Rudyard Kipling
Das Dschungelbuch
Rudyard Kipling

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Schiwa und die Heuschrecke

Der Sang, den Toomais Mutter ihrem Söhnlein sang

        Schiw, der uns die Ernte gab und den Wind schuf weit und breit,
Saß am Tor des Jüngsten Tags – oh! vor langer, langer Zeit! –
Jedem händigt er sein Teil, Nahrung, Arbeit, Freud und Leid,

Und das Schicksal, das er schon einem jeden auserkor,
Gab's dem König auf dem Thron und dem Bettler vor dem Tor.
Also schuf er jedes Ding, Schiw, der Allerhalter,
Mahadeo! Mahadeo! Schiw, der Allgestalter!
Dornenbusch für das Kamel, schuf das Gras dem Rinde,
Schuf das treue Mutterherz meinem kleinen Kinde!

Weizen schuf dem Reichen Schiw, Hirse für den Armen,
Für den heiligen Bettelmann Krumen und Erbarmen,
Beute gab dem Tiger Schiw, gab dem Geier Leichen,
Knochen gab den Wölfen Schiw, die das Dorf umschleichen.
Keiner war dem Gott zu klein, keiner zu erhaben,
Und er teilte sorgsam ein des Geschickes Gaben.

Doch Parbati, Schiwas Weib, sah die Wesen alle,
Legt dem Gatten voller List forschend eine Falle.
Wollte ein ganz kleines Ding unbemerkt verstecken,
Um den großen Geber Schiw zweifelsvoll zu necken.
Und sie stahl ein Heuschrecklein, barg es dicht am Herzen,
Also wollte sie mit Schiw, dem Erhalter, scherzen.
Mahadeo! Mahadeo! Söhnlein, schau umher!
Groß sind die Kamele, und das Rind ist schwer!
Doch von allen Dingen, die in der Dschungel sind,
Nahm sie sich das kleinste, du mein kleines Kind!

Als der Streich gelungen, sprach sie halb voll Hohn:
»Herr, du hast gefüttert eine Million!
Doch du ließest einen, scheint mir, außer acht!« –
Schiw erwidert lächelnd: »Alle sind bedacht!
– Auch dem kleinen Wesen, das du mir versteckt,
Hab ich, Schiw, der Geber, seinen Tisch gedeckt!« –

Als Parbati staunend ihre Beute schaut,
Hat an einem Blatte froh das Tier gekaut,
Frisch war es gewachsen! . . . Und Parbati graut!
Wundert sich und preiset Schiw, den Herrn der Welt,
Der die Wesen alle füttert und erhält!
 . . . Schiwa schuf ein jedes Ding, Schiw, der Allerhalter,
Mahadeo! Mahadeo! Schiw, der Allgestalter!
Dornenbusch für das Kamel, schuf das Gras dem Rinde,
Und das treue Mutterherz schuf er meinem Kinde!

 


 


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