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Erster Act.

(Ein freier Platz nahe bei Schiras, mit Ruhebänken unter Cypressen und Feigenbäumen. An der einen Seite ein Brunnen unter Gesträuch versteckt.)

Erste Scene.

Alma.

Immer neu, und immer neu
Sprudelt meine liebe Quelle,
Wie geht das zu? –
Warum schlägt mein Herz so schnelle?
Eins, zwei, drei! – Eins, zwei, drei! –
Närrchen, was begehrest du?
Immer neu, und immer neu
Ist des Herzens Schelmerei,
Wie geht das zu? –
Nirgends Feuer, und ich brenne,
Und ich wünsch', was ich nicht kenne,
Habe Schlaf und doch keine Ruh,
Wie geht das zu?

(Geht mit einem Wasserkruge zum Brunnen, schlägt ihren Schleier zurück und schöpft.)

Mein Schäfchen dürstet – hat auch keine Mutter mehr. Alma und ihr Schäfchen sind beide mutterlos. Und Wasser muß ich dem armen kleinen Dinge bieten, statt der Milch. Habe ich doch selbst nur Wasser für meinen Durst, ein wenig Reis und eine Traube für meinen Hunger. Arme Alma! (Sie will gehen und blickt von ungefähr in die Ferne.) Sieh, welch' ein großer Zug kömmt dort von Pferden und Kameelen mit schwerem Gepäcke. Das ist die Straße, die aus der Wüste kömmt. Ob ich ein wenig verweile, und all' den Reichthum vorüber ziehen sehe? – Ach! dürfte ich nur die Last eines Kameels mein nennen, mir und meinem Schäfchen wäre auf immer geholfen. – Halt! da geht einer auf mich los. Geschwinde den Schleier über. (Sie verhüllt sich.)

Zweite Scene.

Alma. Caled (mit einem Wasserkruge).

Caled. Segen des Propheten über dich, schöne Dirne. Sei barmherzig und zeige mir einen Brunnen hier in der Nähe. Wir sind neun Tage durch die Wüste gezogen, unser Wasser ist warm und lebendig, mein Herr verschmachtet vor Durst.

Alma. Hier ist ein Brunnen. Du bist müde, setze dich, ich will für dich schöpfen, und deinen Krug füllen.

Caled. Mögest du einst dafür in allen neun Himmeln neben den zwölf Imans sitzen. (Er lagert sich auf eine Bank, Alma schöpfet mit ihrem Kruge und füllt den Krug.)

Alma (während der Arbeit). Ihr kommt wohl weit her?

Caled. Wir sind in ganz Persien herumgezogen.

Alma. Und bringt eine reiche Ladung mit nach Hause.

Caled. So reich, daß wir den Schach Wampum fragen können, ob er Schiras verkaufen will.

Alma. Was tragen denn die vielen Kameele?

Caled. Sie tragen Indigo, Cochenille, Stahlklingen und Panzerhemden aus Korasan, Wolle von Kaschemir und Kerman, Gold und Silberstoffe aus Ispahan, Seidenwaren aus Ardebil und Manna, Sennesblätter und Rhabarber aus Kilan. Vierzig Pferde und siebzig Kameele, alle wohl gepackt, sind meines Herrn Eigenthum.

Alma. Wer ist dein Herr?

Caled. Ein junger Kaufmann, reich wie der große Mogul. Sein Vater starb vor wenig Monden.

Alma. Da hast du deinen Krug, er ist voll. Wohl bekomme es dir und deinem Herrn.

Caled (thut einen Zug aus dem Kruge). Ha! das erquickt, belebt, erfrischt. Habe Dank, schöne Dirne, und ehe wir scheiden, laß mich dein Antlitz seh'n. (Er will ihr den Schleier aufheben.)

Alma (sich zurück ziehend). Bist du ein Fremdling in diesem Lande, so will ich dir verzeihen, daß du nicht weißt, was bei unserm Volke Sitte und Gebrauch ist.

Caled. Es ist unter allen Völkern gebräuchlich, die Schönheit zu bewundern, und wo möglich zu entschleiern. Laß alte Weiber sich in Leichentücher hüllen, ihre Schönheit ward vorlängst zur Leiche. Dein Mund ist nicht geschaffen den Schleier zu küssen. Wahrlich, Mädchen! dein Trunk hat frisches Blut in meine vertrocknete Adern gegossen! Du bist schlank, aber die schlanken Mädchen sind nicht immer schön. Du bist gut aber die guten Mädchen sind selten schön. Ein Blick aus deinen häßlichen oder schönen Augen wird diese alten Erfahrungssätze bestätigen oder Lügen strafen. (Er versucht von neuem den Schleier weg zu reißen.)

Alma (sich sträubend). Hat mein guter Wille Beleidigungen verdient?

Caled. Kind, dein guter Wille und deine Schönheit haben nichts mit einander gemein. Besser wäre es, wenn deine Schönheit mehr guten Willen hätte.

Alma. Ich bin nicht schön.

Caled. Das sagt dein Mund. Aber das schwarze Auge, das da durch den Schleier blitzt, wie der Abendstern durch eine Wolke, spricht ganz vernehmlich, mein Mund lügt. Und höre, Mädchen, daß du meinen Wunsch, dir in dies blitzende Auge zu gaffen, eine Beleidigung schiltst, das ist Ziererei. Ihr Dirnen habt es gar zu gern, wenn man gafft und sich blind gaffen möchte.

Alma. Mir gilt es gleich. (Sie sucht vergebens zu entschlüpfen, weil ihr Caled immer den Weg vertritt.)

Caled. O ho! das ist nicht wahr. Aber daß du dich so geberdest, das ist in der Ordnung. Noch mehr; ich werde Gewalt brauchen, du wirst zürnen, dein Mund wird mich schelten, und dein Herz wird mir's Dank wissen.

Alma. Was der Mensch nicht alles glaubt.

Caled. Es kommt auf den Versuch an. (Er wiederholt seinen Angriff.)

Alma. Bleib mir vom Halse oder ich schlage dich.

Caled. Das wären nicht die ersten Schläge von Händen, die mich nachher gestreichelt haben. Darauf wage ich es. (Er setzt seinen Krug ab, und geht auf sie los.)

Alma. Verwegener! ich bin eine arme Waise, habe weder Vater noch Brüder, die meinen Schimpf rächen könnten. (Sie sträubt sich heftig.)

Caled. Desto besser!

Alma. Laß mich! Hilfe! Hilfe!

Dritte Scene.

Nurraddin. Vorige.

Nurrad. Was gibts hier?

Caled. Nichts, d'rum will ich nehmen.

Nurrad. Wieder einmal ein dummer Streich, Caled!

Caled. Den hat die Dirne gemacht, als sie schrie.

Alma. Ach Herr! steht mir bei! ich ging hierher an den Brunnen, für mein Schäfchen Wasser zu schöpfen. Da kam der böse Mensch und sagte, er dürste. Da schöpfte ich auch für ihn Wasser, – das war nun freilich eben nicht Dankens, aber auch nicht Schimpfens werth. Schützt mich, guter Herr! ich habe niemanden, der mich schützt.

Nurrad. (mit strengem Blick zu Caled). Elender! (zu Alma.) Sei ruhig, gutes Kind, dir soll kein Leid wiederfahren. Wer bist du? wie nennt man dich?

Alma. Ich heisse Alma. Mein Vater war ein Gärtner, zog die schönsten Trauben und die schönsten Granatäpfel um ganz Schiras. Er ist todt und meine Mutter ist auch todt. Mir haben sie ein Schäfchen hinterlassen, das ist alles. Ich diene nun bei einem Manne, der vormals meines Vaters Knecht war. Dort jene Hütte ist meine Wohnung.

Nurrad. Deine Stimme ist so sanft und beschleicht das Herz mit süßem Wohl und Weh. Was meines Dieners Ungezogenheit dir nicht entreißen konnte, entlockt dir vielleicht meine Bitte. Laß mich dein Antlitz ohne Schleier seh'n.

Alma. Herr, die Sitte unsers Landes –

Nurrad. Ist mir bekannt. Aber ich verspreche dem züchtigen Mädchen Bescheidenheit und Ehrfurcht, wie es einem gut gearteten Jünglinge ziemt. Alma. Ich darf nicht.

Nurrad. Du sagtest vorhin, du habest weder Vater noch Brüder: Laß mich dein Bruder sein; willst du?

Alma. Ach, du bist ein reicher Mann, und wolltest der armen Alma Bruder sein?

Nurrad. Um so eher. Die arme Alma bedarf eines reichen Bruders. Aber weißt du auch, daß eine Schwester sich vor ihrem Bruder entschleiern darf?

Alma. Das weiß ich.

Nurrad. Wohlan, so laß mich nicht vergebens bitten. Ich schwöre dir beim Propheten, deine Tugend und Keuschheit sind sicher bei Nurraddin, dem Sohne Osmins.

Alma (schlägt ihren Schleier zurück und blickt verschämt zur Erde).

Nurrad. und Galed (beide wie von einem Blitzstrahl geblendet).

Nurrad. (entzückt, stürzt zu ihren Füßen). Göttliches Geschöpf!

Alma (ihren Schleier wieder überwerfend). Du hältst nicht, was du versprachst.

Nurrad. (ergreift ihre Hand und drückt sie feurig an seine Lippen). Auch du nicht. Du versprachst mir ein Menschen-Antlitz zu enthüllen, und siehe da, es erscheint mir ein Mädchen aus Muhameds Paradies.

Alma. Steh' auf, Herr, es ziemt dir nicht zu knien. Das ist nicht brüderlich, du hast mich getäuscht.

Nurrad. Nein, nein! ich kann nicht dein Bruder sein. Ich kannte weder dich noch mich, als ich das versprach. Aber ich will dir mehr sein als Bruder – (schüchtern) dein Gemahl.

Alma. Du spottest einer armen Dirne.

Nurrad. (sie zärtlich anblickend). Sieh in mein Auge, ob du Spott darin liesest.

Alma. Spott oder Betrug.

Nurrad. Nicht doch, schone Alma. Ich bin ein Kaufmann, der nie falsche Ware zu Markte brachte, weder im Handel noch in der Liebe.

Alma. Steh' auf, wenn ich dich hören soll, und laß mich los, wenn ich mich nicht vor dir fürchten soll.

Nurrad. (thut beides). Ich habe ein einziges Weib; meines Vaters Ueberredung gab mir Fatime; sie ist häßlich, aber eine gute, sanfte Seele. Sie wird die Freundin meiner Geliebten sein, und meine Geliebte die Beherrscherin Nurraddins.

Alma. Ich bin ein armes Mädchen, ohne Rathgeber, ohne Vertheidiger. Wenn du mich betrügen willst, so wird es dir leicht werden; aber es wird dir schwer werden, es dort zu verantworten.

Nurrad. Ich schwöre dir bei meines Vaters Asche! das; ich es treu und redlich meine. Folge mir ohne Scheu. In wenig Stunden ist jeder Zweifel gehoben, der deine fromme Seele ängstigt.

Alma (schwankend). Soll ich dir folgen? Ach daß ich noch eine Mutter hätte, die meine unerfahrne Jugend leiten könnte! – Wenn ich dir folge – (Mit Selbstgefühl,) Werden Tugend und Schamhaftigkeit mich nicht überall begleiten? – Wohlan, ich folge dir. Gott gebe zur guten Stunde! – Doch noch eins, ehe wir aufbrechen. Zwar weiß ich wohl, man fragt uns arme Mädchen nicht, ob wir den Gemahl auch lieben können? man fordert nur sklavische Unterwürfigkeit von uns. Aber du scheinst Liebe zu begehren. Nurrad. Liebe zu bitten.

Alma. Nun so bin ich dir ein aufrichtiges Geständnis; schuldig; du gefällst mir, aber ich liebe dich noch nicht.

Nurrad. Fühlst auch, das du mich nicht lieben wirst?

Alma (stockend). Das fühle ich nicht.

Nurrad. Nun so geht meine Liebe mit der Hoffnung Hand in Hand. Zärtliche Beharrlichkeit hat oft schon Gegenliebe erbettelt.

Alma. Süßer Bettler! Ach! wie wahr ist es doch, was der große Dichter Sadi von der Quelle und der Liebe singt. Es ist ein Wechselgesang, kennst du ihn?

Nurrad. Wohl kenn' ich ihn. Wie wär' es, liebes Mädchen, wenn wir ihn zum Weihgesang unserer Liebe machten! Du bist so schön, so sanft und gut, gewiß hast du eine schöne Stimme, die an's Herz geht. Laß uns Sadis Lied singen, holde Dirne.

Alma. Warum nicht. Ist es doch, als ob es der Dichter für uns gedichtet hatte.

Alma und Nurraddin.

Alma.

Unerschöpflich ist die Quelle,
Wie des Meeres Ufersand;
Wasser schöpfte meine Hand
Oft und viel an dieser Stelle,
Immer mehr, und immer mehr,
Und der Brunnen wird nicht leer.

Nurraddin.

Unerschöpflich – süße Triebe
Machen unsers Lebens Glück;
Eines Mädchens holder Blick
Schöpft aus meinem Herzen Liebe,
Immer mehr und immer mehr,
Und das Herz wird nimmer leer.

Alma.

Wenn im heißen Sand
Eines Landmanns Hand
Dürre Felder pflegt
Doch der Brunnen nie versiegt;
Fluren schmachten rings umher,
Doch der Brunnen wird nicht leer.

Nurraddin.

Wenn der Weisheit Kraft
Jede Leidenschaft
In den Schlummer wiegt,
Doch die Liebe nie versiegt.
Bettler macht sie Fürsten gleich,
Denn das Herz bleibt immer reich.

Alma.

Ungewitter und Regen
Machen das Wasser trübe.

Nurraddin.

Eifersucht und Hader
Sind die Qualen der Liebe.

Beide.

Doch was am Abend trübe war,
Das ist am Morgen hell und klar.

Nurrad. Süßes Geschöpf!

Alma. Guter Jüngling! da nimm meine Hand. Ich will dem redlichen Blick deiner Augen trauen, laß uns gehen, aber dort an meiner Hütte vorüber. Ich muß mein Schäfchen holen, es ist mein ganzer Reichthum.

Nurrad. Es soll am Morgen und am Abend aus meiner Hand fressen. (Im Abgehen zu Caled.) Du, Caled, hast deinen Abschied. Ich leide keinen Menschen um mich, der sich durch Sittenlosigkeit zum Pavian erniedrigt. (Er führt Alma ab.)

Vierte Scene.

Caled. Meinen Abschied, mit dem Pavians-Titel! Schön! vortrefflich! da möchte man vor lauter Sanftmuth bersten. – Und was habe ich denn gethan, wenn wir's beim Lichte betrachten? – Ich habe den Schleier wegreißen wollen, und er hat ihn weggeschwatzt. Ist es meine Schuld, das Schwatzen bei den Weibern mehr gilt, als Handeln? – Warte, junger Herr, es soll dir nicht so hingeh'n. Und wenn ich mich nicht anders rächen kann, so mache ich mit einem Trupp herumschweifender Kurden und Araber gemeine Sache, und plündern alle deine Caravanen. – Und das süße, wispernde, kleine Ding – (Ihr nachspottend.) Sie will ihr Schäfchen holen – ei ja doch, das Schäfchen wird vor der Hand gute Ruhe habe». (Er geht fort.)

Fünfte Scene.

(Der Audienzsaal im Palast des Sultan Wampum, im Hintergrunde mit Springbrunnen verziert,)

Chor.

Heil dem Gebieter im Orient!
Dir tönet zum Empfang
Ein Jubelgesang!
Es schallen Trompeten,
Es lispeln die Flöten,
Die Pauken brummen,
Die Hörner summen,
Die Vögel verstummen!
Es neigen,
Es beugen
Kometen,
Planeten,
Und alle Gestirne am Firmament,
Sich vor dem Gebieter im Orient.

( Wampum, Hussein und Gefolge treten unter dem Chore herein, Sklaven rücken den Sopha zurecht, auf den sich Wampum niederläßt. Man reicht ihm eine Pfeife.)

Wampum. Genug gesungen! – Geht eurer Wege. (Chor geht ab.) Hussein!

Hussein. Was befiehlt der Gebieter von Asien dem Geringsten seiner Sklaven?

Wampum. Wovon sprach ich doch, ehe der Singsang anfing?

Hussein. Dein erhabener Geist, von Staatsgeschäften ruhend, beglückte mit einem Gedanken die gestrige Pastete, welche der europäische Arzt zubereiten ließ.

Wampum. Recht, ich dachte an die Pastete. Ist etwas davon übrig geblieben?

Hussein. Sie war so glücklich, ganz in den Nahrungssaft Deiner Majestät verwandelt zu werden.

Wampum. Man soll mir diesen Abend wieder eine solche zubereiten.

Hussein. Mit Entzücken werden die Köche Deinen ernährenden Willen vollbringen.

Wampum. Mein ernährender Wille, das ist gut, das ist recht gut; das muß man dir lassen, Hussein, du verstehst dich gut auszudrücken. (Pause – er gähnt abermals.) Hussein! warum gähne ich denn so oft?

Hussein. Wahrscheinlich hat der widerspenstige Schlaf dem Beherrscher der Gläubigen nicht gehorcht.

Wampum. Das ist nichts gesagt. Gegen mich ist man auch widerspenstig, wie? – Ich habe geschlafen, und gut geschlafen. Du hast unrecht.

Hussein. Dein Sklave hat immer Unrecht.

Wampum. Denn wenn man gähnt, ohne schläfrig zu sein, so gähnt man nicht, weil man schlafen will. Verstehst du das? Kannst du dagegen etwas einwenden?

Hussein. Wer vermag zu kämpfen gegen die Waffen der Beredsamkeit!

Wampum. Das dachte ich wohl. Also, warum gähne ich? – weil ich krank bin.

Hussein. Dafür wolle Ali und die zwölf Imans das Reich von Schiras behüten.

Wampum. Das sollten sie freilich, denn wofür betet man sie an? Aber noch haben sie mich nicht einmal vom Zahnweh befreien können, ob ich gleich den Namen Ali, auf einen Talisman gegraben, am Halse trage. Geh', hole mir den europäischen Arzt.

Hussein (mit sklavischen Verbeugungen ab).

Sechste Scene.

Wampum.

(Er gähnt abermals.) Sieh da, schon wieder. – Sollte ich das Unglück haben, in's Paradies versetzt zu werden, so würde Persien einen Vater verlieren, das hat mir Hussein gar oft gesagt.

Siebente Scene.

Hussein tritt mit dem Arzt herein. Wampum.

Wampum. Deine Pastete war gut, das versteh' ich und muß es versteh'n. Bitte dir eine Gnade aus.

Arzt. Ich habe nichts zu bitten.

Hussein (bei Seite.) Großer Prophet! welch' ein Narr!

Wampum (verblüfft). Wie? – Hussein, was sagst du?

Hussein. Seine Verwegenheit macht mich stumm.

Wampum. Verwegenheit! ist das Verwegenheit, wenn man nichts zu bitten hat? – Recht, so ist es. (Zum Arzte.) Verwegener Sklave, bitte, oder ich gewähre dir ohne deine Bitte fünfhundert Schläge auf die Fußsohlen.

Arzt. Sultan, ich bin nicht Dein Sklave, sondern ein Engländer aus der Faktorei von Bassora, den die Wißbegierde tiefer in's Land trieb. Hat die Pastete Dir gut geschmeckt, so möge sie Dir wohl bekommen. Willst Du mich belohnen, so thue es. Ein König belohnt unverhofft wie ein Gott.

Wampum (winkt Hussein zu sich). Hör' einmal, Hussein! (Ihm in's Ohr.) Ist das wahr, was der Wurm da sagt?

Hussein. Wenn es Deiner Hoheit so vorkömmt.

Wampum. Beim Bart des Propheten, es kommt mir so vor! Nun Sklav'! du sollst sehen, daß ich auch ein König wie ein Gott bin. Ich schenke dir eins von meinen Weibern, unter der Bedingung, daß du ein Rechtgläubiger werdest.

Hussein. Großmüthiger Wampum! glücklicher Christ!

Arzt. Freigebiger Sultan, ich muß auf Deine Gnade Verzicht thun, denn für's erste halte ich nicht viel von Weibern, die schon eines andern waren; und für's zweite hab' ich auch keine Lust, meinen Glauben zu verleugnen.

Hussein. Mir schaudert die Haut!

Wampum. Laß ihn doch einmal ein wenig spießen, oder vom Thurm herab in die Zacken werfen.

Hussein. Deine Hoheit vergißt, daß wir um Deiner kostbaren Gesundheit willen seines Rathes noch bedürfen.

Wampum. Du hast Recht, Hussein. Wir wollen mit dem Spießen noch ein wenig warten. (Zum Arzt.) Tritt näher, Wurm! und sage mir, was ich thun muß, um gesund zu werden?

Arzt. Was fehlt Dir, Sultan?

Wampum. Ei, wenn ich dir das sage, so ist es keine Kunst mehr.

Arzt. Hast du die Lust zum Essen verloren?

Wampum. Die Lust zum Essen? ich glaube beinahe. Hussein, was esse ich denn?

Hussein. Viel zu wenig für die Erhaltung der kostbaren Kräfte, welche das große Schwungrad des Staates täglich in Bewegung setzen.

Wampum. Sieh, das war gut gesagt. Hussein hat seinen Sadi und Hafiz studiert. Nun, was esse ich denn?

Hussein. Des Morgens genießt der Beherrscher der Gläubigen eine Schüssel voll Weintrauben, ein Brot und einen Ziegenkäse. Diesen folgen sieben Schalen Kaffee, wobei der Rauch des Kalians unaufhörlich in die Lüfte steigt. Des Mittags nimmt die Sonne Asiens, außer einer Schale voll geronnener Milch, Brot, Früchte und einen Hammelbraten, nichts von Bedeutung zu sich. Des Abends allein darf man zu behaupten wagen, der Sultan esse ein wenig, indem sodann ein stark gewürzter Pillau in Fleischbrühe gekocht, geröstetes Fleisch, ein Dutzend Granatäpfel, und einige Becher Sorbet die tägliche Laufbahn des Helden beschließen.

Arzt (lächelnd). Hast du nichts vergessen?

Hussein. Nichts als acht Flaschen Schiras-Wein, welche von Zeit zu Zeit die Vatersorgen für das Wohl zahlloser Völker versüßen.

Wampum (bejaht dies durch ein freundliches Nicken).

Arzt. Im Mangel der Eßlust dürfen wir also das Uebel nicht suchen. Ist Dein Schlaf ruhig?

Wampum. Dumme Frage! als ob ein Schlaf auch unruhig sein könnte. Warum schläft man denn? wie – und ich verstehe zu schlafen, so gut wie ein anderer Sultan. Wenn ich allein bin oder im Divan sitze, gleich schlaf' ich ein.

Arzt. Hast Du irgendwo Schmerzen?

Hussein. Wie kannst du glauben, verwegener Christ? daß Schmerzen es wagen dürften, die geheiligte Person des Sultans anzutasten.

Arzt (lächelnd). Nun so muß ich wirklich meine Frage wiederholen: woran spürt Deine Hoheit das Dasein der Krankheit.

Wampum. Ich sehe wohl, ich muß deiner Dummheit zu Hilfe kommen. Ja, wenn meine sultanische Weisheit nicht wäre, überall muß die stützen, sonst fiele ganz Schiras in einen Klumpen. Sieh her, du unwissender Narr! ich will dir meine Krankheit zeigen. (Er gähnt ganz gewaltig,)

Arzt. Du gähnst.

Wampum. Nun ja, das ist's ja eben! Ha! ha! ha! endlich hat er es begriffen. Freilich gähne ich und wohl zehntausendmal in einem Tage. Aber warum gähne ich? das sage mir einmal.

Arzt. Du hast Langeweile.

Wampum (wie von einer großen Wahrheit ergriffen). Langeweile? – Hussein, bei Alis Grabe! er hat's errathen. – Aber was soll ich thun gegen die Langeweile? He! antworte mir einmal darauf.

Arzt. Diese Krankheit pflegt in der Familie der Sultane oft erblich und unheilbar zu sein. Indessen, wenn es Dir Ernst ist, sie los zu werden –

Wampum. Sieh einmal, Hussein! der Wurm meint, ich spasse mit ihm.

Arzt (fortfahrend). Eine Stunde des Tages könntest Du recht angenehm ausfüllen, wenn Du auf dem großen Platze vor Deinem Palaste ein Zelt aufschlagen ließest, Dich darunter setztest und jedem Unterthan dein Ohr gönntest.

Wampum. Daß sie mir Mährchen erzählten? Der Vorschlag ist so übel nicht. Weiter!

Arzt. Eine Abendstunde würde ich dazu anwenden, verkleidet durch die Straßen zu schleichen, und überall das Unrecht zu belauschen und ihm zu steuern.

Wampum. Verkleidet? ist das nicht so viel wie vermummt? Hm! ja, das wird mir viel Spaß machen. Weiter!

Arzt. Auch würdest Du wohl thun, Deine Residenz durch prächtige Gebäude zu verschönern, wie Dein erlauchter großer Vorfahr Kerim Chan, dessen Andenken noch unter dem Volke im Segen steht.

Wampum. Halt das Maul! ich leide es nie, daß man meine Vorfahren in meiner Gegenwart lobt.

Arzt. Deine Völker klagen – hilf ihnen! und Du wirst nie gähnen. (Er entfernt sich schnell.)

Achte Scene.

Wampum. Hussein.

Wampum. Verdammter Sklave! lauf ihm nach, Hussein, frage ihn, ob er sich lieber die Ohren ab- oder den Leib aufschneiden lassen will?

Hussein. Ich eile, ihm des Sultans Gnade anzukündigen.

Wampum. Halt! verzieh' noch einen Augenblick! (Tief nachsinnend.) Wenn ich ihm den Bauch aufschneiden lasse, wo bleibt da die Pastete? Das muß man erwägen.

Hussein. Da hat Deine Weisheit Recht.

Wampum. Das wüßt' ich. Wir Sultane haben unsre ganz eigene Art, ein Ding von der rechten Seite anzusehen. Lassen wir ihn leben! Der Mensch ist etwas dumm. Das ist seine Schuld nicht. Die Natur kann nicht lauter Wampums machen, und er – backt gute Pasteten. – Hussein!

Hussein. Großer Gebieter!

Wampum. Muß ein großer König nicht Verdienste belohnen?

Hussein. Allerdings.

Wampum. Gut, wir wollen zeigen, daß wir ein großer König sind. – Der Wurm soll Vezier werden, und wenn er mir vollends die Langeweile vertreiben könnte –

Hussein. Ach! mächtigster Beherrscher der Gläubigen! das wird er schwerlich. Hat Deine Majestät nicht aus seinem eigenen Munde vernommen, daß eben in königlichen Palästen die Langeweile ihren Thron am liebsten aufschlägt, und erblich darin herrscht?

Wampum. Höre, mein guter Freund, ich will dir rathen, deine Zunge auf ein ander Mal besser im Zaume zu halten. Dem Propheten sei Dank! wir versteh'n zu regieren. Hier im Palaste kann niemand einen Thron haben außer mir. Hättest du der Langenweile allenfalls die Stufen des Thrones angewiesen. –

Hussein. So meint es Dein Sklave.

Wampum. Also auf den Stufen sitzt sie, merk' dir das! – Nun laß hören, wie jagen wir sie da weg!

Hussein. Wenn ich mich erkühnen darf, zu rathen: durch Springer und Gaukler –

Wampum. Weg damit! ich weiß alle ihre Bewegungen auswendig.

Hussein. Durch eine Partie Schach. Deine Hoheit ist der stärkste Spieler am ganzen Hofe.

Wampum. Das weiß ich, aber das greift den Kopf an, ob ich gleich immer gewinne.

Hussein. Vielleicht würde es Dir Vergnügen machen, einigen Sklaven die Köpfe herunter zu säbeln? Das ist zugleich eine nützliche Leibesbewegung und könnte die Eßlust verstärken.

Wampum. Das wäre etwas. Aber es ermüdet mir den Arm, und die ganze Freude dauert doch mit zehn oder zwölf Sklaven kaum eine Viertelstunde.

Hussein. Unsere Dichter legen dem Umgang mir Weibern eine große Zauberkraft bei. Sadi, Hafiz und Jami, behaupten einstimmig, eines Weibes sanfter Blick vermöge Arabiens Wüsten in Alis Paradies umzuzaubern.

Wampum. Sadi, Hafiz und Jami haben gelogen, das sag' ich. Seht doch, ein Paradies! – Ich habe 70 Weiber, aber ich will nicht Sultan sein, wenn ich weiß, wo mir der Kopf steht, so oft ich eine halbe Stunde in meinem Harem bin. Die eine lacht immer, die andere liebäugelt immer, die dritte schlägt immer die Augen nieder, die vierte sagt immer ja, die fünfte ach ja, und die sechste o ja, die siebente klimpert mir Lieder vor, die ich nicht hören mag, und die achte hat Sadis Gedichte auswendig gelernt, die ich nicht verstehe, und wenn ich einmal nach dem Schnupftuche greife, ja da laufen sie, da rennen sie und gaffen mich an, und weisen mir die Zähne, und greifen nach meiner Hand, und zerren sich um mich – das hat man davon, wenn man schön ist, und Sultan obendrein.

Hussein. Mächtigster Wampum! sollte ich irren, wenn ich die Muthmaßung wage, Deine Hoheit sei eben nicht der Weiber überdrüßig, sondern nur dieser Weiber. Warum machte die europäische Pastete gestern Abend ein so ausgezeichnetes Glück? Sie war dem Gaumen des Beherrschers der Gläubigen etwas neues, etwas fremdes. Mein unmaßgeblicher Rath wäre daher: Sultan Wampum, der Erhabene, ließe sogleich einen Firman ausgeh'n und an allen Ecken der Straßen von Schiras austrompeten, des Inhalts: »Wer dem König der Könige binnen drei Stunden das schönste Mädchen in seinen Harem liefert, der soll aus dem Füllhorn seiner Gnade überschüttet werden.«

Wampum. Bei den Knochen des großen Kameels zu Mesched! dieser Vorschlag ist gut. Recht, Hussein! getroffen. Ich sehe immer einerlei Gesichter, und das macht mir Langeweile. Du hast Verstand! bitte dir eine Gnade ans.

Hussein. Ich bitte um den Kopf meines Feindes, des Veziers.

Wampum. In Muhameds Namen, laß ihn heruntersäbeln. Und der mir das schönste Mädchen bringt, soll Vezier werden; wie?

Hussein. Ich eile, Deinen gnädigen Willen zu vollstrecken.

Wampum. Noch eins; meinen Sängern draußen befiehl, daß sie mich in den Schlaf singen – Ich bin von den vielen Staatsgeschäften, und Meditiren und Raisonniren recht müde. Aber sie sollen mir die Trompeten und Pauken weglassen – die stören mich sonst, hörst du?

Hussein. Im Nu soll Deinem Willen Gehorsam geleistet werden. (Ab.)

Neunte Scene.

Wampum. Ja, ja, wir wollen doch einmal seh'n, ob die hübschen Mädchen in Schiras herangewachsen sind. – Was mir der Kopf weh' thut! kein Wunder bei so vielen Geschäften. Die ganze Welt beneidet die Sultans, ja, wenn die Leute nur wüßten, wie sauer es einem wird. – Ein Stündchen Schlaf wird mir wohl bekommen – (Er beginnt zu schlummern.) Ha, ha, ha! – Der Vezier wird sich wundern – der hat geglaubt – sein Kopf sitze ganz fest – und – schwubs, ist er herunter. (Er sagt die letzten Worte ganz unvernehmlich, und fängt gleich darauf an zu schnarchen.)

Schluß-Chor.

Alle.

Weg die schmetternden Trompeten!
Laßt uns sanfte Töne wählen.
Leise, leise, Harfen, Flöten,
Singet mit gedämpften Kehlen!
Es weicht der fühle Morgen,
Es brennt die Mittagsglut,
Der König der Könige ruht
Von seinen schweren Sorgen.
Sein Blick ist Morgenthau
Auf einer dürren Au;
Er lächelt, – alles lebt;
Er drohet, – alles bebt;
Er redet, – alles schweigt;
Er winket, – alles keucht;
Er trauert, – alles trauret;
Er blickt, – alles lauret;
Er zürnt, – alles flieht;
Er will, – und es geschieht.

Schwarz ist weiß,
Kalt ist heiß,
Der Wallfisch ist ein Hecht,
Und er hat immer Recht.
Er lächelt, – Hahaha!
Er drohet, – Huhuhu!
Er redet –

(Pause.)

Er winket – Flink! flink! auf seinen Wink!
Er trauert – O weh!
Schwarz ist weiß – Ja! ja! ja!
Kalt ist heiß – Ja! ja! ja!
Der Wallfisch ist ein Hecht,
Ja, er hat immer Recht!
Er schlummert – stille! stille!
Höret den Monarchen!
Welch' ein lieblich Schnarchen!
Welch' ein feistes Stöhnen!
Welch' ein fetter Klang!
Es ersterbe der Gesang
In immer schwächern Tönen;
Stille! – stille!


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