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Die zweite der drei Szenen

Es ist am Nachmittag.

Irma steht an einem offenen Fenster und sieht hinaus und wartet auf wen. Eine ganze Weile. Auf dem Tisch steht ein großer Bierkrug; mit aufgeschlagenem Deckel; leer. Mit einem Mal winkt sie wem, der da draußen kommt, schließt das Fenster, ergreift den großen Krug und läuft schnell fort. Die Tür, die nach draußen führt, offen lassend.

– – – – –

Die Szene ist leer. Gut eine halbe Minute.

Nach dieser halben Minute aber tritt Vincenz, der Kooperator, ein. Von draußen. Der wars, auf den sie wartete. Und dem sie mit dem großen Krug dann entgegenlief ... Er läßt die Tür, durch die er eintrat, offen stehen, so wie sie offen stand. Sieht sich ein paar Augenblicke in diesem Zimmer um und geht dann zur andern Tür hinaus. Hinauf wohl auf sein Zimmer. Die Tür, durch die er nun hinausgeht, ebenfalls offen lassend.

– – – – –

Und dann ist eine Weile nichts als dies: daß diese beiden Türen in diesem Zimmer und wohl auch sonst noch zwei, drei andere in diesem Hause sperrangelweit offen stehen. Nichts als dies.

Dann kommt die Irma zurück. Mit dem großen Bierkrug, den sie draußen voll mit Dorfbier hat anfüllen lassen, gestrichen voll, so daß vom Schaum überläuft.

Man hört sie, wie sie zurückkommt. Hört erst, daß die schwere Haustür ins Schloß fällt. Und dann ihre schweren Schuhe auf den Fliesen im Hausflur. Und dann, wie sie schon nahe ist, einen Schrei von ihr, einen recht unbekümmerten, leichtsinnigen, von irgendeiner Lust ausgestoßenen, einen Schrei, der sonst in diesem Hause sehr verboten wäre.

Die offenen Türen, ihr fast mehr als leichtsinniges Kommen, ihr Schrei und dies ganz Ungezügelte, wie sie den vollen Krug nun schwer und laut auf den Tisch aufsetzt, dies alles muß eine Ahnung ausmachen davon, daß die beiden allein im Hause sind.

Irma wieder schreiend, zur Tür, durch die der Kooperator fortgegangen ist, hinausschreiend: Du. He! Du. Vincenz!

– – – – –

Kosend. Vinci! Vincerl!

Vincenz zurückrufend: Ja, Irma?

Irma ungeduldig: Na so komm schon!

– – – – –

Und dann tut sie etwas wie ein paar Tanzschritte und wirft sich in Erwartung auf das Kanapee, daß dieses in allen Fugen ächzt. Singend. Vincerl.

Vincenz tritt ein. Bleibt an der Tür stehen.

Irma bleibt liegen, wie sie liegt.

Sind die beiden etwas befangen, trotz allem und vielem befangen? Es scheint so.

Vincenz steht immer noch da, wo er eingetreten ist.

Irma bleibt immer noch liegen, wie sie sich legte. In ihrer halb ausgedachten Pose. Sie liegt so, daß sie ihn nicht sehen kann, daß sie den Kopf ganz wenden müßte, um zu ihm hinzusehn.

Vincenz kann sie wohl sehen. Aber er sieht nicht auf sie hin. Er sah nur einen Augenblick, wie er eintrat, auf sie hin. Und sieht aber jetzt krampfhaft ganz woanders hin.

Irma endlich. Und gleich aufs Ganze gehend: Es ist warm. Willst deinen Rock nicht ausziehen?

– – – – –

Girrend. Und mir ists auch so warm.

Vincenz war sie wie die Täubin, so ist er wie ein Täuberich: Was willst denn nachher du ausziehn?

Irma wie bei einer belagerten Festung: Unter der Bedingung, daß du den Rock ausziehst?

Vincenz: Ja.

Irma: Unter der Bedingung, daß du den Rock ausziehst, zieh ich –

– – – – –

Lacht. Aber das sag ich nicht.

Vincenz er sieht immer noch krampfhaft ganz woanders hin. Sags.

Irma liegt noch immer, wie sie lag: Nein.

Vincenz zwei Schritte näher. Aber immer noch krampfhaft woanders hinsehend: Sags doch.

Irma als ob sie dummes Zeug nicht weiter reden wollte. Als ob sie wieder Vernunft angenommen hätte: Aber nein!

Vincenz da drängt er natürlich noch mehr: Geh sag, Irma! sags!

– – – – –

Und da will ers mit Gewalt zuweg bringen, unser Naivus. Er zieht schnell, ganz schnell den Rock aus und steht in Hemdsärmeln und ... schämt sich, als ob er nackt stünde. Steht wie Adam und sucht ein Feigenblatt und meint es darin zu finden, daß er flieht. Ja, er flieht. Es treibt ihn fort. Ich trag ihn auf mein Zimmer, ich – ich trag den Rock da auf mein Zimmer, und – und komm gleich wieder.

Ab. Mitsamt dem Rock, den er in der Hand hält. Da wos nach der Küche und auf sein Zimmer geht.

Irma springt, sobald er nur fort ist, geschwind auf und löst in fiebriger Hast die Schnüre ihrer Schuhe, läßt die schweren Schuhe schwer zu Boden fallen und liegen, so wie sie zu liegen kommen, und wirft sich wieder aufs Kanapee, derart, drapierend, daß man ihre Füße, die in weißen Zwirnstrümpfen stecken, grad ein wenig unter den Röcken herausschauen sieht.

– – – – –

Ohne einen Laut aus ihrem Munde.

Vincenz zurückkommend, bleibt ungefähr beim Eintreten da stehen, wo er vorhin beim Eintreten stehen geblieben ist. Und sieht zu ihr hin. Sieht erst die Schuhe, dann die Strümpfe. Als ob ihm was in der Kehle säße: Du hast deine Schuh ausgezogen –

Irma mit Absicht ganz im Alltagston: Wenns mir doch so warm ist. Grad ganz warm ist mir.

– – – – –

So warm –

wie dir!

Langes Schweigen.

Vincenz versucht nun gleichfalls einen möglichst unverfänglichen Ton anzuschlagen: Und jetzt wollen wir Bier trinken. Oder?

Irma: Sonst steht sich das amend auch noch warm –

Vincenz: Ja.

– – – – –

Er sieht auf den Tisch. Aber Gläser.

Irma dionysisch: Einfach aus dem Krug.

Vincenz das scheint dem geistlichen Herrn doch etwas zu heidnisch: Nein –

Irma sich vom Kanapee aufrichtend: Na alsdann Gläser.

Vincenz eigen: Bleib.

Irma: Ich muß doch Gläser holen.

Vincenz: Nein, ich –

ich hol die Gläser.

Irma: Du? Aber nein. Du? Das könnts nicht verlangen von mir, Herr Kooperator.

Vincenz: Aber ja. Warum denn nicht? Warum denn nicht?

– – – – –

Das, was er jetzt sagt, ist etwas wie nur ein Vorwand. Er möcht es noch ganz anders sagen. Hast ja keine Schuh mehr an. Hast ja gar keine Schuh mehr an. Und da sagt ers noch anders. Da gelingts ihm, das Ureigentliche, das er sagen wollte, zu sagen. Sollst überhaupt so liegen bleiben. Ja? Ganz so liegen bleiben. Ja? Ganz so. Und geht hinaus, nach der Küche.

Irma tut ganz nach seinem Willen.

Vincenz kommt zurück. Mit zwei Gläsern.

Und Irma steht nun doch auf, wie er zurückkommt. Springt auf. Kniet auf dem Kanapee: Schenk derweil ein, und – ich weiß uns dann noch was! Recht verheißend vermag sie das zu sagen. Und kniet dabei auf dem Kanapee und langt in ihr Haar.

Vincenz: Was?

Irma recht geheimnisvoll: Nichts!

Und kniet immer noch und lacht. Und springt ganz auf und steht so mit beiden Füßen auf dem Kanapee und tritt ein wenig auf den singenden Federn herum.

Vincenz wie die Frau so hoch steht, scheint ihm das gefährlich. Und er verschanzt sich gewissermaßen vor dieser gefährlichen Situation, indem er recht gewissenhaft und umständlich einschenkt, und verschanzt sich auch hinter dem Ton seiner eigenen Worte, die er nun sagt: Was denn? Irma, was denn?

Irma springt vom Kanapee und läuft ab, da wos nach der Küche geht.

– – – – –

Und kommt sehr bald darauf und stark schnaufend zurück, mit einer bunten Studentenmütze.

Vincenz sieht die Mütze: Die? Die da?

Irma geht nah an ihn heran. Setzt ihm die Mütze auf.

Vincenz sieht nun gar grotesk aus und ist sich, sagen wir, halb bewußt, daß er gar grotesk aussieht. Und sagt so, weil ihm nichts anderes einfallen mag, und sagt dies aber in einem Ton, der sein Aussehen entschuldigen soll: Die hätt ich doch vorhin selber aus meinem Zimmer mit herunternehmen können.

Irma sagt ihm das nach: Aus meinem Zimmer. Lacht.

Vincenz: Von was denn sonst? Aus meinem Zimmer.

Irma berichtigt ihn. Und in ihrer Stimme ist viel Leidenschaft und Neuverlangen: Aus unserem Zimmer! Von mir und von dir – Aus Unserm!

Vincenz: rührt sie an: Du!

Irma gibt sich seinen Armen hin: Bis gestern ist es zum größern Teil immer noch dein Zimmer gewesen. Grad wie meine Kammer heut noch zum größern Teil meine Kammer –

– – – – –

Aber über heut nacht –

Dein Zimmer –

nimmer Dein Zimmer –

Unsers!

Vincenz an dem alles aufs Äußerste angespannt ist, entfährt ein Wort, für das der gewöhnliche Vincenz nichts kann, für das nur dieser außergewöhnliche augenblickliche Vincenz verantwortlich gemacht werden könnte. Ein Wort aus seiner Seele. Ein Bote aus der Landschaft seiner Seele ...: Die Welt lauft in – Strümpfen!

– – – – –

Und lacht. Und lacht fast idiotisch.

Irma: Weils jetzt da so heimlich ist? Oder was –

– – – – –

Wie er darauf keine Antwort gibt, weil er keine geben kann, fordert sie ihn zu völligem Gemütlichsein auf. Zieh doch auch die Schuh aus –

Vincenz fast blasphemisch: Denn der Boden, den du trittst –

– – – – –

Und nun ist ihm, als ob ihm kinderleicht sei. Ach ja!

Ach –

Er setzt sich; und zieht wahr und wahrhaftig die Schuh aus. Vor unsern sehenden Augen. Die fallen grad so schwer und aufpolternd zu Boden, wie vorhin die andern ... Der Kooperator trägt Socken, die ebenfalls weiß und zwirnen sind.

Wieder eine Weile Schweigen. Es ist da zum Teil immer noch eine Müdigkeit von der vergangenen Nacht, und zum Teil eine große Befangenheit trotz all der letztvergangenen Nacht.

Und jedes sucht und möchte gern den Ton finden, in dem sich vieles und fast alles abhandeln ließe; und keins hat diesen Ton bis jetzt gefunden.

– – – – –

Sie gehen an den Tisch und trinken.

Irma: Gesundheit!

Vincenz: Auf dein Wohl!

Und wieder Schweigen.

– – – – –

Und da fragen sie – seltsam, seltsam, und doch wieder gar nicht seltsam – alle beide ganz zugleich.

Irma und Vincenz: Wann meinst du, daß der Pfarr –

Sie sehen sich schnell an und lachen laut heraus.

Irma: Komisch. Aber komisch.

Vincenz: Nein sowas von zu gleicher Zeit.

Irma zu der Frage, die sie ganz zu gleicher Zeit taten, zurückkehrend: Na? Also?

Vincenz: Ja, morgen, hat er gsagt, der Pfarrer. Vor morgen kaum.

Irma: Zu mir auch. Weil er nämlich in Passau –

Vincenz: Beim Domkapitel –

Irma: Ja.

Vincenz nun wieder zu dem kuriosen Fall zurückkehrend: Aber sowas Komisches.

Irma: Nein, sowas von zu gleicher Zeit!

Vincenz: Zwei Seelen!

Irma: Und ein Gedanke!

Vincenz: Ja!

– – – – –

Aber – das ist schon mehr eine – Gemeinheit von uns, daß wir uns sowas ganz zu gleicher Zeit –

Irma: Gemeinheit? Das ist doch aber schön gwesen! Direkt schön!

Sie trinken.

Vincenz: Schön! Direkt schön!

– – – – –

Ja – jung bin ich! Jung! Geht umher und reckt die Arme.

Irma einstimmend: Und die Welt lauft in – Strümpfen!

Vincenz wie auf ein Stichwort: Weils so heimlich ist –

– – – – –

Und weil er erst –

Irma: Wer?

Vincenz: Du weißt schon, wer!

Irma: Weil er erst morgen zurückkommt?

Vincenz: Siehst dus, daß dus weißt?

Irma: Ja! Von seiner Ambrosia! Erst morgen zurückkommt! Von seiner Ambresl!

Von seiner Ambresl!

– – – – –

Weißt du noch?

Sie karikiert ihn.

»Da ist die Mutter von der Ambrosia. Nicht? Na also! Und kränkeln tuts schon lang genug, die alte Mutter von unserer Köchin. Und wie mir gestern auf d' Nacht der Pfarrer nochmal gsagt hat –«

Weißt dus nimmer?

Vincenz lacht.

– – – – –

Und karikiert dann die Irma:

Weißt aber du noch?

»Ihr werdets doch wissen, was schwanger heißt? Und jetzt werden Euch doch endlich die Augen aufgehn – und jetzt ists höchste Zeit, daß ich den Sonntagsbraten übers Feuer bring und für Sie höchste Zeit, Herr Kooperator, daß Sie sich nicht allerhand solche neckische Geschichteln mehr vom Herrn Pfarrer vorlügen lassen – Punktum!«

– – – – –

Sieht sich förmlich in seiner damaligen Lage. Dasselbe hast du fein gemacht dortmals, gar recht fein, das muß man schon sagen.

Irma: Und dann nachher. Wie ihr zwei dann beim Essen gsessen seids.

– – – – –

Der Pfarrer kann nicht essen, weil die Ambrosia fort ist. Und der Herr Kooperator kann nicht essen, indem daß ihm endlich die Augen aufgemacht worden sind –

Vincenz sieht sie an: Du Satan, du schwarzer!

– – – – –

Ja,

Satan!

Irma spielt mit ihm: Bin ich vielleicht deine Verführerin gwesen? Hab ich dich verführt? Kommts jetzt so raus, daß ich dich –

Vincenz in all seiner eingebildeten, vor ein paar Tagen erst und sonders in der letztvergangenen Nacht erworbenen, neuen völligen Männlichkeit: Oh nein. Das nicht. Aber –

Irma: Aber?

Vincenz wie ein Truthahn so stolz: Ich glaub, nein, ich weiß es sogar ganz gewiß, ich tät in jeder Beziehung, verstehst? in einer jeden Beziehung heute noch als bar hinnehmen, daß die Mutter von der Ambrosia im Sterben liegt –

In dem Wein Männlichkeit, von dem er voll ist, ist ein Bodensatz Sehnsucht nach seiner frühern Knabenunschuld. Der Truthahn, der sich wie ein Pfau gebärden wollte, läßt sein kümmerlich gespreiztes Rad zusammenklappen ...

Irma: Möchtst du das? Möchtst du das vielleicht heut noch?

Vincenz suchts noch einmal, ein Truthahn, einem Pfau gleichzutun: Ach geh – So mußt du dich nicht anstellen, so darfst du mich nicht fragen! Du weißt doch –

Irma: Bist du nicht ein anderer heut?

Vincenz das kümmerlich gespreizte Rad klappt wieder zusammen: Ein anderer –

Irma: In – Hemdärmeln, in – in Strümpfen!

Vincenz: Der Pfarrer mag meine farbige Kappen nicht. Hat sie nie mögen. Er ist überhaupt gegen eine jede Studentenverbindung, und wenn sie noch so katholisch ist –

Er nimmt sie ab, die farbige Mütze.

Irma: Warum nimmst du sie denn jetzt ab? So bhalt sie doch auf!

Vincenz: Nein –

Irma: Aber ja! Das klang sehr herrisch.

– – – – –

Und aber nicht, daß ich sie dir etwa wieder aufsetz. Nein, selber sollst sie dir wiederaufsetzen!

Vincenz gehorcht.

Irma: Und trink – und trink!

Vincenz er stürzt sich fast aufs Bier: Ja!

Sie trinken.

Irma hat nun eine Mission:

– – – – –

Und dann, was wollen wir wetten? Was wetten wir? Der Pfarrer traut sich seit einem ganz gewissen Tag und einer gewissen Stunde kein einziges Wörterl mehr gegen dich zu sagen! Nicht einmal mehr wegen – deiner farbigen Kappen da! Was wetten wir? Wollen wir wetten? Die Ambrosia hats ihm damals, noch ehe sie fortgfahren ist an demselbigen Sonntag hats dem Pfarrer noch gsagt, daß ich weiß, wies um sie steht. Und ich, ich hab denselbigen Sonntag auch gleich noch sowas einfließen lassen, wie daß der Herr Kooperator amend auch schon wüßt, was es mit dem Verreisen auf vier Monat für eine richtige wahre Bewandtnis hat. Er ist nur ein zu – zu seelensguter Mensch, der Herr Kooperator, hab ich gsagt –

Vincenz: Das hättst du nicht sagen sollen –

Irma: Das hätt ich nicht sagen sollen? Aber das hätt ich ja sagen sollen –

und habs auch gsagt!

Vincenz: Wenn aber der Pfarrer von dem zwischen uns zweien erfahrt –

Er trinkt.

Irma: Das hab ich mir schon lang überlegt –

Vincenz bauernschlau: Na. Gar so lang kann das noch nicht her sein, daß du dir das überlegt hast –

Irma: Wenn der Pfarrer jetzt von dem zwischen uns zweien erfahrt, dann – laß mich ganz allein machen, Vincenz. Dann laß nur mich ganz allein machen, Vincenz, und tu du selber gar nichts. Denn – du bist nämlich wahr und wahrhaftig ein zu – zu seelensguter Mensch –

Vincenz: Na na.

Irma demonstrierend: Da stehn zwei zusammen, und das ist der Pfarrer und das ist die Ambrosia, und –

und kriegen sogar ein Kind!

Herausfordernd. Na und wenn sies dann wissen wollen, dann sollen sies eben erfahren, daß aber da auch zwei zusammenstehen, und das ist der Kooperator und das ist die Irma Prechtlin, und –

und die haben sogar – kein Kind!

Oder haben wir ein Kind?

Haben wir vielleicht ein Kind?

Vincenz in einem zwiefachen Sinn erschreckend: Nein, das nicht. Das nicht. Das ja nicht.

Irma: Alsdann!

– – – – –

Der Kooperator, dafür laß mich nur sorgen! der bleibt auch dann noch der seelensgute Mensch, der seelensgute! Aber – aber die Irma Prechtl, die – die sorgt eben dafür, daß – daß ers bleibt, der Herr Kooperator!

– – – – –

Und – dafür hat ein Weiberleut zu sorgen. Ihr andern, ihr Mannerleut, versteht das nicht.

Vincenz der immer größere Mengen Bier zu sich nimmt: Wir andern, wir Mannerleut, verstehn das nicht. Nein. Und wie erst ich –

Irma besitzsicher: Ja, wie erst du. Du – Junges. Du Jungs!

Vincenz trinkt. Das heißt, er trinkt schon wieder: Ich bin ein anderer worden, ja! Jung bin ich worden! Jung!

Jünger bin ich worden!

Alt war ich worden – ohne dich! Trink!

Sie trinken.

Irma: Neu bist du worden!

Vincenz: Neu bin ich worden!

Irma: Wie geputzt bist du jetzt und blank!

Vincenz: Geputzt und blank!

Irma: Ich kenn mich aus in diesen Dingen!

Ich kenn mich aus!

– – – – –

Wie du überhaupts so – so leben hast können, bis – bis daß ich gekommen bin?

Vincenz halb für sich, wie sich selber anspornend: Ich tus doch und schreib davon einem Schulkameraden von mir, einem Freund von mir, der wo jetzt auch Kooperator ist, und der auch ein Corpsbruder von mir gewesen ist. Ja, ich tus doch noch und schreib ihm. Schreib ihm alles. Oder –

oder ich reis' mal direkt zu ihm hin und – beichts ihm –

Irma: Das von uns? Das was jetzt zwischen uns ist?

– – – – –

Ich fürcht nur –

ich fürcht nur, das möcht ihm keine allzugroße Neuigkeit sein, was du ihm zu beichten haben wirst!

Vincenz: Ja, glaubst du denn, daß der auch – wie ich – wie wir zwei da –

Irma: Ja, warum denn nicht?

– – – – –

Ja, warum denn nicht?

Vincenz: Wie ich überhaupt so leben hab können, bis daß – bis daß du gekommen bist? Das kannst du nicht wissen. Das macht – der Glaube. Das hat mein Glauben gemacht. Er hat mich beschützt. In meinem Glauben war ich stark, bis –

bis daß du gekommen bist –

Irma: Aber jetzt glaubst du auch noch? Deswegen kannst du doch in deinem Glauben noch grad so stark sein wie frühers? Was hat denn das soviel mit dem Glauben –

– – – – –

Trinkt.

Ich wenigstens glaub immer noch und glaub und glaub –

und glaub bis an mein End

Vincenz trinkt: Ich – auch.

Irma ausrufend: Ich glaub an eine – ewige Seligkeit!

Vincenz trinkt: Ich – auch –

Irma: Das sagst du so?

Vincenz: Trink!

Irma spielt fast mit den Worten. Ihre Sinne sind alle wach und aufgestanden: Versauf dich nicht, Vincenz! Versauf keinen Tropfen von der ewigen Seligkeit!

– – – – –

Ich tät mich fürchten einzuschlafen, wenn ich nicht zuvor – Ich bet vor jedem Einschlafen. Allemal. Ich könnt überhaupts glaub ich gar nicht einschlafen, wenn ich nicht erst beten tät –

Vincenz Alkohol: Hast du heute nacht auch erst gebetet –

Irma: Ja, warum denn nicht?

– – – – –

Ja, warum denn nicht?

Vincenz spricht ihr nach: Ja, warum denn nicht?

Irma: Und beichten –

– – – – –

Warum soll ich nicht beichten? Muß man denn nicht beichten?

– – – – –

Aber dem Pfarrer beicht ichs nicht. Du, dem Pfarrer beicht ichs aber nicht. Dir,

dir beicht ichs.

Ja?

Dir –

Vincenz: Mir –

– – – – –

Ich glaub, ich schreib, wenn du für d' Nacht das Essen hermachst, ich glaub, ich schreibs heut noch an meinen Studierkameraden, der wo ebenfalls Kooperator geworden ist, an meinen Freund –

Irma: Tus. Ja.

Vincenz: Und ich weiß ganz genau, was ich ihm schreib –

Irma: So ists recht.

Vincenz: Ganz genau weiß ichs –

Irma: Das ist gscheit.

Vincenz: Ganz genau.

– – – – –

Und auch das, daß du mir alles beichten wirst – und nicht dem Pfarrer –

Und selber grad als wie eine Beicht schreib ichs an meinen Freund. Wie eine Beicht. In der Form wie eine Beicht –

Irma: Und er schreibt dir dann die Absolution zurück. In der Form wie eine Absolution –

Vincenz: Ja.

Er trinkt.

Irma die trinkt auch.

Vincenz: Priester-Ehen.

– – – – –

Er führt lautlose Selbstgespräche; mit der Welt ist er nun so ziemlich im reinen. Und so.

Irma: Die Welt lauft in – Strümpfen.

Vincenz: Priester-Ehen.

Irma: Wenn man so dasitzt wie wir und trinkt als wie wir und der Pfarrer zu einer solchen Ambresl verreist ist –

– – – – –

Sie mag kein Bier mehr.

Sie steht auf und geht zum Kanapee und legt sich hin.

Es ist Dämmerung.

– – – – –

Aber du bleib sitzen und steh nicht auf und geh nicht her zu mir –

Vincenz folgsam statt unfolgsam: Nein. Ich bleib schon sitzen und steh nicht auf und –

Trink noch was.

– – – – –

Irma: Ich mag kein Bier mehr. Und ich muß auch in die Küche jetzt. Und du mußt – denn du mußt auch was essen jetzt, sonst –

– – – – –

Ich hab schon beinah zuviel trunken. Trink nur das Bier aus, das noch dasteht –

– – – – –

Und derweil geh ich in die Küche und mach was zurecht für dich. Recht was guts zum essen. Und dann restaurierst du dich fein wieder.

Ja?

Sie steht auf, geht zu ihm hin, drängt sich an ihn. Ein wenig Küsserei.

Dann geht sie hinaus, nach der Küche.

Vincenz kommt die Lust, ein wenig zu rauchen an. Er raucht sonst sehr selten. Aber jetzt will ers probieren: Wozu hat denn der Pfarrer Zigarren – Steht auf. Geht schwankenden Schritts nach der Kommode und findet auch gleich, was er sucht. Beißt die Zigarrenspitze ab und spuckt sie fort. Setzt die Zigarre in Brand.

Und begibt sich wieder auf seinen Platz zurück.

– – – – –

Da ging ihm die Zigarre aus. Er muß sie neu in Brand setzen. Und in diesem Augenblick, wo der Schein des brennenden Streichholzes das Zimmer erhellt,

tritt der Pfarrer ein.

Achaz nichts als dies: Na na.

Vincenz: Ich –

– – – – –

Er hält das brennende Streichholz, so lang bis es abgebrannt ist.

Da ruft Irma aus der Küche: Vincenz! Vinzi! Vinzierl!

Und kommt, wie er nicht antwortet.

Tritt ein.

Bist leicht eingeschlafen, Vinzierl?

Achaz räuspert sich.

Irma: Ah? Hochwürden sind schon – von der Ambrosia da? Ah so!

– – – – –

Sie sagt nichts mehr. Sie liest nur die Schuhe alle auf. Einer entfällt ihr dabei und fällt wieder hin, aber da hebt sie ihn eben von neuem auf.

– – – – –

Dann hält sie in der rechten Hand alle Schuhe; mit der linken aber faßt sie nach einer Hand des Kooperators und sagt.

Komm, Vincenz, kommt mit mir –

Sie geht hinaus und führt ihren Vincenz mit hinaus.

Achaz macht ein Fenster auf. Und dann fällt der Vorhang.


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