kleines Drecknest.

Ich fahr vor und tut mit meinem Horn, und da kommt n junger Mensch im Monteuranzug raus, und zu dem sage ich: »Hören Sie, Meister, ich hab n kleines Stück weiter oben auf der Straße nen Moskito angefahren, könnten Sie mir wohl meine Stoßstange wieder richten?«

»Klar«, sagt er.

»Könnten Sies gleich machen?« sage ich. »Ich hab da oben auf der Straße ne Verabredung mit Gertrude Ederle, ich muß mit ihr über den Kanal schwimmen.«

»Klar«, sagt er. Da könnt man sehen (mein Gott bedenken Sie doch nur, was es heißen muß, in so nem Schweineloch zu leben und fast nie nen gebildeten Menschen zu sehen, wenn nicht grade einer vorbeikommt wie ich!) – man könnt wirklich sehen, daß er n richtigen Kiwanis-Club-Spaß verstanden hat.

Na, er hat sich also an die Arbeit gemacht, und ich kann Ihnen sagen, keine zehn Sekunden hats gedauert, und die Stoßstange war wieder in Ordnung, und wir sind weitergefahren. So, das is alles über diese zwei kleinen interessanten Sachen, und da ich weiter erzählen und Ihnen die ganze Reise schildern muß –

Richtig, da war noch ne Kleinigkeit.

 

Wir sind bei einem Farmhaus stehen geblieben, weil wir n bißchen Trinkwasser haben wollten – kein Wasser für den Kühler, wissen Sie; das is doch eins von den Wundern der modernen Wissenschaft, daß der Kühler von einem wirklich guten Wagen fast nie nachgefüllt werden muß, nicht wahr – wir wollten also bloß n bißchen Wasser zum Trinken haben. Also, ich bin zur Tür gegangen, und da is so ne alte Hexe von Bauersfrau rausgekommen, und ich hab meinen Hut abgenommen, genau so höflich, als ob sie ne wichtige Kundschaft in meinem Laden war, und dann sag ich zu ihr: »Madam, dürften meine Frau und ich Sie wohl um einen Schluck Wasser bitten?«

Na, sie bleibt stehen und schaut mich an – weiß Gott, ich bin n bißchen nervös geworden, so ne Unhöflichkeit gegen einen Wanderer – und sie sieht mich an und sagt: »Sie sind heute der sechzehnte Automobilist, der hier stehen bleibt und um nen Schluck Wasser bittet. Und jedesmal bin ich zur Scheune runtergegangen, wo die Pumpe is, und habs gebracht. Und die letzte, und das hat ne Dame sein wollen, die hat geschimpft auf Deibel komm raus, weil sie gemeint hat, das Glas, was ich ihr gebracht hab, is nicht sauber genug. Und ich hab ja weiter nichts zu tun, als kochen und backen und fegen und flicken und für vier Männer arbeiten und mich, um die Hühner kümmern und im Garten arbeiten und beim Kühemelken helfen. Und ich habs satt, noch außerdem die Gratiskellnerin für Stadtautomobilisten zu spielen!«

Na ja, vielleicht war ja auch n bißchen was Richtiges an dem, was sie gesagt hat.

Ich kann Ihnen sagen, George, ich bin immer der erste, der auf den Ruf des Armen und Bedürftigen sein Herz und seine Börse öffnet. Ja, s is ja erst n paar Monate her, da haben wir im Kiwanis-Club ne Sammlung veranstaltet, um nem Zeitungsjungen einen Anzug zu kaufen. Aber trotzdem –

Warum müssen diese Bauernschädel sich durchaus blamieren? Warum wollen sie nicht mal probieren, nette Manieren zu lernen, wie Sie und ich?

Am liebsten hätt ich der Alten ja schnell eine übers Maul gezogen, aber ich hab bloß meinen Hut wieder gelüftet, ganz fein und elegant, und dann hab ich gesagt: »Es tut mir ungemein leid, Sie belästigt zu haben, Madam! Guten Tag

Und ich bin weggegangen und hab nicht ein einziges Mal zurückgesehen! Sicher hat sie sich geschämt, wenigstens will ich hoffen, daß sies getan hat!

 

So gegen fünf haben wir Halt gemacht, um heiße Würstel und Sauerkraut und Kaffee zu kriegen, in nem sehr netten kleinen Nest, tadellos modern, alles mit Ziegelpflaster, und nette kleine Bungalows und n hübscher Filmpalast, und einer von den höchsten Wassertürmen war da, den wir auf der ganzen Fahrt gesehen haben, und n blendender Zigarrenladen, der hat »Zur Gemütlichkeit« geheißen, und viel Industrie war auch da – ne große Käsefabrik und ne Kautschukfabrik – so was hab ich schon immer sehen wollen – Carcassonne hat der Ort geheißen.

Und dann haben wir weiter gemacht, und um Punkt sieben dreizehn waren wir in Mittewoc.

Und dann, ich weiß bloß nicht, ob Muttchen s zugeben wird, hatten wir ne Auseinandersetzung, die nicht von schlechten Eltern war, darüber, wo wir übernachten sollen.

S war n hübsches Hotel da – Wappen von Ishpeming – ne hübsche große saubere Halle mit eleganten tiefen Lederschaukelstühlen, und die Messingspucknäpfe haben gefunkelt, als obs Eßgeschirr gewesen wäre – und Muttchen hat gemeint, wir sollen dort bleiben.

Aber ich hab zu ihr gesagt: »Es handelt sich nicht ums Geld«, hab ich gesagt. »Ich kann mir wohl die besten Hotels genau so gut leisten wie sonst wer. Aber weh tuts nie, n bißchen Geld zu sparen; und außerdem«, hab ich gesagt, »machts ne Menge Spaß, und man lernt auch allerhand auf so ner Tour, wenn man sich direkt unter die ganz gewöhnlichen Leute mischt, die in Klapperkästen fahren«, hab ich gesagt, »und ich hab auch gehört, daß es hier n blendendes Touristenautolager gibt, Lager und Parkplatz kostenlos, und kleine Häuschen mit Bettzeug für einen Dollar pro Nacht«, hab ich gesagt, »und ich bin dafür, daß wirs mal probieren und uns unter das gemeine Volk begeben, und wenns uns heute abend nicht gefällt«, hab ich gesagt, »dann brauchen wirs ja nicht noch mal zu probieren.«

Na, wir haben uns ganz gehörig gestritten, aber Muttchen is n prachtvoller kleiner Kerl, wenn sie nichts dagegen hat, daß ich das in ihrer Gegenwart sage, und um ein Langes kurz zu machen, wir sind also zum Touristenparkplatz hinübergefahren.

Na, dort wars sehr hübsch und alles so tadellos hergerichtet, wie man sichs nur wünschen kann. S war direkt am Ufer vom Appleseed River, n paar hübsche Weidenbäume haben dort rum gestanden, und wenn ich mich recht erinner, war sogar – wenn ich mich irre, so sags, Muttchen – war auch n schöner großer Eichenbaum da. Natürlich war der Boden auch n bißchen dreckig, aber was kann man denn anderes erwarten, wenn jede Nacht an die vierzig bis sechzig Menschen dort lagern?

N blendender kleiner Laden war da, ganz künstlerisch gelb gestrichen und mit nem kolossal künstlerischen Schild: »Der Alte Automobilisten-Kramladen!« und dort, kann ich Ihnen sagen, dort hats alles gegeben, was man auf ner Tour brauchen und benötigen kann, sogar wenn man Kinder mit hat. Sie haben Reifen gehabt und Segeltucheimer und Benzin und Konserven und Leinensachen und Bombongs und Zwirnhandschuhe und Karten und Magazine und alkoholfreies Bier und alles, was man sich ausdenken kann.

Dann war ne Menge von markierten Plätzen für Wagen und für Zelte da, für die, die Zelte hatten, und ne hübsche Anzahl Feldöfen mit ner Menge Holz, das Holz wurde kostenlos geliefert, und feine Duschbäder in Zelten, und dann außerdem noch so gegen fünf, sechs kleine Häuschen, für die, die keine Zelte mit hatten, und so eins hatten wir genommen. Und für einen Dollar, wissen Sie, wars gar nicht so schlecht – n Doppelbett war drin mit hübscher sauberer Wäsche und n Stuhl.

Wir haben uns also dort eingerichtet, und ich sage zu Muttchen: »Wir wollen so tun, als ob wir ganz einfache Touristen wären, und sonst nichts weiter«, und sie hat die Sache auch gleich richtig kapiert, und wir haben uns ne Bratpfanne und nen Kochtopf in dem Laden gekauft und n paar Konserven, und dann haben wir n blendendes kleines Abendessen gehabt, von Muttchen mit ihren eigenen schönen Händen gekocht – Konservengemüsesuppe und Konserven-Wiener-Würstel (hören Sie, haben Sie schon mal gehört, daß die Wiener nach Wien, ne deutsche Stadt is das, so heißen?) und Bratkartoffeln und zum Schluß noch Mandelschokoladestangen.

Na, n paar von den Leuten dort hatten n großes Lagerfeuer angezündet, und da haben wir alle drum rum gesessen wie eine einzige große Familie und haben alle möglichen schönen alten Lieder gesungen – und ich sage ja immer, diese modernen Lieder haben lange nicht soviel Melodie und Gefühl wie die alten Lieder – wir haben gesungen: »Nach dem Ball« und »Daisy, Daisy, sag mirs gleich« und »Vorwärts, christliche Soldaten« und »Puppchen« und »Zwei kleine Mädelchen in Blau« und lauter so ne Sachen.

Und ich bin mit den verschiedensten Leuten ins. Gespräch gekommen, und ich muß Ihnen sagen, obwohl kaum mehr als vierzig Prozent auf der Höhe der Chevroletklasse waren, trotzdem warens genau so nette und feine Menschen, wie man sichs nur wünschen kann – ich meine natürlich, so fürn paar Stunden. Und ich hab auch die verschiedensten Sachen gehört, von denen ich noch nichts gehört hatte – ich kann Ihnen bloß sagen, s gibt ganz entschieden nichts, was einen so bildet, wie Reisen.

Also bloß zum Beispiel, ich hab gelernt, daß Chattanooga, Tennessee – oder s kann vielleicht auch Nashville gewesen sein – aber auf jeden Fall liegts an einem schönen Fluß, und man kann das Gebirge von dort sehen. Und ich hab gelernt, daß die größte Presbyterianer-Kirche im Land in Seattle, Washington, ist. Und ich hab gelernt, daß Zion City, Illinois – oder is es Wisconsin? – dort wo Dowie Der Schutzheilige und das Vorbild aller Organisationen vom Schlage der Antisaloon-Liga und der Vereinigung »Tag des Herrn«. Wie Mrs. Mary Baker Eddy lehrte er bis zu seinem unglückseligen Ende die Göttliche Heilung aller Leiden. immer war – also auf jeden Fall is dort nicht nur ne sehr große Spitzenfabrik, was natürlich jedes Kind weiß, sondern auch eine der größten Zwiebackfabriken im ganzen Land. Und von einem Herren, der Tierarzt war, hab ich gehört, daß das beste Futter für Hunde Maismehlbrei, mit Fleischstücken aufgekocht, is, das is nämlich ne richtige Zusammensetzung – für Hunde, meine ich.

Und da war wirklich ne komische Sache, sag ich Ihnen. Der Tierarzt, Dr. Lepewski hat er geheißen, aber er hat uns erklärt, daß er wirklich von deutscher Abstammung is und nicht so n Litauer oder irgend so was Ausländisches, also der hat davon geredet, daß er vor ungefähr einem Jahr, oder vielleicht wars auch schon länger her – der Dr. Lepewski, kann ich Ihnen übrigens sagen, war keiner von den gewöhnlichen, schäbigen Touristen, er hat tatsächlich nen Oakland gefahren und war rund herum n erstklassiger Gentleman, er wird wohl im Touristenlager so zum Spaß gewesen sein, genau so wie Muttchen und ich – und er hat erzählt, vor ungefähr nem Jahr oder so war er in Chicago in einem Hotel – ich glaube, s war das La Salle, aber s kann auch irgendn anderes Hotel gewesen sein – und dort is er – ich hatte grade erwähnt, daß ich aus Zenith bin, und da hat er erzählt, daß er in diesem Hotel zufällig einen Herren aus Zenith getroffen hat.

Na, selbstverständlich hat mich das gleich sehr interessiert, und da hab ich ihn gefragt: »Wie hat der Herr geheißen?«

»Ja, wenn ich mich recht erinnere«, hat er mir gesagt, »hat er Claude Bundy geheißen – im Fensterrahmen- und Jalousiegeschäft. Kennen Sie ihn vielleicht zufällig?«

»Also«, sag ich zu dem Doktor, »is das zum Glauben? Hören Sie, das is doch wirklich ne verflucht kleine Welt, was! Nein, zufällig kenn ich Claude selber nicht, aber ich war schon n paarmal mit seinem Vetter zusammen, mit Victor Bundy, das is der Rechtsanwalt«, hab ich gesagt, »und ich glaube, ich muß n paar Leute kennen, die Claude kennen!«

Ja, also so war das – n kolossal nützlicher und auch amüsanter Abend, und so gegen dreiviertel elf sind Muttchen und ich in die Klappe gekrochen, wir haben ganz gut geschlafen, und am nächsten Morgen sind wir so gegen sieben aufgestanden und haben an nem kleinen Frühstückstisch dort in der Nähe gefrühstückt –

Was?

Du guter Gott, Du hast recht, Muttchen!

Jetzt is es viertel zwölf, und wir werden zu Fuß nach Haus gehen müssen, und ich bin mitm Erzählen noch nicht mal bis zu den Schwarzen Bergen gekommen. Also, ich will Ihnen was sagen, George, wir wollen bald wieder zusammen sein, und dann kann ich Ihnen ja das übrige in ner halben Stunde erzählen.

Der Abend war mir n ganz besonderes Vergnügen, und hoffentlich kann Ihnen das, was ich Ihnen erzählt hab, dienlich sein –

Und, ach ja, richtig, etwas muß ich Ihnen noch sagen, bevor wir abtrudeln. Vergessen Sie ja nicht, nen Trinkbecher mitzunehmen. Also da gibts ja verschiedene Arten. Sie können n kleines Glas in einem Metallfuteral kriegen, oder einen von den zusammenklappbaren Metallbechern oder auch ganz einfach nen gewöhnlichen emaillierten Becher. Ich will Ihnen jetzt bloß in n paar kurzen Worten meine Erfahrungen mit jedem einzelnen von den dreien erzählen –


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