Henrik Ibsen
Das Fest auf Solhaug
Henrik Ibsen

 << zurück 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

DRITTER AKT

(Die große Stube auf Solhaug wie im ersten Akt, aber jetzt vom Fest her in Unordnung. Es ist noch immer Nacht; eine milde Dämmerung ist über das Zimmer und die Landschaft draußen gebreitet.)

(Bengt steht auf der offenen Außengalerie, einen Bierhumpen in der Hand. Eine Schar Gäste ist im Begriff, das Schloß zu verlassen. In der Stube geht eine Magd umher und räumt auf.)

Bengt (ruft den Fortziehenden nach.)
Also, Gott mit Euch, und ein froh Wiedersehen auf Solhaug! Ihr hättet sonst wirklich hier bleiben und ausschlafen können, ebensogut wie die andern. Na ja, ja –; nein wartet! Ich komm' noch bis zur Pforte mit; ich muß Euch doch noch einmal zutrinken.
(Geht ab.)

Die Gäste (singen, sich entfernend:)
    B'hüt Gott und Lebwohl Euch insgemein
    Hier hinter Solhaugs Türen!
    Nun ziehn wir hin über Stock und Stein; –
    Frisch auf! Die Fiedel mag führen!
            Bei Tanz und Gesang
    Wird der Heimweg uns nicht so schwer und lang.
           Hei, lustig dahin!

(Der Gesang verliert sich mehr und mehr in der Ferne. Margit tritt durch die Tür links in die Stube.)

Die Magd. Jesus Christus, Frau, Ihr seid schon auf?

Margit. Ich bin frisch und munter; Du kannst hinunter gehen und Dich schlafen legen. Halt! Sag' mir: sind schon alle Gäste fort?

Die Magd. Nein, nicht alle; ein Teil ist über Nacht geblieben. Die schlafen gewiß schon.

Margit. Und Gudmund Alfsön –?

Die Magd. Er schläft wohl auch. (Zeigt nach rechts.) Eben vorhin ging er in seine Kammer, dort, gleich überm Gang.

Margit. Gut; Du kannst gehn.
(Die Magd links ab.)

(Margit geht langsam durch die Stube, setzt sich an den Tisch rechts und blickt zum offenen Fenster hinaus.)

Margit. Wenn es tagt, so zieht wohl Gudmund hinaus, –
Und ich werde ihn nie mehr wiedersehen;
Dann sitz' ich wieder beim Gatten zu Haus –.
Mir spielt das Geschick wie dem Blümlein mit,
Wie dem Hälmchen, das irgend ein Fuß zertritt, –
Mein Los ist Verwelken, Vergehen.
(Kurze Pause, sie lehnt sich in den Stuhl.)
Mir fällt das blinde Geschöpfchen ein,
Das harmlos zum Kinde gediehen,
Bis daß ihm die Mutter mit Zauberei'n
Die Gabe, zu sehen, verliehen.
Nun schaute es staunend unverwandt
Über Berg und See, über Tal und Strand.
Da versagten die Künste der Gauklerin,
Und das Kind ging wieder in Dunkel dahin;
Die Lust am Spielen war ihm vergangen.
Von Sehnsucht bleichten ihm seine Wangen.
Hinsiechend lebte es all seine Tage
In ewiger, namenloser Klage. –
So ging auch ich wie blindgeboren
Im blühenden Sommer, im strahlenden Licht –
(Sie springt auf.)
Und dann –! Und dann wieder alles verloren!
Nein, nein, so wohlfeil verkauf' ich mich nicht.
Drei Jahre ertrug ich die Höllenpein,
Nun muß mein Opfer ein Ende finden!
Könnt' ich noch länger dies Dasein verwinden,
Ich müßte wie eine Taube sein.
Hier wird mir die Jugend verkränkt und vergällt, –
Und draußen, da wogt die unendliche Welt; –
Gudmund will ich folgen mit Schild und mit Bogen,
Teilen sein Glück und mildern seinen Kummer,
Hüten seinen Schritt und schützen seinen Schlummer; –
Das Staunen! Kommen wir so gezogen,
Der kühne Ritter und Margit, sein Lieb –
Sein Weib!
(Schlägt die Hände zusammen.)
                  O Herrgott, vergib, vergib!
Weiß selber nicht mehr, was ich spreche. –
Rette mich, eh' ich zusammenbreche!
(Geht eine WeiIe grübelnd umher.)
Signe –? Könnte ich Ruhe haben,
Wenn sie Dich vor der Zeit begraben?
Und doch –? Wer weiß? Sie ist ja noch Kind;
In ihren Jahren vergißt man geschwind.
(Abermals Pause; sie zieht das Fläschchen hervor, betrachtet es lange und sagt leise.)
Dies Fläschchen –! Es ließe mich alles gewinnen –!
Ein Griff – und mein Gatte müßte von hinnen.
(Erschrocken.)
Nein, nein, ich werf' es hinaus in den Bach!
(Will es zum Fenster hinauswerfen, hält aber inne.)
Und doch, – ich fühlte mich nicht zu schwach – –
(Flüstert mit einem aus Schauder und Entzücken gemischten Ausdruck.)
In welch verführerischer Gestalt
Lockt doch der Sünde süße Gewalt!
Mich dünkt, das Glück gewährt höchsten Genuß,
Das mit Leib und mit Seele erkauft werden muß.

(Bengt, den leeren Bierhumpen in der Hand, kommt über die Außengalerie herein; sein Gesicht glüht; er geht mit unsicheren Schritten.)

Bengt (schleudert den Humpen auf den Tisch links.)
So! Das war ein Fest, das in der ganzen Gegend von sich reden machen wird. (Erblickt Margit.) Na, da bist Du ja? Bist wieder zu Dir gekommen? Das freut mich.

Margit, (die inzwischen das Fläschchen verborgen hat.)
Ist das Tor geschlossen?

Bengt (setzt sich an den Tisch links.)
Ich hab' für alles gesorgt. Ich folgte den letzten Gästen bis zur Pforte hinunter. Aber wo blieb Knut Gaesling heut abend? – Gib mir Met, Margit! Ich bin durstig. Füll' mir den Becher da.
(Margit nimmt eine Metkanne aus dem Schrank und schenkt den Becher voll, der vor ihm auf dem Tische steht.)

Margit (geht mit der Kanne nach rechts hinüber.)
Du fragtest nach Knut Gaesling.

Bengt. Ja freilich, freilich. Der Prahler, – der Großsprecher! lch weiß noch, wie er uns gestern früh drohte.

Margit (setzt die Kanne auf den Tisch rechts.)
Er führte schlimme Reden im Munde heut nacht, als er aufbrach.

Bengt. Tat er das? Recht so! Ich werd' ihm den Schädel einschlagen.

Margit (lächelt verächtlich.)
Hm –

Bengt. Ich werd' ihm den Schädel einschlagen, sag' ich! Ich bin nicht furchtsam, und wenn ich zehn solcher Kerle begegnete. Draußen im Vorratshause hängt meines Großvaters Streitaxt; der Schaft ist mit Silber ausgelegt; und wenn ich mit der komme, so –! (Schlägt auf den Tisch und trinkt.) Morgen rüst' ich mich und zieh' aus mit allen meinen Mannen und schlage Knut Gaesling den Schädel ein. (Trinkt aus.)

Margit (leise.)
O, mit dem da leben zu müssen!
(Sie will gehen.)

Bengt. Margit, komm her! Schenk' mir wieder ein! (Sie kommt näher; er will sie auf sein Knie niederziehen.) Hahaha! Du bist hübsch, Margit! Ich hab' Dich gern.

Margit (reißt sich los.)
Laß mich! (Sie geht mit dem Becher nach rechts hinüber.)

Bengt. Du bist heut abend nicht fügsam. Hahaha, – Du meinst das wohl nicht so schlimm.

Margit (leise, während sie den Becher wieder vollschenkt.)
Wär' es der letzte Becher! . . . . . . (Sie läßt den Becher stehen und will nach links ab.)

Bengt. Hör', Margit! Für eins kannst Du dem Himmel danken, und zwar dafür, daß ich Dich geheiratet habe, bevor Gudmund Alfsön wieder kam.

Margit (bleibt an der Tür stehen.)
Warum das?

Bengt. Nun ja, – weil sein ganzes Hab und Gut nicht den zehnten Teil so groß ist wie meins. Und dessen bin ich sicher, gefreit hätt' er um Dich, wenn Du nicht Frau auf Solhaug wärst.

Margit (kommt näher, blickt verstohlen nach dem Becher.)
Glaubst Du?

Bengt. Darauf will ich schwören, Margit. Bengt Gautesön hat ein paar kluge Augen im Kopfe. Aber jetzt kann er ja Signe nehmen.

Margit. Und Du denkst, er will –?

Bengt. Sie nehmen? O ja, seit er Dich nicht mehr haben kann. Wenn Du noch frei wärst, ja dann – Hahaha, Gudmund ist just wie die andern; er mißgönnt mir, daß ich Dein Mann bin. Eben darum mag ich Dich ja so gut leiden, Margit! – Her mit dem Becher! Voll bis zum Rand!

Margit (geht widerstrebend nach rechts hinüber.)
Deinen Becher sollst Du haben – ganz gewiß.

Bengt. Knut Gaesling hat ja auch um Signe gefreit; aber dem will ich den Schädel einschlagen. Gudmund ist ein ehrlicher Kerl; er soll sie kriegen. Denk nur, Margit, wie gut wir als Nachbarn zusammen leben werden. Dann kommen wir zueinander zu Gaste und sitzen, solang der Tag währt, jeder mit seinem Weib auf dem Schoß, und trinken und schwatzen das Blaue vom Himmel.

Margit (verrät einen immer mehr sich steigernden Seelenkampf; unwillkürlich hat sie das Fläschchen hervorgezogen, während sie sagt:)
Jawohl, jawohl!

Bengt. Hahaha! Am Anfang, mein' ich, wird Gudmund mich ein bißchen scheel ansehen, wenn ich Dich herze; aber das verwindet er gewiß bald.

Margit (leise.)
Das ist mehr, als ein Mensch ertragen kann! (Schüttelt den Inhalt des Fläschchens in den Becher, tritt ans Fenster, wirft das Glas hinaus und sagt, ohne ihn anzusehen.) Dein Becher ist gefüllt.

Bengt. Dann her damit!

Margit (kämpft in Angst und Zweifel, endlich sagt sie.)
Trink heut nicht mehr!

Bengt (lachend, indem er sich in den Stuhl zurücklehnt.)
So, – wartest Du etwa auf mich? (Blinzelt ihr zu.) Geh nur, ich komm' bald nach.

Margit (plötzlich fest.)
Dein Becher ist gefüllt. (Zeigt auf ihn.) Da steht er. (Sie geht rasch links ab.)

Bengt (erhebt sich.)
Ich mag sie gern. Es reut mich nicht, daß ich sie zur Frau genommen, obschon ihr nicht mehr Erbgut eignete als der Becher da und der Schmuck, den sie als Braut trug.
(Er tritt an den Tisch am Fenster und nimmt den Becher.)

(Ein Knecht kommt eilig und erschrocken durch den Hintergrund.)

Der Knecht (ruft.)
Herr Bengt! Herr Bengt! Sputet Euch, so sehr Ihr könnt! Knut Gaesling zieht mit einem Haufen Gewaffneter herauf gegens Schloß.

Bengt (stellt den Becher hin.)
Knut Gaesling? Wer sagt das?

Der Knecht. Einige von Euren Gästen sahen ihn drunten des Wegs kommen, und da liefen sie eiligst zurück, um Euch zu warnen.

Bengt. Gut; so werd' ich denn auch –! Hol' mir meines Großvaters Streitaxt!
(Er und der Knecht gehen durch den Hintergrund ab.)

(Bald darauf kommen Gudmund und Signe leis und vorsichtig durch die Türe rechts herein.)

Signe (leise.)
So muß es denn sein!

Gudmund (ebenso.)     Die höchste Gefahr
Zwingt uns.

Signe.               Ach, so flüchten zu sollen, –
Aus seiner Heimat, die einen gebar!
(Trocknet die Tränen.)
Und doch, ich will Dir nicht grollen –
Ich fliehe ja gerne Dir zulieb.
Freilich, wärst Du nicht friedlos, blieb'
Ich besser bei Margit.

Gudmund.                     Und tags darauf
Käme Knut Gaesling mit seinen Mannen
Und höbe Dich auf sein Roß hinauf
Und schleppte die Braut von dannen!

Signe. Ja, laß uns fliehn! Doch wie fangen wir's an?

Gudmund. Ich hab' draußen am Fjord einen treuen Mann;
Der schafft uns ein Schiff. Durch salzige Wellen
Wird uns der Nordwind die Segel schwellen.
Im Dänenland, glaub' mir, ist herrlich zu sein;
Da wirst Du gar bald mit Freuden wohnen;
Da warten die lieblichsten Blumen Dein
Unter schattigen Buchenkronen.

Signe (bricht in Tränen aus.)
Meine arme Schwester – ade! ade!
Wie hast Du mich immer gehegt und geleitet,
Mit frommem Gebet mir die Wege bereitet;
Wie warst Du mir Mutter in Wohl und in Weh! –
Komm, Gudmund, – trinken wir ihr zur Ehre
Noch diesen Becher, auf daß ihr Herz
Bald wieder genese, und Gott ihren Schmerz
In Frohsinn wieder verkehre!
(Sie ergreift den Becher.)

Gudmund. Das woll'n wir; wir trinken ihr Wohlergehen.
(Wird stutzig.)
Nein, halt!
(Nimmt ihr den Becher aus der Hand.)
                Wo hab' ich nur den schon gesehen?

Signe. 's ist Margits Becher.

Gudmund (betrachtet ihn genau.)
                                Wahrhaftig, – mich trog
Mein Aug' nicht. Als ich zur Fremde zog,
Trank Margit aus ihm in funkelndem Weine,
Daß der Himmel uns bald wieder fröhlich vereine; –
Doch trank sie sich selber nur Sorge und Pein.
Nein, trinken wir keinen Met oder Wein
Aus diesem Becher mehr!
(Schüttet den Inhalt aus dem Fenster.)
                                        Komm, 's ist Zeit!
(Lärm und Rufe hinter der Szene.)

Signe. Horch! – Gudmund, ich höre Lärm und Streit!

Gudmund (horchend.)
Knut Gaeslings Stimme!

Signe.                                 Daß Gott sich erbarm'!

Gudmund (stellt sich vor sie.)
Keine Furcht! Dich schützt Deines Gudmund Arm.

(Margit kommt eilig von links.)

Margit (nach dem Lärm hinhorchend.)
Was gibt's da? Ist mein Mann –?

Gudmund und Signe. Margit!

Margit (erblickt sie.)
Gudmund! Und Signe! Ihr seid hier?

Signe (geht auf sie zu.)
Margit, – liebe Schwester!

Margit (voll Entsetzen, da sie den Becher bemerkt, den Gudmund noch immer in der Hand hält.)
Den Becher! Wer hat ihn geleert?

Gudmund (verwirrt.)
Geleert –? Ich und Signe, wir wollten –

Margit (schreit auf.)
Gnade, Gnade! Zu Hilfe! Sie sterben!

Gudmund (stellt den Becher weg.)
Margit –!

Signe. O Gott, was fehlt Dir?

Margit (eilt nach dem Hintergrund.)
Hilfe, Hilfe! Will denn niemand helfen?!

(Ein Knecht kommt eilig über die Außengalerie herein.)

Der Knecht (ruft erschrocken.)
Frau Margit! Euer Gemahl –!

Margit. Er! Hat auch er getrunken –?

Gudmund (leise.)
Ah, nun begreif' ich –

Der Knecht. Knut Gaesling hat ihn erschlagen!

Signe. Erschlagen!

Gudmund (zieht das Schwert.)
Noch nicht, will ich hoffen. (Flüstert Margit zu.) Sei ruhig! Keiner hat aus dem Becher getrunken.

Margit. Dann sei Gott gelobt, der uns alle errettet hat!
(Sie sinkt in einen Stuhl zur Linken. Gudmund will eilig ab durch den Hintergrund.)

Ein anderer Knecht (unter der Tür, hält ihn auf.)
Ihr kommt zu spät. Herr Bengt ist tot.

Gudmund. Also doch erschlagen!

Der Knecht. Aber die Gäste und Eure Leute sind der Gewalttäter Herr geworden. Knut Gaesling und seine Mannen sind gebunden. Da kommen sie.

(Gudmunds Mannen, Gäste und Knechte führen Knut Gaesling, Erik von Haegge und mehrere von Knuts Leuten gebunden herein.)

Knut (bleich und ruhig.)
Totschläger, Gudmund! Was sagst Du dazu?

Gudmund. Knut, Knut, was hast Du getan?

Erik. Es geschah ohne Absicht, – das kann ich bezeugen.

Knut. Er lief mich an mit geschwungener Axt; ich wollt' mich verteidigen, und so hieb ich denn blindlings zu.

Erik. Hier stehen viele, die das gesehen haben.

Knut. Frau Margit, fordert eine Buße, so hoch Ihr wollt, – ich bin bereit, sie zu zahlen.

Margit. Ich fordere nichts. Gott möge über uns alle richten. Doch ja, – eins fordre ich; laßt Euren schlimmen Anschlag gegen meine Schwester fahren!

Knut. Nimmermehr werd' ich versuchen, mein unselig Gelübde einzulösen. Glaubt mir, ich werd' mich bessern. Möchte nur keine entehrende Strafe mich treffen für meine Tat. (Zu Gudmund.) Solltest Du wieder zu Ehren und Würden gelangen, so sprich beim König ein gutes Wort für mich.

Gudmund. Ich? Noch bevor der Tag kommt, muß ich über der Grenze sein.

(Erstaunen unter den Gästen; Erik erklärt ihnen flüsternd den Zusammenhang.)

Margit (zu Gudmund.)
Du gehst? Und Signe will Dir folgen?

Signe (bittend.)
Margit!

Margit. Alles Glück mit Euch beiden!

Signe (an ihrem Halse.)
Geliebte Schwester!

Gudmund. Dank, Margit! Und nun leb' wohl! (Lauschend.) Horch! Ich höre Hufschlag im Hof.

Signe (voll Angst.)
Da kommt fremdes Kriegsvolk!

Ein Knecht (unter der Tür im Hintergrund.)
Des Königs Mannen stehen draußen. Sie suchen Gudmund Alfsön.

Signe. O, Herr im Himmel!

Margit (fährt erschrocken auf.)
Des Königs Mannen!

Gudmund. So ist alles vorbei! O Signe! Dich jetzt zu verlieren, – das war das Schwerste, was mich treffen konnte.

Knut. Nein, Gudmund! Teuer soll ihnen Dein Leben zu stehen kommen. Lös' unsre Stricke! Wir sind alle bereit, uns für Dich zu schlagen.

Erik (blickt hinaus.)
Es nützt nichts; es sind ihrer zu viele.

Signe. Sie kommen hier herein! O Gudmund, Gudmund!

(Des Königs Sendbote samt Gefolge tritt durch den Hintergrund herein.)

Der Sendbote. In des Königs Namen und Auftrag suche ich Euch, Gudmund Alfsön.

Gudmund. Gut. Aber ich bin unschuldig, das schwör' ich hoch und teuer!

Der Sendbote. Das wissen wir alle.

Gudmund. Wie?

(Bewegung unter den Versammelten.)

Der Sendbote. Ich habe Befehl, Euch an des Königs Hof zu Gast zu bitten. Der König schenkt Euch seine Freundschaft wie früher und reiche Lehen dazu.

Gudmund. Signe!

Signe. Gudmund!

Gudmund. Aber so sagt mir –?

Der Sendbote. Euer Feind, der Kanzler Audun Hugleiksön, ist gestürzt.

Gudmund. Der Kanzler!

Die Gäste (halblaut zueinander.)
Gestürzt?!

Der Sendbote. Vor drei Tagen wurde er zu Bergen enthauptet. (Mit gedämpfter Stimme.) Er hatte Norwegens Königin beleidigt.

Margit (tritt zwischen Gudmund und Signe.)
So schlägt den Sünder des Himmels Hand!
Mir hat er heut nacht seine Engel gesendet
Und, als mir schon jede Hoffnung schwand,
Mein Los noch gnädig zum Guten gewendet.
Nun weiß ich, das Leben ist mehr als ein Jagen
Nach glänzenden Gütern, nach festlichen Tagen.
Ich fühlte, wie bitter der Mensch verzagt,
Der seiner Seele Seligkeit wagt. –
Ich tret' in Synnöves Kloster ein –
(Da Gudmund und Signe sprechen wollen.)
Sagt nichts! Es würde vergeblich sein.
(Legt ihre Hände zusammen.)
So knüpf' ich denn Eurer Liebe Band
Und stell' Euer Leben in Gottes Hand!

(Sie winkt zum Abschied und geht nach links. Gudmund und Signe wollen ihr folgen. Margit hält sie mit einer abwehrenden Gebärde zurück, geht hinaus und schließt hinter sich die Tür. Im selben Augenblick geht die Sonne auf und wirft ihr Licht in die Stube.)

Gudmund. Signe, – mein Weib! – Sieh, der Tag will beginnen;
Das ist unsrer jungen Liebe Tag!

Signe. Mein schönstes Erinnern, mein bestes Sinnen
Hast Du mir geschenkt und Dein Harfenschlag.
Mein edler Sänger, – in Leid und Lust
Schlag nur die Saiten zu höchsten Liedern;
Ich trag' eine Harfe in tiefer Brust,
Die soll Dir in Freuden und Schmerzen erwidern!

Chorgesang (von Männern und Frauen.)
    Sonne hat ihr segnend Aug' erhoben,
    Hütet liebevoll der Frommen Fuß,
    Sendet milder Strahlen Trostesgruß –
    Lob und Preis dem Herrn im Himmel droben!


 << zurück