Henrik Ibsen
Komödie der Liebe
Henrik Ibsen

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ERSTER AKT

(Ein hübscher Garten mit unregelmäßigen, doch geschmackvollen Anlagen; im Hintergrunde wird der Fjord mit seinen Inseln sichtbar. Links vom Zuschauer aus das Wohnhaus mit einer Veranda; über ihr ein offenstehendes Giebelfenster. Rechts im Vordergrund eine offene Laube mit Tisch und Bänken. Die Landschaft liegt in kräftiger Abendbeleuchtung. Es ist Frühsommer; die Obstbäume blühen.)

(Beim Aufgehen des Vorhangs sitzen Frau Halm, Anna und Fräulein Elster auf der Veranda, die beiden ersten mit Handarbeiten, die letztere mit einem Buch. In der Laube sieht man Falk, Lind, Goldstadt und Stüber; auf dem Tisch stehen eine Punschbowle und Gläser. Schwanhild sitzt allein im Hintergrund am Wasser.)

Falk (steht auf und singt mit erhobenem Glas.)
Welch ein Tag im trauten Garten,
Reich an Sonne, reich an Glück;
Tröst dich, bleibt dem Lenzerwarten
Oft genug der Herbst zurück.
Laßt uns heute dieser Blüten
Rosigen Gewölbs uns freun, –
Morgen mag ein Wetter wüten
Und in alle Welt sie streun!

Chor der Herren.
Morgen mag ein Wetter wüten
Und in alle Welt sie streun!

Falk.
Warum schon nach Früchten fragen,
Da noch rings die Bäume blühn?
Warum unter Klag- und Plagen
Uns um Ungewisses mühn?
Schrille Vogelscheuchen schrecken
Tag und Nacht die muntre Brut –
Finkenschlag in Laub und Hecken,
Brüder, gibt doch bessern Mut!

Chor der Herren.
Finkenschlag in Laub und Hecken,
Brüder, gibt doch bessern Mut!

Falk.
Laß den leichten Sänger sitzen
In der süßen grünen Pracht!
Laß ihn seinen Lohn stibitzen,
Wenn er dich auch ärmer macht.
Seh' dich doch beim Tausch gewinnen,
Handelst Sang statt später Frucht;
Denk, noch eh' viel Monde rinnen,
Wendet sich das Laub zur Flucht.

Chor der Herren.
Denk, noch eh' viel Monde rinnen,
Wendet sich das Laub zur Flucht.

Falk.
Leben will ich, will genießen,
Bis der letzte Strauch verdorrt;
Wenig soll's mich dann verdrießen,
Fegt ihr all den Abfall fort.
Tor auf! Schaffe sich die Herde
Dann noch einen satten Tag;
Brach nur ich die Blüten, werde
Mit dem toten Rest, was mag!

Chor der Herren.
Brach nur ich die Blüten, werde
Mit dem toten Rest, was mag!
(Sie stoßen an und leeren die Gläser.)

Falk (zu den Damen.)
Das war das Lied, um das Sie baten; – zwar
Ich fürchte, daß es nicht sehr geistreich war.

Goldstadt.
Was tut's? Ein Lied, das soll vor allem klingen!

Frl. Elster (sieht sich um.)
Und unsre Schwanhild flog uns einfach fort.
Erst überredet sie Herrn Falk zu singen –
Und gibt dann Fersengeld.

Anna (zeigt nach dem Hintergrund.)
                                      Sie sitzt ja dort.

Frau Halm (mit einem Seufzer.)
Kein Schliff, soviel ich auch an sie verschwende!

Frl. Elster.
Doch scheint mir fast, Herr Falk, des Liedes Ende
Mit jener Poesie zu schwach beprägt,
Von der es sonst doch manche Spuren trägt.

Stüber.
Ja, und Du konntest doch wahrhaftig leicht
Am Schluß noch etwas mehr davon plazieren.

Falk (stößt mit ihm an.)
Wie man ein rissig Brett mit Kitt verstreicht,
Bis sich die Flächen speckig marmorieren.

Stüber (unbeirrt.)
Es ging ganz gut; ich weiß doch, was man kann,
Ich hab' doch selbst –

Goldstadt.                 Den Pegasus geritten?

Frl. Elster.
Mein Bräutigam? Gott, ja!

Stüber.                               Nur dann und wann.

Frl. Elster (zu den Damen.)
Er ist im Grund romantisch.

Frau Halm.                         Unbestritten.

Stüber.
Nicht mehr; das war in junger Jahre Wirrnis.

Falk.
Ja, ja, Romantik, die verfliegt wie Firnis.
Doch früher also –?

Stüber.                       Ja, zu jener Zeit,
Als ich verliebt war.

Falk.                           "War"? Vergangenheit?
Du hast den Liebesrausch schon ausgeschlafen?

Stüber.
Jetzt bin ich doch verlobt, bin fast im Hafen,
Was mehr ist, als verliebt sein, will mir scheinen.

Falk.
Und ob! mein alter Freund, das will ich meinen!
Da war's getan, als Dir der Schritt geglückt war –
Und Liebschaft zu Verlöbnis aufgerückt war.

Stüber (mit einem Lächeln behaglicher Erinnerung.)
's ist seltsam! Wenn ich jene Zeit betrachte,
Ich möchte schwör'n, es fopp' ein Trugbild mich.
(Wendet sich zu Falk.)
Das sind nun sieben Jährlein her, daß ich
Auf der Kanzlei geheime Verse machte!

Falk.
Du dichtetest – am Pult?

Stüber.                             Am Schreibtisch dort.

Goldstadt.
Silentium! Der Aktuar hat's Wort.

Stüber.
Zumal oft abends im Bureau allein,
Da konzipiert' ich ganze Verse-Reihn,
Ich nahm oft drei gebrochne Bogen mit.
Das ging!

Falk.             Du gabst der Muse bloß 'nen Tritt,
So trabte sie –

Stüber.               Ob mit, ob ohne Stempel,
Mir paßte jedes Blatt in mein Programm.

Falk.
So überschwoll Dein Versstrom jeden Damm?
Doch wie erbrachst Du, sag', der Musen Tempel?

Stüber.
Mit jenem Dietrich, den man Liebe nennt!
Mit andern Worten, meiner Verskunst Amme
War, die Ihr heut als mein Verlöbnis kennt,
Denn damals war sie –

Falk.                               Nur erst Deine Flamme.

Stüber (fortfahrend.)
Das war 'ne Zeit! Mein Jus lag recht im schlimmen;
Die Feder statt zu spitzen, tat ich stimmen,
Und riß sie das Papier, so klang ihr Schrei
Wie Melodie zu meiner Schreiberei; –
Doch schließlich fand ich es denn doch zu laut –
Und schrieb an meine –

Falk.                                 Deine spätre Braut.

Stüber.
Desselben Datums lief noch Antwort ein, –
Gesuch bewilligt, – und das Feld war rein!

Falk.
Da mochtest Du an Deinem Pult frohlocken;
Denn Deine Liebe lag nun gut und trocken!

Stüber.
Natürlich.

Falk.             Und Du hast nie mehr gedichtet?

Stüber.
Nie mehr. Ich fühlte keinen weitern Trieb;
Mit einem Mal schien mein Talent vernichtet.
Und brauch' ich heut mal irgendwem zulieb
Nur einen Neujahrsvers, nur so fürs Haus,
Ich komm' mit Reim und Rhythmus nicht mehr aus;
Ich weiß nicht, was es ist, – es macht sich nie, –
Es wird halt Jus und keine Poesie.

Goldstadt.
Und wär'n Sie deshalb weniger honett?
(Zu Falk.)
Sie glauben wohl, Fortunens Ferge hätt'
Für Sie allein im Glücksschiff Platz zu wahren!
Doch sehen Sie sich vor, im Fall Sie fahren!
Und was Ihr Lied betrifft, so fragt es sich,
Ob sich's als Poesie verfechten lasse;
Denn wie man auch die Worte wend' und fasse
Die Grundmoral ist schlecht, so sage ich.
Wie glauben Sie, daß man die Wirtschaft nennt,
Die Spatz und Fink die Beeren nicht verleidet.
Bevor die Sonne sie zu Früchten brennt,
Wo Kalb und Kuh die Sträucher niederrennt
Und vor der Zeit die Sommerwiesen weidet?
Das säh', Frau Halm, hier nächstes Frühjahr aus!

Falk (erhebt sich.)
Ah, nächstes, nächstes! Packt's Euch nicht wie Graus
Vor dieser ärgsten aller Worte-Vetteln,
Die uns verhext, im reichsten Glück zu – betteln!
Nur einmal Sultan sein im Reich der Zungen, –
Ich schickt' ihr augenblicks die seidne Schnur;
Da hätt' sie bald auf ewig ausgerungen,
Wie das schon mancher Hexe widerfuhr.

Stüber.
Was hast Du gegen dieses Hoffnungswort?

Falk.
Daß Gottes schöne Welt vor ihm verdorrt.
"Die nächste Liebe" und "der nächste Leib",
"Die nächste Mahlzeit" und "das nächste Weib", –
Sieh, diese Vorsicht, die in all dem zittert,
Die ist es, die Dir jedes Glück verbittert.
Soweit Du siehst, verhäßlicht sie die Welt,
Verkümmert Dir den Frohgenuß des Heute;
Du ruhst nicht, eh' nicht, neuen Windes Beute,
Dein Boot zum "nächsten" Strand die Segel stellt;
Doch langt es an – so darfst Du da wohl weilen?
O nein, Du mußt zum aber-"nächsten" eilen.
So geht es – immerfort – durchs ganze Leben – –
Gott weiß, ob hinterm Grab uns Ruh' gegeben.

Frau Halm.
Nein pfui, Herr Falk, was sind das für Ideen!

Anna (nachdenklich.)
O, was er meint, das kann ich wohl verstehn;
Es muß doch etwas Wahres in sich tragen.

Frl. Elster (bekümmert.)
Das könnte Stübern leicht den Kopf verdrehn, –
Exzentrisch wie er ist. – Ach, laß Dir sagen, –
Auf einen Augenblick!

Stüber, (damit beschäftigt, seinen Pfeifenkopf zu reinigen.)
                                  Ich komme gleich.

Goldstadt (zu Falk.)
Doch das liegt außer Diskussionsbereich:
Sie sollten sich der Vorsicht nicht entschlagen,
Gerade Sie nicht! Setzen Sie den Fall,
Sie schrieben heut ein Werk und legten all
Das Poesiegold restlos in ihm an,
Womit Sie Ihre Bank bedienen kann, –
Und müßten, wollten Sie den nächsten Morgen
Von neuem dichten, alles weitre borgen!
Da würde die Kritik ihr Mütchen kühlen.

Falk.
Die würde den Bankrott wohl schwerlich fühlen;
Da schlenderten wir höchst einträchtiglich
Desselben Wegs, Madam Kritik und ich.
(Abbrechend und mit Übergang.)
Doch sag' mir, Lindchen, – was beschäftigt Dich? –
Warum so stumm? Wir schwelgen in Affekten,
Du, scheint mir, bildest Dich zum Architekten!

Lind (nimmt sich zusammen.)
Ich, Falk? Wie kommst du darauf?

Falk.                                                 Ganz bestimmt!
Weil der Altan Dich so in Anspruch nimmt.
Es sind vielleicht der Fenster hohe Bogen,
Die Deinen Blick so mächtig angezogen?
Vielleicht der Tür stilistische Partien,
Vielleicht die Scheiben oder Jalousien?
Denn etwas muß Dein Auge auf sich ziehen.

Lind (mit strahlendem Ausdruck.)
Nein, Falk, Du irrst. Ich sitze hier und lebe.
Das Jetzt ist's, dem ich mich berauscht ergebe.
Ich hab' Dir ein Gefühl, als läg' mir heut
Der Erde ganzer Reichtum hingestreut!
Dank für Dein Lied Frühlingswonnen;
Mir ist, ich hätt' es trunken selbst ersonnen!
(Hebt sein Glas und wechselt, nicht bemerkt von den übrigen, einen Blick mit Anna.)
Der Blüt' ein Heil, die süßen Duft uns schenkt
Und nicht im Lenz schon ihres Herbstes denkt!
(Trinkt aus.)

Falk (blickt ihn überrascht und ergriffen an, zwingt sich aber zu einem leichten Ton.)
Sehn meine Damen, welch ein Glück mir blüht?
Hier ward im Handumdrehn ein Proselyt.
Noch trägt er sein Gebetbuch unterm Rocke
Und kämmt sich üppig schon die Dichterlocke.
Zwar heißt's, man ist ein Dichter oder keiner,
Doch wird wohl auch mal von der Prosa einer
Wie eine Gans gemästet, rigorös,
Mit Reimgewäsch und metrischem Getös,
Daß all sein Innres, Leber, Seel', Gekrös,
Liegt's ausgenommen auf dem Küchenbrett,
Voll Lyrikschmalz ist und Rhetorikfett.
(Zu Lind.)
Willkommen übrigens in unsern Reihen!
Nun schlagen wir die Harfe stolz selbzweien.

Frl. Elster.
Ja, Sie, Herr Falk. Sie dichten jetzt wohl viel?
Dies Ländliche, – dies Wandeln unter Bäumen,
Wo Sie so ganz allein mit Ihren Träumen –

Frau Halm (lächelnd.)
Nein, er ist träg', – es ist ein Trauerspiel.

Frl. Elster.
Ich dachte, wenn Sie bei Frau Halm logieren,
Sie müßten Tag und Nacht poetisieren.
(Zeigt nach rechts hinaus.)
Die Laube dort, von Blättern überdacht,
Ist doch für einen Dichter wie gemacht; –
Daß da nicht einmal Ihre Lust erwacht?

Falk (geht nach der Veranda hinüber und lehnt sich mit den Armen aufs Geländer.)
Bedecken Sie mein Aug' mit Blindheitsschimmel,
So dicht' ich Ihnen von dem lichtsten Himmel;
Verschaffen Sie mir auf vier Wochen bloß
Ein wühlend Weh, ein tragisch Heldenlos,
So sing' ich Ihnen Hymnen zum Entgelt!
Am besten fänd' ich meine Sach' bestellt,
Würd' mir ein Weib Licht, All, Gott, Sonne, Welt!
Ich hing mich schon dem Herrgott an die Kleider,
Doch blieb er taub bis heute – leider, leider.

Frl. Elster.
Pfui, wie frivol!

Frau Halm.         Da hört doch alles auf!

Falk.
Ah, glauben Sie, ich sänn' mit ihr darauf,
Die öffentlichen Gaffer aufzunähren?
Nein, aus des Glückes wildstem Jubellauf
Da müßt' sie wieder heim zum Himmel kehren.
Gymnastik braucht mein Geist, nicht zu erschwachen,
Und solch ein Fall würd' ihm zu schaffen machen.

Schwanhild (hat sich inzwischen genähert; sie steht nun dicht bei Falk und sagt mit bestimmtem, doch launigem Ausdruck:)
Ich will für Sie um solch ein Schicksal flehen;
Doch kommt es, – tragen Sie es wie ein Mann!

Falk (hat sich überrascht umgewandt.)
O, Fräulein Schwanhild! – Gut, ich will ihm stehen!
Doch ob man auf Ihr Flehn auch bauen kann?
Wird Ihr Gesuch der Himmel auch erledigen?
Er läßt sich ungern Forderungen predigen.
Ich weiß wohl, Willen haben Sie für zwei,
Daß es mit meiner Ruh' zu Ende sei!
Doch ob Ihr Glaube völlig einwandfrei, –
Da liegt's.

Schwanhild (halb im Scherz, halb im Ernst.)
              Geduld, – wenn erst die Sorgen pochen,
Wenn Ihres Lebens Sommerglück zerbrochen,
Wenn Sie in Traum und Wachen ruhlos leiden, –
Dann mag Ihr Urteil über mich entscheiden.
(Sie geht zu den Damen hinüber.)

Frau Halm (mit gedämpfter Stimme.)
Ihr beiden seid doch nur auf Zwist bedacht!
Nun hast Du Falk im Ernste bös gemacht.
(Redet leise und ermahnend weiter auf sie ein. Frl. Elster mischt sich ins Gespräch. Schwanhild steht kalt und stumm da.)

Falk (geht nach einer kurzen gedankenvollen Pause zur Laube hinüber und sagt vor sich hin:)
Gewißheit leuchtete aus ihren Blicken.
Ob ich mit ihrem Glauben glauben soll,
Der Himmel wolle –

Goldstadt.               Ihnen Sorgen schicken?
Er wäre, mit Verlaub zu sagen, toll,
Sofern er solche Orders effektuierte.
Nein, nein, das einzige, was Sie kurierte,
Das wär' Motion für Arme, Bein' und Leib
Jedoch worin besteht Ihr Zeitvertreib?
Im Wolkengucken! Hau'n Sie, junger Skalde,
Nur einmal vierzehn Tage Holz im Walde!
Und ließe Sie Ihr Blut dann nicht in Ruh',
Das ging' ja nicht mit rechten Dingen zu.

Falk.
Nun steh' ich, wie's von Buridans Esel heißt,
Zur Linken winkt mir Fleisch, zur Rechten Geist.
Wer rät nun, was es erst zu wählen gilt?

Goldstadt (füllt die Gläser.)
Erst ein Glas Punsch, das Durst und Kummer stillt.

Frau Halm (sieht auf ihre Uhr.)
Es geht nun schon auf acht. Ich sollte meinen,
Jetzt dürft' wohl unser Pastor bald erscheinen.
(Erhebt sich und räumt auf der Veranda auf.)

Falk.
Ein Pastor kommt hierher?

Frl. Elster.                         Gott, warum nicht?

Frau Halm.
Sie hören auch nie zu, wovon man spricht –

Anna.
Herr Falk wird damals grad' gesegelt haben –

Frau Halm.
Ach so. Doch machen Sie kein solch Gesicht;
Sie werden sich an unserm Gast erlaben.

Falk.
Nun, und? Wer ist denn dieses Labsal, so man
Erharrt?

Frau Halm.
            Herr Gott, es ist der Pastor Strohmann.

Falk.
So, so. Sein Name ist mir schon bekannt;
Er ist ja wohl im Reichstag Debütant
Und strebt ins hochpolitische Gewässer.

Stüber.
Er redet gut.

Goldstadt.   Und räuspert sich noch besser.

Frl. Elster.
Nun kommt er mit Gemahlin –

Frau Halm.                             Und mit Kindern –

Falk.
Und tummelt sie ein wenig noch im Freien,
Eh' "Fragen" und Ministerplackereien
Ihn Tag und Nacht an allem andern hindern?
Ich fühl's ihm nach.

Frau Halm.               Das ist ein Mann, Herr Falk!

Goldstadt.
Als junger Mann zwar war's ein arger Schalk.

Frl. Elster (gekränkt.)
Wohl kaum, Herr Goldstadt! Schon von Kindheit an
Erhielt mein Herz ein höchst respektvoll Bild –
Und das von Leuten, deren Urteil gilt,
Wer Pastor Strohmann, und was sein Roman.

Goldstadt (lachend.)
Roman?

Frl. Elster.
            Roman. Ich nenne das romantisch,
Was Alltagsmeinung nicht begreifen kann.

Falk.
Sie spannen meine Wißbegier gigantisch.

Frl. Elster (fortfahrend.)
Doch freilich, freilich, da sind immer Leute,
Für deren Spott es keine lieb're Beute
Als Rührendes und Edles gibt! Man kennt
Den Fall ja: Kam da jüngst ein Herr Student
Und übte sich, man denke nur, als Richter
An Werken eines unsrer Lieblingsdichter.

Falk.
Ja, ist denn dieser Landpastor ein Buch,
Ein lyrischer, ein epischer Versuch?

Frl. Elster (zu stillen Tränen gerührt.)
Nein, Falk, – ein Mensch, des Herz vielleicht sein Fluch.
Doch wenn bereits ein Buch, das doch nicht lebt,
So viele Bosheit aus der Taufe hebt
Und Leidenschaften weckt – von solcher Menge –
Von solcher Tiefe –

Falk (teilnehmend.)     Und von solcher Länge –

Frl. Elster.
So werden Sie, bei Ihrem Geist, fürwahr
Unschwer verstehn –

Falk.                             Ja, ja, es ist ganz klar.
Doch was bisher mir minder klar gewesen ist, –
Was stellt denn der Roman im Grunde dar?
Ich ahne nur, daß er voll Reiz zu lesen ist, –
Doch ließe sich der Stoff nicht mit ein paar –

Stüber.
Ich werde aus den Fakten extrahieren,
Was wichtig ist –

Frl. Elster.           Du wirst zuviel verlieren;
Ich werde lieber –

Frau Halm.             Sonst bin ich so frei!

Frl. Elster.
Ach nein, Frau Halm, nun bin schon ich dabei.
Sehn Sie, – bereits als Kandidat erstritt
Er sich in unser Hauptstadt festen Boden,
Verstand sich auf Kritik und neue Moden –

Frau Halm.
Und tat privatim in Komödien mit.

Frl. Elster.
Schon gut, Frau Halm. – Er sang und konterfeite –

Frau Halm.
Und Anekdötchen wußt' er so gescheite!

Frl. Elster.
Ich bitte Sie, wozu dies Mosaik!
Dann schrieb er was und setzt' es in Musik,
Und – ein Verleger machte es publik;
Es hieß: "Sonettenstrauß an Albertine".
Ach Gott, wie sang er das zur Mandoline!

Frau Halm.
Ja, ganz gewiß, der Mensch war genial.

Goldstadt (leise.)
Hm, manche hielten ihn für nicht normal.

Falk.
Ein Weiser, einer von den kompetenten,
Nicht bloß so ein Gespenst aus Pergamenten,
Behauptet, Liebe mache zu Petrarchen
So leicht, wie Vieh und Faulheit Patriarchen.
Doch wer war Albertine?

Frl. Elster.                       Die Erwählte,
Und heut natürlich seine längst Vermählte.
Sie war die Tochter einer Firma, die –

Goldstadt.
In Bauholz machte –

Frl. Elster (kurz.)     Äußerst not zu wissen.

Goldstadt.
Und zwar nach Holland.

Frl. Elster.                     Aber meinen Sie,
Wir könnten diesen Kommentar nicht missen?

Falk.
Von einer Firma?

Frl. Elster (fortfahrend.)
                          Nabobs! – Kein Geflunker!
Was dünkt Sie, daß da für ein Tanz begann?
Da klopften Freier ersten Ranges an.

Frau Halm.
Man sprach sogar von einem Kammerjunker.

Frl. Elster.
Doch Bertas Herzenswärme blieb latent.
Da sprach man ihr einmal von Strohmanns Rollen –
Und sehn und lieben ihn, war ein Moment!

Falk.
Und die Bewerber konnten heimwärts trollen?

Frau Halm.
Ja, – heißt das nicht Romantik aus dem vollen?

Frl. Elster.
Und nehmen Sie nun einen Vater noch,
Der, alt und grausam, Herzen nur so knickte,
Und vollends einen Vormund, der ihr Joch
Der Schmerzen ganz und gar mit Dornen spickte!
Doch unser Pärchen schwur sich Treue zu;
Ihr Traum war eines Strohdachs heitre Ruh',
Ein schneeweiß Lämmlein, eine Linnentruh' –

Frau Halm.
Ja, höchsten Falls noch eine kleine Kuh, –

Frl. Elster.
Kurzum, – wie sie derzeit an Freunde schrieben:
Ein Quell, ein Hüttlein, und ihr junges Lieben!

Falk.
Ach ja! Und dann –?

Frl. Elster.               Dann brach sie mit den Ihren.

Falk.
Sie brach –?

Frau Halm.   Jawohl.

Falk.                           Das will mir imponieren.

Frl. Elster.
Und zog zu ihrem Strohmann unters Dach.

Falk.
Das tat sie! Ohne – vorige – Vermählung?

Frl. Elster.
Pfui!

Frau Halm.
        Pfui! Mein Seliger ging selber nach
Der Kirche!

Stüber (zu Frl. Elster.)
                  Siehst Du wohl, wenn die Erzählung
Ein Faktum ausläßt, werden Zweifel wach.
Ein Referat erreicht nur, was bezweckt ist,
Sofern es chronologisch und korrekt ist,
Doch eins vermocht' ich niemals recht zu fassen:
Wie lebten sie –

Falk (fortsetzend.) Da doch zu Mitinsassen
Von Giebelstuben Schaf und Kuh nicht passen.

Frl. Elster (zu Stüber.)
Du solltest nur nicht außer Augen lassen:
Man braucht nichts, wo sich Herz zu Herz gefunden;
Man lebt schon halb, wenn man sich täglich sieht.
(Zu Falk.)
Ihr treuer Ritter sang ihr tiefempfunden
Zur Laute vor, – sie gab Pianostunden –

Frau Halm.
Und dann, versteht sich, nahm man auf Kredit –

Goldstadt.
Ein Jahr lang, bis das Handelshaus fallit.

Frau Halm.
Dann aber ward er Pastor wo im Norden.

Frl. Elster.
Dort, schrieb er, sei nun alles gut geworden; –
Er lebe nur für sie und seine Predigt.

Falk (ergänzend.)
Und damit war denn sein Roman erledigt.

Frau Halm (steht auf.)
Ich mein', wir sehn mal in den Garten, wie?
Es war mir schon vorhin, als hört' ich Schritte.

Frl. Elster (ihre Mantille umnehmend.)
Es ist schon kühl.

Frau Halm.           Ach, Schwanhild, hol mir, bitte,
Den Shawl!

Lind (von den übrigen nicht bemerkt, zu Anna.)
                  Geh nur voraus!

Frau Halm.                           So kommen Sie!

(Schwanhild geht ins Haus; die anderen, außer Falk, gehen nach dem Hintergrund oder nach links ab. Lind, der sie begleitet hat, bleibt stehen und kommt zurück.)

Lind.
Mein Freund!

Falk.                 Der meine!

Lind.                                   Deine Hand! Mir birst
Die Brust von unbezähmbarem Verlangen,
Mich mitzuteilen. –

Falk.                         Ruhig Blut! Du wirst
Verhört erst, dann verurteilt, dann gehangen.
Was ist das für ein Wesen? Mir den Schatz,
Den Du gefunden, einfach zu verhehlen; –
Denn die Vermutung dürfte wohl nicht fehlen:
Du spieltest – und gewannst auf Deinen Satz.

Lind.
Jawohl, mir ging ein süßes Vöglein ein!

Falk.
So? Lebend – und vom Fanggarn nicht gequält?

Lind.
Nur einen Augenblick, so ist's erzählt.
Ich bin verlobt!

Falk (rasch.)         Verlobt!

Lind.                                   Jawohl, seit heute.
Gott weiß, was plötzlich meine Furcht zerstreute!
Ich sagte – o, das läßt sich nicht so sagen;
Doch denk Dir, – sie, anstatt mich auszuschlagen,
Ward übers ganze Antlitz eine Glut
(Du ahnst nicht, wie sich da mein Mut erprobte!)
Und weinte leis, das junge süße Blut;
Ein gutes Zeichen, nicht?

Falk.                                   Gewiß; sehr gut.

Lind.
Und nicht wahr, Falk, nun sind wir doch Verlobte?

Falk.
Vermutlich; aber um nicht fehlzuschlagen,
Ich würde doch noch Fräulein Elster fragen.

Lind.
Nein, nein, – ich fühl's ja doch in tiefster Brust!
Ich bin so klar, so stark, so siegsbewußt!
(Strahlend und geheimnivoll.)
Heut nach dem Kaffee stand ich bei ihr – und
Ihr Händchen mußte meinen Druck erhören.

Falk (erhebt sein Glas und leert es.)
Na denn, des Frühlings Glanz in Euren Bund!

Lind (ebenso.)
Und das, das will ich hoch und heilig schwören,
Sie bis zum Tod mit jedem heißen Trieb
Wie heut zu lieben; – denn sie ist so lieb!

Falk.
Verlobt! Das war es also, darum schied
Dein Weg sich vom Gesetz und vom Propheten.

Lind (lachend.)
Und Du, Du glaubtest, Falk, es sei Dein Lied –?

Falk.
Solch starken Glauben haben oft Poeten.

Lind (ernst.)
Doch glaub' nicht, daß in mir der Theologe
In all dem Glück sich selber nun vergißt.
Nur, daß nicht mehr das Buch mein Pädagoge,
Mein Führer, meine Jakobsleiter ist.
Nun führt zu Gott mich jede Lebensbrücke;
Schon schwingt mein Herz in höh'rer Harmonie, –
Den Halm, den Wurm vor mir, – wie lieb' ich sie!
Sie haben auch ihr Teil am großen Glücke.

Falk.
Doch sag mir nun –

Lind.                           Was hab' ich mehr zu sagen, –
Als was wir nun zu dritt verschwiegen tragen!

Falk.
Ich meine, dachtest Du schon etwas weiter?

Lind.
Ich, denken? Weiter? Nein, mein Sorgen schwand
In dieser Lenzminuten süßem Brand.
Mein Auge sieht nur Glück und lächelt heiter;
Des Schicksals Zügel ruhn in unsrer Hand.
Und Dich und Goldstadt, ja Frau Halm sogar
Erkenn' ich jedes Einspruchsrechtes bar.
Wo Kraft und warmes Blut zusammenstehen
Wie hier, da muß und wird es aufwärts gehen.

Falk.
Brav, solche Menschen braucht das Glück, mein Bruder!

Lind.
Mein Herze schlug noch nie so frei, so keck.
Ich fühle mich so kräftig, – türm ein Fuder
Geröll vor mich, ich spring' Dir drüber weg!

Falk.
Das will in simpler Prosasprache sagen:
Ich ward ein Renntier, Falk, vor lauter Glück!

Lind.
Na, – laß mich immer wie ein Renntier jagen,
Das Vöglein Sehnsucht weiß den Weg zurück.

Falk.
So kann es morgen seine Kunst schon zeigen;
Du sollst ja ins Gebirg mit dem Quartett.
Nun, eins steht fest, Du brauchst kein Pelzkollett –

Lind.
Pah, das Quartett! Das mag alleine steigen!
Hier atm' ich Höhenluft wie droben nie;
Hier blaut der Fjord, hier überhängt mich Flieder,
Die Laube tönt Gesang, der Himmel Lieder.
Hier wohnt die Glücksfee selbst, – denn hier ist sie!

Falk.
Die Glücksfee hier! So halt sie fest beim Zipfel; –
So selten läßt kein Elch verschwiegne Gipfel.
(Mit einem Blick nach dem Hause.)
Still! – Schwanhild –

Lind (drückt ihm die Hand.)
                              Gut; ich geh', – und niemand merke,
Was zwischen Dir und mir und ihr im Werke.
Dank, daß Du mein Geheimnis nahmst! Begrab'
Es tief und warm in Dir, wie ich Dir's gab.
(Durch den Hintergrund ab zu den andern.)

(Falk sieht ihm einen Augenblick nach und geht ein paarmal im Garten auf und ab, mit sichtlichem Bestreben, die Aufregung, von der er ergriffen ist, zu bekämpfen. Kurz darauf kommt Schwanhild aus dem Hause, ein Tuch überm Arm, in der Absicht, nach dem Hintergrunde zu gehen. Falk nähert sich ihr ein wenig und betrachtet sie unverwandt; Schwanhild bleibt stehen.)

Schwanhild (nach einer kurzen Pause.)
Sie sehen mich so an –?

Falk (halb vor sich hin.) Da ist der Zug;
Im See des Augs beschattet er den Grund,
Umspielt mit Spottlust heimlich ihren Mund,
Er ist da.

Schwanhild.
              Wer? Ich werde draus nicht klug.

Falk.
Sie heißen Schwanhild?

Schwanhild.                 Allerdings; – weswegen –?

Falk.
Wie lächerlich! Ich bitte Sie verbindlich,
Mein Fräulein, diesen Namen abzulegen.

Schwanhild.
Das wäre eigenmächtig, wenig kindlich –

Falk (lacht.)
Hm, "Schwanhild" – "Schwanhild" – –
(Plötzlich ernst.)
                                                      Fühlten Sie noch nie,
Daß ein memento mori aus ihm klage?

Schwanhild.
So ist er häßlich?

Falk.                       Schön wie Poesie, –
Doch allzu groß und streng für unsre Tage.
Wie könnt' ein Weib der "Jetztzeit" sich berühmen,
Daß sie mit Fug den Namen "Schwanhild" trage?
Nein, fort mit den veralteten Kostümen!

Schwanhild.
Sie denken an das Königskind der Sage –

Falk.
Das schuldlos unter Hengsteshuf geriet –

Schwanhild.
Was heute, dank der Zeit, nicht mehr geschieht.
Nein, hoch im Sattel! Wenn die Nacht oft rauschte,
Durchstürmt' ich träumend wohl auf stolzem Roß
Die Welt, indeß der Sturmwind, mein Genoß,
Der Mähnen Wurf wie Freiheitswimpel bauschte!

Falk.
Das alte Lied, – im Traumreich der Gedanken,
Da kennt man keine Hecken, keine Schranken,
Da muß der Gaul den schärfsten Spornhieb leiden, –
Doch gilt es Taten, sind wir gar bescheiden;
Denn jeder schätzt sein Leben teuer ein
Und scheut sich, einen Todessprung zu wagen.

Schwanhild (lebhaft.)
Ein Ziel nur! Und ich mach' ihn ohne Zagen.
Doch muß das Ziel des Sprungs auch würdig sein –:
Ein Kalifornien hinterm Wüstensande; –
Sonst bleibt man besser, wo man ist, im Lande.

Falk (spöttisch.)
Ja, ja, die Zeit, sie trägt an allem Schuld.

Schwanhild (warm.)
Ja, nur die Zeit! Wenn keines Lüftchens Huld
Den Fjord bewegt, wozu dann Segel setzen?

Falk (ironisch.)
Ja, ja, wozu mit Sporn und Peitsche hetzen,
Wenn niemand goldne Berge dem verheißt,
Der trotzig sich von seiner Scholle reißt,
Ein Abenteurer ohne Furcht und Tadel?
Die Tat der Tat zulieb geziemt dem Adel,
Doch mit dem Adel steht die Neuzeit schlecht,
Verachtet ihn wohl gar –

Schwanhild.                   Sie haben recht.
Doch sehen Sie den Birnbaum dort am Beet, –
Wie dürr und kahl er diesen Frühling steht!
Vergangnes Jahr, da bog sich Ast um Ast
Von seiner Früchte überschwerer Last.

Falk (etwas ungewiß.)
Das mag wohl sein; doch nun davon die Lehre?

Schwanhild (fein.)
Daß ein moderner Zacharias fast
Für seinen Wunsch zurechtzuweisen wäre,
Wenn er verlangte, daß dies Erntejahr
So überreich sei, wie das letzte war.

Falk.
Ich wußte wohl, Sie würden sich in Züchten
Zur seligmachenden Historie flüchten.

Schwanhild.
Ja, – unsre Tugend ist von anderm Schlag.
Wer rüstet noch für Wahrheit heutzutag?
Wer zeigt noch, was Persönlichkeit vermag?
Wo gibt's noch Helden?

Falk (sieht sie scharf an.) Und wo noch Walküren?

Schwanhild (schüttelt den Kopf.)
Walküren tuen diesem Land nicht not!
Wie, trieb es Sie vielleicht den Fuß zu rühren,
Als jüngst der Heide Syrien bedroht?
Sie gaben einen "Aufruf" in Verbreitung
Und einen Taler an die "Kirchenzeitung".

(Pause. Falk scheint antworten zu wollen, hält aber inne und geht weiter in den Garten.)

Schwanhild (betrachtet ihn einen Augenblick, nähert sich ihm und fragt sanft.)
Falk, sind Sie bös?

Falk.                         Nein, Fräulein; mich durchfuhren
Nur so Gedanken.

Schwanhild (mit nachdenklicher Teilnahme.)
                          Es sind zwei Naturen,
Die sich in Ihnen streiten – –

Falk.                                       Will's gestehn.

Schwanhild (heftig.)
Jedoch warum?

Falk (leidenschaftlich.)
                        Warum? Weil ich es hasse,
Mit ausgeschnittner Seel' herumzugehn
Wie das gefühlsprofane Volk der Gasse, –
So feilzustell'n mein tiefstes Mein und Eigen,
Wie Weiber ihre nackten Arme zeigen!
Sie war'n die einzige, – Sie, Schwanhild, Sie –
So dacht' ich fromm, – o bittre Ironie!
(Wendet sich ihr zu, während sie nach der Laube hinübergeht und hinaussieht.)
Was gibt's –?

Schwanhild. Ich hör' ein andres Stimmchen reden.
Still! Hören Sie das Vögelchen? Um jeden
Sonnuntergang besucht es unser Haus, –
Da schlüpft es eben aus dem Laub heraus.
Ich glaub', daß, hat ein Mädchen auf der Welt
Nicht eigner Stimme, eigner Kunst zu warten,
Ihr Gott ein Vögelchen zum Freund gesellt –
Für sie allein und nur für ihren Garten.

Falk (hebt einen Stein vom Boden auf.)
Da muß nun Mensch und Tier zusammenkommen,
Soll der Gesang nicht fremden Ohren frommen.

Schwanhild.
Wohl wahr! Doch mir ist solch ein Glück erblüht.
Mir ward nicht Macht des Wortes noch Gesanges;
Doch tönt der grüne Busch voll süßen Klanges,
So senkt sich's mir wie Lieder ins Gemüt – –
Nun ja – sie eilen wieder – weilen nie –
(Falk wirft mit Heftigkeit den Stein; Schwanhild stößt einen Schrei aus.)
O Gott, Sie trafen ihn! Was taten Sie!
(Eilt nach rechts hinaus und kommt gleich wieder zurück.)
O, das war sündhaft, sündhaft!

Falk (in leidenschaftlicher Erregung.)
                                              Nein – das ist
Nur Aug' um Auge, Schwanhild, – Zahn um Zahn!
Nun tragen Sie's, wenn Sie Ihr Gott vergißt,
Und keine Grüße mehr vom Himmel nahn.
So räch' ich mich für das, was Sie getan!

Schwanhild.
Was ich getan?

Falk.                     Ja, Sie! Wie sang bis heute
Mein Herz gleich ihm in holdem, tollem Wahn.
Nun – schalle beiden Sängern Grabgeläute.
Das war Ihr Werk!

Schwanhild.           Das meine?

Falk.                                             Ja, ein Mord
An meinem jungen, siegesfrohen Glauben –
(Verächtlich.)
Warum verlobten Sie sich!

Schwanhild.                       Nur ein Wort –!

Falk.
Nein, nein, Sie durften sich's mit Recht erlauben:
Er macht Examen, sucht sich einen Sprengel,
Er will ja, weiß man, nach Amerika –

Schwanhild (im selben Ton.)
Und was er erbt, behebt die letzten Mängel; –
Denn meinen Sie nicht Lind?

Falk. Sie müssen's ja
Am besten wissen –

Schwanhild (mit verhaltenem Lächeln.)
                              Sicherlich, als Schwester
Der Braut –

Falk.               Herrgott! Nicht Sie sind – –!

Schwanhild.                                         Nein, mein Bester,
Ich darf mich leider nicht so glücklich schätzen!

Falk (in fast kindlicher Freude.)
Nicht Sie, nicht Sie! Gott ließ es nicht geschehn!
Wie konnt' ich jemals Zweifel in ihn setzen?
Ich brauch' Sie nicht an fremdem Arm zu sehn, –
Er neigte nur des Schmerzes Fackel nieder – –
(Will ihre Hand ergreifen.)
O Schwanhild – hör'n Sie mich –

Schwanhild (zeigt rasch nach dem Hintergrunde.)
                                                Da kommt man wieder.

(Sie geht nach dem Hause. Zugleich kommen durch die Mitte Frau Halm, Anna, Frl. Elster, Goldstadt, Stüber und Lind. Während des vorhergehenden Auftritts ist die Sonne untergegangen; die Landschaft liegt im Halbdunkel.)

Frau Halm (zu Schwanhild.)
Nun könnte der Besuch wohl angelangen
Wo bliebst Du denn?

Frl. Elster (nach einem Blick auf Falk.)
                                Du scheinst mir so befangen.

Schwanhild.
Ein wenig Kopfweh; fast schon wieder gut.

Frau Halm.
Und dabei gehst du hier so ohne Hut?
Bestell' den Tisch, besorg' die Teemaschine, –
Daß alles klappt! Ich kenn' Frau Albertine.

(Schwanhild ab ins Haus.)

Stüber (zu Falk.)
Du weißt um Strohmanns Politik Bescheid?

Falk.
Er stimmt wohl schwerlich für Gehaltszulage.

Stüber.
Ob ich ihm wohl so bei Gelegenheit
Von meinen heimlichen Gedichten sage?

Falk.
Das hilft vielleicht.

Stüber.                     Ach, wär's doch, – denn, auf Ehre,
Ein Heim zu gründen, macht den Sack zum Siebe.
Man unterschätzt die Sorgenlast der Liebe.

Falk.
Ganz recht; was mußtest Du auf die Galeere!

Stüber.
So nennst Du Liebe?

Falk.                             Nein, so nenn' ich Ehe,
Dies Joch voll Sklavenfrohn und Sklavenwehe.

Stüber (da er sieht, daß Frl. Elster sich nähert.)
Das ist, weil Du das Kapital nicht siehst,
Das Frauensinn und –urteil in sich schließt.

Frl. Elster (leise.)
Was meinst Du, wird Herr Goldstadt indossieren?

Stüber (verdrießlich.)
Ich weiß nicht; doch ich will's mit ihm probieren.

(Sie entfernen sich im Gespräch.)

Lind (leise zu Falk, während er sich mit Anna nähert.)
Ich kann nicht länger an mich halten, laß
Mich allen alles sagen –

Falk.                                 Statt zu schweigen
Und keinem unberufnen Aug' zu zeigen,
Was Euer ist –

Lind.                     Das wär' mir just zupaß; –
Man sollte wohl sogar vor Dir verstummen,
Mit dem man hier im selben Zimmer haust?
Nein, nun mein ganzer Kopf von Jubel braust –

Falk.
Da soll er Dir nun auch gehörig brummen?
Ja Liebster, Bester, wenn's Dich danach mutet,
Dann auf, und das Verlöbnis ausgetutet!

Lind.
So denk' ich auch, und das aus manchem Grunde;
Und einer, scheint mir, wiegt besonders schwer;
Gesetzt den Fall, es schliche hier zur Stunde
Ein Nebenbuhler insgeheim umher –
Und träte plötzlich offen in die Schranken –
Und würb' um Anna – – dafür möcht' ich danken.

Falk.
Ja freilich, freilich, ich bedachte nicht,
Du warst ja noch auf Höheres erpicht.
Der Liebe freier Priester, der Du heut bist,
Soll früher oder später avancieren;
Doch eins ist sicher: daß Du nicht gescheut bist,
Willst Du, man soll Dich jetzt schon ordinieren.

Lind.
Wär' Goldstadt nur nicht –

Falk.                                     Was geht der Dich an?

Anna (schüchtern.)
Ach, da tut Lind sich was zusammenreimen.

Lind.
Nein, sag das nicht; mir schwant so im geheimen,
Er will mir schaden, wann und wo er kann.
Der Mensch kommt täglich hier herausgefahren,
Ist reich und ledig, schneidet Euch die Kur;
Kurz, tausend Dinge können mich da nur
Ermahnen, unser Glück vor ihm zu wahren.

Anna (mit einem Seufzer.)
Ach unser Glück, so jung und schon bedroht!

Falk (teilnehmend zu Lind.)
Verscherz' es doch nicht, Lind, um eine Grille;
Verrat Dich wenigstens nicht ohne Not.

Anna.
Gott! Fräulein Elster sieht uns zu – seid stille!
(Sie und Lind entfernen sich nach verschiedenen Seiten.)

Falk (sieht Lind nach.)
Da geht und schlägt er seine Jugend tot.

Goldstadt, (der inzwischen mit Frau Halm und Frl. Elster im Gespräch auf der Treppe gestanden hat, nähert sich und schlägt ihm auf die Schulter.)
Na, steht man hier und denkt an ein Gedicht?

Falk.
Nein, aber an ein Drama.

Goldstadt.                       Kreuzmillionen!
Daß Sie auch Dramen dichten, glaubt' ich nicht.

Falk.
Mit Recht; denn Sie verwechseln die Personen.
Es macht's ein Freund von mir, ja von uns zwein,
Und seine Fixigkeit ist nicht gemein.
Er hat sich mittags erst ins Zeug gelegt –
Und hat schon ein Idyll vollendet liegen.

Goldstadt (pfiffig.)
Wie schließt's?

Falk.                     Sie wissen wohl, der Vorhang pflegt
Erst dann zu fallen, wenn sich beide "kriegen".
Doch wenn nur das die Trilogie schon wäre!
Doch des Poeten ernstliche Misere
Beginnt erst, wenn die Farce der Verlobung
Fünf Akte durchgesponnen werden muß;
Und nimmt er erst das Ehegarn in Schuß –
Das ist die dritt' und schwerste Kunsterprobung.

Goldstadt (lächelnd.)
Die Lust zur Dichterei scheint anzustecken.

Falk.
Warum?

Goldstadt.
              Auch ich gedenk' was auszuhecken
Und geh' und trage mich mit einer Dichtung, –
(Geheimnisvoll.)
Jedoch mit einer von realster Richtung.

Falk.
Und darf man fragen, wer als Held gedacht?

Goldstadt.
Das wird vor morgen nicht bekannt gemacht.

Falk.
Sie sind es selbst!

Goldstadt.           Sie wollen mich verbinden!

Falk.
Ein beßrer Held wär' sicher nicht zu finden.
"Sie" aber wandelt wohl in einem Garten
Hier außen, – nicht im Straßenlärm und –qualm?

Goldstadt (droht mit dem Finger.)
Da liegt der Knoten, – und da heißt es warten! –
(Ändert rasch den Ton.)
Was halten Sie, Herr Falk, von Fräulein Halm?

Falk.
Da würd' ich mich vor Ihnen überheben,
Mein Spruch kann ihr nichts nehmen und nichts geben.
(Lächelnd.)
Doch bangt mich um Ihr dichterisch Motiv;
Wie leicht, Verehrter, geht so etwas schief.
Gesetzt, ich wollte Ihren "Helden" stürzen
Und Ausgang und Intrigue anders schürzen –

Goldstadt (gutmütig.)
So wollt' ich auch die Suppe nicht verwürzen.

Falk.
Das gilt?

Goldstadt.
              Sie sind ja doch ein Mann der Kaste;
Wie dumm, wenn Ihre Hilfe mir nicht paßte,
Der ich in Ihrem Fach doch nur zu Gaste!
(Geht nach dem Hintergrund.)

Falk (im Vorbeigehen zu Lind.)
Du hattest recht, der Kaufmann geht umher
Und sinnt darauf, Dein junges Glück zu morden.
(Entfernt sich.)

Lind (leise zu Anna.)
Da siehst Du, meine Sorge war nicht leer;
Wir müssen reden, eh's zu spät geworden.
(Sie nähern sich Frau Halm, die zugleich mit Frl. Elster am Hause steht.)

Goldstadt (im Gespräch mit Stüber.)
Ein schöner Abend heut.

Stüber.                             Ja, wär' die Brust
Nur frei –

Goldstadt (scherzend.)
              Was gibt's denn, Herr Gespensterseher?
Verstört die Liebe Sie?

Stüber.                           Nicht diese just –

Falk (der dazu getreten ist.)
Also Verlöbnisschmerzen?

Stüber.                                 Das schon eher.

Falk.
Hurrah! So ließest Du vom Leben Dir
Nicht jeden Rest von Poesie entraffen!

Stüber (beleidigt.)
Wieso? Was hat die Poesie mit mir
Und unserem Verlöbnis hier zu schaffen?

Falk.
Frag' nicht! Frag' nicht! Es wäre Dein Verderben.
Denn Liebe, die sich selbst erkennt, muß sterben.

Goldstadt (zu Stüber.)
Wenn irgendwas geordnet werden muß,
Heraus damit!

Stüber.               Ich brüte schon seit Tagen,
Wie wohl am besten alles vorzutragen,
Doch kam ich immer noch zu keinem Schluß.

Falk.
Ich helfe Dir und denke kurz zu sein:
Seitdem Du ein dem ledigen Stand Entrückter,
Da fühlst Du Dich bedrückter und bedrückter –

Stüber.
Ja, ja, zu Zeiten war die Last nicht klein –

Falk (fortfahrend.)
Erstickst Du vor Verpflichtungen und Verpflichtungen,
Und würfst sie längst zum Teufel, ging's nur an;
So steht der Fall.

Stüber.                   Was sind das für Erdichtungen!
Ich prolongiert' als ehrenhafter Mann.
(Zu Goldstadt gewendet.)
Doch nächsten Monat geht es so nicht weiter;
Wenn man sich ehlicht, wird man doch ein Paar –

Falk (fröhlich.)
Jetzt ist Dein Jugendhimmel wieder heiter –
Das sprach der Stüber, der einst Dichter war!
So soll es sein; ich wußt' es lang, auf Ehre,
Den Fittich hattest Du, nur nicht die Schere!

Stüber.
Was, – Schere?

Falk.                     Ja, die Schere kecken Wollens,
Dich loszuschneiden, bis Du wieder vollends
Befreit wärst –

Stüber (zornig.)   Wie, Du wagst der Mann zu sein
Und mich der Ungesetzlichkeit zu zeihn!
Ich sollte denken, mich zu absentieren?
Das ist ein Attentat, mich zu blamieren –
Verbalinjurien!

Falk.                   Mensch, Du bist ja toll!
So sag' doch, wie man Dich verstehen soll

Goldstadt (lachend zu Stüber.)
Verdienen Sie durch Freimut unsern Dank!
Was ist Ihr Wunsch?

Stüber (nimmt sich zusammen.)
                                Ein Anlehn bei der Bank.

Falk.
Ein Anlehn!

Stüber (schnell zu Goldstadt.)
                  Ein Indossament vielmehr
So für ein Hundert Taler ungefähr.

Frl. Elster, (die unterdessen bei Frau Halm, Lind und Anna gestanden hat.)
Ach Gott, wie reizend, Kinder! Glück und Segen!

Goldstadt.
Was ist denn los?
(Geht zu den Damen hinüber.)

Stüber.                   Das kam doch ungelegen.

Falk (schlägt ausgelassen den Arm um Stübers Nacken.)
Hurrah! Drommeten melden uns mit Macht,
Daß Amor Dir ein Brüderlein gebracht!
(Zieht ihn mit sich fort zu den andern.)

Frl. Elster, (ganz hingerissen, spricht zu den Herren:)
Nein, Lind und Anna, – wie nur Lind das machte!
Und jetzt sind sie verlobt!

Frau Halm (mit Tränen der Rührung, während das Paar beglückwünscht wird.)
                                      Das ist die achte,
Die wohlversorgt aus diesem Hause geht; –
(zu Falk gewendet.)
Schon sieben Nichten, – auch von Herrn genommen –
(Fühlt sich zu stark angegriffen und hält das Taschentuch vor die Augen.)

Frl. Elster (zu Anna.)
Da werden aber Gratulanten kommen!
(Liebkost sie gerührt.)

Lind (ergreift Falks Hände.)
Mein Freund, ich geh' berauscht wie ein Poet.

Falk.
Pst! Als Verlobter hast Du dein Quartier
Im Mäßigkeitsverein der Seligkeit;
Du kennst den Kodex; – keine Orgien hier!
(Wendet sich mit einem Anflug boshafter Teilnahme an Goldstadt.)
Na Sie, Herr Goldstadt –!

Goldstadt.                       Alles prophezeit
Den beiden meiner Meinung nach nur Glück.

Falk (sieht ihn überrascht an.)
Sie ziehn sich ja erstaunlich glatt zurück.
Das freut mich wirklich.

Goldstadt.                     Was denn, mein Geschätzter?

Falk.
Nun ja, Sie hätten als zurückgesetzter
Bewerber doch ein Recht –

Goldstadt.                         Bewerber, ich?

Falk.
Nun denn, "Verehrer", – Sie befragten mich,
Was über Fräulein Halm mein Urteil sei, –
Auf diesem Fleck hier.

Goldstadt (lächelnd.)   Ja, es gibt doch zwei!

Falk.
Die andre ist's, – die Schwester, die Sie meinen?

Goldstadt.
Gewiß, und nur die andre, nur die Schwester.
Sie sollten sie nur kennen, und, mein Bester,
Es würde Ihnen bald wie mir erscheinen,
Daß Schwanhilds Schätzung hier im Hause nicht
Die ist, die ihrem innern Wert entspricht.

Falk (kalt.)
Ja, ja, sie hat die besten Eigenschaften.

Goldstadt.
Wenn auch nicht alle; im Gesellschaftston
Da zählt sie nicht just zu den Musterhaften.

Falk.
Ja, leider.

Goldstadt.
              Aber nimmt Frau Halm sie nur
Ein Winterhalbjahr vor, so läuft dies Rädchen
Wie all die andern auch.

Falk.                                 Und nach der Schnur.

Goldstadt (lachend.)
Ja, das ist seltsam mit den jungen Mädchen!

Falk (lustig.)
Wie Winterroggensaat, drum niemand weiß,
So keimt's unmerklich unter Schnee und Eis.

Goldstadt.
Vom Weihnachtsball ab geht's von Saal zu Saal –

Falk.
Da düngt man sie mit Klatsch und neuen Moden –

Goldstadt.
Und kommt der erste Frühlingssonnenstrahl –

Falk.
So schießen grüne Dämchen aus dem Boden!

Lind (tritt hinzu und ergreift Falks Hände.)
Wie bin ich glücklich über diesen Schritt –
Wie fühl' ich mich so sicher und geborgen!

Goldstadt.
Nun beichten Sie! In was für Freuden tritt
Ein Bräutigam und was sind seine Sorgen.

Lind (unangenehm berührt.)
Das teilt man ungern einem Dritten mit.

Goldstadt (scherzend.)
So schlecht gelaunt! Das werd' ich Anna klagen.
(Nähert sich den Damen.)

Lind (sieht ihm nach.)
Wie kann man solche Menschen nur ertragen!

Falk.
Du hast dich übrigens geirrt –

Lind.                                         Worin?

Falk.
Mit Anna hatte Goldstadt nichts im Sinn.

Lind.
Mit Schwanhild also?

Falk.                             Weiß ich nicht zu melden.
(Mit launigem Ausdruck.)
Vergib mir, Märtyrer an fremder Statt!

Lind.
Was meinst Du?

Falk.                       Hast Du heut das Morgenblatt
Gelesen?

Lind.             Nein.

Falk.                     Da steht von einem Helden, –
Den hat das hohe Schicksal so genarrt,
Daß ihm sein schönster Zahn gezogen ward,
Weil ein – Gevatter von ihm Zahnweh hatte.

Frl. Elster (sieht nach links hinaus.)
Da kommen Pastors!

Frau Halm.                 Gattin nur und Gatte?

Stüber.
Nein, fünf, sechs, sieb'n, acht Kinder noch –

Falk.                                                               Unbändig!

Frl. Elster.
Man möchte beinah sagen: unanständig!

(Man hat inzwischen einen Wagen links außen halten gehört. Der Pastor, seine Frau und acht kleine Mädchen, allesamt in Reisekleidern, kommen eins nach dem andern herein.)

Frau Halm (eilt den Kommenden entgegen.)
Willkommen! Hochwillkommen!

Strohmann.                               Danke sehr!

Frau Strohmann.
Hier ist gewiß Gesellschaft –

Frau Halm.                           Ei woher –!

Frau Strohmann.
Denn, – stören wir –

Frau Halm.               Im Gegenteil. Soeben
Hat meine Tochter ihre Hand vergeben;
Sie hör'n als erste diese Freudenpost.

Strohmann (schüttelt salbungsvoll Annas Hand.)
Wie steht geschrieben! – Liebe – Neigung – das ist
Ein Schatz, den weder Motten weder Rost
Verzehren können, – wenn auf sie Verlaß ist.

Frau Halm.
Wie hübsch, daß Sie die lieben Kinderlein
Zur Stadt mitnahmen.

Strohmann.               Draußen auf dem Lande
Sind außer diesen acht noch vier.

Frau Halm.                                   Ach nein?

Strohmann.
Davon sind drei zum Glück noch nicht imstande,
Mein Fehlen jetzt zur Reichstagszeit zu fassen.

Frl. Elster (zu Frau Halm, während sie sich verabschiedet.)
Verzeihn Sie mir, ich muß Sie jetzt verlassen.

Frau Halm.
Sie wollen jetzt schon –? Ach, das wird Sie reun!

Frl. Elster.
Ich muß zur Stadt, die Neuigkeit verbreiten;
Bei Müllers sitzt man noch bis lang nach neun;
Ach Gott, wie werden sich die Tanten freun. –
Nun, Ännchen, fort mit allen Blödigkeiten!
Und morgen, Sonntag, werden Dich die Haufen
Der Gratulanten nur so überlaufen.

Frau Halm.
Nun denn, gute Nacht!
(Zu den andern.)
                                  Sie trinken wohl nunmehr
Ein Täßchen Tee? Frau Strohmann, bitte sehr!

(Frau Halm, Strohmann, dessen Frau und Kinder, samt Goldstadt, Lind und Anna ab ins Haus.)

Frl. Elster, (während sie den Arm ihres Bräutigams nimmt.)
Nun laß uns schwärmen, Stüber! Siehst Du da,
Wie Luna hoch am Himmel schwimmt und schwebet!
Du siehst ja aber gar nicht!

Stüber (verdrießlich.)           Ja doch, ja;
Ich überschlug nur eben unser Debet.

(Sie gehen nach links ab. Falk, der während des Vorhergehenden unverwandt Strohmann und dessen Frau betrachtet hat, bleibt allein im Garten zurück. Es ist nun vollständig Abend; drinnen im Haus wird Licht gemacht.)

Falk.
Verbrannt, erstorben alles; – wen's nicht schmerzte! –
So geht's zu zwein durchs Lebensparadies!
Da stehen sie zusammen wie geschwärzte
Baumstämme, die ein Waldbrand übrig ließ.
So weit der Blick reicht, nichts als Wüsteneien, –
O, bringt denn niemand Grün in diesen Dust!
(Schwanhild betritt mit einem blühenden Rosenstock die Veranda und stellt ihn auf die Rampe.)
Ja, eine –!

Schwanhild.
              Falk? Sie sind hier noch im Freien?

Falk.
Und ohne Furcht! Die Nacht behagt mir just.
Doch, Schwanhild, fürchten Sie sich nicht da drinnen,
Wo Lampenlicht auf fahle Leichen fällt –

Schwanhild.
O pfui!

Falk (sieht nach Strohmann, der sich am Fenster zeigt.)
          Wie stritt er einst mit aller Welt,
Sich seine Liebste trotzig zu gewinnen!
An Brauch und Sitte wagte er den Hals,
Ein Herz voll Liedern wagt' er zu entblößen –!
Und nun – mit seines Festrocks langen Schößen
Welch wandelnd Beispiel seines tiefen Falls!
Und dieses Weib da, im zerrißnen Kleid,
Mit Schuhn, die klappernd von den Fersen streben,
Sie sollt' ihn einst, als hehre Flügelmaid
In die Gemeinschaft schöner Seelen heben.
Was blieb vom Feuer übrig? Aschenreste!
Sic transit gloria amoris, Beste!

Schwanhild.
O möcht' mich nie das Schreckenslos ereilen,
Mein Leben so mit einem Mann zu teilen!

Falk (rasch.)
Nun wohl, so machen wir uns von Dekreten,
Die nicht Natur, nur Menschenwitz gab, frei!

Schwanhild (schüttelt den Kopf.)
Dann, glauben Sie, dann wär's mit uns vorbei,
So sicher als dies Erd' ist, was wir treten.

Falk.
Nein, da ist Sieg, wo zwei vereinigt streiten.
Wir woll'n nicht mehr der Flachheit Kirchen füllen,
Nachbeter alberner Gemeinwahrheiten!
Soll sich Persönlichkeit im Kern enthüllen,
Muß sie selbständig, wahr und frei dastehn.
Das sehn Sie ein, wie ich es eingesehn.
Denn Ihr Gemüt beseelt ein reiches Leben,
Ihr Geist ist warm und weiß sich groß zu geben –
Der Schnürleib des Formellen dünkt Sie Qual –
Sie sprengen ihn, Sie woll'n ein frei Pulsieren;
Und dem gemeinen Chor zu sekundieren,
Beredet Sie kein Taktstock der Moral!

Schwanhild.
Und glauben Sie, daß ich nicht oft, schon oft
Gekämpft, geplant, verzweifelt, neu gehofft?
lch wollte mich auf eigne Wege schlagen –

Falk.
Ja, wohl in Träumen?

Schwanhild.               Nein, in frischer Tat.
Allein da kam der Tanten Hoher Rat,
Da gab's ein Prüfen, Wägen, Forschen, Fragen – –
(Näher.)
In Träumen, sagen Sie – nein, nein, ich wagte
Den Schritt – als Malerin mich durchzukämpfen.

Falk.
Nun, und –?

Schwanhild. Umsonst, denn das Talent versagte.
Jedoch mein Freiheitstrieb war nicht zu dämpfen.
Das Atelier vertauscht' ich mit den Brettern.

Falk.
Um dann auch dies Kapitel umzublättern?

Schwanhild.
Jawohl, auf Vorschlag meiner ältsten Tante;
Ihr schien, ich paßte mehr zur Gouvernante – –

Falk.
All dessen aber ward hier nie gedacht!

Schwanhild.
Natürlich. Jeder nahm sich wohl in acht.
(Mit einem Lächeln.)
Man fürchtet, "meine Zukunft" könnt' es spüren,
Wenn junge Herrn von jener Zeit erführen.

Falk (blickt sie eine Weile mit nachdenklicher Teilnahme an.)
Ich ahnte lang, daß dies Ihr Schicksal war.
Mir ward sogleich, da ich Sie kennen lernte,
Der ganze innerliche Abstand klar,
Der Sie von all den übrigen entfernte.
Den Tisch umsaß das saubere Gelag,
Die Tassen dampften und die Phrasen schwirrten,
Die Fräuleins wurden rot, die Herren girrten,
Wie Taubenvolk an schwülem Sommertag.
Da sahst du in Moral und Glauben dich
Von Greisinnen und Jungfern unterwiesen,
Da ward von jungen Fraun das "Haus" gepriesen,
Doch Sie, Sie standen einsam und für sich.
Und als zuletzt der Schwatz zum Rausch gestiegen,
Zum Tee- und Prosabacchanal, war mir's,
Ich säh' Sie wie ein edel Goldstück liegen
Inmitten schlechten Kupfers und Papiers.
Sie trugen eines fremden Staates Zeichen,
Sie gingen nicht nach dieses Lands Valut',
Unwechselbar in einem Tagsdisput
Von Versen, Butter, Kunst und mehr dergleichen.
Da – just als Fräulein Elster sprach –

Schwanhild (mit einem Anflug von Ernst.)
                                                      Und Stüber
Dahinter stand, mit ritterlichem Charm',
Seinen Chapeau gleich einem Schild im Arm –

Falk.
Rief Ihre Mutter übern Tisch herüber:
"Trink, Schwanhild, meinst Du denn, Dein Tee bleibt warm?"
Und Sie, Sie tranken denn das schale Kranken-
Gesöff, wie's all die andern um Sie tranken.
Allein der Name traf und packte mich, –
Ich sah die wilde Völsungsage sich
Mit ihren langen Reihn gefallner Recken
Herunter bis in unsre Zeit erstrecken;
In Ihnen sah ich eine nach des Tages
Begriff geformte Schwanhild neuen Schlages.
Einst log man sich ein Recht zum Kriege zu,
Jetzt fordert sich das Volk Vergleich und Ruh;
Doch stürmt nun heute wer auf eignen Füßen,
So muß für Vätersünden schuldlos büßen.

Schwanhild (mit leichter Ironie.)
Wie? Also solche blutbesprengten Schemen
Entstiegen Ihrer Tasse blauem Dunst!
Jedoch, das ist wohl Ihre kleinste Kunst,
Da, wo kein Geist ist, Geister zu vernehmen.

Falk (bewegt.)
Nein, lachen Sie nicht, Schwanhild – denn, weiß Gott,
Ich sehe Tränen hinter Ihrem Spott –
Und sehe mehr. Zertrat man Ihren Geist,
Zerknetete wie Lehm Ihr ganzes Wesen,
Wird jeder Tropf Sie sich zum Opfer lesen
Und pfuschen wollen, dumm und plump und dreist.
Des Herrgotts Schöpfung wird die Welt plagiieren,
Neu schaffen Sie – nach ihrem Bild, der Welt;
Zutun, wegnehmen, ändern, modellieren.
Und wird dann dies aufs Postament gestellt,
Dann jubelt sie: Seht, nun ist sie normal!
Wie plastisch ruhig, marmorkühl und –fahl!
Bestrahlt von Lampenschein und Lüsterschimmer –
Wie dekoriert sie köstlich nun das Zimmer!
(Ergreift leidenschaftlich ihre Hand.)
Doch leben Sie erst, eh' Sie sterben sollen!
Erst sein Sie mein in Gottes Lenznatur;
Sie kommt noch stets zu zeitig, die Dressur
Zur "Dame", – und dann mag das Weib sich trollen.
Doch das just lieb' ich. Was ist mir der Rest?
Entführ' Sie einst ein andrer in sein Nest! –
Doch hier wär's, wo mein erster Lenz ersprösse,
Mein Liederbaum die ersten Triebe schösse;
Hier, Schwanhild, würd' ich reifer, reicher, lichter, –
Hier würd' mir Flugkraft, – hier, hier würd' ich Dichter!

Schwanhild (mit sanftem Vorwurf, während sie ihre Hand aus der seinen zieht.)
O, warum sprachen Sie und schwiegen nicht?
Es war so schön, dies sich in Freiheit nah sein.
Gelübd' und Eide – müssen sie denn da sein,
Damit ein Glück nicht gleich zusammenbricht!
Nun sprachen Sie, und alles ist vorbei.

Falk.
Vielmehr, ich wies ein Ziel, – nun steht's bei Ihnen,
Sich Ihren Namen wahrhaft zu verdienen.
Ein frisch gewagter Sprung – und Sie sind frei!

Schwanhild.
Und ich bin frei?

Falk.                       Ja, frei sein heißt gerade,
Das tun, wozu wir uns berufen sehn;
Und Sie, das weiß ich, gab mir Gottes Gnade,
Dem Schönheits-Sündenfall zu widerstehn.
Wie Der, mit dem mein Name sich begegnet,
Nur steigt, wenn er dem Wind entgegen fliegt,
Sind Sie der Luftzug, der mich aufwärts wiegt
Und meine Schwingen erst mit Kräften segnet.
Mein sei'n Sie, mein, bevor die Welt Sie hab', –
Und fällt das Laub, greif' jeder still zum Stab.
O singen Sie mir Ihren Reichtum ein,
Daß Lied um Lied den Dank zurücke trage;
Und altern Sie dann einst beim Lampenschein,
Ist's wie der Baum welkt, – ohne Qual und Klage.

Schwanhild (mit unterdrückter Bitterkeit.)
Verzeihn Sie, wenn ich dankend mich bescheide,
So schön sich auch Ihr gutes Herz erhitzt:
Ich bin für Sie, was für ein Kind die Weide,
Daraus es seine Eintagsflöte schnitzt.

Falk.
So hat sie doch den Menschen was erzählt,
Eh' sie der Herbst mit grauen Nebeln quält.
(Heftig.)
Sie müssen! sollen! Es ist Ihre Pflicht,
Sich mir zu schenken, – fühlen Sie das nicht?
Was Sie nur träumen, wird in mir Gedicht!
Da liegt der Vogel noch, den ich erschlug;
Sie hörten seine Stimme nie genug.
O singen Sie für mich, wie er für Sie, –
Und ein Gedicht wird jede Melodie!

Schwanhild.
Und kennen Sie mich dann und bin ich leer
Und hab' mein letztes Lied vom Zweig gesungen –
Was dann?

Falk (betrachtet sie.)
                  Was dann? Wohlan, was tat denn er?
(Zeigt in den Garten.)

Schwanhild (leise.)
Ja, ja, dann wird der Stein nach mir geschwungen.

Falk (lacht höhnisch.)
Das ist der Mut, der sich so hoch verschwor,
Nach jedem Ziel den Freiheitssprung zu wagen!
(Mit Nachdruck.)
Hier ist ein Ziel – was werden Sie nun sagen,
Das alles klärt?

Schwanhild.     Nichts andres als zuvor:
Auf dem Weg kann ich nie mit Ihnen wandern.

Falk (kalt abbrechend.)
So sind wir quitt! So gehn Sie mit den andern.

Schwanhild (hat sich schweigend von ihm abgewandt. Sie stützt die Hände gegen das Geländer der Veranda und legt den Kopf darauf.)

Falk (geht einige Male auf und ab, nimmt eine Zigarre, bleibt in Schwanhilds Nähe stehen und sagt nach einer Pause:)
Sie hätten recht, es lächerlich zu finden,
Was Ihnen heute Abend widerfuhr.
(Hält inne, als ob er eine Antwort erwarte. Schwanhild schweigt.)
Ich ging zu weit. Ich seh', Sie wissen nur
Als Schwester und als Tochter zu empfinden.
Ich will fortan nur noch behandschuht gehn,
Damit wir uns nicht wieder mißverstehn.
(Wartet ein wenig, – da aber Schwanhild unbeweglich stehen bleibt, wendet er sich um und geht nach rechts hinüber.)

Schwanhild (hebt nach einer kurzen Pause den Kopf empor, sieht ihn fest an und nähert sich.)
Nun nehmen Sie ein ernstes Wort in acht,
Zum Dank, daß Sie mich haben retten wollen.
Sie brauchten da ein Bild, das mich zum vollen
Verständnis Ihres Wolkenflugs gebracht.
Sie sahen sich als Falken, der dem Winde
Entgegen steuert, will er höchsten Flug;
Ich war der Hauch, der Sie zum Himmel trug, –
Und ohne mich verdarb der Held zum Kinde.
Wie jämmerlich! Wie unaussprechlich klein, –
Ja lächerlich, wie's Ihnen selber schwante!
Doch fiel Ihr Gleichnis nicht auf spröden Stein,
Da's an ein ander Gleichnis mich gemahnte,
Und dieses dürfte minder hinkend sein.
Ich sah Sie, nicht als Falken, nein, als Drachen,
Als Dichterdrachen, der, papierbeleibt,
Als eignes Ich ein Unding ist und bleibt,
Und den erst Schnur und Wind zu etwas machen.
Die Brust – von Wechseln auf ein früh und spät
Erharrtes Poesiegold übersät;
Ein Bündel Epigramme jede Schwinge,
Wild flatternd, aber zahm wie Schmetterlinge;
Der lange Schweif ein stolzes Zeitgedicht,
Das der Gesellschaft Fehler geißeln sollte,
Doch allerhöchstens einmal säuselnd schmollte,
Vergaß der ein' und andre seine Pflicht.
So sah ich Sie und hört' Ihr kraftlos Flehn:
"Ach, setz mich auf im Westen oder Osten!
Ach, laß mich und mein Lied zum Himmel gehn,
Und mag's dich auch der Mutter Schelte kosten!"

Falk (mit geballten Händen und starker innerer Bewegung.)
Beim ewigen Gott –!

Schwanhild.             Nein, ohne Vorbehalt,
Zu solchem Kinderspiel bin ich zu alt.
Sie aber, ein Erwählter der Natur,
Begnügen sich mit niedrem Wolkenstreben,
Und hängen Ihre Kunst an eine Schnur,
Die meiner Willkür wehrlos preisgegeben!

Falk (rasch.)
Wir schreiben heute –?

Schwanhild (milder.)   Das ist ehrenhaft;
Sie wollen dieses Datum heilig sprechen!
Von heut ab fliegen Sie aus eigner Kraft
Und stellen sich auf Biegen oder Brechen.
Papierne Dichtungen sind Pultbestand,
Nur das Lebendige gehört dem Leben,
Nur ihm sind alle Pässe preisgegeben; –
Jetzt wählen Sie, Sie haben freie Hand.
(Ihm näher.)
Nun, sehen Sie, erfüllt' ich Ihr Begehr:
Mein letztes Lied vom Zweig, es ist verschollen;
Es war mein einzigstes, – nun bin ich leer,
Nun heben Sie den Stein auf, wenn Sie wollen!

(Sie geht ins Haus; Falk bleibt unbeweglich stehen und blickt ihr nach. Weit außen auf dem Wasser sieht man ein Boot, von dem her, fern und gedämpft, folgender Gesang vernehmbar wird.)

Chor.
    Die Segel gehißt! Die Schwingen geregt!
    Wie ein Aar übern Spiegel des Weltmeeres gefegt,
    Voran allen Sturmvögelscharen!
    Überbord den Vernunftballast, Pfund um Pfund!
    Und segel' ich auch mein Boot in den Grund,
    O, so ist es doch selig zu fahren!

Falk (zerstreut, fährt aus seinen Gedanken auf.)
Gesang? Na ja, – das ist wohl Linds Quartett,
Das sich im Jubeln übt!
(Zu Goldstadt, der mit einem Staubmantel überm Arm aus dem Hause tritt.)
                                  Na, schon zu Bett,
Herr Goldstadt, – drückt man sich so sacht beiseit'?

Goldstadt.
Ja, will mich nur noch in den Mantel packen;
Wir Nichtpoeten sind nicht zuggefeit,
Wir kriegen's von der Nachtluft leicht im Nacken.
Gut Nacht!

Falk.               Ein Wort noch! Wissen Sie mir Rat
Zu einer Tat, doch einer großen Tat –?
Aufs Leben los – –!

Goldstadt (mit ironischem Nachdruck.)
                            Na, gehn Sie los aufs Leben,
So soll'n Sie sehn, es geht aufs Leben los.

Falk (blickt ihn nachdenklich an und sagt langsam.)
Da ist in Kürze das Programm gegeben.
(Lebhaft und leidenschaftlich.)
Nun fühl' ich mich der schlaffen Träume bloß;
Der Würfel fiel, der Wurf ist gut geraten;
Sie sollen sehn, – der Teufel hol' mich –

Goldstadt.                                           He!
Mit Fluchen tut man keiner Fliege weh.

Falk.
Nein, keine Worte mehr, nur Taten, Taten!
Des Herrgotts Arbeitswoche kehr' ich um; –
Sechs lange Tage konnt' ich nichts als gaffen;
Mein Weltgebäude liegt noch leer und stumm – –
Doch morgen, Sonntag, – hei, da will ich schaffen!

Goldstadt (lachend.)
Ja, zeigen Sie den Leuten, wie man's macht!
Jetzt aber gehn Sie erst zu Bett, gut Nacht!

(Geht links ab. Schwanhild wird in dem Zimmer über der Veranda sichtbar, sie schließt das Fenster und läßt die Gardine herunter.)

Falk.
Jetzt schlafen? Wo's nach Taten in mir tobt!
(Sieht zu Schwanhilds Fenster hinauf und spricht, wie von einem großen Entschluß gepackt, mit Impuls:)
Gut Nacht! Gut Nacht! Schlaf' süß in dieser Nacht!
Und morgen, Schwanhild, sind wir zwei verlobt.

(Geht rasch rechts ab; vom Wasser her ertönt wiederum:)

Der Chor.
    Und segelst du auch dein Boot in den Grund,
    O, so ist es doch selig zu fahren!
(Das Boot gleitet langsam weiter, während der Vorhang fällt.)


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