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Vorrede an den lieben Leser

Soweit unser Böhmerwald reicht, sind überall bei jung und alt die Hirschauer mit ihren kurzweiligen Stücklein gute Bekannte. Einmal liegen da etliche Flecken, deren Einwohner sich an den alten Spruch halten sollen: »Wo es der Brauch ist, legt man die Kuh ins Bett.« Zum andern werden weit und breit einfältige Leute, deren es überall auf der Welt genug gibt, in der gemeinen Rede gern Hirschauer genannt; gewöhnlich, wenn sie gerade bei einem Stücklein erwischt werden. Unsere Hirschauer haben in aller Herren Länder, zumal in den schönen deutschen Gauen, gar berühmte und weit beschriene Vettern, denen sie in nichts nachstehen. Unter der ganzen Verwandtschaft sind die Hirschauer wohl die allerärmsten, und in ihrem armseligen Loch hüpft die Not überall keck herum. Ihr Sinnen und Trachten ist aber darauf gerichtet, die Armut zu verdecken und es den wohlhabenden Vettern schlecht und recht nachzumachen.

Nach der Meinung des Volkes sind die rechten Hirschauer freilich schon längst ausgestorben; doch sollen in alten Zeiten einige Hirschauer mit Kind und Kegel der alten Heimat Valet gesagt und sich da und dort unter den Leuten nieder gelassen haben; mancher Hirschauer sei auf der Reise verloren gegangen. So lebt auch nach dem Untergange der Hirschauer heute noch im Böhmerwald Art und Geist der rechten Hirschauer weiter.

Mit Lust und Liebe habe ich Meinungen, Narreteien und Streiche der alten Hirschauer und ihrer weit und breit verstreuten Nachkommen alten kundigen Leute vom Munde abgelesen, zum Volksbuche des Böhmerwaldes zusammengefasst und allen lieben Deutschen, sonderlich aber den Böhmerwäldlern, zu Nutz und Frommen herausgebracht. Die meisten Schwänklein, die oft ein gar ehrwürdiges Alter haben, wenn man es ihnen auch nicht ansieht, haben meine Gewährsleute oder ihre Vorfahren wohl aus alten Volksbüchern herausgelesen, manches auch von allerhand fahrenden Gesellen gehört; etliches haben sie selber, ohne es zu wissen, beim Erzählen weiter gesponnen und hinzugedichtet. Wenn bei guter Gelegenheit einer ein Stücklein von den Hirschauern zum Besten gibt, dann berichtet ein zweiter ein anderes und die Rede geht eine Weile von den Hirschauern. Die Jungen aber wissen nur noch die Hälfte und fügen hinzu: »So haben die Alten erzählt.« Das Volksbuch ist aus der lebendigen Überlieferung hervorgegangen und will wie die alten Volksbücher in Ehren gehalten werden und von Hand zu Hand über Berg und Tal wandern, bis schließlich die Blätter zerfallen und verschwinden und der Inhalt wieder im Volke lebendig weitergepflanzt wird.

Und noch eins. Das Volksbuch ist ein getreuer Spiegel der Menschen des Böhmerwaldes mitsamt ihren guten und schlechten Eigenschaften. Darum möge sich niemand ärgern und kränken, sondern an den alten deutschen Spruch denken:

»Ein Reis vom Narrenbaum
Trägt jeder, wer er sei,
Der eine deckt es zu,
Der andere trägt es frei.«

Die Hirschauer verrücken ihre Kirche

Einmal schien den Hirschauern die Sonne zu wenig ins Dorf. Da rieten sie hin und her, und am Ende kamen sie darauf, die Kirche müsste der Sonne im Wege stehen. Das leuchtete ihnen ein, dass sie Kirche nicht so mir nichts, dir nichts verrücken könnten. Meinte ein Gescheiter: »Streuen wir halt Erbsen, nachher wird es schon gehen.« Also streuten sie Erbsen um die Kirche herum. Einer lief nun schleunig hinter die Kirche, zog seine Joppe aus und legte sie ins Gras, dass sie wüssten, wie weit sie die Kirche schieben sollten. Ein herumstreichender Bettelmann aber erschaute die Joppe, packte sie schnell und machte sich aus dem Staube. Die Hirschauer traten unterdes auf die Erbsen und stemmten sich mit Gewalt gegen die Kirchenmauer. Natürlich rutschten sie mit den Füßen gut ein Örtel zurück vom Fleck. »Aushalten«, schrie einer, »ist schon genug!« Der aber, welcher seine Joppe ins Gras gelegt hatte, lugte schleunig hinter die Kirche. »Uje, uje«, schrie er, » ist schon zu weit, die Kirche steht jetzt auf meinem Jöppel.« Von der Zeit an schien die Sonne wiederum ohne Fehl ins Hirschauerdörflein.

*

 

Die Hirschauer kaufen einen Herrgott

Auf ihrem Kirchhofe hatten die Hirschauer einen alten zerbrochenen Herrgott am Kreuze hängen, dessen Leid keinem Menschen mehr zu Herzen ging. Da schickten sie einmal drei in die Stadt zu einem Bildschnitzer, dass er ihnen einen neuen Herrgott mache. Der Bildschnitzer aber, der die Hischauer erkannt hatte und selber ein Erzschelm war, fragte, ob sie einen toten oder lieber einen lebendigen Herrgott haben wollten. Da schauten die Hirschauer einander an, redeten viel und gescheit durcheinander und meinten zuletzt, sie möchten schon lieber einen lebendigen Herrgott haben, den könnten sie, wofern er denen daheim nicht recht sei, immer noch erschlagen.

*

 

Ein alter Hirschauer singt aus einem verkehrten Betbüchel

Es war ein Hirschauer, etliche achtzig Jahre alt, der ging einmal in die Kirche, legte das Betbüchel verkehrt vor sich auf die Kirchenbank, steckte sich die Brille an und krähte die heiligen Lieder schlecht und recht mit. Wenn es ihm einfiel, blätterte er in dem Betbüchel um. Stieß ihn einmal sein Nachbar mit dem Ellbogen und deutete auf das Betbüchel, dass es verkehrt daliege. Unser Hirschauer drehte es darauf um und krähte weiter. Daheim aber legte er seine Ähnlein der Reihe nach übers Knie und prügelte sie mit dem Leibriemen durch, weil sie ihm das Betbüchel verkehrt in die Rocktasche gesteckt hatten.

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Von der Hirschauer Kirchweih

Wenn die Hirschauer Kirchweih haben und die Leute aus der Nachbarschaft in der Frühe daherkommen, da sagen die Hirschauer immer: »Uje, kommt ihr zeitig daher, haben noch nicht gekocht, müsset schon später kommen.« Kommen dann die Leute ein anderes Mal später, dann heißt es allemal: »Ja, könnt ihr denn nicht eher kommen, wie es der Brauch ist, jetzt haben wir schon alles aufgegessen, können euch nichts aufwarten.«

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Von den besoffenen Hirschauern

Einmal hatten sich die Hirschauer auf der Kirchweih einen Rausch angesoffen, dass sie sich am Ende herum kugelten und kreuz und quer durcheinander lagen. Keiner getraute sich aufzustehen, weil sie fürchteten, sie könnten einander im Rausche die Füße verwechseln. Als ein Fremder durch den Flecken ging, baten sie ihn, er möchte einem jeden treulich und der Ordnung nach zu seinen Füßen verhelfen, sie täten ihm viel dafür geben. Der schnitt sich eine Haselrute ab und fuhr damit in die Hirschauer etliche Male hin und her. Flugs sprangen die Hirschauer in die Höhe, zahlten den Fremden und liefen heim, denn die Streiche brannten sie sehr.

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Die Hirschauer gehen kirchfahrten

Ging einmal eine Hirschauer Kreuzschar kirchfahrten und kam unterwegs auch zu einem Wässerlein, darüber ein alter Steg führte. Der Vorbeter trat vorsichtiglich auf das Brett und schrie: »Leutel, passet auf, der Steg bricht o!« Darauf antwortete die Kreuzschar und sang: »Hilf uns, hilf uns, Mario!«

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Ein Hirschauer beichtet eine grobe Sünde

Ein Hirschauer ging einmal an einem Gnadenorte zur Beichte, erweckte Reu und Leid und sagte dem Beichtvater alle Sünden ins Öhrl. Zuletzt aber getraute er sich mit einer Sünde nicht mehr heraus und rückte auf dem Beichtschemlein mit den Knien unruhig hin und her. Da redete ihm der Beichtvater sanft zu und suchte die schönsten Lehren und Beispiele hervor, und am Ende wagte es der Hirschauer und bekannte, dass er ein Hirschauer wäre. Da lachte der Beichtvater vom Herzen und tröstete den Sünder: »O du mein liebes Hirschauerlein, keine Sünde ist das nicht, aber schön ist es auch nicht.«

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Der samtene Gemeindeärmel

Die Hirschauer wurden von der Nachbarschaft arg verspottet, da sie ihrer Armut halber am Werktag wie am Feiertag in derselben Gewandung einhergingen. Einmal berieten sie, wie der Sache abzuhelfen wäre, und ward beim Schneider in der Stadt auf Kosten der Gemeinde ein samtener Ärmel bestellt. Auf der nächsten Kirchweih zog allemal ein anderer Hirschauer den samtenen Ärmel im Wirtshaus zum Fenster hinaus, damit die Fremden, die vorübergingen, meinen sollten, die Hirschauer trügen allesamt samtene Gewänder.

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Die Hirschauer wählen den Bürgermeister

Wenn bei den Hirschauern der alte Bürgermeister das Zeitliche gesegnet hat, dann wählen sie also nach altem Brauch den neuen Bürgermeister: Alle beweibten Männer des Dorfes müssen unter einen großen Heuschober kriechen und den bloßen Hinterteil hervorrecken. Um den Heuschober herum gehen dann die Weiber der Hirschauer, und der wird der neue Bürgermeister von Hirschau, den sein eheliches Weib am nackten Hintern richtig erkannt hat.

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Der neue Bürgermeister redet mit seiner Hose

Als einmal die Wahl auf den Gemeindehirten gefallen war, da soff er sich des unerwarteten Glückes halber einen Rausch an, ging heim und schlief seinen Rausch aus. Als er am Morgen aufstand und mit den Füßen in seine Hose hineinfuhr, da redete er mit seiner Hose also: »Meine liebe Hosen, heut schlieft der Bürgermeister in dich hinein!«

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Die neue Bürgermeisterin spricht mit dem Volke

In des Gemeindehirten Eheweib aber, die vordem über Kühe und Kälber und Säue geboten hatte, waren alle Hoffartsteufel gefahren nach dem alten Sprüchlein: »Wenn der Bettelmann aufs Ross kommt, so kann ihn der Teufel nicht erreiten.« Drum legte sie sich am Sonntag erst an, als der Kirchenvater schon zusammenläutete. Als sie nun nach der Herrenleute Brauch zu spät in die Kirche kam, da ward gerade das Evangelium gelesen und die Leute standen auf in den Kirchenbänken. Unsere einfältige Bürgermeisterin aber bildete sich ein, die Leute wären ihretwegen aufgestanden, ging zwischen den Kirchenbänken hindurch und reckte den Kopf in die Höhe, sagte: »Bleibet nur sitzen, bleibet nur sitzen, ich weiß schon, wer ich bin.«

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Der Hirschauer Bürgermeister auf der Reise

Der Hirschauer Bürgermeister ging einmal über Land und kam in ein Dorf, da begegnete er auf der Straße einem Bauern mit einem Ochsengespann. Der Bürgermeister blieb vor den Ochsen stehen und redete: »Soll der Herr Bürgermeister von Hirschau den Ochsen ausweichen, oder werden ihm die Ochsen ausweichen, wie es recht und billig ist?« Da trat der Bauer auf die Seite und redete: »In den Streit mische ich mich nicht hinein, den müsst Ihr Euch mit meinem Ochsen selber ausmachen!«

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Ein alter Hase jagt neun Hirschauer in die Flucht

Auf eine Zeit trieb sich ein alter Hase in der Nähe von Hirschau herum, da litten die Hirschauer große Angst und Not, meinten, das grausame und scheußliche Tier mit den langen Ohren wolle sie auffressen. Eines Tages taten sich nun neun beherzte Hirschauer zusammen, nahmen einen langen Spieß mit und zogen hinaus auf die Äcker, dem Tiere den Garaus zu machen. Als sie des Hasen ansichtig wurden, stellte sich einer hinter dem andern an dem Spieße auf und zitterten allesamt gewaltiglich, hielten also den Spieß dem Hasen entgegen. Der Hase aber schlug zuerst ein Männlein und schaute hernach den Hirschauern in aller Seelenruhe zu. Da nahm sich der zu hinterst am Spieße ein Herz, rückte mit dem Spieße und schrie: »Rucke her, wenn du dich getraust, Langohrener, jetzund musst du sterben!« Der zu vorderst aber wurde darob wild und sagte: »Du hast gut reden, wenn du da vorne stündest, wäre dir ganz anders zu Mute.« Worauf er auf der Stelle den Spieß losließ und über Stock und Stein davon sprang. Die andern ließen den Spieß auch fallen und sprangen dem Anführer spornstreichs nach. Also hat ein alter Hase neun Hirschauer in die Flucht gejagt.

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Von den verkehrten Hirschauern

Wenn die Hirschauer in ihrem buckligen Winkel auf einen Berg hinauffahren müssen, so werfen sie vor Freude die Hüte hoch in die Luft und juchezen und schreien laut, weil sie auf der anderen Seite bergab fahren können. Und wenn sie wiederum von einem Berge getal herunterfahren, da lassen sie die Köpfe hängen und weinen und heulen jämmerlich, weil sie gewiss wiederum bald auf einen Berg hinauffahren müssen. Also verkehrte Leute sind die Hirschauer.

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Die Hirschauer schwimmen durch ein Flachsfeld

Reisten einmal etliche Hirschauer durch Wald und Feld, und auf ihrer Fahrt kamen sie auch zu einem Acker voll Flachs, und der Har stand in der allerschönsten Blüte. »Sehet, das ist die blaue Wulda«, schrie einer. Da zogen sie sich allesamt auf der Stelle kreuzmutternackt aus, legten sich bäuchlings in den Har und schwammen mit Händen und Füßen durch das Flachsfeld.

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Die Hirschauer wirtschaften im Walde

Auf eine Zeit kamen die Hirschauer überein, ein neues Gemeindehaus zu bauen. Da zogen zuerst die Holzhauer unter ihnen in den Wald, Bauhölzer zu fällen. Sägten aber nicht, wie es in aller Welt der Brauch ist, die Bäume um. Herentgegen packten sie die Bäume kreuzfest an und rissen sie mitsamt den Wurzeln aus dem Waldboden aus, ästelten auch die Bäume nicht säuberlich ab, wie es andere Leute tun, sondern zogen mit Mühe und Not dem Stamme die Rinde ab. Bei dieser Arbeit kugelten sie rechtschaffen am Holzschlage herum und reckten oft kerzengerade die Füße in die Höhe.

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Die Bauhölzer wandern dreimal denselben Weg

Die Bauhölzer schleppten sie dann nicht ohne viel Schnaufen und Atemholen über den Berg hinunter. Der letzte Holzklotz entglitt ihnen von ungefähr und fing an, von selber fein gemächlich den Berg hinab zu rollen, bis er zu den anderen Hölzern kam, da blieb er liegen. Da rissen die Hirschauer die Augen auf und redeten: »Wir sind doch Narren, dass wir uns so abplagen, wo doch die Hölzer von ihm selber hinunter kugeln.« Gingen auf der Stelle hinunter und trugen die Klötze der Reihe nach einen um den andern wiederum mit Mühe und Not auf den Berg hinauf, bloß das eine Holz, das von selber den Berg hinab gerollt war, ließen sie um seiner Klugheit willen liegen. Als alle Hölzer oben waren, ließen sie allmählich eines nach dem andern den Berg wiederum hinab kugeln, standen oben und hatten eine unbändige Freude.

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Die Bauhölzer kommen nach Hirschau

Als die Hirschauer soweit waren, dass sie die Bauhölzer in das Dorf schafften, da trugen sie immer zu zweit ein Holz nach der Quere, dass ihnen die Straße schier zu schmal wurde. Wie sie nun in den Ort kamen, stießen sie mit den Nasen an die Häusel und konnten nimmer weiter mit ihren Hölzern. Blieb ihnen schier nichts anders übrig, als alle Häusel, die ihnen im Wege standen, schleunig niederzureißen, damit sie mit ihren Hölzern zum Bauplatz gelangen konnten.

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Die Hirschauer graben den Grund zum neuen Gemeindehause aus

Als die Hirschauer den Grund zum neuen Gemeindehaus ausgegraben hatten, da lagen rund um den Grund herum große Erdhaufen. Meinten die Hirschauer, es wäre schier zu viel Arbeit, wenn sie die Erde wegschaffen täten. Herentgegen gruben sie neben den Erdhaufen etliche Löcher aus und schaufelten die Erde hinein. Für die neu aufgeworfene Erde gruben sie abermals Löcher und schaufelten die Erde wiederum hinein. Wer weiß, wie viel Löcher sie noch gegraben haben, bis ihnen ein Licht aufgegangen ist.

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Die Hirschauer Maurer mauern sich selber in dem neuen Gemeindehause ein

Mit Fleiß hatten die Hirschauer Maurer Tag um Tag an dem neuen Gemeindehause gearbeitet. Und etliche Wochen waren vergangen, da standen bereits die Mauern, waren eingedeckt, und zu höchst am Giebel flatterten an einem Tannenbäumlein lustig die farbigen Schnürlein im Winde. Als nun einmal das Mittagsglöckel läutete, legten die Maurer schleunig das Werkzeug aus der Hand und wollten zum Essen laufen, konnten aber aus dem Gemeindehause nicht mehr heraus, hatten nämlich im Eifer die einzige Türe zugemauert. Huben in ihren Ängsten und Nöten im Innern aus allen Kräften ein großes Geschrei und Gepolter an, also dass die Hirschauer Sturm schlugen und das ganze Dorf zusammenlief. Da brachen einige beherzte Männer schleunig ein Loch in die Mauer und erlösten die armen Maurer, ehe noch ein Unglück geschehen war.

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Von der Finsternis im neuen Gemeindehause

Als die Hirschauer mit Sang und Klang ins neue Gemeindehaus eingezogen waren, da erschraken sie allesamt gar gewaltiglich, denn im Innern des Gemeindehauses war es also finster, dass keiner den andern sehen konnte und etliche aus der Ursach mit den Köpfen an die Mauern stießen. Die siebengescheiten Maurer hatten nämlich auf die Fenster ganz vergessen und waren es auch nicht inne geworden. Lang und breit rieten da die Hirschauer in der Finsternis umher, wie es in ihrem neuen Gemeindehause licht werden könnte. Plötzlich stand ein alter Hirschauer auf, dem die Mauldrescherei schon zu lange dauerte, und redete von der Leber weg, meinte, man solle das Licht in Säcken ins Gemeindehaus schaffen, nütze es nichts, so schade es auch nichts. Der Rat gefiel dermaßen allen, dass die Ausführung männiglich in Hirschau anbefohlen wurde. Um die Stunde, da die Sonne am heißesten schien, rückten also die Hirschauer aus mit langen Säcken, darein ließen sie die Sonne scheinen bis auf den Boden, knüpften die Säcke hernach schleunig zu und liefen damit ins Haus, das Licht auszuschütten. Andere taten dasselbe mit Häfen und Kesseln und Eimern, und etliche luden das Licht mit Mistgabeln und Schaufeln in Körbe. Also trieben sie es, solange sie die liebe Sonne gewähren ließ, mit solchem Eifer, dass sie vor Hitze fast erlechzten. Hatten aber kein Glück und im Innern des Gemeindehauses war und blieb es pechrabenschwarze Nacht. Die Hirschauer aber, denen Wohl und Wehe ihrer Gemeinde am Herzen lag, blieben in dem neuen Gemeindehause und ließen nicht nach, huben immer wieder von neuem an, alles noch einmal zu erwägen, auf welche Weise es in ihrem neuen Gemeindehause licht werden könnte. Hätten in ihren Köpfen das Licht schier notwendiger gebraucht als in ihrem neuen Gemeindehause!

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Einer will das Licht mit einer Mausefalle fangen

Während also die alten und hochweisen Hirschauer Tag und Nacht beisammen steckten und Rats pflogen, wie es in ihrem neuen Gemeindehause licht werden könnte, da machte sich ein neunmalgescheiter Hirschauer zeitig in der Frühe auf, ganz heimlich, dass ihm keiner zuvorkäme, denn er fürchtete, ein anderer könnte auch auf den Gedanken kommen, nahm eine Mausefalle mit und stieg auf den Berg, hinter dem die Sonne Tag für Tag aufging. Stellte da die Mausefalle mit dem offenen Löchlein gegen Sonnenaufgang, legte sich ins Gras, hielt den Atem an und passte auf. Als die Sonne aufging und die ersten goldenen Fädlein durch die Mausefalle schienen, das sprang unser Hirschauer hervor, schloss schleunig das Türlein und tat einen Luftsprung. Lief auf der Stelle nach Hirschau und schlug Lärm, er hätte das Sonnenlicht mit List eingefangen und jetzund würde es bald im Gemeindehause licht sein. Der hat wohl ein langes Gesicht gemacht, wie er die Mausefalle im Gemeindehause hoch in die Höhe hielt und es da stockfinster blieb wie zuvor. Ob es überhaupt einmal licht wurde im Hirschauer Gemeindehause, habe ich noch nicht erfahren können.

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Die Hirschauer nehmen ein Krähennest aus

Zogen einmal die Hirschauer aus und wollten ein Krähennest ausnehmen. Da sich keiner auf den Baum kraxeln getraute, so stieg einer dem andern auf die Achsel und machten also eine Zigeunerleiter. Als der zu oberst grad ins Nest nach Kräften langen wollte, da glaubte der zu unterst, er müsse zuerst ins Nest sehen und beugte sich vor. Da purzelten auf der Stelle die Hirschauer allesamt vom Baume herunter. Der aber, welcher zu höchst gewesen war, wälzte sich mit blutigem Maul im Grase. Da fielen die andern über ihn her und prügelten ihn durch, meinten, er hätte die Krähen allein aufgefressen.

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Die Lehre aus der Krähengeschichte

Die Hirschauer hatte immer gemeint, dass sie mit dem Maule sähen. Der aber, welcher selbiges Mal die Krähen allein aufgefressen haben sollte und aufs Maus gefallen war, musste nun lange Zeit das Maul verbunden haben und also herumgehen. Da kam er drauf, dass er eigentlich mit den Augen auch schauen könnte, welcher Meinung sich die anderen Hirschauer anschlossen.

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Einem Hirschauer muss einer Sichel halber der Kopf abgeschnitten werden

Ein Hirschauer kaufte sich einmal auf dem Markte eine Sichel, und dass er sie nicht in der Hand heim tragen müsste, legte er sich die Sichel um den Hals herum. Wie er nun nach Hirschau kam, da zog und zerrte er ein ums andere Mal an dem Griffe, aber die liebe Sichel ging nicht herunter. Mussten ihm am Ende den Kopf abschneiden, weil sie die Sichel schon notwendig gebraucht haben.

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Von einem mit einer goldenen Kette, und was die Hirschauer von ihm halten

Auf eine Zeit kam ein hoher Herr aus der Zunft derer, die den Amtsschimmel reiten, zu den Hirschauern, der hatte eine große goldene Kette um den Hals, die sich die Hirschauer nicht genug anschauen konnten. Flüsterte ein Hirschauer fein stille einem andern ins Öhrl: »Das muss ein großer Dieb und ein Leuteschinder sein, weil er an einer mächtigen Kette hängen tut.«

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Die Hirschauer heben eine Sau auf

Einmal kam auch der Bischof zu den Hirschauern. Da gingen sie ihm entgegen mit einem großen Tragstuhle, auf den musste sich der Bischof hinaufsetzen, wären sonst arg beleidigt gewesen. Also trugen vier starke Männer den Bischof auf dem Tragstuhle in den Ort. Voraus spielte die Musik, und die Hirschauer liefen allesamt, groß und klein, hinter dem Tragstuhle her. Auf einmal wurde einem Träger der Bischof zu schwer, ließ deshalb den Tragstuhl mit Fleiß los und sprang auf die Seite. Da kam der Tragstuhl aus dem Gleichgewichte, riss die andern Träger um und fiel mit Wucht zu Boden. Der Bischof aber purzelte in seinem schweren Kirchenmantel mitsamt der Bischofsmütze und dem Bischofsstabe kopfüber in den Straßengraben. Da schrie der Hirschauer Bürgermeister in das Durcheinander hinein: »Gewusst habe ich es, dass wir heute eine Sau aufheben werden.«

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Der Fürst isst mit den Hirschauern sauere Milch

Wiederum auf eine Zeit kam der Fürst durchs Hirschauerdörflein, da geben die Hirschauer ihm zu Ehren einen Festschmaus. Die Männer saßen allesamt mit dem Fürsten an einem Tische, darauf ein großer Häfen mit sauerer Milch stand, auf diese Seltenheit taten sich die Hirschauer am meisten zugute. In die Milch hatten sie weislich zweierlei Brot gebrockt, die schwarzen Brocken für die Hirschauer, die weißen Brocken aber für den Fürsten, dem sie selbige mit dem Löffel zuschoben. Als sie nun um den Häfen herumsaßen und sich die Milch schmecken ließen, erwischte von ungefähr ein Hirschauer ein weißes Bröcklein und schob es ins Maul. Alsogleich schlug ihm der Bürgermeister den Löffel auf die Hände, sagte: »Ist das die gebührliche Ehrfurcht, die du unserem Herrn Fürsten schuldest?« Der Hirschauer erschrak gewaltiglich, und weil er selbiges Bröcklein noch im Maule hatte, nahm er es schleunig heraus, legte es bescheiden wiederum in die Schüssel und der Bürgermeister stieß es heimlich vor des Fürsten Ort. Der Fürst aber, der alles bemerkt hatte, wischte seinen Löffel ab, legte ihn weg und schenkte den Hirschauern die ganze Milch mitsamt den weißen Bröcklein.

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Ein Hirschauer rechelt Streu

Wenn die Hirschauer auf ihren hügeligen Weiden Streu zusammen rechelten, so kamen ihnen alleweil Steine unter die Rechen und kollerten ihnen zwischen die Füße. Einmal, da kam den Hirschauern plötzlich ein schlauer Gedanke, drehten sich um und rechelten Streu auf den Hügel hinauf, dass die Steine sie nicht mehr bei der Arbeit hindern konnten, und ward also in Hinkunft immer zu Hirschau also beim Streurecheln gehalten.

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Von einem Hirschauer, dessen Kuh sich verlaufen hatte

Ein Hirschauer hatte eine Kuh, die hatte sich einmal verlaufen, und als ihm das halbe Flecklein die Kuh suchen half, da frohlockte und jubelte unser Hirschauer und sagte ein ums andere Mal: »Bin ich froh, dass ich nicht bei meiner Kuh gewesen bin, wie sie in Verlur gegangen ist, ich wäre gewiss mit ihr verloren gegangen.

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Von einer fleißigen Dirne

Es war eine Dirne, eine rechte Hirschauerin, die hätte sich bei der Arbeit vor Eifer schier zerrissen, solche Dirnen sind heutzutage gar rar. Einmal nahm sie zwei Sensen mit auf die Wiese, legte Schneide gegen Schneide zusammen und fuhr mit beiden Sensen durch das Gras, meinte, die Arbeit würde ihr auf die Art und Weise besser schleunen. Das Gras wurde aber dabei zweimal durchgeschnitten. Als sie einmal im Mähen inne hielt und das gemähte Gras untersuchte, da redete sie mit sich selber: »Gottei, Gottei, ist heuer unser Gras kurz gewachsen.«

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Die Hirschauer führen das Korn heim

Einmal führten die Hirschauer Korn ein und legten immer mehr Garben auf, dachten sich: »Erziehen wir die, so erziehen wir die auch noch.« Am Ende kamen die Ochsen mit der Fuhre gar nicht vom Fleck. Da luden die Hirschauer eine Garbe nach der andern wiederum ab und sagten zu sich: »Erziehen wir die nicht, so erziehen wir die auch nicht.« Zuletzt aber hatten sie auf jeder Wagenkipfe eine Garbe, damit kutschierten nun die Ochsen über Stock und Stein davon, dass es eine Freude war. Kam ein Fremder des Weges daher, der lachte die Hirschauer weidlich aus; dem riefen sie nach: »Gering auf und gering ab, ist man gleich wiederum da«, dachten sich über den Mann aber im Stillen: »Was versteht denn die Kuh von der Muskatnuss, kommt das ganze Jahr in keinen Krämerladen nicht hinein.«

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Von einem Schlaumeier

War ein Hirschauer, den verdross es arg, dass er Tag für Tag in den Wald gehen musste, Holz klauben für seinen Ofen. Einmal im Todherbste dingte er sich einen Knecht und ging mit ihm in den Wald, da fällten sie zu zweit einen großen Baum und hieben ihm die Äste ab, den schafften sie hernach mit Mühe heim. Da zog der Hirschauer den Baum durch ein Fensterlein in seine Stube, schob die Baumkrone ins Ofenloch und zündete sich ein Feuerlein an. Rückte und schob fleißig weiter, der Baum aber stand freilich noch lange zum Fensterlein hinaus, also dass der Wind lustig durchblies. Das scherte den Hirschauer wenig, der saß beim warmen Ofenloch, lachte sich ob seines guten Einfalls ins Fäustchen und brannte an dem Baume von der Seelwecktagen bis in die heilige Osterzeit hinein.

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Der Hirschauer vergisst die Mistgabel daheim

Fuhr einmal ein Hirschauer mit einem geladenen Mistwagen aufs Feld. Als er schon fast draußen war, bemerkte er, dass er die Mistgabel daheim liegen gelassen hätte, kehrte auf der Stelle mitsamt den Ochsen und dem geladenen Mistwagen um und fuhr heim, die Mistgabel zu holen. Nahm daheim die Mistgabel, steckte sie in den Mist und fuhr lustig abermals den Weg aufs Feld hinaus.

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Der Hirschauer auf dem Baumspitz

Ein Hirschauer ging einmal Holz klauben und fand auch einen hohen Baum, der von unten bis zur Spitze dürre Äste hatte. Der Hirschauer schwang sich auf die untersten Äste und sägte nun munter drauf los, stieg von Ast zu Ast immer höher, und die dürren Äste häuften sich auf dem Erdboden. Als er nun schier bei der Spitze war, da erschrak er gewaltig, denn er hatte sich den Rückweg abgesägt. Also saß er mutterseelenallein auf dem Baumspitz Tag und Nacht und schrie ohne Aufhören um Hilfe. Zuletzt lief der ganze Flecken beim Baume zusammen, und ward unser Hirschauer mit Mühe und Not vom Baumspitz heruntergeholt.

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Ein Hirschauer lässt sich die leichteste Arbeit zuletzt

Einmal hatte ein Hirschauer einen Wagen Nadelbaumgeäste heim gebracht und hub an, selbiges mit dem Schneidmesser zu Streu für das Vieh zu schneiden. Da zog er allemal, wenn er mit einem Aste fertig war, einen neuen nicht ohne große Mühe und Arbeit ganz zu unterst aus dem mächtigen Haufen heraus, dachte sich dabei, die Äste, die zu oberst liegen, die ließe er sich, bis er müde wäre, weil er sie ohnehin leicht bekäme.

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Der Stier soll das Gras am Dache fressen

Einmal hatte ein Hirschauer sein Korn schlecht gedroschen, und als er das Dach mit dem Stroh bedeckte, da schlugen die Ähren bald aus, und es wurde grün am Dache, und das Korn schoss schnell in die Höhe. Es dauerte nun den Hirschauer, dass das Korn verloren gehen sollte. Da kam er auf den Gedanken, den Stier aufs Dach hinaufzuziehen, damit er das Korn wegfresse, weil er selber es auf dem Dache nicht mähen konnte, und wurde der Stier acht Tage lang nicht gefüttert. Also band er dem Stier nach dieser Zeit einen festen Strick um den Hals und warf den Strick übers Dach. Auf der einen Seite zog nun das halbe Flecklein an dem Stricke und auf der andern Seite schoben ebenso viele den Stier nach. Wie der Stier nun in der Höhe baumelte, da erwürgte er sich und reckte die Zunge weit heraus. Schrie unser Hirschauer: »Zieht nur, zieht, seht ihr, wie er sich schon auf das Futter gefreut!«

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Der tote Stier

Als der Stier endlich heruntergelassen ward und die Hirschauer mit Schrecken sahen, dass er tot sei und sich nicht mehr rührte, da war der Jammer groß. Da sich nun etliche fremde Leute um die Zeit im Orte aufhielten und zu befürchten war, es könnten von diesen unwahre Gerüchte ausgestreut werden, so steckten die Hirschauer allsogleich dem toten Stier etliche Büschel Heu ins Maul, damit es nicht etwa hieße, der Stier sei vor Hunger verreckt.

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Die Wildgänse sind gescheiter als die Hirschauer

Als die Hirschauer den Stier nun schlachteten, da nahmen sie das Gedärm und machten eine einzige Wurst, die war so lang wie der Darm des Stieres. Da hatten sie im ganzen Flecklein keine Pfanne, die so groß gewesen wäre, dass die Wurst drin Platz gehabt hätte. Als sie nun ratlos vor der größten Pfanne standen, die sie aufgetrieben hatten und die alleweil noch viel, viel zu klein war, und ins Blaue stierten, da flogen über ihren Köpfen etliche Wildgänse hinweg, die schrien, wie es der Wildgänse Brauch ist: »Zwi, zwi, zwi!« Da rissen die Hirschauer Auge und Maul auf, griffen sich an die Köpfe und redeten mit sich selber: »Zwiefach, zwiefach müssen wir die Wurst in die Pfanne hinein legen.« Was sie auch auf der Stelle taten und der siebenlangen Wurst also Herr wurden.

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Ein Hirschauer vergisst sich umzudrehen

Ein Hirschauer hatte einmal in einem Orte eine Geiß gekauft und trabte mit der Geiß beim Schein des Mondähnels heimzu. Als er den halben Weg hinter sich hatte, ging ihm just die Pfeife aus. Da blieb er stehen, sich die Pfeife aufs Neue anzuzünden. Da ihm aber der Wind, der von Hirschau kam, ins Gesicht blies, drehte er sich um, zündete die Pfeife an, dass sie dampfte, und trabte gradaus weiter, ohne rechts und links zu schauen. Der Geiß blieb nichts anders übrig, als sich auch umzudrehen und hinterher zu trippeln. Kam auch richtig um Mitternacht mit der Geiß in den Ort zurück, wo er die Geiß gekauft hatte.

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Der Hirschauer im Schnee

Zu Winterszeiten einmal machte sich ein Hirschauer auf den Weg zu einem Nachbarn in die Sitzweile. Unterwegs brach er im Schnee ein und konnte nimmer weiter und dachte hin und her, wie er wiederum aus dem Schnee herauskommen könnte. Zuletzt fiel ihm ein, dass er sich ausschaufeln müsste. Mit Mühe und Not arbeitete er sich also aus dem Loch heraus, lief in sein Häusel zurück und holte sich eine Schaufel. Mit der Schaufel stieg er dann wiederum ins Loch hinein und hub an, sich auszuschaufeln. Alsdann trabte er zum Nachbarn in der Sitzweile und erzählte, was ihm auf dem Wege zugestoßen wäre. »Ja, unser Vetter ist ein ganz Gescheiter«, redete der Nachbar, »mir wenn das passiert wäre, ich hätte stecken bleiben müssen in dem Loch bis in den Auswärts.«

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Zwei Hirschauer passen einem Dieb auf, und einer erschlägt den andern

Ein Hirschauer hörte mitten in der Nacht draußen vorm Häusel was rumpern und pumpern, stand auf und weckte den Knecht, gab ihm ein Holzscheit in die Hand und trug ihm auf, er solle von der einen Seite ums Häusel herumschleichen und den ersten, dem er begegne, totschlagen, nahm selber auch ein Holzscheit in die Hand und lief von der anderen Seite ums Häusel herum. Und als sie beide nach einer Weile in der Finster hinterm Häusel zusammenstießen, schlug im ersten Schrecken der eine auf den andern mit dem Holzscheit los, also dass der Hirschauer auf der Stelle tot liegen blieb und der Knecht mit einem blauen Auge davonkam.

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Ein Hirschauer will seine Wiese verrücken

Ein Hirschauer hatte eine Waldwiese, die war ihm zu entlegen, hätte sie gern in der Nähe des Fleckens gehabt. Da ging er einmal mit seinen Ochsen auf die Wiese hinaus, schlug an zwei Ecken der Wiese tüchtige Pflöcke ein, daran spannte er die Ochsen, schrie kräftig »Hot wieh!« und trieb sie mit dem Geißelstecken an. Es fügte sich, dass just der Wind heftig durch die Wiese blies und die Gräser und Blümlein allesamt in einer Richtung sich bewegten und lustig wallten und wogten. Schrie unser Hirschauer aus Herzenslust: »Sieh, sieh, rückt schon vom Fleck«, redete den Ochsen zu und trieb sie mit dem Geißelstecken immer stärker an.

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Zwölf Hirschauer schwimmen durch ein Wasser

Einmal schwammen zwölf Hirschauer durch ein breites Wasser, und als sie am andern Ufer wiederum ans Land gestiegen waren, da zählten sie wohlweislich nach, ob ihrer noch zwölfe wären. Allemal aber ließ der, welcher gerade zählte, sich selber aus, dass sie immer nur elf Hirschauer herausbrachten. Da meinten sie, der zwölfte wäre im Wasser ersoffen, jammerten und liefen auf und nieder am Ufer und suchten das Wasser mit Stangen und Haken drei Tage und Nächte lang ab und peinigten und kreuzigten sich um den zwölften Hirschauer arg ab. Am dritten Tag stieß ein Fremder auf sie, dem klagten sie ihr Leid und baten, er möchte ihnen suchen helfen. Der aber gab ihnen den Rat, sie sollten einmal ihre Nasen in eine frischen Kuhfladen stecken. Den Rat nahmen sich auf der Stelle zu Herzen, suchten einen großen Kuhfladen aus und steckten der Reihe nach ihre Nasen hinein und am Ende zählten sie die Löchlein fein bedächtiglich zusammen und waren zwölf Löchlein in dem Kuhfladen drinnen, da war ihnen allesamt ein Stein vom Herzen gefallen.

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Von zwei alten Hirschauerinnen

Einmal gingen zwei alte Hirschauerinnen in den Wald, stopften sich ihre Körbe voll Berggras und legten obenauf immer mehr Gras zu. Als sie mit den enzhohen Körben heimzu trachteten, da blies er Wind von allen Seiten, fuhr ihnen mit Fleiß in die Kittel und hob ein ums andere Mal die Grasbüscheln, die zu höchst an den Körben waren, über ihre Köpfe weit hinweg. Meinten unsere Hirschauerinnen, es wäre schier besser, wenn sie die Körbe umgekehrt trügen, da könne der Wind dem Grase nicht so an. Stellten ihre Körbe auf einem Steine nieder und nahmen sie verkehrt auf den Buckel, also dass das Gras heraus fiel und sie leere Körbe trugen. Da lachten die zwei Hirschauerinnen, dass das Gras jetzt auf einmal so leicht sei, meinten, sie hätten zwei Fliegen auf einen Schlag getroffen, und sprangen über Stöcke und Stauden dahin, dass der Wind sie schier mitsamt den Körben davon gehoben hätte.

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Ein Hirschauer ist zur selben Zeit daheim und im Österreich

Ein Hirschauer war unterwegs ins Österreich, da ging ihm auf einmal die Wegzehrung aus. Fürchtete, er könnte verhungern in der Fremde, kehrte schleunig um und grub sich in seinem Häusel ein in das Heu, denn sein Weib hätte ihn vor der Zeit nicht heim gelassen. In der Stube unter ihm aber fetzten und werkten seine Kinder Tag und Nacht, also dass sein Weib ihrer nicht Herr ward. Da redete der Hirschauer im Heu mit sich selber: »Wäre ich nicht im Österreich, Kinder, euch tät ich die Leviten herunterlesen.«

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Ein Hirschauer legt den Wiesbaum nach der Quere auf den Heuwagen

Ein Hirschauer hatte einmal den Wiesbaum nach der Quere auf den Heuwagen gelegt und angebunden. Als er nun mit dem Wagen durch das Hoftor fahren wollte, stießen die Enden des Wiesbaumes an die Mauern an, dass die Mauern rechtschaffen wackelten. Da holte sich unser Hirschauer eine Säge, stieg auf den Heuwagen und sägte die Enden des Wiesbaumes kurzerhand ab, nachher ging der Heuwagen ohne Not durchs Hoftor.

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Die Hirschauer bauen Salz an

Eines Krieges halber litten die Hirschauer großen Mangel an Salz, dessen Zufuhr ihnen ganz und gar abgeschnitten war, Fassten also nach langem Für und Wider, wie es bei derlei heiklen Dingen natürlich ist, den Beschluss, den Salzbau selber in die Hand zu nehmen. Brachen im Auswärts einen Gemeindeacker um, pflügten und düngten ihn, und bauten das Salz. Als es etliche Male geregnet hatte, da fing der Acker an, aufs aller schönste zu grünen und die frechsten Kräuter schossen hervor, überall aber gingen Brennnesseln in Mengen auf. Da hatten die Hirschauer eine närrische Freude, liefen des Tags etliche Male auf ihren Salzacker hinaus und vermeinten schier, das Salz wachsen zu hören. Stellten auch einen Flurwächter hin, auf dass sie nicht durch wildfremde Leute oder das unverständige Vieh zu Schaden kämen. Selbiger Flurwächter musste nun einmal plötzlich seine Notdurft verrichten und tat dies des gemeinen Nutzens wegen auf dem Salzacker. Als er nun nach einem Büschel langte (vermeinte, ein Salzstäudlein auszureißen, indes er eine saftige Brennnessel erwischte), da verbrannte er sich den hintern Teil so rechtschaffen, dass ihm die Tränen aus den Äuglein rannen. Verbiss aber den Schmerz gar tapfer, rannte alsogleich ins Döflein, als ob das große Wasser hinter ihm wäre, und vermeldete, das Salz wäre bereits also hitzig, dass er sich den Hintern arg verbrannt hätte. Da zogen nun die Hirschauer mit dem Flurwächter hinaus auf den Salzacker und nahmen Sicheln mit, das Salz gleich zu mähen, damit es nicht überreif werde. Wie sie aber die vermeintlichen Salzstäudlein anpackten und mit den Sicheln abschneiden wollten, da schrien sie allesamt auf vor Schmerz und heulten, dass es weit geklungen hat, denn es war ihnen nicht anders gegangen als ihrem Flurwächter. Mussten am Ende ihr edles Salzkraut samt und sonders auf dem Felde stehen lassen, denn fremde Leute wollten sie nicht um Rat angehen, damit das Geheimnis nicht aus dem Flecken käme. Hatten sie so früher wenig Salz, so gab es jetzt gar keins, da sie das letzte Körnlein zur Aussaat verwendet hatten.

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Einer wartet, bis das Wasser nimmer fließt

Einmal schickten die Hirschauer einen in einen entlegenen Flecken, dass er eine Post ausrichte. Der Hirschauer machte sich auf den Weg und kam auf seiner Reise auch zu einem Wasser, da konnte er nicht hinüber, legte sich am Ufer ins Gras und dachte sich, er hätte Zeit, einmal werde das Wasser schon ein Ende nehmen. Gewiss sitzt der noch heute an dem Wasser und wartet, bis das Wasser aufhört zu laufen, wenn er nicht schon gestorben ist.

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Jeder schaltet mit dem Seinen

Zwei Hirschauer hatten miteinander eine Sau gekauft, die sie abwechselnd mästeten. Als die Sau feist genug war, schickte eines Tages der, dem die ein Hälfte gehörte zu dem andern, dem die andere Hälfte zustand, und ließ ihm sagen, er könne seine Hälfte, wenn er wolle, noch laufen lassen, die seine töte er morgen.

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Der seltsame Vogel

Ein Hirschauer, der ein Vogelnarr war, hatte von dem Kanarienvogel gehört, machte sich auf den Weg in die Stadt und verlangte in einer Vogelhandlung einen Kanarienvogel. Der Vogelhändler aber erkannte an der Rede den Hirschauer und verkaufte ihm daher ein ganz junges Gänslein für einen Kanarienvogel. Der Hirschauer trug das Vöglein fein bedächtiglich heim, fütterte es fleißig und saß schier den ganzen Tag vor dem Vogelhäusel und pfiff dem Vöglein die allerschönsten Lider vor. Das Vöglein aber wurde von Tag zu Tag größer und feister und wollte schier nicht singen. Und endlich war der Vogel so groß, dass ihm der Hirschauer ein größeres Häusel bauen musste, und da der Vogel immer noch wuchs, so musste das Vogelhäusel etliche Male noch vergrößert werden. Endlich hing die ausgewachsene Gans in einem unförmigen Vogelhäusel mitten unter Amseln und Drosseln und Krummschnäbeln und Finken und Zeiseln, und unser Hirschauer war stolz auf den seltsamen Vogel und gab die Hoffnung nicht auf, dass er mit der Zeit das Singen doch noch erlernen würde.

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Die Hirschauer schießen den letzten Bären des Böhmerwaldes

Nächtlicherweile trabte einmal ein Hirschauer heimwärts und vermeinte, in einem Graben einen Bären liegen zu sehen. Da lief er schleunig heim und schlug Lärm, dass der ganze Flecken zusammen lief. War viel herum geredet und ein Gescheiter sprach: » Ich habe es allweil gesagt, der letzte Bär im Böhmerwald ist noch nicht erschossen.« Darauf zogen die mutigsten Hirschauer mit Pulver und Korn aus, fanden richtig den Bären, schossen auf ihn und liefen nach allen Windrichtungen davon. Da sie ein Brummen und Stöhnen hörten, meinten sie, sie hätten der Bestie das Lebenslicht ganz ausgeblasen. Als sie dann am helllichten Tag den Bären aufsuchten, da lag eine Bassgeige im Straßengraben, darüber ein Bärenfell, das war ganz durchschossen, und die Saiten waren allesamt gesprungen. Und etliche Schritte weiter im Straßengraben lag ein besoffener Musikant und schnarchte.

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Sieben Zelten, sieben Tage

Waren einmal Einschichtleute, einfältige Hirschauer, die hatten keinen Kalender, backten Woche für Woche sieben Zelten, taten sie in die Kammer und aßen jeden Tag in der Frühe einen Zelten. Wenn alle Zelten aufgegessen waren, ruhten sie von der Arbeit aus, feierten den Sonntag und gingen nach altem Brauche abwechselnd, da sie nur etliche Paar Stiefel hatten, nach Hirschau in die Kirche. Meist aber kamen ihnen die Mäuse in der Kammer über die Zelten, also dass sie oft schon am Mitticher oder Pfinztag in Feiertagskleidern zur Kirche kamen, und die Hirschauer sie mitsamt ihren Zelten weidlich auslachten.

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Die Katze wird zum Wächter der Zelten bestellt

Einer gab ihnen einmal den Rat, sie sollten die Katze allemal des Nachts zu den Zelten in die Kammer sperren, dass sie die Mäuse wegtreibe. Versprachen sich davon auch Abhilfe und sperrten die Katze richtig in die Kammer zu den Zelten. Die Katze aber war nicht faul und fraß selber die sieben Zelten alle auf einmal auf, und waren die Einschichtleute noch schlimmer dran als zuvor.

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Vom Hute des Hirschauer Bürgermeisters

Der Hirschauer Bürgermeister ging einmal mit schweren Gedanken herum. Plötzlich kam ein Windstoß daher, riss ihm den Hut vom Kopf und trieb ihn fort. Der Bürgermeister sprang hinter dem Hute her, und da der Wind den Hut gegen einen Brunnen trieb, tappte der Bürgermeister mit seinem Stock auf den Brunnenrand, stieß aber den Hut in den Brunnen hinunter. Da liefen nun die Hirschauer das ganze Flecklein aus und konnten keine Leiter finden, hätten auch eine solche Leiter nicht erbändigen können, denn selbiger Brunnen war gar tief. Da legten sie eine Stange nach der Quere über den Brunnenrand und einer hängte sich da an und an seinen Füßen wiederum einer und so etliche noch, meinten, einer würde am Ende leicht nach dem Hute langen können. Auf einmal schrie der, welcher an der Stange hing: »Haltet ein wenig aus, ich werde mir schnell in die Hände speuzen!« Spuckte sich auch alsogleich in die Hände und es purzelten die Hirschauer allesamt hinunter in den Brunnen.

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Der Gescheitere gibt nach

Einmal musste ein Hirschauer mitten durch eine Herde Ochsen und Kühe und Kälber und Schafe und Böcke, und da er dem Stier in die Nähe kam, packte ihn der mit den Hörnern und schleifte ihn hin und her. Bald wiederum hatte der Hirschauer den Stier fest bei den Hörnern und zog und zerrte ihn. Also stritten der Stier und der Hirschauer eine lange Weile, und als am Ende der Stier des Hirschauers bald Herr geworden wäre und ihn mit den Hörnern aufgespießt hätte, da hörte der Hirschauer schnell auf, lief weg und sagte: »Der Gescheitere gibt allemal nach!«

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Die Hirschauer dürren den Schnee ein

Das Hirschauerdörflein ist ein arges Schneeloch, und in Winterszeiten nimmt der Schnee schier nie ab. Einmal verfiel ein Hirschauer, der gerade nichts zu tun hatte, auf den Gedanken, den Schnee einzudürren, damit er im Sommer auch einen Schnee hätte. Trug also den Schnee auf den Dachboden und breitete ihn da aus. Als die anderen Hirschauer die Sache inne wurden, da trugen sie bald um die Wette Schnee auf ihre Dachböden, und war ein geschäftiges Treiben durch einige Tage in Hirschau. Als sie genug Schnee vorrätig hatte, meinten sie: »Alt wird man wie eine Kuh und lernen tut man immer zu.«

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Die Hirschauer führen ein Stücklein mit einer Kuh auf

Eine Hirschauerin hatte eine Kuh, die schlug beim Melken immer mit dem Schweife und den Füßen aus, also dass die Hirschauerin etliche Male vom Melkstühlein fiel und die Milch ausschüttete. Einmal wurde unserer Hirschauerein das Treiben der Kuh zu dumm, holte ihre Leute, die mussten die Kuh hinten und vorne festhalten, unterdes nagelte sie der Kuh durch die Klauen die Füße an der Stallbrücke an, dass sich die Kuh nicht rühren und reiben konnte. Zuletzt band sie noch der Kuh den Schweif an einem Füße fest. Von Stund an hatte die Hirschauerin Ruh vor den Füßen und dem Schweife ihrer Kuh. Als es aber zum Austreiben war, da konnte die Kuh nicht vom Fleck. Da hoben die Hirschauer die Bretter, an denen die Kuh angenagelt war, aus und schafften die Kuh samt den Brettern auf die Viehweide. Da stand nun die arme Kuh alleweil auf einem und demselben Fleck und plärrte die ganze Welt an.

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Die Hirschauer machen es den Mücken nach

Es trug sich einmal zu, dass ein Regen einfiel und etliche Hirschauer überraschte. Da schloffen sie allesamt schleunig unter die Schmelchern, die im Böhmerwald recht hoch werden, und dachten sich, die Mücken stünden auch unter den Gräsern unter, wenn es regne. Selbige Hirschauer werden wohl bis auf die Haut nass geworden sein.

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Einer hätte ein Steiglein gemacht, viere aber machen kein Steiglein

Ein Hirschauer schnitt sich einmal beim Kornschnitt mit der Sichel in den Finger. Da packte ihn also die Wut, dass er die Sichel weit ins Korn warf. Lang und breit hielten hernach die Hirschauer darüber Rat, wie sie die Sichel wiederum aus dem Korn heraus bringen könnten. Meinten, ginge einer durchs Korn, der täte ein Steiglein machen, und es wäre schade um die Hälmlein. Zuletzt kamen sie also überein: schafften eine Misttrage daher, da legten sie einen Hirschauer hinein und mit der Misttrage und dem Hirschauer trabten viere, einer an jedem Ende, durch das Korn, kreuz und quer, bis sie die Sichel fanden, da stellten sie die Misttrage nieder und der Hirschauer, der im Troge saß, musste fein bedächtlich mit der Hand nach der Sichel langen. Und wie sie ins Korn gekommen, so trabten sie wiederum hinaus. Also haben sie die Sichel glücklich aus dem Korne gebracht.

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Der Krebs wird zum Tode verurteilt

Einmal hatte sich ein Krebs verlaufen, der kam zu allem Unglück ins Hirschauerdörflein. Die Hirschauer aber hatten ihr Lebtag noch keinen Krebs gesehen und zerquälten sich mit Nachsinnen, was das für ein seltsamliches Tier wäre. Zuletzt meinte ein alter Hirschauer, es müsse wohl ein Schneider sein, weil er zwei Scheren bei sich habe. Um dies herauszubringen, legten sie fein bedächtiglich den Krebs auf ein Stück Tuch, und wo der Krebs hin und her kroch, da schnitt ihm ein Hirschauer mit der Schere hinten nach, als rechtschaffener Schneider entwerfe der Krebs ein neues Gewand. Am Ende aber war das liebe Tuch kunterbunt durchschnitten, da merkten die Hirschauer endlich den Betrug. Zudem zwackte noch der Krebs den Hirschauer, der ihm mit der Schere zu viel in die Nähe gekommen war, tüchtig in den Finger, dass das Blut herumspritzte. Da kamen die Hirschauer überein, das betrügerische und mörderische Tier zum Tode zu verurteilen, und sannen den härtesten Tod aus. Trugen also den Krebs zu einem Wasser und warfen ihn da hinein, vermeinten, ihn zu ertränken. Wie aber der Krebs von den Hirschauern erlöst war, fuhr er lustig in dem Wasser hin und her. Die Hirschauer schauten ihm lange zu und redeten viel vom Leben und vom Tode. »Geschieht ihm recht, dem Leutbetrüger«, sagten die einen; die andern aber weinten von Herzen und redeten: »Ist ein harter Tod, das Ertrinken.«

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Ein Hirschauer kommt mit dem Mühlstein am Halse um

Die Hirschauer hatten einmal auf einem Berge in einer Steingrube einen großen Mühlstein ausgehauen. Den wollten sie, da sie durch die Bauhölzer gewitzigt waren, den Berg hinunter kugeln lassen. Fiel aber einem ein: »Der Stein wird uns zu geschwind laufen, wie werden wir nachher wissen, wo der Stein hingelaufen ist?« Darauf antwortete der Bürgermeister: »Da muss halt einer von uns den Kopf in das Loch stecken und damit hinunter kugeln.« Losten auch auf der Stelle gleich einen aus, der steckte den Kopf ins Loch und kugelte mit dem Steine den Berg hinunter. Nun aber war zu unterst an dem Berge ein tiefes Wasser, da fiel der Stein hinein und sank mitsamt dem Hirschauer unter. Die Hirschauer kamen unterdes langsam nach, redeten etliche Wörtlein, blieben dann ein ums andere Mal stehen und spuckten gewichtig aus, der Bürgermeiste ging allein ganz zuletzt, redete mit sich selber und zählte alle Weile seine Finger. Lugten auch da und dort ins Gebüsch, konnten aber weder dem Hirschauer noch dem Mühlstein auf die Spur kommen. Meinten am Ende, der hätte sich mit dem Mühlsteine aus dem Staube gemacht, und schrien es in allen umliegenden Flecken aus, wenn einer mit einem Mühlstein um den Hals des Wegs daherkäme, den sollten sie einfangen und nach Hirschau abschieben.

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Die Hirschauer verstecken die Kirchenglocke in einem See

Auf eine Zeit hörten die Hirschauer, dass im Lande Krieg sei, da steckten sie die Köpfe zusammen und sannen hin und her, denn sie fürchteten, dass das Kriegsvolk, wenn es durch ihren Ort käme, ihre große Kirchenglocke mitnehmen und daraus eine Kanone machen könnte. Hielten es daher für ratsam, die Glocke vom Kirchturm herab zu nehmen und in den See zu versenken. Wenn die Feinde abgezogen wären, könnten sie die Glocke wiederum an Ort und Stelle schaffen. Also fuhren sie auf einem Schifflein mit der Kirchenglocke in den See, der nicht weit von Hirschau lag, hinaus und versenkten die Glocke daselbst. Als einer die Frage tat, ob sie die Glocke im See wiederum finden würden, da sagte der Bürgermeister zu ihm: »Darüber lass dir kein graues Härlein nicht wachsen, das ist meine Sache, der Bürgermeister von Hirschau bin ich.« Schnitt auf der Stelle eine Kerbe in das Schifflein, meinte, auf diese Weise würde er den Fleck, wo die Glocke liege, leicht finden. Den Kerbschnitt am Schifflein haben die Hirschauer später wohl gefunden, ihre Kirchenglocke aber haben sie wohl kaum wiederum läuten gehört.

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Ein Hirschauer glaubt, die Sturmglocke zu hören

Während des Krieges hatten die Hirschauer große Angst, das Kriegsvolk könnte in ihre Gegend kommen und brennen und rauben und die Leute umbringen. Verabredeten also, wenn die Sturmglocke läuten sollte, läuft jeder von den Feldern heim und versteckt sich in seinem Häusel. Eines Tages nun mähte ein Hirschauer auf seiner Wiese, die weit vom Flecklein weg war, das Gras. Von ungefähr fing sich eine Hummel in seinem Kumpfe, fuhr darin hin und her und stieß überall an. Da surrte sie: »Pump, pump, pump.« Unser Hirschauer hielt auf der Stelle inne im Mähen und loste, aus dem Kumpfe aber drang es in einem fort: »Pump, pump, pump.« Da vermeinte der Hirschauer, die Sturmglocke zu hören, warf die Sense ins Gras und lief mit heftigem Schnauben, als ob das Kriegsvolk ihm auf den Fersen folgte, ins Hirschauerdörflein.

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Eine Geiß öffnet den Feinden das Tor

Etliches Kriegsvolk verirrte sich auch in die Gegend von Hirschau. Wie nun der Wächter die Feinde heranrücken sah, schloss er schleunig das Tor, und da er den Torriegel nicht gleich fand, steckte er eine langgeschwänzte Rübe in die Klammer. Indes der Wächter die Hirschauer zusammenblies, kam eine Geiß daher, die fraß die Rübe ab, wie denn die Geißen allesamt als genäschige Tiere bekannt sind. Da tat sich das Tor langsam sperrangelweit auf, und die Feinde rückten in Hirschau ein, kehrten alles im Flecklein um, und da sie nichts fanden, zogen sie nachher weiter ihre Straße.

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Die Hirschauer kaufen einen Regen

Einmal war ein gar dürres Jahr, da schickten die Hirschauer einen in die Stadt, dass er in einem Arzneiladen einen Regen kaufe, gaben ihm hundert Gulden mit. Der Arzneikrämer, der ein lockerer Vogel war, nahm eine kleine Schachtel, fing schnell mit der Hand eine Fliege, tat sie in die Schachtel und gab die Schachtel samt der Fliege dem Hirschauer für sein Geld, sagte ihm noch, er dürfe den Regen erst daheim auslassen. Den Hirschauer aber drückte die Neugierde, blieb deshalb auf dem Wege stehen und lugte in die Schachtel. Auf der Stelle entwich die Fliege, der Hirschauer riss das Maul weit auf und schaute ihr lange nach und vergaß schier, das Maul wiederum zuzumachen. Als er heimkam, vermeldete er, der Regen sei ihm schon unterwegs entwichen. Es fügte sich just, dass ein Wetter daherkam und fielen Schlossen in Menge, hauten den Hirschauern auf den Feldern alles zusammen. Da gingen die Hirschauer zu Rate und redeten: »Ist doch zu viel gewesen um hundert Gulden, ein anderes Mal kaufen wir und einen Regen um fünfzig Gulden.«

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Ein Hirschauer ersteht ein Rossei

Es kam einmal ein Hirschauer in eine Stadt, sah da in einem Laden einen Kürbis, blieb stehen und glotzte das wunderseltsamliche Ding an. Fragte einen, der vorüberging, was das wäre. »Ein Rossei«, gab ihm der zur Antwort, hatte gewiss den Vogel an den Federn erkannt. Auf der Stelle erstand unser Hirschauer den Kürbis, trug ihn unterm Arm heim, und lief die ganze Menschheit von Hirschau zusammen, das Wunderding zu sehen. Zuletzt führten sie eine alte Geiß herbei, die sollte das Ei ausbrüten. Da es aber schon etliche Wochen anstund und in dem Kürbis immer noch nichts rührte, da trugen die Hirschauer Sorge, das Rösslein könne sich durch die Schale nicht durchbeißen, schafften daher den Kürbis auf einen Berg und kollerten ihn hinunter. Der Kürbis aber stieß im Kollern an einem Kranwittstäudlein an und sprang über die Weiden davon. Meinten die Hirschauer, jetzund wäre das Rösslein aus dem Ei geschlüpft, liefen dem Hasen nach und schrien: »Ihaha, ihaha, auf Hirschau zu!«

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»So fahren wir halt nach Nussdorf hinaus…«

Ein Leierkastenmann hatte sich einmal nach Hirschau verirrt und über die Nacht sein Werkel im Spritzenhäusel eingestellt. Als alles im tiefsten Schlafe lag, wurde plötzlich die Feuerglocke geläutet, denn in der Nachbarschaft war ein Feuer ausgebrochen. Die Hirschauer sprangen aus den Federn, rannten zum Spritzenhäusel, erwischten in der Finster die Deichsel des Werkels und fuhren mit dem Werkelkasten ihren Nachbarn zu Hilfe. Wie es nun über den ersten Hügel hinunterging, da schrie einer: »Einschleifen, einschleifen!« Schleunig erpackte ein anderer die Kurbel, drehte, und der Leierkasten spielte im Fahren: »So fahren wir halt nach Nussdorf hinaus…«

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Die Katze hat Junge geworfen

Eines Hirschauers Katze hatte einmal zwei Junge geworfen. Da machte der Hirschauer auf der Stelle seinem Hoftore neben dem größeren Loche, durch das die Katze ein- und ausschloff, zwei kleinere Löcher, auf dass die Kätzlein auch ein- und ausschliefen könnten.

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Der Pfeffer macht Vieh und Menschen springend

Ein Hirschauer hatte etliche Öchsel auf dem Viehmarkte gekauft, die trieb er über die Berge heimwärts, musste aber rechtschaffen mit dem Stocke dreinschlagen und nachschieben, denn die Öchsel blieben alle Weile störrisch stehen und gingen mit Fleiß nicht vom Fleck. Unser Hirschauer wusste sich schier nicht zu helfen und wischte sich ein ums anderer Mal den Schweiß weg. Kam ein Fremder des Weges daher, der gab dem Hirschauer den Rat, er solle den Öchseln einen Pfeffer unter den Schweif streuen, da täten die Öchsel sicher springen. Der Hirschauer nahm sich selbigen Rat zu Herzen und kaufte im nächsten Flecken in einem Krämerladen gleich ein Pfund Pfeffer und tat, wie ihm der Fremde angeraten hatte. Da hoben die Öchsel die Schweife in die Höhe und scherzten die Straße dahin, und der Hirschauer machte weit hinten enzlange Sprünge und kam seinen Öchslein nimmer nach. Auf einmal aber muss ihm ein lichter Gedanke gekommen sein, denn er lief hinter eine Staude, löste den Riemen und tat die Hose herunter und schüttete den ganzen Pfeffer, der ihm noch übrig geblieben war, in seine Hose. Zog die Hose wiederum in die Höhe, schnallte den Riemen zu, und es dauerte nicht lange, da hatte er die Öchsel eingeholt und sprang mit ihnen um die Wette dem Hirschauerdörflein zu.

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Drei Hirschauer springen den Spiegelbildern ihrer Säue ins Wasser nach und ersaufen

Haben einmal drei Hirschauer ihre Säue nach einem fließenden Wasser getrieben, und die Säue spiegelten sich in dem Wasser. Da sagte ein Hirschauer zu den andern: »Loset, die Säue im Wasser müssen wir kriegen!« zog sich das Röcklein aus und sprang alsogleich ins Wasser hinein. Das Wasser aber schlug in die Höhe und gluckste: »Plumps!« Da dachten die zwei andern, er könne die Säue im Wasser allein nicht erbändigen und hätte ihnen zugerufen: »Kummts!« warfen auch die Joppen weg und sprangen auf der Stelle ihm nach ins Wasser. Von den drei Hirschauern hat man nie mehr ein Sterbenswörtlein gehört.

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Vom Hirschauer Nebelschiff

Bauten einmal die Hirschauer auf einem hohen Bergspitz ein Nebelschiff, meinten, damit durch den Nebel fahren zu können wie andere Leute auf dem Wasser. Eines Morgens lag nun ein dichter Nebel über dem Tale, da stiegen die Hirschauer auf den Bergspitz hinauf, setzten sich in ihr Nebelschiff und ruderten und schoben aus allen Kräften das Nebelschiff von dem Bergspitz hinab ins Nebelmeer. Plötzlich aber überschlug sich das Nebelschiff an einem Felsen und stürzte mitsamt den Hirschauern in die Tiefe. Da fiel das Nebelschiff auseinander in tausend und abertausend Stücke und den Hirschauern wurden Köpfe und Beine und Hände abgerissen. Also endete die Nebelfahrt der Hirschauer mit Schauer und Schrecken.

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Die Hirschauer nehmen allesamt ein jämmerliches Ende

Mögen die Hirschauer auch allerlei dumme und verkehrte Stücklein ausgeführt haben, sie waren doch gar gottesfürchtige Leute, die dem Herrgott gaben, was dem Herrgott gehörte. Ihr jämmerliches Ende aber soll auch uns zu Herzen gehen. Groß und klein, alt und jung gingen sie einmal in die heilige Christmette, unseres Herrn und Heilands Geburt zu feiern. Und es war ein arges Wetter und stürmte und schneite, und die Nacht war stockrabenfinster, dass man keinen Hund hinaus gejagt hätte. Da zogen die Hirschauer einen Strick von Haus zu Haus, dass sie wiederum heimfänden in ihre Behausungen, und banden das Ende an der Kirchentür fest. Ein lockerer Walzbruder aber, den der Wind um die Zeit in die Hirschauer Gegend geweht hatte, der löste den Strick von den Haustüren los und lief hinaus zum See, da band er das Ende freventlich an einen Pflock im Wasser und machte sich beizeiten aus dem Staube. Und die Hirschauer kamen aus der Kirche heraus, fröhlich und guter Dinge und hatten die Ohren noch voll vom Gloriasingen und gingen bedächtiglich dem Stricke nach und kamen näher und näher dem See und dem Verderben. Da purzelten sie am Ende des Strickes einer nach dem andern ins Wasser und hatten einen harten Tod, denn allesamt ersoffen sie elendiglich. Selbiges Mal sollen im Böhmerwald die rechten Hirschauer ausgestorben sein. Wie sie gelebt, so sind sie auch gestorben, vielleicht haben sie sich gar keinen anderen Tod gewünscht. Unser Herrgott wird ihnen ein gnädiglicher Richter gewesen sein.

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