Justinus Kerner
Das Bilderbuch aus meiner Knabenzeit
Justinus Kerner

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In nachstehendem Briefe vom 30. Dez. 1792 an seinen Freund Reinhold erzählt er selbst einen Teil seiner Erlebnisse zu Paris während der sturmvollsten Zeit der Revolution.

 

»A Monsieur Jean Gotthardt Reinhold, Lieutenant dans le II. Bataillon du Régiment Nassau à Bois le Duc.

Paris, le 30. Dec. 1792. An I. de la R.

Gott verdamme mich, wenn ich so verschiedener Meinung von Dir wäre, als Du in Deinem Briefe, den ich soeben, abends um 6 Uhr, erhalte und um 7 Uhr beantworte, zu glauben scheinst. Ja, mein Bester, man muß in meiner Lage sein, um die Verschiedenheit meiner beiden Briefe einzusehen. Stelle Dir alle die schmerzhaften Gefühle vor, die die Begebenheiten des Augusts und Septembers in mir erzeugten; stelle Dir eine gewisse Art der Verzweiflung vor, die all diese Szenen in mir hervorriefen, und Du wirst nicht zweifeln, wie unendlich begierig ich war, an dem ersten glücklich scheinenden Umstande mich festzuhalten, der sich mir darbot, und dieser Umstand, ich gestehe es, war der glückliche Fortgang der französischen Waffen und der so günstige Einfluß, den derselbe, wie ich hoffte, auf die innere Lage Frankreichs und auf die Lage Deutschlands haben sollte.

Ich vergaß auf einen Augenblick den fressenden Krebs, der den französischen Staatskörper zugrunde richtet, ich vergaß auf einen Augenblick tausend Dinge, die ich nicht hätte vergessen sollen. Auf einige Augenblicke, sage ich! – denn das Tagebuch des Nationalkonvents, die Namen der gemordeten Bürger, die grenzenlosen Betrügereien, die überall verübt wurden, die schrecklichen Verirrungen des Freiheits-Fanatismus, die überhandnehmenden Bedürfnisse des Staats und der geringe Eifer, ihm auf eine reelle Art zu Hülfe zu kommen, die überall sich äußernden Symptome der Verdorbenheit oder der Unwissenheit, jene Schwäche verratende Prahlerei und jener allzu sichtbare Mangel an Tugend rief mich frühe genug aus meinen Träumen zurück. Ich fand, daß die Tugend der französischen Miliz so gering, die schändlichen Handlungen, die einzelne Teile derselben ausübten, so groß waren, daß die Anarchie, an der sie krank lag, so beträchtlich war, daß die Beispiele, die sie gab, die Nationen eher von Verbindungen abschreckten, als sie dazu einluden.

In Deutschland, hoffte ich, sollte die Freiheit einen günstigen Boden finden, diese Freiheit, die auf immer aus Europa verbannt zu sein scheint. England allein bietet noch einigermaßen ein erfreuliches Schauspiel dar; die strenge Behauptung einer Verfassung, die selbst bei ihren Mängeln dennoch das Nationalglück befördert und persönliche und Eigentumssicherheit begünstigt, diese strenge Behauptung, die selbst sonst entgegengesetzte Parteien zu einem Zweck, zur Erhaltung der Verfassung, vereinigt, ist in der Tat ein erhebendes, ich möchte beinahe sagen, rührendes Schauspiel; die nachdrückliche Sprache Englands kann vielleicht Einfluß auf Ludwigs Schicksal haben, seine Verteidigung von Deseze, Tronchet und Malesherbes ist vortrefflich, und wäre man in den Departementen minder Ochsenkopf und minder fanatisch, so müßten ihnen endlich wohl die Augen geöffnet werden. In dem Nationalkonvent scheint die Majorität der Redner gegen die Todesstrafe und für den Appell an das Volk, andere für die Verbannung, andere für die Gefangenschaft zu sein. Robespierre ist, wie Du Dir leicht vorstellen kannst, für die Todesstrafe. Das Sonderbarste in seiner Rede ist, daß er aus dem Grundsatze, der tugendhafteste Teil der Menschheit ist immer der kleinste, den Schluß machte, daß die kannibalenartige Minorität des Konvents der bessere Teil sei.

Du fragst mich nach der Sittlichkeit mehrerer Mitglieder? Robespierre war von jeher ein Narr – Manuel, der sich den ehrenwerten Haß der Pariser Unruhköpfe zugezogen hat, war bei der ehemaligen Polizei angestellt, wo nur wenige ehrliche Leute sich gebrauchen ließen; Condorcets unedler Charakter erhellt aus seiner Undankbarkeit gegen die Familie Rochefoucauld und aus seinem Betragen bei der Legislativen Versammlung – der ganze Nationalkonvent enthält nur wenige ehrliche Leute; der eine Teil predigte Unordnung und Gesetzlosigkeit, bis er seinen Zweck erreicht hatte, und predigt jetzt Ordnung und Gesetzmäßigkeit, um sich in dem errungenen Vorteil zu erhalten; der andere Teil fährt fort, die Anarchie zu begünstigen, weil ihm die gehofften Früchte nicht zuteil wurden und er noch nicht die Hoffnung, sie zu erringen, aufgegeben hat. Ich mag nicht weiter von diesen Leuten reden, die sich eher Rippenstöße als ihrem Vaterlande weise Gesetze zu geben verstehen; die kommenden Zeiten werden sie noch strenger als ihre jetzt lebenden und erbittertsten Feinde richten. Was die kommenden Begebenheiten des folgenden Jahres sein werden, so wage ich nicht irgendeine Mutmaßung mitzuteilen; die Wirkungen des Fanatismus waren von jeher fürchterlich – Krieg scheint für Frankreich, bei dem gestörten innern und äußern Handel, bei den wenigen Reizen, die Künste und Wissenschaften darbieten, und der Menge darbender Einwohner, jetzt je mehr und mehr Bedürfnis zu werden, und ich ahne noch immer, daß die Französische Revolution größere Umwälzungen in Europa zur Folge haben wird.

Seit dem Monat August befand ich mich niemals vollkommen wohl; nach den blutigen Szenen des Septembers war ich einige Tage krank, erholte mich, wiewohl nur unvollkommen; seit dem Monat November war ich zweimal schon sehr krank, daß man an meiner Genesung zweifelte. Ein fürchterliches Fieber hatte mich zum Gerippe abgezehrt; alle meine Geschäfte legte ich beiseite und besorgte nur die Hamburger Korrespondenz, wobei mir einer meiner Landsleute in den heftigsten Tagen meiner Krankheit hülfreiche Hand leistete. Ein schleichendes Fieber machte mich beinahe zu allen Geschäften unfähig, und nur die Freude, die Dein unverhoffter Brief bei mir erregte, gibt mir hinlängliche Kraft, ihn sogleich zu beantworten.

In Rücksicht meiner bisherigen Schicksale schreibe ich Dir noch folgendes: Am 10. August war ich auf der Wache in den Tuilerien, und ich weiß nicht, zu was mich das Schicksal noch aufbehalten hat; genug, ein Wunder erhielt mir das Leben. Ich stand an einem Seitenhofe des Schlosses (die Posten wurden immer durch das Los ausgeteilt); als die Gefahr dringend wurde, verließ uns die Kanone, die wir hatten, mit den Kanoniers und mehr denn drei Vierteil unserer Mannschaft, etwa zwanzig warfen sich in das kleine Wachthaus und erklärten, sich hier totschlagen zu lassen. (Wohl zu bemerken, daß uns ein Munizipal-Offizier, namens Borie, vorher die Artikel des Gesetzes vorgelesen, die uns zur Behauptung unseres Postens verpflichteten. Eine Kompagnie Schweizer war auch gegenwärtig, man zog aber diese gleich nachher in den innern Schloßhof zurück.) Kaum brüllte der erste Donner, so nahm die zusammengeschmolzene Garnison Reißaus. Ich war wie betäubt, tausend Bilder von den schrecklichen Folgen, die diese Blutszenen haben würden, drängten sich mir nacheinander mit Gewalt vor; ich konnte mich nicht zur Flucht entschließen, und da saß ich allein in meiner Wachtstube. Plötzlich fliegen einige Flintenkugeln an die Fensterrahmen. Vermutlich wurden sie nicht gerade geflissentlich dahin abgeschickt und sollten an den hervorragenden Teil des Schlosses gehen. Das Wachthaus stand in dem sogenannten Cour de Marsan. Jetzt fing ich an, an meine Selbsterhaltung zu denken und einen Zufluchtsort zu suchen, ich fand denselben unter dem Feldbett oder der hölzernen Bank, auf die man sich legt. Kaum war ich unten, und alle Augenblicke glaubte ich, die Bank stürze über mir zusammen, so drängt ein Haufen von Leuten in die Wachtstube, an deren entblößtem Füßen ich sah, daß sie keine Hofherren waren. Sie fanden einen guten Vorrat geladener Flinten, suchten überall über mir in den Strohsäcken und sahen zu allem Glück nicht unter das Lager. Ich hielt in diesem Augenblick meinen Tod für gewiß, übrigens behielt ich die größte Geistesruhe bei. Kaum war dieser Haufe hinaus, so verließ ich meinen Winkel, ging gerade zum Wachthaus hinaus und geriet mitten in einen Haufen von Sansculottes, die zum gegenüber befindlichen Tor hereinkamen. Ich nahm eine gleichgültige Miene an, und mein Gang war so unbekümmert, daß sie mich für einen der ihrigen hielten, und so gelangte ich in einem nahe liegenden Café an, nachdem ich noch vorher hart an einem gemordeten Schweizer vorüber mußte. Kaum war ich in diesem Café angelangt, so malten sich auf meinem Gesichte alle Empfindungen, die diese schreckliche Szene auf mich hervorbringen mußte, ich eilte nach Hause, wurde unterwegs zweimal angehalten, indem ich zu zweien Malen auf an mich gerichtete Fragen antworten mußte und man aus meinem deutsch-französischen Akzent schloß, daß ich ein verkleideten Schweizer sei, mein Brevet, half mir glücklich durch bis zur Wohnung eines Freundes. Ich hatte drei Nächte nicht geschlafen, das erste, was ich tat, war, mich aufs Bett zu werfen, wo ich 14 Stunden ununterbrochen fortschlief. Morgens um 6 Uhr am 10. August wußte ich schon, daß es übel mit dem Schloß aussehen würde; die kriechenden Schmeicheleien einiger Nationalgarden, die den König gleichsam führten, ihr Geschrei: ›Es lebe der König!‹, und ihr Stillschweigen, als man rief: ›Es lebe die Nation!‹, brachte gleich eine beträchtliche Spaltung unter der Garnison hervor; ferner brauchten die Feinde, um die Harmonie, die unter der Garnison herrschte, zu stören, eine Kriegslist, die mir augenblicklich von den wichtigsten Folgen zu sein schien; es langte nämlich gegen 6 Uhr ein ganzes Heer Sansculottes unter dem Vorwand, die Garnison zu verstärken, an, und das war sogleich das Signal einer gänzlichen Konfusion. Die Unentschlossenheit Ludwigs, die überhandnehmende Gefahr und seine endliche Entfernung in die Nationalversammlung brachte dieselbe auf den höchsten Grad. Die Kommandanten verloren den Kopf, man gab keine Befehle, machte keine Anordnungen mehr, und der gemeine Soldat war auf diese Art ganz sich selbst überlassen. Die Menge der Chevaliers und die Hof-Camarille, die die Nacht über in das Schloß kam, um vermutlich von den Fenstern aus zu schießen, hatten ebenfalls viel zum unglücklichen Ausgang dieses Tages beigetragen. – Am 21. September drohte mir ein heftiger Patriot meiner Sektion, in der ich als Royalist verschrieen war, und da es in diesen Tagen der Anarchie genug war, von einem Menschen bedroht zu sein, so machte ich mich in eine andere Gegend der Stadt, blieb etwa 4 Tage bei einem guten Freunde, und kaum waren die Barrieren wieder geöffnet, so begab ich mich aufs Land, wo ich einen Monat blieb.

In meiner Sektion gebot mir die Klugheit, noch nicht wieder zu erscheinen, da sie ohnehin eine der tollsten von Paris ist. Ungeachtet aller dieser Mißgeschicke und Verfolgungen, wollte ich gern mein Leben geben, wenn nur das Massacre vom 2. September nicht stattgehabt und man sich am 10. August minder kannibalisch betragen hätte. Du fragst mich, wie es mit meiner Wissenschaft geht? Ich werde vermutlich nächstens die hiesige schwedische Infirmerie übernehmen; zwar trägt sie nur 400 Livres jährlich ein, allein ich habe hier Gelegenheit, meine Wissenschaft auszuüben und dadurch vielleicht nach und nach eine kleine Praxis zu erlangen, im Falle ich hier bleibe, denn ein reizendes Anerbieten, das mir wiederholtemalen gemacht wurde, könnte mich wohl 150 Stunden weiter von Dir entfernen. Du wirst Dich aus den öffentlichen Blättern erinnern, daß an dem Tage, da man Lafayettes Sache in der Nationalversammlung diskutierte und man das vorgeschlagene Anklagedekret verwarf, mehrere Deputierte nach geendigter Sitzung von dem Pöbel verfolgt wurden. Ungefähr sechzig Nationalgarden hatten sich das Wort gegeben, in den Volksbühnen an diesem Tage zu erscheinen und durch die tiefste Ruhe das anwesende Volk zur Nachahmung zu bewegen; sechs kamen, und um nicht ohne von allen Seiten begafft zu werden, saßen wir mitten in einer der Volksbühnen. Die Sitzung war geendigt, kaum war ich unten auf der Straße, so sah ich einen der Deputierten von einigen wütenden Weibern und Kerls verfolgt – man warf ihm vor, für Lafayette gestimmt zu haben. Er ging unbekümmert seinen Gang fort, der mit jedem Augenblick gefährlicher wurde. Ich sah nicht sobald seine Gefahr, als ich mich ganz nahe hinter ihn machte und ihm zuflüsterte: ›Soyez tranquil, s'il le faut, je perirai en vous defendant.‹ Ich nahm auch meinen Säbel unter den Arm. Der zuströmende Haufen wurde jetzt immer größer, denn die Kerls riefen: ›Un voleur!‹, und wir konnten nicht weiter fort. Zum Glück war der Rücken des Deputierten durch eine Mauer geschützt, und ich haranguierte, so gut ich konnte, das Volk, beschwor es, sich nicht an seinen Gesetzgebern zu vergreifen; unterdessen, da ich so einigermaßen Ruhe herstellte, kamen mehrere Nationalgarden, wir nahmen den Deputierten hierauf in unsere Mitte, fielen in die Hände von Marseillner, flüchteten glücklich in ein Wachthaus und wurden hier belagert; fünf Deputierte hatten sich schon früher dahin geflüchtet, unter andern Dumontard, dessen Stellung hinter einem Tisch, auf welchem eine Trommel stand, die seinen Kopf dem Auge verbarg, ich niemals vergessen werde. Die Belagerung wurde mit jeder Minute ernstlicher, die Wache war auf dem Punkt, forciert zu werden – ich stand mit bloßem Säbel unter der Tür –, als ich plötzlich niemand mehr in der Stube gewahr wurde; alle hatten durch ein hinteres Fenster salus in fuga gesucht.

Jetzt lag mir nichts mehr an den Stürmern, sie konnten jetzt wohl eindringen, ich eilte durch die nämliche Öffnung den Deputierten nach, von denen Dumontard noch einmal in Feindes Gewalt geriet, woraus ich ihn wieder befreien half. Der erste Deputierte heißt Fourrier, aus dem Departement Hautes Pyrénées, wir sind jetzt die besten Freunde, und seine Freundschaft ist mir um so schätzbarer, da er ein edler, aufgeklärter Mann ist. Er kehrt zu Ende des folgenden Monats in sein Departement zurück und schlägt mir vor, bei ihm als Freund und Bruder zu leben. Ich habe mich nicht entschließen können aus Gründen, die Du Dir einbilden kannst, jedoch bin ich, im ganzen genommen, noch unschlüssig. Lailhassoi, den Du aus den öffentlichen Blättern kennen wirst und der auch Mitglied der Nationalversammlung war und aus Toulouse ist, hat mich ebenfalls eingeladen; ich hatte auf dieser Reise das Glück, diesen würdigen Mann wieder umarmen zu können.

Vor einigen Tagen ist Wolzogen hier angekommen, ich glaube, er hat Aufträge an das hiesige Gouvernement von dem Herzog. Daß Du Marschall gesehen hast, freut mich, ich beneide Dich in der Tat wegen dieses Glückes. Grüße mir ihn tausendmal und sage ihm, daß ich ihm verzeihen wolle, Fürstendiener zu sein, wenn er seinen Einfluß auf seinen Fürsten dazu verwenden werde, die kleine Zahl der Untertanen desselben glücklich zu machen.

Deine Nachricht von St Sernin freut mich. Du scheinst mir das Mitleiden, das ich über ihn äußerte, übel genommen zu haben – es tut mir leid – mein Mitleid erstreckt sich aber auf alle Emigrierten, die nicht feindlich gegen ihr Vaterland gehandelt haben – die übrigen verdienen alle den Galgen. Die französischen Prinzen handeln schändlich, das Schicksal des unglücklichen Königs ist besonders ihnen zuzuschreiben. Einige Sektionen, namentlich die von Luxembourg und Theatre français oder jetzt Marseille und die Section de l'Abbaye (die meinige), haben einen Eid geschworen, daß, im Fall der Konvent den unglücklichen Monarchen nicht zum Tode verdammen sollte, sie ihn selbst daniederstechen würden. So sehr groß ist die Anarchie, daß ein Haufe verrückter Kerls im Angesicht der Gesetzgeber sich über alle Gesetze erhebt. Sie träumen, eine unsterbliche Handlung zu begehen, sie sprechen von Brutus und Cäsar – gleich als fände eine Ähnlichkeit zwischen Ludwig und Cäsar statt, wovon jener in einer drückenden Gefangenschaft schmachtet, während dieser am Morgen seines Todestages mit einem Wort noch eine halbe Welt zittern machen konnte! Der Unterschied ist unendlich, und diese Elenden, statt an die Seite eines Brutus sich zu schwingen, werden unter die unterste Klasse gemeiner Mörder zurücksinken. Allein diese Leute sind der Überlegung unfähig, durch ihre Leidenschaften verblendet, glauben sie in die Fußstapfen der größten Söhne Roms zu treten und gehen den Weg gewöhnlicher Banditen – Adieu, Republik, adieu, Freiheit! – wenn diese Leute nicht bald als Narren erklärt werden. Vorgestern wollte man eine kleine Wiederholung der Szene vom 2. September machen, allein man traf die nötigen Anstalten, um den teuflischen Projekten dieser Republikaner zuvorzukommen. Sie wollten die Sturmglocke läuten, Santerre und der Kommandant des hier befindlichen Marseiller Bataillons rüsteten sich aber zum Widerstand. Einige Sektionen, besonders die der Gardes français, haben diesen Entschluß laut mißbilligt; der Gemeinderat scheint aber nicht mit dieser Mißbilligung zufrieden zu sein; derselbe hat auch gestern den Schluß gefaßt, daß die Tempel-Kommissärs nichts mehr in ihren Berichten von der königlichen Familie erwähnen sollten, insofern es das öffentliche Mitleiden erregen könnte.

Schreibe Marschall, daß ich oft an ihn denke und er mir doch auch einmal einige Linien schicken soll. Er wird darüber nicht in Ungnade fallen, wenn er nach Paris einen Brief schickt. Gib ihm so einen kleinen Auszug aus meinem Brief und versichere ihn meiner aufrichtigsten Freundschaft. Jetzt adieu! mein liebster, mein bester Reinhold! Ich hoffe, Dir in meinem nächsten Brief bessere Nachrichten von meiner Gesundheit geben zu können, die jedoch bei meinen tausend Bedrängnissen nicht so bald vollkommen hergestellt sein wird.

Weißt Du nichts von van de Velden? Grüße mir St Sernin, wenn er bei Dir ist, unbekannterweise. Petif, Vellnagel, Dertinger, was machen sie? Lebe wohl! Ewig Dein Freund

G. Kerner«


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