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Zweyter Akt.

Erste Scene.

Geheimderath und Tobias.

Tob. (steht am Fenster und schaut hinaus.)

Geh. R. (geht verdrüßlich auf und nieder) Verdammter Regen!

Tob. Schöne, fruchtbare Witterung.

Geh. R. Ich gehe so selten aus –

Tob. Daran thust du sehr übel.

Geh. R. Und gerade heute, da ich fort will, meinen alten Freund zu empfangen, Hut und Stock schon in der Hand habe –

Tob. Kommt ein herrliches Gewitter.

Geh. R. Was gilts, der freut sich wieder.

Tob. Allerdings! denke nur, wie das deine Felder und meine Blumen erquicken wird.

Geh. R. Und die Eichen im Park zersplittern.

Tob. Wie bald zieht es vorüber, und läßt nur Segensspuren hinter sich.

Geh. R.. Ja, wie neulich, da es mir fünf Schaafe tod schlug.

Tob. Welch ein Genuß! nach einem Gewitterregen hinaus ins Freye zu treten, und gleichsam Gottes Schöpfungskraft in sich zu saugen.

Geh. R. Da kann man wohl mit Recht sagen: ein Mensch, der seine Freuden aus der Luft holt.

Tob. Siehst du Bruder? dort ist der Himmel schon wieder blau.

Geh. R. Und deine Einbildungskraft rosenroth.

Tob. Desto besser! eine rosenrothe Einbildungskraft ist heilsamer als Ailhaudisch Pulver.

Geh. R. Dieß kann ich kaufen, jene nicht.

Tob. Kaufen nicht, aber erwerben.

Geh. R. Sie ist ein Geschenk des Zufalls.

Tob. Mit nichten. Wenn Plutarch Recht hat; wenn selbst die Tugend nur eine lange Gewohnheit ist; warum denn nicht auch die Kunst, sich Freuden der Einbildung zu zaubern?

Geh. R. Ich weiß wohl, daß ein Mann einen dicken Quartanten geschrieben hat, über die Kunst stets frölich zu seyn; aber ich habe noch nicht gehört, das irgend ein armer Teufel dadurch froh geworden wäre.

Tob. Aus Büchern lernt man das auch nicht.

Geh. R. Wie denn?

Tob. Ein fröliches Hingeben; ein Herablassen, wenn du es so nennen willst, zu kleinen, kindlichen Ergözlichkeiten; nicht zu hoch gespannte Erwartungen vom Menschen, aber die höchsten von der Natur; – ein Blick in das nächste Jahr, oft nur in die nächste Stunde, wenn die gegenwärtige trübe ist; – eine gewisse ökonomische Schwelgerey im Genießen, da man sich heute eine kleine Lust versagt, um sie morgen für eine leere Stunde aufzusparen; – eine kluge Wahl solcher Freuden, die nicht zu stark erschüttern, und folglich nicht abstumpfen; – ein ruhiges Gewissen, nicht durch Gebete eingehandelt – o Bruder Herrmann! der Mensch ist reich, wenn er nur nicht, wie ein Kind, sich seine Schätze für höfisches Spielwerk ablocken läßt.

Geh. R. Ich war so ein Kind? das meynst du doch?

Tob. Ich meyne, daß ich ein Thor bin, hier zu predigen, indessen die erquickte Natur mich zur Freude einladet. Das Gewitter zog vorüber, es regnet nur noch sanft; ich muß geschwind meine Pommeranzenbäume hinaustragen. (ab.)

 

Zweyte Scene.

Der Geheimderath allein.

Guter Bruder! – Ja, wenn der Mensch immer befolgen könnte, was er als wahr und gut erkannt hat dann müßten die Philosophen Halbgötter seyn und das sind sie leider nicht! Mit allen ihren Moralprincips machen sie dumme Streiche, so gut als ein anderer Erdensohn. Der Körper und sein Regent der Magen o! man thut ganz recht, die Engel blos als geflügelte Köpfe zu mahlen. Gebt ihnen Magen, und schnell werden die Flügel sinken.

 

Dritte Scene.

Der Obriste v. Hammer. Der Geheimderath.

Der Obriste (steif gekleidet, stark gepudert, den Hut unter dem Arm, ein kurzes Rohr in der Hand) Herr Bruder, da bin ich.

Geh. R. Herzlich willkommen! (er umarmt ihn)

Obrist. (erwiedert die Umarmung, doch mit einiger Schonung seiner Frisur) Du siehst, ich habe mich, meiner Braut zu Ehren, aufgedonnert, als gienge es zur Wachparade.

Geh. R. Du kömmst also würklich, um mein Schwiegersohn zu werden?

Obrist. Auf Ehre! Mit der Zeit wird man alt man hat keine Kinder

Geh. R. Noch immer keine Nachricht von deinem entlaufenen Sohne?

Obrist. Habe ich dir nichts davon gemeldet?

Geh. R. Nein.

Obrist. Ist vergessen worden. Ein halbes Jahr nach seiner Entweichung, schrieb er mir einen herzbrechenden Abschiedsbrief, und stürzte sich in die Donau.

Geh. R. Tod?

Obrist. Mausetod. Ist auch so besser. Der Bursche war ein Romanenheld, es wäre doch nichts rechtes aus ihm geworden. Sintemal ich nun allein bin, und Pflege bedarf, so habe ich, nach der Väter Sitte, mich entschlossen, ein junges Weib zu nehmen.

Geh. R. Aber meine Therese ist noch ein halbes Kind.

Obrist. Desto besser! Kinder schmiegen sich an wie die Bohnen.

Geh. R. Sie ist rasch.

Obrist. (stellt sich in Positur) Was bin ich denn?

Geh. R. (lächelnd) Du Herr Bruder? hast auf ihrer Mutter Hochzeit brav getanzt.

Obrist. Eine Polonoise mache ich auch jezt noch mit.

Geh. R. Gleichviel. Die besten Tänzer sind oft die schlechtesten Ehemänner.

Obrist. Recht Herr Bruder! unsere Voreltern tanzten wenig und tranken viel. Heutzutage ist es umgekehrt; das kommt vom Lesen.

Geh. R. Es giebt keine Gesellschaften mehr ohne Weiber.

Obrist. Sogar in die Klubbs fangen sie an sich einzudrängen.

Geh. R. Wochenstuben, Spinnstuben, und höchstens eine Kaffeevisite, das war vormals der Cirkel unserer Frauen.

Obrist. Getanzt wurde nur auf Hochzeiten.

Geh. R. Jezt springen sie alle Tage herum.

Obrist. Und die Kinder wachsen unter den Bedienten auf.

Geh. R. Arien trillern und Taschenbücher sticken, das lernen sie.

Obrist. Aber Sauerkohl einmachen und Gurken, das verstehn sie nicht.

Geh. R. Wie viele Kleider ihre Nachbarin hat, das wissen sie.

Obrist. Aber wie viel Garn ein Pfund Flachs giebt, das wissen sie nicht. Und weißt du, woher das kommt? das kommt vom Lesen.

Geh. R. Zu unserer Zeit war es anders.

Obrist. Als wir noch bey deinem Großvater auf dem Schlosse Greifenstein erzogen wurden

Geh. R. Da saßen die Mädgen bey Tafel wie die Kerzen.

Obrist. Konnten in den engen Schnürleibern kaum Athem holen.

Geh. R. Wurden roth wie Scharlach, wenn man sie ansah.

Obrist. Redeten nur, wenn sie gefragt wurden.

Geh. R. So bald die Flaschen auf den Tisch kamen

Obrist. O! da mußten die Weiber aufstehn.

Geh. R. Dann zechte mein Großvater

Obrist. Und wir stahlen uns in den Garten

Geh. R. (der durch die Jugenderinnerungen immer lebendiger wird) Kletterten auf den großen Birnbaum

Obrist. Und saßen oben bis der Hofmeister rief

Geh. R. Herrmann! Leopold!

Obrist. Wo steckt ihr Buben?

Geh. R. Wir hielten uns Mäusgenstill

Obrist. Aber der verdammte Gärtner gab ihm einen Wink

Geh. R. Dann stand er und drohte

Obrist. Und wir kapitulirten über die Strafe.

Geh. R. »Wer ist zuerst hinaufgestiegen?« brummte er

Obrist. Aber keiner verrieth den andern.

Geh. R. Wollte er uns herunter haben zum Cornelius Nepos

Obrist. So mußte er gute Worte geben

Geh. R.. Sonst säßen wir noch oben.

Obrist. Dafür ließ er uns auch bey den verdammten Büchern schwitzen

Geh. R. Bis die Glocke sechs schlug

Obrist. Dann sahen wir uns an und schmunzelten.

Geh. R. Erinnerst du dich noch des Tons der Glocke?

Obrist. Wenn ich mahlen könnte, ich wollte den Klang jezt noch mahlen.

Geh. R. Auf von den Stühlen!

Obrist. Das Buch unter den Tisch!

Geh. R. Ueber Hals und Kopf die steinerne Wendeltreppe hinab

Obrist. Arm in Arm hinaus auf die Wiese

Geh. R. Den ledernen Ballen aufgeblasen

Obrist. Und dann in die Luft geprellt!

(Die beyden Alten fangen im Geist an Ball zu spielen.)

Geh. R. Ich schlage ihn so hoch als das Schloßdach.

Obrist. Ich fange ihn doch wenn er herunterkömmt.

Geh. R. Ich treibe ihn seitwärts, damit er nicht über den Zaun fliegt.

Obrist. Ich prelle ihn rückwärts gegen die Mauer.

Geh. R. Nur nicht in meiner Mutter Fenster.

Obrist. (thut einen mächtigen Schlag) Hoch über den Giebel!

Geh. R. (thut ein Gleiches) Höher den Thurm hinauf!

Obrist. Am höchsten bis zur Wetterfahne!

Geh. R.. Da liegt er in der Dachrinne.

Tobias (der während des Spiels hereingetreten, und mit Erstaunen zugesehn, bricht in ein lautes Gelächter aus.)

(Die beiden Alten erschrecken und stehen beschämt.)

Tob. Laßt euch nicht stören. Die Motion ist gesund. (er geht ab)

Obrist. Herr Bruder, wir haben gespielt wie die Kinder.

Geh. R. Hat nichts zu sagen. Kinderspiel ist wahre Arzeney für den Greis. Ich bin ganz jung und frohes Herzens dabey geworden. Ein alter Freund, der solche Erinnerungen aus dem versunkenen Herculanum unserer Jugendfreuden gleichsam ausgräbt, verjüngt schneller als Semmlers Luftgoldsalz.

Obrist. Hercules und Semmler! wie kommen die zusammen?

Geh. R. Darum sollst du auch meine Tochter heyrathen.

Obrist. Je eher, je lieber.

Geh. R. Mir am Kamin Gesellschaft leisten

Obrist. Das will ich.

Geh. R. Jeden kindischen Muthwillen, jede Knaben-Schelmerey mir ins Gedächtniß rufen

Obrist. Stoff für manchen lustigen Abend.

Geh. R. Jede Laune des Alters im Becher unserer Jugendfreuden ersäufen!

Obrist. Wohlan Herr Bruder! wann eher machen wir Hochzeit?

Geh. R. Mensch, du hast ja die Braut noch nicht einmal gesehn.

Obrist.. Ja wohl habe ich sie gesehn, sie machte damals gerade die Ersten Zähne.

Geh. R. Sie hat sich seitdem sehr verändert.

Obrist. Damals schlug sie nach mir, wenn ich ihr zu nahe kam.

Geh. R. Jetzt ist sie ein sanftes, vernünftiges Geschöpf.

Obrist. Vernünftig? doch nicht zu viel?

Geh. R. Wie verstehst du das?

Obrist. Liest sie auch?

Geh. R. O ja.

Obrist. Was liest sie?

Geh. R. Allerley.

Obrist. Schlimm! ein Mädgen muß nicht allerley lesen. Eine Bibel, ein Kochbuch, ein Kalender, und allenfalls Millers moralische Schilderungen, sonst wird ihr in Zukunft nichts gestattet.

Geh. R. Warum nicht?

Obrist. Herr Bruder, die Viehseuche ist schlimm, aber das Lesen ist noch weit schlimmer. Als die wackern Ritter noch nicht lesen konnten; als sie noch ein X statt der Unterschrift mahlten; das Schwerdt zogen, und den Degenknopf unter die Urkunde drückten; da waren gute Zeiten.

Geh. R. Hm! wie mans nimmt.

Obrist. Durch das Lesen gieng meine selige Frau zu Grunde; durch das Lesen liegt mein Bube in der Donau.

Geh. R. Es hat doch auch seine gute Seite.

Obrist. Die leeren Seiten, die vorn und hinten an die Bücher gebunden werden, das sind die guten Seiten. Sogar für den Bauersmann werden heutzutage Noth- und Hülfsbüchlein geschrieben. Das sey Gott geklagt! Wenn der Bauer in Noth ist, so mag er beten, aber nicht lesen.

Geh. R. Meine Therese ist kein Bauermädgen.

Obrist. So mag sie fein vornehm die Hände in den Schoos legen, denn lieber wollte ich einen Galan bey ihr finden, als ein Buch.

Geh. R. Da kommt sie eben mit einem Buche in der Hand.

Obrist. O weh! (er kramt ein paar weiße Handschuh aus der Tasche.)

 

Vierte Scene.

Therese. Die Vorigen.

Geh. R. Komm näher, Therese. Ich stelle dir hier den Obristen Hammer vor, und wünsche, daß er dir gefallen möge.

Ther. (sich mit Anstand verneigend) Des Vaters Freund hat ein Recht auf die Hochachtung der Tochter.

Obrist. (stellt sich in Positur.) Holdseliges Fräulein! ich wünsche Dero Ritter zu werden.

Ther. So bald mein Vater ein Turnier anstellt, werde ich den wackern Ritter in meine Farben kleiden.

Obrist. Ich werfe meinen Handschuh auf die Erde, und behaupte gegen männiglich: daß Therese von Edelschild das schönste und tüchtigste Fräulein im ganzen Gau ist.

Ther. Ich werde auf den Preis denken, den ich meinem Kämpfer schuldig bin.

Geh. R. Daran hat er schon selbst gedacht.

Obrist. Sintemal jedoch die schönen Zeiten vorüber, wo man, seiner Dame zu Ehren, ein Roß tummelte und eine Lanze brach; so will es sich gebühren, durch anderweitige Liebesproben den süßen Minnesold zu verdienen. Es sey mir daher vergönnt (er nähert sich ihr mit zierlichen Komplimenten, nimmt ihr sehr höflich das Buch aus der Hand, und wirft es gelassen zum Fenster hinaus.)

Ther. (erstaunt.) Herr Obrister! was machen Sie?

Obrist. Ich bekämpfe Ihre verwegensten Feinde.

Geh. R. Herr Bruder, bist du toll?

Obrist. Mitnichten.

Ther. Ein ganz neues Buch

Obrist. Ein neues Verderben.

Ther. Noch ungelesen

Obrist. Desto besser!

Ther. (zu ihrem Vater) Es waren Schillers Xenien, die ich erst diesen Morgen aus der Stadt bekam

Obrist. Sie liegen im Schloßgraben.

Ther. (schaut durch das Fenster) Wahrhaftig, Papa. Schillers Xenien liegen mitten im Schlamme.

Obrist. Dahin gehören sie auch.

Ther. (empfindlich) Ich weiß nicht mein Herr, was das bedeuten soll

Obrist. Ein wohlmeynendes Kennzeichen

Ther. Die Ehrfurcht vor meinem Vater hält mich zurück

Geh. R. (lachend.) Sey ruhig Kind, seine Absicht ist gut. Er glaubt, das Lesen verderbe die Weiber, und da er dich zu seiner Gemahlin erkohren hat

Ther. (ganz versteinert) Mich?

Obrist. Ja, Sie, mein holdes Fräulein.

Ther. Verzeihen Sie, Herr Obrister; ein Liebhaber, der damit anfängt, meine Bücher zum Fenster hinaus zu werfen

Obrist. Ist ein wackerer Edelmann von altem Schrot und Korn.

Geh. R. Nun, nun, Herr Bruder, es war immer zu rasch. Solche Dinge erlaubt man sich wenigstens nicht vor der Hochzeit.

Obrist. Ich handle offen nach der Väter Weise.

Ther. Ihr Scherz ängstigt mich, lieber Vater.

Geh. R. Kind, es gilt dein Glück, und damit scherze ich nie.

Ther. Wie? Sie wollten im Ernst

Geh. R. Ich will nicht, aber ich wünsche.

Ther. Daß ich diesem Herrn

Geh. R. Daß du diesem Herrn deine Hand reichest.

Ther. Als Frau?

Geh. R. Nun als was denn?

Ther. Sein Alter

Geh. R. (lächelnd) Bürgt dir vor Untreue.

Obrist. Auf Ehre mein Fräulein! ich werde Ihnen so treu seyn! als Herkuliskus seiner Herkuladisla.

Ther. (schüchtern) Gewisse Manieren

Obrist. Ich liebe die Sitten unserer Väter.

Geh. R. Kind, du wirst unverschämt.

Ther. Zürnen Sie nicht bester Vater! mein Herz

Geh. R. Ich hoffe, du weißt noch nicht, daß du ein Herz hast.

Obrist. Es ist eine verdammte neue Mode mit den Herzen!

Ther. Bin ich denn meinem guten Vater so lästig geworden, daß er mich opfern will?

Geh. R. Opfern?

Obrist. Romanensprache.

Geh. R. Therese, ich war so vergnügt, so innig froh, weil ich Gehorsam von dir erwartete.

Ther. Gehorsam nur?

Geh. R. Ich meynte, es sollte dir leicht werden, deines Vaters Ruhe mit einem freyen Herzen zu erkaufen.

Ther. (seufzend) Und meine Ruhe!?

Obrist. Seyn Sie unbesorgt, mein Fräulein, Ihre Ruhe soll bey mir nicht gestört werden, nein, auf Ehre! Sie sollen schlafen bis Mittag, und spazieren gehn bis auf den Abend; nur nicht lesen.

Ther. Herr Obrister, Sie lieben der Väter Weise?

Obrist. Allerdings.

Ther. Folglich auch Offenherzigkeit?

Obrist.. Ist meine Favorittugend.

Ther. So muß ich Ihnen bekennen, daß ich zu eines ehrbaren Ritters ehrbarer Hausfrau gar nicht tauge.

Obrist. Bescheidenheit.

Ther. Ich kann weder spinnen noch weben, weder kochen noch backen

Obrist. Wird pardonnirt.

Ther. Ich kann nur lesen und schreiben.

Obrist. Beydes überflüssig.

Ther. Ich verstehe weder Kräuterwein noch Wundsalben zuzubereiten.

Obrist. Ist heutzutage nicht vonnöthen. Die Hamburger Zeitung liefert Arcana die Menge.

Ther. Statt einer Hausapotheke besitze ich eine ganz artige Bibliothek.

Obrist. Die wandert in den Schloßgraben.

Ther. Ich würde mich hinterdrein stürzen.

Obrist. Gerade wie mein Bube. Das kommt vom Lesen.

Geh. R. Wird die Ziererey bald ein Ende nehmen?

Ther. Ach mein Vater!

Geh. R. (rauh) Geh auf dein Zimmer.

Ther. Verstoßen Sie mich nicht!

Geh. R. (sanfter.) Glaubst du daß ich dich liebe?

Ther. Wie könnte ich zweifeln!

Geh. R. Meynst du, ich wollte dein Unglück?

Ther. Wollen gewiß nicht.

Geh. R. Ist dein Herz frey?

Ther. (stockend) Ja.

Geh. R. So thue ich dir ja keine Gewalt an. Du verbindest dich mit einem wackern, soliden Manne. Er wird nicht tändeln, aber er wird dein Freund seyn, und das ist mehr.

Ther. In seinem Alter bedarf man nur der Freundschaft, aber in dem Meinigen

Geh. R. Du wirst deinen alten Vater froh machen. Du wirst ihm vergelten, daß er dir keine Stiefmutter gab. Brauche ich dir mehr zu sagen?

Ther. (ringt ängstlich die Hände.)

Geh. R. Ist das deine ganze Antwort?

Ther. (faltet bittend ihre Hände.)

Geh. R. Geh' mir aus den Augen! ich kann solche Manieren nicht leiden. Ein Kind, das die Hände ringt, wenn es seinen Vater glücklich machen soll, kennt weder Pflicht noch Liebe. Geh auf dein Zimmer, blättre in deinen Romanen; und wenn du Einen findest, der Ungehorsam predigt, so wirf ihn in den Schlamm zu Schillers Xenien.

Ther. (entfernt sich weinend.)

 

Fünfte Scene.

Der Geheimderath. Der Obriste.

Geh. R. (dreht unmuthig sein Schnupftuch und kaut an den Zipfeln.)

Obrist. Sey unbesorgt, Herr Bruder, jungfräuliche Schaamhaftigkeit, weiter nichts. Das giebt sich.

Geh. R. Und ihr Widerwille?

Obrist. Der giebt sich.

Geh. R. Ihre Thränen?

Obrist. Vertrocknen.

Geh. R. Ihre Seufzer?

Obrist. Verstummen.

Geh. R. Ich mögte rasend werden! Habe den Plan so lange mit mir herumgetragen! ihn gepflegt wie ein Gärtner das Bäumgen, von dem er im Alter Schatten hoft.

Obrist. Hättest ihr keine Bücher geben sollen. Das kommt Alles vom Lesen.

Geh. R. Ey warum nicht gar! (ärgerlich)

Obrist. Denn warum liest man fremde Gedanken? um seine eigenen zu vergessen.

Geh. R. Wenn die eigenen Gedanken dumm sind, so thut man sehr wohl daran.

Obrist. Das Lesen ist

Geh. R. Ein angenehmer Zeitvertreib.

Obrist. Die Zeit ist edel, man soll einst Rechenschaft davon geben aber das Lesen ist

Geh. R. Besser als Toback rauchen.

Obrist. Mit nichten, Herr Bruder! beym Toback rauchen kann man allerley schöne Betrachtungen anstellen. Eine Rauchwolke Sic transit gloria mundi. Aber das Lesen ist

Geh. R. Ich bitte dich ums Himmelswillen, Herr Bruder, höre auf! du siehst daß ich brenne, und du gießest noch Oel ins Feuer.

Obrist. So laß uns Zerstreuung suchen. Wir wollen in den Stall gehn. Hast du schöne Pferde?

Geh. R. Nein.

Obrist. Hast du Hunde?

Geh. R. Nein.

Obrist. Pfeifenköpfe?

Geh. R. Nein.

Obrist. Nun was hast du denn?

Geh. R. Eine Tochter hab' ich, die mir den Kopf warm macht.

Obrist. Schaff dir Pfeifenköpfe an. Ein warmer Kopf wird vortrefflich abgekühlt durch einen warmen Pfeifenkopf.

Geh. R. (spöttisch) Würklich?

Obrist. Ich lasse die meinigen aus Pohlen kommen, und kann dir die besten Addressen geben.

Geh. R. (mit verbissenem Zorn) Ey das ist ja herrlich!

Obrist. Sonst, Herr Bruder, wirst du angeführt; denn es giebt Gewissenlose Unchristen, die unächte Köpfe machen, sie in Leinöl und Drachenblut kochen

Geh. R. (faßt ihn unsanft bey der Hand) Komm, komm Herr Bruder, ich will dich führen.

Obrist. Wohin?

Geh. R. Wohin du willst.

Obrist. Pferde hast du nicht, Hunde auch nicht; hast du vielleicht eine Gewehrkammer.

Geh. R. Ja, die hab' ich.

Obrist. Schön, schön, da sollst du meine Kenntnisse bewundern

Geh. R. Du wirst sie freylich in Unordnung finden

Obrist. In Unordnung! ey! ey! das kommt vom Lesen.

Geh. R. Schon wieder? (mit lachender Wuth) Ich habe neulich einen tollen Hund tod geschossen, meynst du, der sey auch vom Lesen toll geworden?

Obrist. Wohl möglich. Wer viel liest, der vernachlässigt seine Hunde, und da muß das arme Vieh wohl endlich toll werden.

Geh. R. Geh zum Teufel! (er läuft davon)

Obrist. Der Teufel sitzt in den Bibliotheken, aber nicht in den Gewehrkammern. (er geht ihm nach)

 

Sechste Scene.

Tobias. Ihm folgen einige Bediente, die Blumentöpfe tragen.

Tob. Tragt mir nur die Töpfe hieher vor dieses Fenster, das hat die Abendsonne. (Die Bedienten stellen die Blumentöpfe hin und gehn.)

Tob. (sich mit den Blumen beschäftigend) Im Grunde haben es die Blumen besser auf der Welt als die Menschen. Wer trägt wohl einen Menschen in die Abendsonne, wenn er nicht mehr selbst hineingehen kann? Eine gute Blume wird gewartet und gepflegt, ein guter Mensch weit seltener; und wie oft wird eine herrliche Menschenpflanze vernichtet, weil sie einem vornehmen Unkraut im Wege steht. Komm her, du schöne Hyacinthe so öffne deine Kelche. Bist freylich schon beynah verblüht bist mein Ebenbild die ersten Glocken welken schon aber, lieber Gott! du gabst mir ja auch ein wenig Sonne am Abend meines Lebens!

 

Siebente Scene.

Therese und Tobias.

Ther. (sieht sich schüchtern um, dann eilt sie hastig herbey) Ach lieber Oheim!

Tob. Nun was giebts? du weißt daß O! und Ach! mir nie willkommen sind.

Ther. Ich muß seufzen! denn mein Vater will, ich soll mein junges Leben verseufzen!

Tob. Das will er nicht.

Ther. Ich soll den alten fatalen Obristen heyrathen.

Tob. Hm! wenn ich diese Lilie an einen dürren Stock binde, so geb' ich ihr eine Stütze.

Ther. Bedarf ich deren, so lange mein Vater lebt?

Tob. Aber dein Vater wird nicht ewig leben.

Ther. Ist der Obriste denn jünger als er?

Tob. (verlegen) Nein, das wohl nicht.

Ther. Und kann ich ihn lieben?

Tob. (die Achseln zuckend) Das weiß ich nicht.

Ther. Nein, ich kann ihn nicht lieben! glauben Sie mir, lieber Oheim, ich kann ihn wahrhaftig nicht lieben.

Tob. So sag' ihm das.

Ther. Ich habe es ihm gesagt.

Tob. Und er glaubt es nicht?

Ther. Wenigstens kehrt er sich nicht daran.

Tob. Er mag wohl denken, daß eine so junge Dirne noch nicht weiß was Liebe ist.

Ther. Ach! da irrt er sich.

Tob. So? das thut mir leid.

Ther. (ihn umschlingend) Lieber Oheim! helfen Sie mir!

Tob. Wozu denn?

Ther. Sie haben längst errathen

Tob. Was denn?

Ther. Ersparen Sie mir das Bekenntniß

Tob. Bist du etwa in mich verliebt?

Ther. Sie spotten

Tob. Danke für die Schmeicheley.

Ther. Sie sind so gut

Tob. Willst du mich bestechen?

Ther. Sie sehen gern glückliche Menschen

Tob. Nur nicht auf fremde Unkosten.

Ther. Meine Wünsche

Tob. Deine Wünsche müssen deinen Pflichten untergeordnet seyn.

Ther. Ich glaubte immer, alle meine Pflichten stünden in meinem Herzen.

Tob. Das hoffe ich.

Ther. Warum finde ich denn diese nicht darunter?

Tob. Vermuthlich hat die Leidenschaft sie herausgejagt.

Ther. Was muß ich denn thun?

Tob. Die Leidenschaft ausrotten.

Ther. Und wenn ich das nicht kann?

Tob. Dulden, schweigen, gehorchen.

Ther. Sie sind heute so ungewöhnlich ernsthaft.

Tob. Gehörst du auch zu den Leuten, deren Freundschaft man verscherzt, wenn man ihnen nicht immer nach dem Munde redet?

Ther. Nein, mein bester Oheim! mein zweyter Vater! ich will Ihnen folgen, aber Sie müssen mit nur umgehn wie mit einem Kinde, dem man Linien vorzieht, damit es nicht krumm schreibe.

Tob. (klopft sie auf die Achsel) Braves Mädgen! Ja, ich will dein Schreibmeister werden.

Ther. Nicht wahr, Sie wünschen meine Zufriedenheit?

Tob. Allerdings.

Ther. Und wenn es möglich wäre

Tob. Was denn?

Ther. Ach! ich liebe ihn von ganzer Seele!

Tob. Wen denn?

Ther. Und nun, da er einen Orden hat, ist er ja wohl ein Edelmann so gut als Siegfried von Lindenberg?

Tob. Wenn er auch nur eben so reich wäre als Jener.

Ther. Dessen achtet mein Vater nicht.

Tob. Kennt der junge Mensch deine Gesinnungen?

Ther. O ja.

Tob. Hat er sich unterstanden dir Anträge zu machen?

Ther. O nein!

Tob. Und doch seyd ihr einig?

Ther. Das kommt, man weiß nicht wie.

Tob. Blieb es nur bey der Augensprache? oder

Ther. (verschämt) Ich habe ihm einen Ring gegeben.

Tob. Einen Ring?

Ther. Zum Andenken.

Tob. Und er dir?

Ther. (blickt schüchtern auf ihren kleinen Finger, an dem sie einen Ring von Haaren trägt.)

Tob. So, so, ich verstehe die Pantomime. Mädgen, du hast einen dummen Streich gemacht.

Ther. Von ganzer Seele.

Tob. Desto schlimmer! und mein Pflegesohn hat einen schlechten Streich gemacht.

Ther. Sie thun ihm Unrecht. Er ist der bescheidenste, wackerste Jüngling!

Tob. Aber der Ring

Ther. Er hat mir hundertmal wiederholt, daß er keine Hoffnung nähre

Tob. Aber der Ring

Ther. Er hat mich hundertmal gebeten, mein Herz einem Würdigern zu schenken.

Tob. Warum thust du es denn nicht?

Ther. Weil weil ich noch keinen Würdigern gefunden habe.

Tob. Und weil es vermuthlich nicht sein Ernst war. Seyd klug, trennt euch. Solche Blumen gedeihen nicht. Der Frost des väterlichen Fluchs

Ther. (schaudernd) Dafür wird Gott und mein Herz mich bewahren!

Tob. Vertraue auf Gott, aber nicht auf dein Herz.

Ther. Liebe veredelt. Ich kann mich für meinen Vater opfern, wenn es seyn muß.

Tob. Denkt der Bursche nicht eben so, so war er deiner Liebe unwerth.

Ther. Reden Sie sanft mit ihm.

Tob. Wann hast du mich jemals unsanft reden hören? Ich wollte nur, es ist mir gar nicht recht daß er herkommt. Ihr dürft euch vor der Hand nicht sehen.

Ther. Wie lange?

Tob. In den ersten 30 Jahren rathe ich nicht dazu.

Ther. Sie scherzen. Wer weiß, wie die Würfel noch fallen?

Tob. Wer vor seiner Zukunft steht, wie vor einem Spieltisch, und auf blinden Zufall harrt, der ist ein Thor.

Ther. Wenn ich nur frey bleibe! wenn ich nur den alten Obristen nicht heyrathen muß! rathen Sie mir, bester Oheim! nur das nicht!

Tob. Ja, liebes Kind, was soll ich dir rathen? wende dich geradezu an ihn selbst; entdecke ihm freymüthig den Zustand deines Herzens. Ist er ein edler, sein fühlender Mann, je nun, so wird er von selbst zurücktreten.

Ther. Ja das will ich! Vielleicht gelingt es mir ihn zu rühren; ihn sogar zu meinem Fürsprecher zu machen.

Tob. Ho! ho! da schwingt sich die Hoffnung schon wieder in die Wolken! Wenn ihre Flügel nur nicht von Wachs sind. Sey behutsam! gieb dich nicht blos. Wer langsam geht, sticht sich keinen Dorn in den Fuß. (Er klopft sie auf die Backen, sie küßt ihm die Hand, er geht.)

Ther. Ein Herzensguter Mann! Schade daß er nie geliebt hat! sonst würde er wissen, daß ein Pfeil im Herzen weher thut, als ein Dorn im Fuße.

 

Achte Scene.

Der Obriste. Therese.

Obrist. Auf Ehre, mein Fräulein, es ist mir lieb Sie anzutreffen, denn unter uns gesagt, die Gewehrkammer Ihres Herrn Vaters taugt nichts.

Ther. Er ist kein Kenner.

Obrist. Ueberall Franzosen, hier und da ein Mayländer, lauter Fabrikwaare. Eine einzige Cronacher Büchse von Johann Limmer, die ist gut, aber verrostet.

Ther. Mein Oheim war vormals

Obrist. Nein, da sollen Sie bey mir ganz andere Dinge schauen. Ich habe Pickelbüchsen, Millerbüchsen, Stegelinsbüchsen

Ther. Dürfte ich

Obrist. Ich habe Salzburger von Johann Stegreiter

Ther. Bester Herr Obrister

Obrist. Ich habe Villinger von Melchior Wetschgen.

Ther. Ich verstehe mich gar nicht darauf.

Obrist. Was, Sie sind ein loser Schelm! Sie haben mich getroffen, als ob Sie mit einer Karrenbüchse nach mir geschossen hätten.

Ther. Ganz wider meinen Willen

Obrist. Nun, nun, es hat nichts zu sagen. Wenn eine solche Diana erscheint (belehrend) Diana war bey den blinden Heyden die Göttin der Jagd.

Ther. Und eine Feindin der Männer.

Obrist. Sie sollen es, geliebt es Gott, noch so weit bringen, als meine wohlselige Frau Mutter, die schoß ihren Hasen vom Gaul herunter, und wenn sie allein war, so rauchte sie wohl auch ihr Pfeifgen.

Ther. Bey dem Andenken an diese vortrefliche Mutter beschwöre ich Sie

Obrist. Holdes Fräulein, nichts von Beschwörungen; das ist Satans Werk.

Ther. Im Vertrauen auf Ihre Großmuth

Obrist. Ja, das lasse ich gelten. Großmuth ist eine Rittertugend.

Ther. Sie haben mir die Ehre zugedacht

Obrist. Gehorsamer Diener! die Ehre ist auf meiner Seite.

Ther. (mit Bescheidenheit.) Aber nicht die Liebe.

Obrist. Desto besser!

Ther. Wie, Herr Obrister?

Obrist. Ich weiß wohl, daß seit einiger Zeit die verdammte Mode eingerissen ist, sich vor der Hochzeit zu verlieben; aber das muß nicht seyn, das ist gar nicht nach der Väter Sitte.

Ther. Nach meinen Begriffen

Obrist. Kind, Sie haben Ihre Begriffe durchs Lesen. Vor 300 Jahren las man nicht und verliebte sich auch nicht.

Ther. Die Ritterromane behaupten das Gegentheil.

Obrist. Ich wollte, daß die Romanenschreiber alle in den Ruinen meiner alten Stammburg säßen. Ein züchtiges Fräulein im funfzehnten Säculo sah ihrem Eheherrn, drey Tage nach der Hochzeit, zum Erstenmal in die Augen.

Ther. Und wenn er ihr mißfiel

Obrist. So liebte sie ihn dennoch wie sichs gebührte.

Ther. Herzen und Bauern waren damals noch Leibeigen.

Obrist. Wenn Dieselben mich daher versichern, daß Sie mich noch nicht lieben; so ist mir solches erfreulich zu vernehmen

Ther. Ach! das ist auch die einzige Freude die ich Ihnen machen kann.

Obrist. Weil ich daraus zur Gnüge ersehe, daß Dieselben in Zucht und Ehrbarkeit aufgewachsen, wie es einem deutschen Fräulein geziemt.

Ther. Auch würde ich ein Jahr früher mich glücklich geschätzt haben, einen Mann von Ihren Verdiensten

Obrist. Gehorsamer Diener!

Ther. In dem die Biederkeit der alten Ritter wieder auflebt

Obrist. (immer freundlicher) Gehorsamer Diener!

Ther. Durch meine wenigen Reize zu fesseln

Obrist. Dero gefesselter Sklave.

Ther. Aber ich liebe bereits einen Andern

Obrist. (stutzt) Was?

Ther. Den treflichsten Jüngling!

Obrist. (hustet verlegen, zupft an den Manschetten u. s. w.) So?

Ther. Ich liebe ihn mit solcher Innigkeit und Wärme

Obrist. Das kommt vom Lesen.

Ther. Er hat mein ganzes Herz!

Obrist. Er muß es wieder herausgeben.

Ther. Nimmermehr!

Obrist. Er hat es gestohlen.

Ther. Ich hab es ihm geschenkt.

Obrist. Ohne des Vaters Willen.

Ther. Ueberrascht von der Liebe

Obrist. Ein Mädgen muß sich nie überraschen lassen, das hat zuweilen gar üble Folgen.

Ther. Sie sind ein edler Mann

Obrist. Allerdings, meine Familie ist Stiftsfähig.

Ther. Sie werden mein offenes Bekenntniß nicht mißbrauchen.

Obrist. Ganz und gar nicht; ich werde dem jungen Menschen den Hals brechen, und damit holla!

Ther. Meine Liebe würde ihm ins Grab folgen.

Obrist. Dort gönne ich sie ihm von Herzen.

Ther. Mögten Sie Ihre Gattin immer schwermüthig sehn?

Obrist. Dafür schaffe ich Rath; wir gehen auf die Jagd; mein Weckauf, das ist ein Hund! der ergötzt das Gemüth!

Ther. Sie spotten, Herr Obrister, das habe ich nicht verdient.

Obrist. Kind, Sie verdienen einen wackern Mann, und der soll Ihnen werden.

Ther. Ihre Edelmuth war meine einzige Hoffnung.

Obrist. (sich verstellend) Nun ja doch! ich habe Mitleid mit Ihrer Jugend. Des Nächsten Fehler soll man mit Menschenliebe decken.

Ther. So dachten die biedern Ritter!

Obrist. Da Sie nun von guter Geburt, und folglich mein Nächster sind

Ther. Auch Er ist Ihrer Freundschaft werth!

Obrist. So (er hustet) Wie heißt er denn?

Ther. (mißtrauisch) Sie werden doch nicht

Obrist. Kind, wenn ich helfen soll, so muß ich doch wissen wie er heißt.

Ther. Nun wohl er nennt sich Wayse.

Obrist. Wayse? von Wayse? die Familie ist mir nicht bekannt.

Ther. Er ist nur reich durch Verdienst, nur adelig durch sein Herz.

Obrist. Was? nicht einmal ein Edelmann?

Ther. Er hat den schönsten Adel erworben; er schwang sich durch eigene Kraft vom Gemeinen zum Lieutnant empor, und erkaufte mit seinem Blute den Orden pour le mérite.

Obrist. Also ein Chevalier de fortune. Wo ist denn der junge Held?

Ther. Nicht weit von hier, in Ebersdorf, rastet er heute mit seiner Schwadron.

Obrist. Sehr wohl. Ich werde mit ihm reden.

Ther. Versichern Sie ihn meiner unwandelbaren Treue.

Obrist. Ich werde ihn versichern, daß er ein Bube ist.

Ther. Wie, Herr Obrister?

Obrist. Daß er die Familie von Edelschild beschimpft hat.

Ther. (mit Unwillen) Nur heimtückische Gesinnungen beschimpfen.

Obrist. Daß er auf der Stelle Ihnen schriftlich entsagen

Ther. Das wird er nicht.

Obrist. Oder meine Pistolen von Lazarino Comminazzo pfeifen hören soll.

Ther. Sie haben ein argloses Mädgen hintergangen; Sie haben mir den Nahmen und Aufenthalt meines Geliebten entlockt; Sie wollen zwey gute Herzen trennen; Sie wollen mich mit Gewalt zum Altar schleppen; das, mein Herr, das beschimpft Ihre Ahnen.

Obrist. Was! ich beschimpfte meine Ahnen?

Ther. Aber es soll Ihnen nichts helfen, ich heyrathe Sie doch nicht!

Obrist. Das wollen wir sehn.

Ther. Auf Ihre Drohungen mag der Lieutnant Wayse antworten.

Obrist. Der Lieutnant Wayse, ha! ha! ha!

Ther. Ist er mit einer Batterie fertig geworden, so wird ein Invalide ihm auch keine Furcht einjagen.

Obrist. Ein Invalide? Sapperment!

Ther. Nur das muß ich Ihnen noch sagen, Herr Obrister, weil Sie doch schon Alles wissen, und weil ich es nicht der Mühe werth halte, Ihnen jezt noch etwas zu verschweigen: der Lieutnant hat einen Ring von mir; er empfieng ihn als ein Unterpfand meiner Treue. Nur wenn er mir diesen Ring durch die Hand seines Nebenbuhlers zurücksendet, so war unsere Abrede, nur dann bin ich wieder frey. (mit einem spöttischen Knixe) Versuchen Sie Ihr Heil: bringen Sie mir den Ring, und ich bin Ihre Braut. (ab)

 

Neunte Scene.

Der Obriste allein.

(Er stampft mit dem Stock auf die Erde) Das kommt vom Lesen. Aber habe ich sie nur erst auf meiner Burg, dann soll mir kein Buch über die Schwelle kommen. Dann will ich mir einen Visitator aus Berlin verschreiben, der soll an der Pforte stehn, und jedem Mausefallenkrämer die Taschen umwenden, damit auch kein Almanach durchschlüpfe. He! Patzig!

 

Zehnte Scene.

Der Obriste und Patzig.

Obrist. Du verfügst dich sogleich nach Ebersdorf, Patzig.

Patzig. Ebersdorf.

Obrist. Dort fragst du nach einem gewissen Lieutnant Wayse.

Patzig. Lieutnant Wayse.

Obrist. Husar, Dragoner, Kürassier, was weiß ich! kurz, von der Kavallerie.

Patzig. Kavallerie.

Obrist. Du vermeldest ihm einen Gruß von deinem Herrn

Patzig. Von dem gnädigen Herrn Obristen von Hammer.

Obrist. Nicht doch, schlechtweg von deinem Herrn. Der Kerl ist ein Bürgerlicher, ich darf nicht einmal laut werden lassen, was ich mit ihm vorhabe.

Patzig. Wenn er aber fragt, wer mein Herr ist?

Obrist. So antwortest du ihm: er werde mich noch immer zu früh kennen lernen, denn ich sey gesonnen, ihm das Gehirn zu zerschmettern.

Patzig. Prr!

Obrist. Weil er sich unterfangen, ein kühnes Auge auf meine Braut zu werfen.

Patzig. Wenn er aber das Kompliment übel nimmt

Obrist. Ich sage dir, er ist ein Bürgerlicher.

Patzig. (sich den Rücken reibend) Die bürgerlichen Fäuste

Obrist. Halt das Maul und reite. So bald ich meine Pistolen geputzt und geladen habe, schwinge ich mich auf den braunen Hengst, und sprenge dir nach.

Patzig. Das ist wider den Respekt, dann wären Ew. Gnaden hinter mir.

Obrist. (hebt den Stock auf.)

Patzig. (zieht sich furchtsam zurück) Ja, das ist ein Anders.

Obrist. (treibt ihn immer weiter nach der Thür) Kennst du diesen?

Patzig. Leider!

Obrist. Hast du mich verstanden?

Patzig. Vollkommen.

Obrist. Du reitest?

Patzig. Ich reite. (er schiebt sich demüthig hinaus.)

Obrist. Es ist doch eine herrliche Sache um einen tüchtigen Stock (er schwingt ihn) Stellt mir ein Dutzend Philosophen hieher, und ich disputire sie Alle zu Schanden. Ich glaube, der Kerl fängt auch an zu lesen. Das greift um sich wie die Pest. Wenn dem Unheil nicht bald gesteuert wird, so werden die Menschen noch alle Subordination aus der Welt herauslesen. (ab)

 


 


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