Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Buch VII

Während die letzten zwei Bücher sich mit Aussprüchen Kungs über Schüler und Zeitgenossen beschäftigten, gibt das 7. Buch hauptsächlich Äußerungen über den Meister, teils von ihm selbst, teils von andern. Dieses biographische Moment ist der Grund, warum es bei der Redaktion hinter die beiden vorangehenden gestellt wurde.

1

Resignation

Der Meister sprach: »Beschreiben und nicht machen, treu sein und das Altertum lieben: darin wage ich mich mit unserem alten Pong zu vergleichen.« Wer der »alte Pong« eigentlich ist, läßt sich nicht feststellen. Die einen sehn darin Lau Dsï andere Pong Dsu, der 700-800 Jahre gelebt haben soll: der chinesische Methusalàh, wieder andre einen nicht näher bekannten Mann aus der Zeit der Yindynastie.

 

2

Der Geist der Wissenschaft

Der Meister sprach: »Schweigen und so erkennen, forschen und nicht überdrüssig werden, die Menschen belehren und nicht ermüden: was kann ich dazu tun?«

 

3

Betrübnis über die Unvollkommenheit des Menschen

Der Meister sprach: »Daß Anlagen nicht gepflegt werden, daß Gelerntes nicht besprochen wird, daß man seine Pflicht kennt und nicht davon angezogen wird, daß man Ungutes an sich hat und nicht imstande ist, es zu bessern: das sind Dinge, die mir Schmerz machen.«

 

4

Der Meister im Privatleben

Wenn der Meister unbeschäftigt war, so war er heiter und leutselig.

 

5

Der Traum

Der Meister sprach: »Es geht abwärts mit mir, seit langer Zeit habe ich nicht mehr im Traum den Fürsten Dschou gesehen!« Der Fürst Dschou, der Sohn des Königs Wen und Bruder des Königs Wu, gehört zu den Begründern der Dschoudynastie. Er wurde von seinem Bruder als Lehnsfürst des Staates Lu eingesetzt, daher die exemte Stellung, die der an sich kleine Staat auch später bewahrt hat. Er war für Kung das hochverehrte Vorbild, das ihm im Wachen und im Traum immer vor Augen stand. Vielleicht war gerade der Umstand, daß der Fürst Dschou, ohne selbst auf dem Thron zu sitzen, so großen Einfluß ausüben konnte, ein Grund mehr für Kung, sich ihm verwandt zu fühlen. Im Alter, als er seine Hoffnungen allmählich zerrinnen sah, als er so resignierte Worte sprach wie das in Lun Yü VII, 1, da hörten auch die Träume vom Fürsten Dschou auf, daher hier diese Klage.

 

6

Vierfacher Weg der Bildung

Der Meister sprach: »Sich das Ziel setzen im Pfad, sich klammern an die guten Naturanlagen, sich stützen auf die Sittlichkeit, sich vertraut machen mit der Kunst.«

 

7

Pädagogische Grundsätze

I: Bezahlung

Der Meister sprach: »Von denen an, die ein Päckchen Dörrfleisch anbrachten, habe ich noch nie einen von meiner Belehrung ausgeschlossen.«

 

8

Pädagogische Grundsätze

II: Selbsttätigkeit des Schülers

Der Meister sprach. »Wer nicht strebend sich bemüht, dem helfe ich nicht voran, wer nicht nach dem Ausdruck ringt, dem eröffne ich ihn nicht. Wenn ich eine Ecke zeige, und er kann es nicht auf die andern drei übertragen, so wiederhole ich nicht.«

 

9

Weine mit den Weinenden

Der Meister, wenn er an der Seite eines Mannes in Trauer aß, aß sich nicht satt. Wenn der Meister an einem Tage geweint hatte, so sang er an demselben Tage nicht.

 

10

Gelassenheit

Der Meister sagte zu Yen Hui und sprach: »Wenn gebraucht, zu wirken, wenn entlassen, sich zu verbergen: nur ich und du verstehen das.«

Dsï Lu sprach. »Wenn der Meister drei Heere zu führen hätte, wen würde er dann mit sich nehmen?«

Der Meister sprach: »Wenn einer mit der bloßen Faust einem Tiger zu Leibe rückt, über den Fluß setzt ohne Boot und den Tod sucht ohne Besinnung: einen solchen würde ich nicht mit mir nehmen, sondern es müßte einer sein, der, wenn er eine Sache unternimmt, besorgt ist, der gerne überlegt und etwas zustande bringt.«

 

11

Die Jagd nach dem Glück

Der Meister sprach: »Wenn der Reichtum (vernünftigerweise) erjagt werden könnte, so würde ich es auch tun, und sollte ich mit der Peitsche in der Hand dienen; da man ihn aber nicht erjagen kann, so folge ich meinen Neigungen.«

 

12

Vorsicht

Die Umstände, bei denen der Meister besondere Vorsicht übte, waren Fasten, Krieg und Krankheit.

 

13

Die Macht der Musik

Als der Meister in Tsi sich mit der Schaumusik Die Schaumusik war die zu Kungs Zeit in dem Staate Tsi noch bekannte alte chinesische Musik. Sie wird dem Kaiser Schun zugeschrieben. Der tiefe Eindruck, den Kung von ihr erhielt, zeigt uns deutlich, daß die Musik im chinesischen Altertum etwas ganz anderes war als im heutigen China, wo sie eine recht untergeordnete Rolle spielt. Die – heute vollständig verlorengegangene – alte chinesische Musik gab eine Vermittlung des geistigen Wesens ihres Urhebers. So bringt die Schaumusik das Wesen des alten Herrschers Schun dem Kung vor die Seele in unmittelbarem Verständnis. Der Abschnitt ist daher mit dem Träumen von dem Fürsten von Dschou verwandt. beschäftigte, da vergaß er drei Monate lang den Geschmack des Fleisches. Er sprach. »Ich hätte nicht gedacht, daß die Musik eine solche Höhe erreichen könne.«

 

14

Indirekte Frage Der Grund für diese indirekte Art zu fragen liegt in dem Umstand, daß gerade zu jener Zeit der Meister im Gebiet von We war. Eine direkte Kritik der Thronverhältnisse hätte daher den Gesetzen des Dekorums widersprochen. Daher mußte Dsï Gung eine Methode anwenden, die es dem Meister möglich machte, an der Hand eines historischen Vorfalls sein Urteil abzugeben. Was Be J und Schu Tsi angeht, so war ihr Verhalten gerade das Gegenteil von dem des Fürsten von We, und indem Kung es nicht nur billigte, sondern sogar bewunderte, sprach er sein Urteil über den Fürsten.

Jan Yu sprach: »Ob der Meister für den Fürsten von We ist?« Dsï Gung sprach: »Gut, ich werde ihn fragen.« Darauf ging er hinein und sprach: »Was waren Be J und Schu Tsi für Menschen?« (Der Meister) sprach: »Es waren Würdige des Altertums.« (Der Schüler) fragte weiter: »(Waren sie mit ihrem Lose) unzufrieden?« (Der Meister) sprach: »Sie erstrebten Sittlichkeit und erlangten sie. Was (hätten sie) unzufrieden (sein sollen)?« Der Schüler ging hinaus und sprach: »Der Meister ist nicht für ihn.«

 

15

Das Glück eine ziehende Wolke

Der Meister sprach: »Gewöhnliche Speise zur Nahrung, Wasser als Trank und den gebogenen Arm als Kissen: auch dabei kann man fröhlich sein; aber ungerechter Reichtum und Ehren dazu sind für mich nur flüchtige Wolken.«

 

16

Das Buch des Wandels

Der Meister sprach: »Wenn mir noch einige Jahre vergönnt wären, daß ich das Buch des Wandels Das »Buch des Wandels« I Ging ist wohl dasjenige chinesische Buch, das die ältesten Bestandteile enthält. Es ist eigentlich ein Buch der Wahrsagung. Die der Wahrsagung zugrunde liegenden Prinzipien beziehen sich auf die Einrichtung der Natur, den Zusammenhang und die Entwicklung der Angelegenheiten des Menschenlebens und das Verhältnis von Mensen und Welt. Es ist überaus schwer verständlich, und die Chinesen finden jede Wahrheit hineingeheimnißt. Kungs esoterische Lehren beruhen hauptsächlich auf seinen Prinzipien. Er hat es in seinem Alter so oft gelesen, daß der Einband dreimal erneuert werden mußte. fertig studieren könnte, so möchte ich wohl wenigstens grobe Verfehlungen zu vermeiden imstande sein.«

 

17

Themen der Lehre

Was der Meister mit besonderer Sorgfalt besprach, waren die Lieder, die Geschichte, das Halten der Riten. Das alles besprach er mit Sorgfalt.

 

18

Wer ist Kung?

Der Fürst von Schê fragte den Dsï Lu über Kung Dsï. Dsï Lu gab ihm keine Antwort. Der Meister sagte (nachher): »Warum hast du nicht einfach gesagt: Er ist ein Mensch, der in seinem Eifer (um die Wahrheit) das Essen vergißt und in seiner Freude (am Erkennen) alle Trauer vergißt und nicht merkt, wie das Alter herankommt.«

 

19

Die Quelle von des Meisters Wissen

Der Meister sprach: »Ich bin nicht geboren mit der Kenntnis (der Wahrheit); ich liebe das Altertum und bin ernst im Streben (nach ihr).«

 

20

Schweigendes Vorübergehen

Der Meister sprach niemals über Zauberkräfte und widernatürliche Dämonen.

 

21

Überall Lehrer zu finden

Der Meister sprach: »Wenn ich selbdritt gehe, so habe ich sicher einen Lehrer. Ich suche ihr Gutes heraus und folge ihm, ihr Nichtgutes und verbessere es.«

 

22

Gottvertrauen

Der Meister sprach: »Gott hat den Geist in mir gezeugt, was kann Huan Tui mir tun?«

 

23

Offenheit

Der Meister sprach: »Meine Kinder, ihr denkt, ich habe Geheimnisse? Ich habe keine Geheimnisse vor euch. Mein ganzer Wandel liegt offen für euch, meine Kinder. So ist es meine Art.«

 

24

Unterricht in den Elementen

Der Meister lehrte vier Gegenstände: die Kunst, den Wandel, die Gewissenhaftigkeit, die Treue.

 

25

Auf der Suche nach Menschen

Der Meister sprach: »Einen Gottmenschen zu sehen, ist mir nicht vergönnt; wenn es mir vergönnt wäre, einen Edlen zu sehen, dann wäre es schon gut. Einen guten Menschen zu sehen, ist mir nicht vergönnt; wenn es mir vergönnt wäre, einen Beharrlichen zu sehen, wäre es schon gut. Aber nicht haben und tun, als habe man, leer sein und tun, als sei man voll, in Verlegenheit sein und tun, als lebe man herrlich und in Freuden: auf diese Weise ist es schwer, beharrlich zu sein.«

 

26

Fischfang und Jagd

Der Meister fing Fische mit der Angel, aber nie mit dem Netz; er schoß Vögel, aber nie, wenn sie im Neste saßen.

 

27

Erst wägen, dann wagen

Der Meister sprach: »Es mag auch Menschen geben, die, ohne das Wissen zu besitzen, sich betätigen. Ich bin nicht von der Art. Vieles hören, das Gute davon auswählen und ihm folgen, vieles sehen und es sich merken: das ist wenigstens die zweite Stufe der Weisheit.«

 

28

Weitherzigkeit

Die Leute von Hu Hiang waren schwierig im Gespräch. Ein Knabe (aus jener Gegend) suchte den Meister auf. Die Jünger hatten Bedenken. Der Meister sprach: »Laßt ihn kommen, heißt ihn nicht gehen! Warum wollt ihr so genau sein? Wenn ein Mensch sich selbst reinigt, um zu mir zu kommen, so billige ich seine Reinigung, ohne ihm seine früheren Taten vorzurücken.«

 

29

Die Macht des Willens zur Sittlichkeit

Der Meister sprach: »Ist denn die Sittlichkeit gar so fern? Sobald ich die Sittlichkeit wünsche, so ist diese Sittlichkeit da.«

 

30

Versuchung

Der Justizminister des Staates Tschen fragte, ob der Fürst Dschau (von Lu) ein Mann sei, der die Regeln des Anstandes kenne. Meister Kung sprach: »Ja, er kennt die Regeln des Anstandes.« Als Meister Kung sich zurückgezogen hatte, machte der Minister eine Verbeugung vor dem Jünger Wu Ma Ki, daß er herankomme, und sprach: »Ich habe doch immer gehört, der Edle sei kein Schranz; aber es scheint, zuweilen ist der Edle doch auch ein Schranz. Euer Fürst hat eine Prinzessin aus dem Staate Wu geheiratet, die mit ihm denselben Familiennamen Die regierende Familie von Wu war ebenso wie die von Lu direkt mit dem königlichen Hause der Dschoudynastie verwandt (vgl. VIII, 1 Anmerkung 1); beide hatten den Familiennamen Gi. Während man sonst bei der Ankunft der Braut den Familiennamen außer dem Namen des Staates, von dem sie kam, zu nennen pflegte in der öffentlichen Bekanntgabe an das Volk, hatte es der Fürst Dschau in diesem Fall für besser gehalten, den Familiennamen der Braut ganz zu unterdrücken und sie einfach als Prinzessin zu bezeichnen, da es in China bis auf den heutigen Tag als grober Verstoß gegen den Anstand gilt, wenn man eine Frau desselben Familiennamens heiratet. Dieses Vertuschungssystem des Fürsten hatte in den Nachbarstaaten wohl noch mehr Hohn herausgefordert. Daher der mephistophelische Spott, mit dem der Minister den Kung vor seinem eignen Jünger zu treffen sucht. Kung hatte die irreführende Antwort zunächst gegeben, um sich seines Fürstenhauses anzunehmen und keinen Vorwurf auf den Fürsten Dschau kommen zu lassen. Schön ist der Zug, wie Kung den Vorwurf ohne Gegenwehr auf sich sitzen läßt; damit deckt er den Fürsten vor Verunglimpfung. trug, so daß er selbst für nötig fand, sie einfach die Fürstin von Wu (unter Weglassung des Familiennamens Gi) zu nennen. Wenn dieser Fürst Anstand hat, dann weiß ich nicht, wer keinen hat.« – Der Jünger Wu Ma Ki hinterbrachte die Sache dem Meister. Der Meister sprach: »Fürwahr, glücklich bin ich zu nennen: wenn ich Fehler mache, so bemerken die Menschen sie sicher.«

 

31

Gesang und Begleitung

Wenn der Meister mit einem Mann zusammen war, der sang und es gut machte, so ließ er ihn sicher wiederholen und sang das zweitemal selber mit.

 

32

Theorie und Praxis

Der Meister sprach: »Was die literarische Ausbildung anlangt, kann ich es durch Anstrengung wohl andern gleichtun. Aber (die Stufe) eines Edlen, der in seiner Person (seine Überzeugungen) in Handeln umsetzt, habe ich noch nicht erreicht.«

 

33

Genialität und Fleiß

Der Meister sprach: »Was Genialität und Sittlichkeit anlangt: wie könnte ich wagen (darauf Anspruch zu machen); nur, daß ich ohne Überdruß danach strebe und andre lehre, ohne müde zu werden: das mag wohl vielleicht gesagt werden.« Gung Si Hua sprach: »Ganz recht; das eben können wir Jünger nicht lernen.«

 

34

Über das Gebet

Der Meister war schwer krank. Dsï Lu bat, für ihn beten lassen zu dürfen. Der Meister sprach: »Gibt es so etwas?« Dsï Lu erwiderte und sprach: »Ja, es gibt das. In den Lobgesängen heißt es: ›Wir beten zu euch, ihr Götter oben und ihr Erdgeister unten.‹« Der Meister sprach: »Ich habe lange schon gebetet.« Das Wort Kungs ist nicht ganz eindeutig. Jedenfalls ist es so zu verstehen, daß Kung das Wortgeplapper der Gebetslitaneien ablehnt.

 

35

Das kleinere Übel

Der Meister sprach: »Verschwendung führt zu Unbotmäßigkeit. Sparsamkeit führt zu Ärmlichkeit. Aber immer noch besser als Unbotmäßigkeit ist die Ärmlichkeit.«

 

36

Der Edle und der Gemeine: Seelenruhe und Sorgen

Der Meister sprach: »Der Edle ist ruhig und gelassen, der Gemeine ist immer in Sorgen und Aufregung.«

 

37

Des Meisters Charakter

Der Meister war in seinem Wesen mild und doch würdevoll. Er war Ehrfurcht gebietend und doch nicht heftig. Er war ehrerbietig und doch selbstbewußt.

 


 << zurück weiter >>