Theodor Körner
Die Braut
Theodor Körner

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Zweiter Auftritt

Der Sohn (kommt durch die Haupttür).

Sohn. Pack meine Sachen aus, Johann! Auf Numro achte!

(Er wirft den Mantel ab.)

Ich bin noch früher hier, als ich mir selber dachte;
Mein Vater trifft gewiß erst morgen abends ein.
Wie er mich finden wird? Er wird betroffen sein!
Ich bin passabel hübsch; das kann mir niemand nehmen;
Bin immer gut gelaunt; er braucht sich nicht zu schämen;
Und kurz, der Herr Papa legt Ehre mit mir ein;
Das wird ihm angenehm, mir nicht zuwider sein.
Doch etwas Wichtigers hab' ich mit ihm zu reden.
Wie will ich heute nun die langen Stunden töten?
Was fang' ich Ärmster an in dieser kleinen Stadt,
Die weder Kaffeehaus noch ein Theater hat?
Wär' nur ein schönes Kind wo irgend aufgetrieben,
Aus Langerweile wollt' ich mich sogleich verlieben.
Wer weiß, ob der Papa nicht schon für mich gewählt?
Dann sind die Stunden meiner Freiheit doch gezählt,
Und hohe Not ist es, wenn ich es recht bedenke,
Daß ich mein Herz vorher ein paarmal noch verschenke,
Eh' es der Herr Papa macht seines Amts getan.
Ein armes Männerherz gleicht einem Kraftroman.
Wie ist man erst gespannt, wenn er ganz neu erschienen!
Man reißt und zankt sich drum in Lesemagazinen.
Doch diese Wut ist kurz; bald läßt der Eifer nach,
Und müßig steht er da. Das währt wohl Jahr und Tag;
Dann fällt's wohl einem ein, das alte Werk zu lesen;
Er hört erstaunt, es sei so intressant gewesen;
Drum ist nicht selten noch die Freude herzlich groß,
Wird man das Ding zuletzt bei Käseweibern los.
Für alle Zeiten bleibt's ein ausgemachter Satz:
Ein Schatz im Kasten ist kein eigentlicher Schatz;
Man muß sein Exemplar viel tausend Mal verborgen,
Und für das übrige läßt man den Himmel sorgen.

(Man hört im Zimmer links folgendes Lied zum Pianoforte singen:)

Mutig durch die Lust des Lebens,
Mutig durch des Lebens Qual!
Deine Sehnsucht ist vergebens
Nach dem höhern Ideal.

Gern gehorsam jedem Triebe,
Trotz allein der Leidenschaft!
Selbst nicht die Gewalt der Liebe
Zügle deine freie Kraft!

Vorwärts zu dem neuen Glücke
Durch der Tage bunte Reihn!
Greife kühn zum Augenblicke!
Nur die Gegenwart ist dein.

Sohn (während des Gesanges).
Was hör' ich? Welch ein Ton! welch liebliches Organ!
Die Stimme klingt so voll ans volle Herz heran!
Mit welcher Leichtigkeit vermählt sich Wort und Klang!
Ein wahrer Ohrenschmaus! Das nenn' ich doch Gesang!
Das Lied gefällt mir wohl: der wahre Weg zum Glücke
Ist kühn; das Leben folgt dem raschen Augenblicke.
Wer nach der Zukunft hascht, der kann nicht glücklich sein,
Und freudig ruf' ich's nach: »Die Gegenwart ist mein!«
Wer wohl die Sängrin ist? Aus welchem schönen Munde
Die süße Stimme spricht? Ich bin zur guten Stunde
Hier angelangt: bei Gott! ich seh' es deutlich kommen,
Es wird in kurzer Frist ein Herz mit Sturm genommen.
Könnt' ich das Himmelskind von Angesicht nur sehn!
Da ist das Schlüsselloch. Gewiß, so muß es gehn.
Solch Augenkonterband' sind Amors schönste Rechte.
Daß ich nur ungestört ein wenig lauschen möchte!

(Er will durchs Schlüsselloch sehen.)


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