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Zweiter Akt.

Erste Scene.

(Die drei Frauen stehen noch immer an der Thür und complimentiren. Sabine seitwärts.)

Fr. Br. Sie werden excusiren.

Fr. M. Ich muß depreciren

Fr. St. Bitte, mich nicht in Versuchung zu führen.

Fr. Br. Ah! da hör' ich sie schon auf der Treppe.

(Alle drei prallen zurück.)

 

Zweite Scene.

Olmers. Der Bürgermeister. Herr Staar. Sperling. Die Vorigen.

Bürg. Heil ist meinem Hause wiederfahren! Heil der guten Stadt Krähwinkel!

Olm. Nicht doch, Herr Bürgermeister, ich bin schon zufrieden, wenn auch nur eine einzige Person (mit einem Blick auf Sabinen) sich über meine Ankunft freut.

Bürg. Bewahre der Himmel! ich wollt' es keinem gehorsamen Bürger rathen, sich nicht unterthänigst zu freuen. Dafür haben wir Mittel.

Olm. Diese Damen gehören vermuthlich zu Ihrer Familie?

Bürg. Meine wertheste Frau Muhme, die Frau Oberfloß- und Fischmeisterin Brendel, desgleichen meine wertheste Frau Muhme, die Frau Stadtaccisecasseschreiberin Morgenroth.

Fr. Br. und Fr. M. (mit gewaltigen Knixen). Wir freuen uns unendlich die Ehre zu haben

Bürg. Hier ist meine Mutter, die Frau Untersteuereinnehmerin Staar.

Fr. St. Bitte nur tausendmal um Vergebung, daß die Vorhänge noch nicht gewaschen sind. Es geschieht sonst immer vor Pfingsten und Weihnachten.

. Olm. Madam, ich würde untröstlich sein, wenn Sie durch mich in Ihrer alten Ordnung sich stören ließen.

Fr. St. (bei Seite mit gerümpfter Nase). Madam!

Olm. (zum Bürgermeister). Dies junge Frauenzimmer ist vermuthlich Ihre Mademoisell Tochter?

Bürg. Jedermann erkennt sie doch gleich an der Aehnlichkeit mit mir.

Olm. Mademoisell, ich schmeichle mir mit der Hoffnung, daß meine Gegenwart keinen unangenehmen Eindruck auf Sie machen werde.

Sab. Im Gegentheil, der Eindruck ist so angenehm, daß ich ihn nur früher gewünscht hätte.

Hr. St. Man hört doch gleich, daß das Mädchen ein Jahr in der Residenz gewesen ist.

Olm. Vermuthlich haben Sie dort interessante Bekanntschaften gemacht?

Sab. Wenn auch nicht viele, doch Eine.

Olm. Die sich um so glücklicher schätzen wird.

Sab. Wer weiß. Man findet in der Residenz so ziemlich Alles, ausgenommen Gedächtniß.

Olm. Hüten Sie sich, daß Sie kein Unrecht abzubitten bekommen.

Sab. Dabei würde ich gewinnen.

Olm. Wer einmal so glücklich war, Sie zu sehn

Sab. Sie schmeicheln einem armen Landmädchen.

Bürg. Nun, nun, Sabinchen, ein Landmädchen bist du doch gerade auch nicht. Wir bewohnen, Gott sei Dank! eine ganz feine Stadt.

Hr. St. Die beiden Hauptstraßen sind gepflastert.

Sperl. Fünftausend Einwohner, worunter auch einige Dichter.

Fr. St. Drei schöne Kirchen.

Fr. Br. Eine anmuthige Promenade bis zum Galgen.

Olm. Ich habe eine liebliche Anhöhe bemerkt.

Fr. M. O die ist ganz vortrefflich zum Wäschetrocknen.

Olm. Und das Thal so malerisch mit Gebüschen bestreut.

Fr. Br. Die schönsten Erdbeeren wachsen dort.

Sperl. (mit einem Blick auf Sabinen). Gewürzig und purpurroth wie gewisse Lippen.

Olm. In der Tiefe schlängelt sich ein Fluß.

Fr. St. Mit Forellen und Karauschen.

Olm. Ein schattenreicher Wald beherbergt ein Heer von Nachtigallen.

Hr. St. Der Wald ist dick genug, aber das Holz wird doch alle Jahre theurer.

Olm. Treibt das Städtchen einen starken Handel?

Fr. St. O ja, mit Meerrettig.

Hr. St. Auch giebt es Niederlagen von ost- und westindischen Gewürzen, sammt einer Lesebibliothek.

Sperl. Von unserm Scheibenschießen haben Sie wohl schon gehört?

Olm. Leider nein.

Sperl. Es ist auch ein Hanswurst dabei.

Fr. St. Und einen Nachmittagsprediger haben wir an der Aegidienkirche, das ist ein Mann wie ein Apostel! Oder ist Ihnen sicher schon bekannt?

Olm. In der That, ich muß mich schämen

Sperl. Was sagen sie denn in der Residenz von unserm Liebhabertheater? ich spiele den Peter in Menschenhaß und Reue.

Fr. M. Und recht natürlich.

Sperl. Nicht wahr, Frau Muhme?

Bürg. Vor allen Dingen werd' ich dem Herrn unser Rathhaus zeigen. Ein Baumeister aus Gotha hat es vor 300 Jahren erbaut. Es ist im ächt gothischen Geschmack.

Olm. So bald ich mich ein wenig von der Reise erholt habe.

Fr. St. Sabinchen, führe doch den Herrn auf sein Zimmer.

Sab. Herzlich gern.

Bürg. Ich werde die Ehre haben zu begleiten.

Hr. St. Auch ich.

Sperl. Auch ich.

Olm. Bemühen Sie sich nicht, meine Herren, ich bin vollkommen mit meinem Führer zufrieden.

Bürg. Mit nichten. Se. Excellenz, der Herr Minister, haben mir Hochdieselben empfohlen, und ich werde nicht ermangeln, Sie wie Dero Schatten zu umgeben.

Olm. Dann werden Sie mir oft in die Sonne treten.

Bürg. Sonne genug. Dero Fenster liegen gegen Mittag. Uebrigens sehr bequem. Nur drei Stufen hinab in die Kammer, und wiederum zwei Stufen hinauf in den Alcoven.

Olm. (reicht Sabinen die Hand). Mademoisell, an Ihrer Hand hoffe ich die Stufen leicht zu erklimmen.

Sab. Es wäre doch besser, wenn wir uns schon am Ziele befänden. (Ab mit Olmers. Der Bürgermeister folgt.)

Sperl. (zu Staar). Was meinen Sie, wenn ich ihm gleich die Ode vorläse? die an die braunschweiger Mumme?

Hr. St. Jetzt nicht. Ich zeig' ihm erst meine Nürnberger Kupferstiche. (Beide ab.)

 

Dritte Scene.

Frau Staar. Frau Brendel. Frau Morgenroth.

Fr. St. Nun, was sagen Sie, liebwertheste Frau Muhmen?

Fr. Br. Mich hat er kaum angesehn.

Fr. M. Mit mir hat er kein Wort gesprochen.

Fr. St. Und mich hat er gar eine Madam genannt. Seht doch! Madam! ich bin mit Gott und Ehren Frau Untersteuereinnehmerin und keine Madam.

Fr. Br. Er hätte doch fragen können, ob mein Mann schon lange todt wäre? oder so etwas dergleichen.

Fr. M. Wenn er sich doch nur nach meinen Kindern erkundigt hätte.

Fr. St. Mein Sohn hat ihm deutlich genug gesagt: Frau Untersteuereinnehmerin; und dennoch hat er mich recht unverschämter Weise zur Madam gemacht.

Fr. M. Was Lebensart heißt, muß er erst i Krähwinkel lernen.

Fr. Br. Ein hübscher Mann ist er.

Fr. St. Ja, aber gar nicht ein bischen steif. That er nicht, als ob er hier zu Hause wäre?

Fr. M. Recht, Frau Muhme, es mangelte in ganz die volle Verlegenheit.

Fr. Br. Feine Wäsche trägt er.

Fr. St. Aber keine Manschetten.

Fr. M. Das Haar mag auch wohl vor acht Tagen zum Letztenmal gepudert worden sein.

Fr. St. Der Mensch kömmt mir so bekannt vor. Es ist mir immer, als hätte ich ihn schon irgendwo gesehn. (Sich plötzlich besinnend und sehr heftig erschrocken.) Ah! Ah! mein Schwindel! Ich falle in Ohnmacht!

Fr. Br. und Fr. M. (eilen ihr zu Hilfe). Was ists, Frau Muhme?

Fr. St. Da, in meiner Tasche

Fr. Br. Das Riechfläschchen?

Fr. St. Nein nein ein Bild ein Bild

Fr. Br. (hat indessen in ihrer Tasche gesucht). Nun ja, da ist eins. Ei seht doch, das ist wahrhaftig der Fremde.

Fr. St. Zeigen Sie her. So wahr ich eine arme Sünderin bin! er ists! ich bin des Todes!

Fr. Br. Wer denn?

Fr. M. Ich will nicht hoffen

Fr. St. Ich kann nicht zu Athem kommen

Fr. Br. Doch kein entsprungener Delinquent?

Fr. M. Wohl möglich. Man wird das Bild zu dem Steckbriefe gelegt haben.

Fr. St. Es ist der König! es ist der König!

Beide (schreien laut auf). Der König!

Fr. St. Se. allerglorreichste Majestät!

Fr. Br. Frau Gevatterin, mir wird schlimm. (Sie sinkt auf einen andern Stuhl.)

Fr. M. (eben so). Auch mir, theuerste Frau Gevatterin. (Alle drei stöhnen.)

Fr. St. Nein, das überleb' ich nicht die hohe Ehre die hohe Gnade und die Vorhänge nicht gewaschen.

Fr. Br. Weiß es denn noch Niemand in der Stadt?

Fr. St. Keine Christenseele.

Fr. Br. Ah! da muß ich ja eilen! Kommen Sie, Frau Gevatterin!

Fr. M. Ja doch, ja! es ist mir zwar wie Blei in die Füße gesunken aber der König die Vaterlandsliebe kommen Sie! kommen Sie! (Beide ab.)

 

Vierte Scene.

Frau Staar (allein).

Ich bin ganz weg – thut nichts. – Nun mag mein Stündlein schlagen, wann es dem Himmel gefällt! Ja, nun will ich auch in Gottes Namen eine Madam sein! der König mag mich Madam nennen, so viel er will! Horch! da oben geht er auf und nieder man hört es doch gleich, es ist ein königlicher Schritt! wenn ich nur von der Stelle könnte wenn nur mein Sohn erst wüßte daß er nichts gegen den Respect manquirt

 

Fünfte Scene.

Bürgermeister. Herr Staar. Sperling. Frau Staar.

Fr. St. Kommt ihr endlich? seht, da sitz' ich, und wer weiß, ob ich in meinem Leben wieder aufstehe.

Bürg. Was ist der Frau Mutter widerfahren?

Fr. St. Ich will es kurz machen ich will reden ich will das große Geheimniß von mir geben und dann in mein Kämmerlein gehn, und mit lauter Stimme einen Lobpsalm singen!

Hr. St. Was schwatzt die Frau Mutter?

Fr. St. Wo ist euer Gast?

Sperl. Er wird gleich herunter kommen.

Fr. St. Niemand bei ihm?

Bürg. Keine Seele. Die Sabine wollte bei ihm bleiben, aber ich jagte sie in die Küche.

Fr. St. Nun so lauft! rutscht auf euren Knieen die Treppe hinauf! Niclas! Niclas! der König ist in deinem Hause!

Bürg. und Hr. St. Wie? was?

Sperl. Der König?

Bürg. Mache mich die Frau Mutter nicht confus.

Fr. St. Ja, nun wird die Confusion erst recht angehn. Ganz Krähwinkel muß confus werden! Er ist da, sag' ich, er ist da! Gleich dem großen Weltkönig, der auf einem Eselein ritt, hat er dich erwählt, mein Sohn Niclas! in dein Haus ist er eingezogen, du glücklicher Bürgermeister auch Oberältester!

Bürg. Frau Mutter, ich bitte, sich zu expliciren, denn ich weiß schon nicht mehr, ob ich einen Kopf oder eine Windmühle auf dem Rumpfe trage.

Fr. St. Da! da ist unsers gnädigsten Königs Portrait! nun, da seht selbst! ist ers? oder ist ers nicht?

Bürg. Der Fremde, wie er leibt und lebt.

Hr. St. Richtig.

Bürg. Aber woher weiß die Frau Mutter ?

Fr. St. Hab' ich vor 40 Jahren nicht des Königs Großvater gesehn? und ist ihm der Enkel nicht wie aus den Augen geschnitten? Ich sage dir, das ist sein Portrait, und die geheiligte Person wandelt über unsern Köpfen.

Hr. St. Da haben wirs! er reist incognito.

Sperl. Der Landesvater im Steinbruche!

Bürg. Ach mein Gott! was ist nun anzufangen? Da muß ja die Bürgerwache mit der alten Trommel aufziehn.

Sperl. Und die Schützencompagnie mit der Fahne.

Hr. St. Und der Magistrat mit den Waisenkindern.

Fr. St. Ach! wenn das mein seliger Herr noch erlebt hätte!

Bürg. Aber ist es denn auch so recht gewiß?

Hr. St. Wie kann der Herr Bruder noch zweifeln? die Frau Mutter hat ja den Großvater selbst gesehn.

Sperl. Und das Portrait läßt sich doch auch nicht ganz wegdemonstriren.

Fr. St. Es ist der König, sag' ich dir!

Bürg. So muß mit allen Glocken geläutet werden, daß die Bürger zusammenlaufen.

Fr. St. Die Frau Muhmen sind schon hinaus.

Bürg. So brauchen wir keine Glocken. Aber eine Ehrenwache muß gleich vor das Haus.

Fr. St. Vor unser Haus! Wenn ich die Ehrenwache sehe, so rührt mich der Schlag.

Sperl. Da ist er.

Fr. St. (zwingt sich aufzustehn). Ach Gott! Ach Gott!

Bürg. Ein Herz gefaßt.

 

Sechste Scene.

Olmers. Vorige.

Olm. Ein recht bequemes Haus, lieber Herr Bürgermeister, und eine vortreffliche Aussicht. Ich hoffe, sehr frohe Stunden hier zu verleben.

Bürg. Allergnädigster König

Olm. Wie?

Hr. St. Ew. Königl. Majestät.

Olm. Was?

Sperl. Glorreichster Monarch

Olm. Scherzen Sie mit mir?

Fr. St. Gesalbter des Herrn

Olm. Wir haben doch heute nicht den sechsten Januar?

Bürg. Verbergen Sie sich nicht länger Ihren getreuen Unterthanen!

Hr. St. Unsere Herzen brennen

Sperl. Und lodern

Fr. St. Und zerfließen

Olm. Was haben Sie mit mir vor?

Bürg. Dero Premierminister hat bereits halb und halb verrathen

Olm. Mein Premierminister? (Für sich.) Ich werde doch nicht ins Tollhaus gerathen sein?

 

Siebente Scene.

Die Magd. Vorige.

Magd. Draußen stehen zwei Männer. Sie sprechen, sie wären Deputirte von der Schützengilde, und wollten den König bewillkommnen.

Bürg. Wollen Ew. Majestät allergnädigst erlauben?

Olm. Ei zum Henker! was fällt Ihnen ein? Ich bin ja eben so wenig eine Majestät als Ihr Nachtwächter.

Bürg. Ach großer Gott! was wollen Allerhöchstdieselben länger leugnen? Wir besitzen ja Dero unschätzbares Portrait.

Olm. Mein Portrait?

Fr. St. Hier ist es, großer König! (Sie überreicht es.)

Olm. Ja, es ist allerdings mein Portrait

Bürg. Endlich! (zu der Magd.) Die Deputation soll herein kommen, soll die Gnade haben, vorgelassen zu werden.

Olm. Ums Himmelswillen nicht! Sie machen mich zum Gespött. ich heiße Karl Olmers, und damit holla.

Hr. St. Laß der Herr Bruder es gut sein; Se. Majestät wollen nun einmal durchaus incognito bleiben.

Fr. St. Aber die Ehrenwache werden Allerhöchstdieselben doch nicht verschmähen?

Olm. Wenn Sie nicht bald aufhören, so brauch' ich allerdings eine Wache, denn ich werde verrückt. (Zu Sabinen, welche eben hereintritt.) Ah Mademoisell! gut, daß Sie kommen. Man will mich hier mit Gewalt zum König. machen. Wie das zugeht, mag Gott wissen. König bin ich wahrlich nicht! zu herrschen begehr' ich nirgends, als nur in Einem Herzen. Erlang ich aber diesen Wunsch, so beneid' ich keinen König. (Ab.)

 

Achte Scene.

Frau Staar. Der Bürgermeister. Hr. Staar. Sperling. Sabine.

Bürg. Man muß Se. Majestät begleiten. (Er will nach.)

Sab. (hält ihn auf). Lieber Vater, was soll das heißen? wie kommen Sie auf den Einfall?

Bürg. Naseweiß! es ist unser König.

Sab. Gott bewahre! wer hat Ihnen das weiß gemacht?

Hr. St. Weiß gemacht?

Bürg. Hat die Frau Mutter nicht den Großvater gesehn?

Hr. St. Hat sie nicht das Portrait?

Fr. St. Von ihr selbst hab' ich es empfangen.

Sab. Ah! nun versteh' ich ja lieber Gott, das war nur ein Scherz.

Alle. Ein Scherz?

Sab. Verzeihen Sie, liebe Großmutter

Fr. St. Ich drehe dir den Hals um!

Sab. Konnt' ich das vermuthen

Fr. St. Gottloses Kind! du wußtest also, wen das Portrait eigentlich vorstellt?

Sab. (sich etwas verlegen heraushelfend). Nein das wußte ich nicht

Fr. St. Wie kamst du dazu?

Sab. Ich ich hab' es gefunden.

Fr. St. Gefunden? wo? wie?

Sab. Als ich noch in der Residenz war auf einem Spaziergange im hohen Grase ich steckt' es in die Tasche, und hab' es vergessen bis auf den heutigen Tag.

Fr. St. Ei! woher denn aber die Zärtlichkeit, mit der du das Bild angafftest, als ich diesen Morgen hereintrat?

Sab. Zärtlichkeit?

Fr. St. Ja ja, Mamsell, dir war Hören und Sehen vergangen.

Sperl. Ei, ei, Mademoisell.

Sab. Ah, das kann ich Ihnen leicht erklären. Aufmerksamkeit war es. In den Zeitungen wurde ein verlornes Bild angezeigt. Da fiel mir das meinige wieder bei. Schnell zog ich es aus der Tasche, um es mit der Angabe zu vergleichen.

Fr. St. Ich habe ja keine Zeitungen gesehn?

Sab. Dort liegen sie noch auf dem Tische.

Fr. St. (zieht die Brille heraus). Gieb doch her, ich will den Artikel selber lesen.

Sab. (erschrocken). O ja warum nicht hier sind sie ach verwünscht! da haben die Kinder das Butterbrod darauf gelegt. Es ist Alles durchgeweicht, Alles unleserlich.

Fr. St. Verschmitzte Kreatur! wenn ich nun das Bild an einer Zitternadel auf meine Haube gesteckt hätte? Die ganze Stadt hätte mit Fingern auf mich gewiesen. Fort damit! Laß es mir nie wieder vor die Augen kommen.

Bürg. Gieb es dem Fremden zurück.

Sab. Ei freilich, er könnte ja sonst wunder glauben

Sperl. Der Ersatz sei meine Sorge. Ich selber lasse mich malen.

Sab. (bei Seite). Lieber ausstopfen.

Hr. St. Die Jungfer Nichte ist eine Närrin! Daß doch so eine leichtfertige Dirne eine ganze reputirliche Stadt wie ihren Strickbeutel umkehrt. Ich muß nur gehen, und die Bürgerschaft beruhigen. (Ab.)

Bürg. Und ich will die Schützendeputation abfertigen. Das sag' ich dir bringst du mir noch einmal einen solchen König ins Haus, so schick' ich dich auf die Spinnstube. (Ab.)

Fr. St. Alle Freude umsonst! ich sah schon die Ehrenwache vor unserer Thür; ich erzählte es schon meinem seligen Herrn im Grabe und indessen sind meine Braten zu Kohlen verbrannt, du Rabenkind! (Ab.)

 

Neunte Scene.

Sperling und Sabine.

Sab. Herr Bau-, Berg- und Weginspectorssubstitut, Sie werden vermuthlich vor dem Essen auch noch Geschäfte haben?

Sperl. Wertheste Mademoisell, vor dem Essen und nach dem Essen hab' ich kein anderes Geschäft, als mein treues Herz vor Ihnen auszubreiten.

Sab. Ausbreiten? es ist ja kein Mantel.

Sperl. Poetischerweise allerdings ein Mantel, aber ohne Falten, ohne alle Falten. Schönste Sabina! versuchen Sie es! wickeln Sie sich darein bei Sturm und Frost.

Sab. Ich bin noch jung, mein Herr, und bedarf keiner geborgten Wärme.

Sperl. Will ich denn dies treue Herz nur borgen? nein, schenken will ich es! (Er kniet nieder.) Hier zu Ihren Füßen empfangen Sie Ihr Eigenthum! schalten Sie damit nach Gefallen. Der König ist verschwunden, aber die Königin steht vor mir! Meine Königin! mein Götterkind!

 

Zehnte Scene.

Olmers. Vorige.

Olm. (stutzt, als er hereintritt). Ich bitt' um Vergebung, eine so schöne Unterhaltung muß man nicht stören.

Sperl. (steht auf).

Sab. Es hat nichts zu bedeuten. Kommen Sie nur näher.

Olm. (bitter). Nichts zu bedeuten? Es möchte doch wohl Leute geben, denen ein solcher Anblick sehr bedeutend vorkäme.

Sperl. Ei freilich! Sie sollen wissen, mein Herr, daß nach einer Ewigkeit von zwei Jahren die treue Liebe endlich siegt.

Olm. Wirklich? ich wünsche Ihnen Glück.

Sperl. Wenn Sie einige Wochen bei uns verweilen, so werden Sie einem Feste beiwohnen, an welchem Amor und Hymen sich brüderlich umarmen.

Olm. In der That?

Sab. Ja, mein Herr, das hoff' ich von ganzem Herzen.

Olm. Ei, welche liebenswürdige Offenheit! Natürlich werde ich so lange hier bleiben, denn ich muß für meinen zerbrochenen Wagen doch durch etwas entschädigt werden.

Sab. Noch bin ich zwar nicht Braut, aber ich hoffe es bald zu werden.

Olm. Sie wären es noch nicht? Sie belieben zu scherzen.

Sperl. Purer klarer Scherz im Gefolge der Grazien.

Sab. Mein Herr, verstehen Sie mich recht. Schon seit fünf Wochen hab' ich gehofft, daß mein Geliebter sich erklären würde, aber er schwieg.

Sperl. Er schwieg? Schalkhafte! haben meine Augen denn nicht gesprochen?

Olm. (der zu begreifen anfängt). Er schwieg vielleicht nur, um Alles vorzubereiten.

Sperl. Ganz recht, mein Herr. In meiner künftigen Wohnung wird noch gebaut. Jetzt logir' ich im Dachstübchen bei dem Herrn Vicekirchenvorsteher.

Sab. Er hätte mir doch durch die dritte Hand eine schriftliche Nachricht können zukommen lassen.

Sperl. Lag ich denn nicht täglich selber zu Ihren Füßen?

Olm. Vielleicht hat er ein strenges Verbot, welches die Sittsamkeit ihm auflegte, zu gewissenhaft erfüllt.

Sperl. Errathen, mein Herr. Als die Mamsell nach der Residenz ging, verbot sie mir ausdrücklich, meine Seufzer durch die Post zu spediren.

Sab. Einer dienstfertigen Muhme hätte man sich immer vertrauen mögen.

Sperl. Schönste Mademoisell, alle unsere Muhmen sind Klatschmäuler.

Olm. Vielleicht glaubte man auch, von Liebe und Treue bereits so viele Proben abgelegt zu haben, daß man auf edles Vertrauen rechnen dürfe.

Sperl. Getroffen, mein Herr. Ich bin ja so treu als der Hund des Melai in Meißners Skizzen.

Sab. Sie glauben also wirklich, Herr Olmers, daß mein Geliebter noch eben so warm für mich empfinde, als vormals?

Sperl. Nur warm? siedend heiß! Ja, Mademoisell! hätte Archimedes solche Liebe empfunden, er hätte seine Spiegel nicht gebraucht, um die feindliche Flotte in Brand zu stecken.

Olm. Ich wage zu behaupten, daß seine Empfindungen durch die Abwesenheit nur noch heftiger geworden.

Sperl. Freilich, freilich. Als sie in der Stadt war, wollt' ich rasend werden.

Sab. Nun so bin ich beruhigt.

Sperl. Endlich!

Olm. Auch ich.

Sperl. Sie sind ein scharmanter Mann, daß Sie um meinetwillen sich so beunruhigt haben. Ich bitte mir Ihre Freundschaft aus.

Olm. Gehorsamer Diener.

Sab. Wer mich aufrichtig liebt, wird es aber nicht blos mir sagen.

Sperl. Wem sonst?

Olm. Vermuthlich wird er sich Ihrem Herrn Vater entdecken.

Sperl. Ist ja schon geschehn.

Sab. Was noch zu thun wäre, muß bald geschehn, da meine Verlobung bereits auf morgen festgesetzt worden.

Sperl. Eben deswegen ist nichts mehr vonnöthen.

Olm. Und wäre noch etwas vonnöthen, so wird es sicher diesen Abend geschehn.

Sperl. Natürlich.

Sab. Ich schwebe zwischen Furcht und Hoffnung.

Sperl. Werfen Sie sich der Hoffnung getrost in die Arme.

Olm. Mächtige Fürsprache kann Gutes bewirken.

Sperl. Wozu? die Familie ist einig.
Der Schmetterling vermählt sich mit der Rose,
Und trinkt entzückt den Thau aus ihrem Schooße.

Sab. Wohlan! in Gegenwart dieses Herrn schwör' ich nochmals ewige Liebe!

Olm. Ich empfange den Schwur im Namen des Geliebten.

Sperl. Ach wie rührend!

Sab. Keine Gewalt soll mich von ihm trennen!

Olm. Er ist auf ewig mit Ihnen verbunden.

Sperl. Meine Thränen fließen.

Sab. Zum Pfand des Schwurs reich' ich die Hand.

Olm. Dankbar drücke ich sie an die Lippen.

Sperl. Na, ich bin recht seelenvergnügt.

 

Eilfte Scene.

Frau Staar. Vorige.

Fr. St. Das Essen ist aufgetragen. Die Gäste sind bereits in der großen Stube. Wenn ich gehorsamst bitten darf

Olm. Zu Befehl. (Er reicht Sabinen hinter Sperlings Rücken die Hand und entschlüpft mit ihr.)

Sperl. (indem er weiße Handschuh anzieht). So will ich denn im Triumph an der Hand der Liebe (er wendet sich galant, um Sabinen die Hand zu reichen, steht aber vor der Großmutter.)

Fr. St. (verneigt sich). Herr Bau-, Berg- und Weginspectorssubstitut

Sperl. (stotternd). Frau Untersteuereinnehmerin. (Sie reicht ihm ihre Fingerspitzen, welche er mit seinen Fingerspitzen faßt, und mit einem süß-sauren Gesichte sie fortführt.)

 

(Der Vorhang fällt.)

 


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