Henrik Ibsen
Klein Eyolf
Henrik Ibsen

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Erster Akt

Ein elegant und geschmackvoll eingerichtetes Gartenzimmer. Viele Möbel, Blumen und Blattpflanzen. Im Hintergrund offene Glastüren, die zu einer Veranda führen. Weite Aussicht auf den Fjord. Waldige Bergrücken in der Ferne. An jeder Längswand eine Tür; die auf der rechten Seite ist eine Flügeltür und liegt ganz hinten. Vorn rechts ein Sofa mit losen Kissen und Decken. An der Sofaecke Stühle und ein Tischchen. Vorn links ein größerer Tisch mit Lehnstühlen. Auf dem Tische ein offener Handkoffer. Es ist frühmorgens im Sommer, und die Sonne scheint warm.

Rita steht am Tisch, mit dem Rücken nach rechts, und packt den Koffer aus. Sie ist eine schöne, ziemlich große, üppige, blonde Dame von etwa dreißig Jahren. Sie hat einen hellen Morgenrock an.

Nach einer Weile tritt Asta Allmers durch die Tür rechts ein. Sie trägt ein hellbraunes Sommerkostüm, Hut, Jackett und Sonnenschirm. Unter dem Arm hat sie eine größere Mappe, die verschlossen ist. Asta ist schmächtig, mittelgroß, hat dunkles Haar und tiefe, ernste Augen. Sie ist 25 Jahr alt.

Asta an der Tür. Guten Morgen, liebe Rita!

Rita dreht sich um und nickt ihr zu. Sieh mal an – Du, Asta! So zeitig schon kommst Du aus der Stadt? Ganz bis zu uns heraus?

Asta legt ab und tut ihre Sachen auf einen Stuhl neben der Tür. Es ließ mir nicht Rast noch Ruh. Mir war, als müßte ich heute zu Euch heraus und klein Eyolf sehen. Und Dich auch. Legt die Mappe auf das Tischchen am Sofa. Und so bin ich mit dem Dampfschiff gekommen.

Rita lächelt ihr zu. Und an Bord hast Du gewiß irgend einen guten Freund getroffen? Natürlich nur ganz zufällig.

Asta ruhig. Nein, – keine Seele, die mir bekannt war. Erblickt den Koffer. Aber Rita – was ist denn das?

Rita packt weiter aus. Alfreds Reisekoffer. Kennst Du ihn nicht?

Asta voller Freude, tritt näher heran. Was? Alfred ist wieder da?

Rita. Ja, denk Dir nur, – er ist ganz unerwartet mit dem Nachtzug angekommen.

Asta. Also das war es, was ich fühlte! Das war es, was mich hertrieb! – Und er hatte nichts vorher geschrieben? Nicht einmal eine Postkarte?

Rita. Nicht eine Zeile.

Asta. Und telegraphiert auch nicht?

Rita. Doch, – eine Stunde vor seiner Ankunft. Ganz kurz und kalt. Lacht. Sieht ihm das nicht ähnlich, Asta?

Asta. Jawohl. Er verschließt alles immer so in sich.

Rita. Doch um so netter war es, als ich ihn wieder da hatte.

Asta. Ja, das kann ich mir denken.

Rita. Volle vierzehn Tage früher, als ich ihn erwartet hatte!

Asta. Und es geht ihm gut? Er ist nicht verstimmt?

Rita klappt den Koffer zusammen und lächelt ihr zu. Geradezu verklärt sah er aus, als er zur Tür hereintrat.

Asta. Und war auch gar nicht müde?

Rita. Doch, müde schien er mir schon zu sein. Tüchtig müde sogar. Aber der Ärmste war ja den größten Teil des Weges zu Fuß gegangen.

Asta. Und dann ist ihm die Hochgebirgsluft gewiß zu rauh gewesen.

Rita. Nein, – das glaube ich durchaus nicht. Ich habe ihn nicht ein einziges Mal husten hören.

Asta. Na, siehst Du wohl! So war es doch gut, daß ihn der Arzt zu der Reise überredete.

Rita. Jetzt, da es endlich überstanden ist, da –. Du kannst mir aber glauben, Asta, es ist für mich eine entsetzliche Zeit gewesen. Ich habe nie davon reden mögen. Und Du bist ja auch so selten zu mir herausgekommen –

Asta. Das war gewiß nicht recht von mir. Aber –

Rita. Na ja, na ja, – Du hattest ja Deine Schule in der Stadt. Lächelt. Und unser Ingenieur – der war doch auch verreist.

Asta. Aber Rita, wie kannst Du nur –

Rita. Also schön, – lassen wir den Ingenieur aus dem Spiel. – Du hast keinen Begriff davon, wie sehr ich mich nach Alfred gesehnt habe! Diese Leere! Diese Öde! Puh – es war, als ob hier im Hause eins begraben wäre –!

Asta. Nun, mein Gott, – es waren doch nur sechs – sieben Wochen –

Rita. Ja. Du mußt aber bedenken, daß Alfred vordem noch nie von mir fort gewesen ist. Keine vierundzwanzig Stunden. Nicht ein Mal in den ganzen zehn Jahren –

Asta. Aber gerade darum, meine ich, war es in diesem Jahr wirklich höchste Zeit, daß er einmal ein bißchen herausgekommen ist. Jeden Sommer hätte er ins Gebirge sollen. Hätte er das nur getan!

Rita mit einem leichten Lächeln. Ach ja, Du hast gut reden. Wäre ich so – so vernünftig wie Du, dann hätte ich ihn wohl schon eher weggelassen – vielleicht. Aber ich konnte es nicht über mich gewinnen, Asta! Mir war, als würde ich ihn nie wieder zurückbekommen. Kannst Du denn das nicht begreifen?

Asta. Nein. Wohl deshalb, weil ich niemand zu verlieren habe.

Rita mit einem neckischen Lächeln. Hast Du wirklich so gar niemand –?

Asta. Nicht, daß ich wüßte. Abbrechend. Aber sag' mir, Rita, – wo ist denn Alfred? Schläft er vielleicht?

Rita. Keine Idee. Er ist heute genau so zeitig aufgestanden wie sonst.

Asta. Na, dann wird er wohl auch nicht besonders müde gewesen sein.

Rita. O doch, heut nacht. Als er ankam. Aber jetzt hat er über eine Stunde Eyolf auf seinem Zimmer bei sich gehabt.

Asta. Der arme, kleine, blasse Junge! Er soll wohl schon wieder mit dem ewigen Lernen anfangen?

Rita mit Achselzucken. Alfred will es doch so haben, weißt Du.

Asta. Ja, aber ich finde, Du solltest Dich dem widersetzen, Rita.

Rita etwas ungeduldig. Nein, hör' mal, – da kann ich mich wirklich nicht hineinmischen. Alfred muß diese Dinge viel besser verstehen als ich. – Und womit soll sich denn Eyolf beschäftigen? Er kann doch nicht herumlaufen und spielen, – wie andere Kinder.

Asta bestimmt. Ich werde mit Alfred darüber reden.

Rita. Tu das nur, liebe Asta. – Ei, sieh da –

Alfred Allmers, im Sommeranzug, tritt, Eyolf an der Hand, durch die Tür links herein. Er ist ein Mann von schlankem, feinem Wuchs und ist 36 bis 37 Jahr alt; er hat sanfte Augen; sein Haar und sein Bart sind braun und dünn. Auf seinem Gesicht ruht ein ernster, nachdenklicher Zug. – Eyolf trägt eine Art Uniform mit goldenen Schnüren und Wappenknöpfen. Er hinkt und geht mit dem linken Arm an der Krücke. Das Bein ist gelähmt. Er ist klein von Gestalt und sieht kränklich aus, hat aber schöne, kluge Augen.

Allmers läßt Eyolf los, geht vergnügt auf Asta zu und reicht ihr beide Hände. Asta! Liebste Asta! Du hier! Wie schön, daß ich Dich gleich sehe!

Asta. Mir war es, ich müßte –. Herzlich willkommen!

Allmers schüttelt ihr die Hände. Das war lieb von Dir!

Rita. Sieht er nicht prächtig aus?

Asta starrt ihn unverwandt an. Wunderbar! Ganz wunderbar! Diese hellen, munteren Augen! Hast wohl sehr viel geschrieben auf der Reise? In freudiger Erregung. Am Ende ist das ganze Buch fertig, Alfred?

Allmers zuckt die Achseln. Das Buch –? Ach, das –

Asta. Ja, ich habe mir gedacht, es würde Dir flott von der Hand gehen, wenn Du nur erst heraus wärst.

Allmers. Das dachte ich auch. Aber, schau, es ist ganz anders gekommen. Ich habe wirklich an dem Buch keine Zeile geschrieben.

Asta. Keine Zeile –!

Rita. Drum auch! Ich begriff gar nicht, warum das ganze Papier unberührt im Koffer dalag.

Asta. Aber, Alfred, was hast Du denn die ganze Zeit über getrieben?

Allmers lächelnd. Meinen Gedanken bin ich nachgegangen, nur meinen Gedanken –.

Rita legt den Arm um seine Schulter. Hast Du auch ein bißchen an die gedacht, die zu Haus geblieben sind?

Allmers. Natürlich habe ich das. Sehr viel sogar. Tagaus, tagein.

Rita läßt ihn los. Na, dann ist ja alles in schönster Ordnung.

Asta. Aber an dem Buche hast Du gar nicht geschrieben? Und doch siehst Du so froh und zufrieden aus? Das pflegst Du doch sonst nicht. Wenn Dir die Arbeit schwer fällt, meine ich.

Allmers. Da hast Du recht. Denn schau, früher bin ich so dumm gewesen. Denken ist des Menschen bestes Teil. Was aufs Papier kommt, taugt nicht viel.

Asta erregt. Taugt nicht –

Rita lacht. Bist Du von Sinnen, Alfred?

Eyolf blickt treuherzig zu ihm auf. O doch, Papa, – was Du schreibst, das taugt schon.

Allmers streicht ihm lächelnd übers Haar. Natürlich, wenn Du es sagst, so –. Aber glaub' mir, – später kommt einer, der es besser machen wird.

Eyolf. Was für einer denn? Ach, sag' es doch!

Allmers. Nur Geduld. Er wird schon kommen und sich melden.

Eyolf. Und was tust Du dann?

Allmers ernst. Dann gehe ich wieder ins Gebirg –

Rita. Pfui, schäm' Dich, Alfred!

Allmers. – hinauf zu den Gipfeln und großen Fernsichten.

Eyolf. Nicht wahr, Papa, ich werde bald so gesund sein, daß ich mit Dir kann?

Allmers schmerzlich berührt. O ja – vielleicht, mein kleiner Kerl.

Eyolf. Wie fein wär's, wenn ich auch in den Bergen herumklettern könnte!

Asta ablenkend. Bist Du aber heut schmuck angezogen, Eyolf!

Eyolf. Nicht wahr, Tante?

Asta. Freilich. Dem Papa zu Ehren hast Du wohl den neuen Anzug an?

Eyolf. Ja, ich habe die Mama darum gebeten. Ich wollte, daß Papa mich drin sieht.

Allmers leise zu Rita. Du hättest ihm solch ein Kostüm nicht anschaffen sollen.

Rita ebenso. Er hat mich aber doch fortwährend gequält. Er bat so inständig. Er hat mich doch nicht in Frieden gelassen.

Eyolf. Ja, und dann, Papa, – Borgheim hat mir einen Bogen gekauft. Und er hat mich auch gelehrt, wie man damit schießt.

Allmers. Seh' einer, das ist so recht etwas für Dich, Eyolf.

Eyolf. Und das nächste Mal, wenn er wieder kommt, dann will ich ihn bitten, daß er mich auch das Schwimmen lehrt.

Allmers. Das Schwimmen! Was willst Du denn damit?

Eyolf. Jawohl, – unten am Strand die Jungen, die können alle schwimmen. Nur ich kann's nicht.

Allmers schließt ihn bewegt in die Arme. Was Du nur willst, alles sollst Du lernen! Alles, wozu Du Lust hast.

Eyolf. Ja, weißt Du, Papa, was ich am allerliebsten möchte?

Allmers. Nun? So sag'!

Eyolf. Am allerliebsten möchte ich Soldat lernen.

Allmers. Aber, Eyolfchen, es gibt doch so viele Dinge, die besser sind.

Eyolf. Aber wenn ich groß bin, dann muß ich doch Soldat werden. Das weißt Du ganz gut.

Allmers preßt die Hände zusammen. Ja, ja, ja; wir werden sehen –

Asta nimmt am Tische links Platz. Eyolf! Komm mal her zu mir – ich will Dir etwas erzählen.

Eyolf geht zu ihr hin. Was denn, Tante?

Asta. Denk Dir, Eyolf, – ich habe die Rattenmamsell gesehen.

Eyolf. Was! Du hast die Rattenmamsell gesehen? Ach, Du hältst mich nur zum besten.

Asta. Nein, es ist wirklich wahr. Ich habe sie gestern gesehen.

Eyolf. Wo hast Du sie denn gesehen?

Asta. Auf der Landstraße vor der Stadt draußen.

Allmers. Auch mir ist sie da oben im Land irgendwo begegnet.

Rita, die sich auf das Sofa gesetzt hat. Vielleicht bekommen wir sie dann auch zu sehen, Eyolf.

Eyolf. Du, Tante, ist das nicht wunderlich, daß sie die Rattenmamsell heißt.

Asta. Die Leute nennen sie deshalb so, weil sie im Land und an der Küste herumzieht und alle Ratten vertreibt.

Allmers. Ich glaube, ihr richtiger Name ist Varg.

Eyolf. Varg? Das bedeutet ja einen Wolf.

Allmers streichelt ihm den Kopf. So, das weißt Du auch, Eyolf?

Eyolf nachdenklich. Dann ist es am Ende doch wahr, daß sie in der Nacht ein Werwolf ist. Glaubst Du das, Papa?

Allmers. Ach nein, das glaube ich nicht. – Aber jetzt geh hinunter in den Garten und spiel' ein bischen.

Eyolf. Soll ich nicht lieber ein paar Bücher mitnehmen?

Allmers. Nein, – fortan keine Bücher mehr. Geh lieber zum Strand hinunter zu den anderen Jungen.

Eyolf verlegen. Nein, Papa, ich mag heute nicht zu den Jungen hinunter.

Allmers. Warum denn nicht?

Eyolf. Weil ich den Anzug hier anhabe.

Allmers runzelt die Stirn. Machen sie sich etwa lustig über – über Deinen hübschen Anzug?

Eyolf ausweichend. Nein, das getrauen sie sich nicht. Denn sonst würde ich sie hauen.

Allmers. Na also, – weshalb denn –?

Eyolf. Die Jungen, die sind so ungezogen. Und dann sagen sie, ich könnte nie Soldat werden.

Allmers mit unterdrücktem Schmerz. Und warum, meinst Du, sagen sie das wohl?

Eyolf. Sie sind gewiß neidisch auf mich. Denn sie sind so arm, Papa, daß sie barfuß gehen müssen.

Allmers leise, mit erstickter Stimme. Ach, Rita, – wie herzzerreißend ist das alles!

Rita beschwichtigend, indem sie aufsteht. Ich bitte Dich, Alfred –!

Allmers drohend. Die Jungen, die sollen noch erfahren, wer am Strand unten der Herr ist!

Asta horchend. Es hat geklopft.

Eyolf. Das ist gewiß Borgheim.

Rita. Herein!

Die Rattenmamsell tritt sachte und behutsam durch die Tür rechts ein. Sie ist eine kleine, schmächtige, eingeschrumpfte Person, betagt und grauhaarig, mit scharfen, stechenden Augen. Sie hat ein altfränkisches, geblümtes Kleid, einen schwarzen Umhang an und einen schwarzen, kapuzenartigen Hut auf. In der Hand hält sie einen großen, roten Regenschirm und am Arm trägt sie, an einer Schnur, einen Beutel.

Eyolf zupft Asta am Kleid, leise. Tante! Das ist sie gewiß!

Die Rattenmamsell macht an der Tür ein Kompliment. Mit allergnädigstem Verlaub, – haben die Herrschaften im Hause was Nagendes?

Allmers. Wir? Nein, ich glaube nicht.

Die Rattenmamsell. In diesem Fall würde ich die Herrschaften mit dem allergrößten Vergnügen davon befreien.

Rita. Ja, ja, wir verstehen. Aber derartiges gibt es hier nicht.

Die Rattenmamsell. Was für ein Malheur! Ich bin nämlich jetzt gerade auf der Tour. Und wer weiß, wann ich wieder in diese Gegenden komme –. Ach, wie bin ich müde!

Allmers deutet auf einen Stuhl. Sie sehen in der Tat so aus.

Die Rattenmamsell. Man sollte freilich niemals müde werden, ihnen wohlzutun, den armen kleinen Dingern, die so bitter gehaßt und verfolgt werden. Aber es greift einen arg an.

Rita. Wollen Sie nicht Platz nehmen und sich ein wenig ausruhen?

Die Rattenmamsell. Danke tausend Mal. Setzt sich auf einen Stuhl zwischen der Tür und dem Sofa. Bin ich doch die ganze Nacht in Geschäften draußen gewesen.

Allmers. So, – waren Sie das?

Die Rattenmamsell. Ja, drüben auf den Inseln. Mit einem glucksenden Lachen. Man sollte es nicht glauben – die Leute hatten nach mir geschickt. Schwer genug wird es ihnen gefallen sein. Es hat aber nichts geholfen. Sie mußten schon hübsch in den sauren Apfel beißen. Sieht Eyolf an und nickt ihm zu. In den sauren Apfel, junger Herr. In den sauren Apfel.

Eyolf etwas zaghaft,unwillkürlich. Warum mußten sie –?

Die Rattenmamsell. Was?

Eyolf. Hineinbeißen?

Die Rattenmamsell. Weil sie sich nicht mehr lassen konnten vor Ratten und Rattenbrut, wie der junge Herr wohl verstehen.

Rita. Mein Gott! Die armen Leute, – haben sie denn so viele?

Die Rattenmamsell. War das ein Geschwärm und Gewimmel! Lacht stillvergüngt. In den Betten kribbelten und krabbelten sie die liebe lange Nacht. In die Milchkübel plumpsten sie. Und über die Fußböden ruschelten und raschelten sie die Kreuz und Quer.

Eyolf leise zu Asta. Da möchte ich nie hin, Tante.

Die Rattenmamsell. Aber da bin ich gekommen – und noch einer. Und wir haben sie mitgenommen, alle, alle. Die lieben Dingerchen. Wir beide wurden mit allen fertig.

Eyolf aufschreiend. Papa, – sieh, sieh!

Rita. Um Gottes willen, Eyolf!

Allmers. Was ist denn los?

Eyolf hindeutend. Da zappelt was im Beutel!

Rita schreit, nach links hinüber eilend. Herr Gott! Schaff sie hinaus, Alfred!

Die Rattenmamsell lacht. Ach, schönste gnädige Frau, haben Sie doch keine Angst vor so einem Geschöpfchen.

Allmers. Was ist denn das?

Die Rattenmamsell. Das ist ja bloß Moppelchen. Schnürt den Beutel auf. Komm heraus aus Deinem Dunkel, Du mein herzallerliebster Freund.

Ein Hündchen mit breiter, schwarzer Schnauze steckt den Kopf aus dem Beutel.

Die Rattenmamsell nickt und winkt Eyolf zu. Komm getrost näher, Du kleiner blessierter Krieger. Er beißt nicht. Komm her! Komm!

Eyolf klammert sich an Asta. Nein, ich getraue mich nicht.

Die Rattenmamsell. Finden der junge Herr nicht, daß er ein sanftes und liebliches Gesicht hat?

Eyolf deutet erstaunt auf den Hund hin. Der da?

Die Rattenmamsell. Freilich, der.

Eyolf halblaut, indem er den Hund unverwandt anstarrt. Ich finde, er hat das schrecklichste – Gesicht, das ich je gesehen habe.

Die Rattenmamsell macht den Beutel zu. Ach, das kommt schon. Das kommt schon.

Eyolf kommt unwillkürlich näher, geht ganz dicht zu ihr heran, und streichelt vorsichtig den Beutel. Wunder –, wunderschön ist er doch!

Die Rattenmamsell behutsam. Nur ist er jetzt so matt und müde, der arme Kerl. Rechtschaffen müde ist er. Blickt Allmers an. Denn so ein Reigen, der greift an, das dürfen der Herr mir glauben.

Allmers. Was für eine Art Reigen meinen Sie?

Die Rattenmamsell. Den Lockreigen.

Allmers. Aha, – der die Ratten lockt, das ist wohl der Hund?

Die Rattenmamsell nickt. Moppelchen und ich. Wir beide zusammen. Und das geht so flott. Wenigstens dem Anschein nach. Er kriegt bloß eine Schnur ans Halsband. Dann führe ich ihn dreimal ums Haus herum. Und ich spiele auf der Maultrommel. Und wenn sie das hören, dann müssen sie aus den Kellern herauf und von den Dachböden herunter und aus den Löchern heraus – alle die lieben Geschöpflein.

Eyolf. Beißt er sie dann tot?

Die Rattenmamsell. I Gott bewahre! Nein! Wir gehen zum Boot hinunter, Moppelchen und ich. Und sie kommen hinter uns drein. Die Alten wie die Pusselchen.

Eyolf gespannt. Und was dann –? Erzählen Sie!

Die Rattenmamsell. Dann stoßen wir vom Lande ab. Und ich wricke mit dem Ruder und spiele auf der Maultrommel. Und Moppelchen, das schwimmt hinterher. Mit glühenden Augen. Und alle, die da kribbelten und krabbelten, die folgen uns weit und weiter aufs Wasser hinaus. Das müssen sie nämlich.

Eyolf. Warum müssen sie?

Die Rattenmamsell. Gerade weil sie nicht wollen. Weil sie vor dem Wasser so grausige Angst haben, – darum müssen sie aufs Wasser hinaus.

Eyolf. Ertrinken sie dann?

Die Rattenmamsell. Alle miteinander. Leiser. Und dann haben sie es so gut und so still und so schattenkühl, wie sie sich's nur wünschen können, – die herzigen Kleinen. Tief unten schlafen sie einen gar süßen und langen Schlaf. Sie, die von den Menschen gehaßt und verfolgt wurden. Steht auf. Ja, in früheren Zeiten, da hatte ich kein Moppelchen nötig. Da habe ich selber gelockt. Ich ganz allein.

Eyolf. Was haben Sie denn gelockt?

Die Rattenmamsell. Menschen. Besonders einen.

Eyolf gespannt. Ach, sagen Sie doch, wer war denn das?

Die Rattenmamsell lachend. Das war mein Schatz und Liebster, – Sie kleiner Herzenbrecher, Sie!

Eyolf. Und wo ist er jetzt?

Die Rattenmamsell hart. Unten bei den Ratten. Wieder sanft. Aber jetzt muß ich wieder hinaus an mein Geschäft. Bin immer auf der Reise. Zu Rita. Brauchen mich die Herrschaften heut wirklich nicht? Sonst könnte ich es gleich in einem hin abmachen.

Rita. Nein, danke. Es ist wohl nicht nötig.

Die Rattenmamsell. Jaja, – liebste, gnädige Frau, – man kann nie wissen –. Sollten die Herrschaften merken, daß hier etwas nagt und frißt, – und kribbelt und krabbelt, – dann lassen Sie nur ja mich und Moppelchen holen. – Empfehle mich, empfehle mich allerbestens.

Ab durch die Tür rechts.

Eyolf leise triumphierend zu Asta. Denk nur, Tante, jetzt habe ich auch die Rattenmamsell gesehen!

Rita tritt auf die Veranda hinaus und fächelt sich mit dem Taschentuch. Kurz darauf entfernt sich Eyolf behutsam und unbemerkt durch die Tür rechts.

Allmers ergreift die Mappe auf dem Tisch am Sofa. Gehört diese Mappe Dir, Asta?

Asta. Ja. Es ist ein Teil von den alten Briefen darin.

Allmers. So, von den Familienbriefen –

Asta. Du hast mich doch gebeten, sie Dir während Deiner Abwesenheit zu ordnen.

Allmers streichelt ihr den Kopf. Und dazu hast Du noch Zeit gefunden?

Asta. Ei freilich. Ich habe es teils hier draußen und teils bei mir in der Stadt getan.

Allmers. Schönen Dank, meine Liebe –. Nun, hast Du etwas besonderes darin gefunden?

Asta leicht hinwerfend. Ach, – in solch alten Papieren, weißt Du, findet man ja doch immer dies oder jenes. Leiser, ernst. In dieser Mappe sind Briefe, die Mutter gehört haben.

Allmers. Die behältst Du natürlich.

Asta mit Überwindung. Nein. Ich will, daß auch Du sie durchsiehst, Alfred. Eines Tages, – später einmal. – Heute habe ich den Schlüssel zur Mappe nicht mit.

Allmers. Tut nichts, liebe Asta. Denn ich lese die Briefe Deiner Mutter ja doch nicht.

Asta richtet den Blick fest auf ihn. Dann will ich Dir einmal, – so in einer traulichen Abendstunde, etwas von dem erzählen, was darin steht.

Allmers. Das schon eher. Aber behalt nur die Briefe Deiner Mutter. Gar so viele Andenken an sie hast Du ja nicht.

Er reicht Asta die Mappe. Sie nimmt sie und legt sie auf den Stuhl, unter die Jacke. Rita kommt wieder herein.

Rita. Puh, mir ist, als hätte das alte unheimliche Frauenzimmer so etwas wie Leichengeruch mitgebracht.

Allmers. Ein bißchen unheimlich war sie allerdings.

Rita. Mir war ganz schlecht, solange sie im Zimmer war.

Allmers. Übrigens begreife ich die zwingende und verführerische Macht, von der sie redete, ganz gut. Die Einsamkeit oben zwischen den Gipfeln und auf den Hochebenen hat etwas Ähnliches.

Asta blickt ihn aufmerksam an. Was ist Dir eigentlich widerfahren, Alfred?

Allmers lächelnd. Mir?

Asta. Jawohl, etwas muß es sein. Beinah eine Art Wandlung. Rita hat es auch bemerkt.

Rita. Ich habe es schon gleich bei Deiner Ankunft gesehen. Das ist aber doch nur gut, Alfred?

Allmers. So sollte man meinen. Und es muß und wird sich zum Guten wenden.

Rita in Erregung. Du hast ein Erlebnis gehabt auf der Reise! Leugne nicht! Ich seh' es Dir an!

Allmers schüttelt den Kopf. Ganz und gar nicht – äußerlich wenigstens. Aber –

Rita gespannt. Aber –?

Allmers. In meinem Innern hat es allerdings eine kleine Umwälzung gegeben.

Rita. Gott –

Allmers beruhigend, indem er ihr die Hand streichelt. Nur zum Besseren, liebe Rita. Darauf kannst Du dich fest verlassen.

Rita setzt sich aufs Sofa. Das mußt Du uns gleich einmal erzählen. Alles, – alles!

Allmers wendet sich an Asta. Nun denn, – so wollen wir beide uns auch setzen. Und ich werde zu erzählen versuchen. So gut ich kann.

Er setzt sich aufs Sofa an Ritas Seite. Asta rückt einen Stuhl heran und nimmt ganz in seiner Nähe Platz. Kurze Pause.

Rita blickt ihn erwartungsvoll an. Nun, also –?

Allmers sieht vor sich hin. Wenn ich auf mein Leben zurückblicke – und auf mein Schicksal – in den letzten zehn, elf Jahren –, dann kommt es mir beinahe wie ein Märchen vor oder wie ein Traum. Dir nicht auch, Asta?

Asta. In manchen Beziehungen, gewiß.

Allmers fortfahrend. Wenn ich daran denke, was wir beide früher waren, Asta. Wir zwei armseligen mittellosen Waisen –

Rita ungeduldig. Ach, das ist doch schon so lange her.

Allmers ohne auf sie zu achten. Und da lebe ich jetzt in Wohlstand und Herrlichkeit. Habe meinem Berufe nachgehen können. Habe arbeiten und studieren können, – nach Herzenslust. Streckt die Hand aus. Und dies ganze große, unfaßbare Glück – das verdanken wir Dir, meine teure Rita.

Rita gibt ihm halb scherzhaft, halb unmutig einen leichten Klaps auf die Hand. Wirst Du wohl bald aufhören mit dem Gerede!

Allmers. Ich sage das ja auch nur als eine Art Einleitung –

Rita. So überspring die Einleitung!

Allmers. Rita, – Du mußt nicht glauben, daß es der Rat des Arztes war, was mich ins Gebirge hinauf getrieben hat.

Asta. Nicht, Alfred?

Rita. Was hat Dich denn sonst hingetrieben?

Allmers. Die Sache war die, daß ich keine Ruhe mehr fand an meinem Arbeitstisch.

Rita. Keine Ruhe mehr! Aber, bester Alfred, wer hat Dich denn gestört?

Allmers schüttelt den Kopf. Von außen her niemand. Doch ich hatte ein Gefühl, als ob ich meine besten Kräfte geradezu mißbrauchte – oder vielmehr, als ob ich sie vernachlässigte. Als ob ich meine Zeit vergeudete.

Asta mit großen Augen. Wenn Du über dem Buch saßest und schriebst?

Allmers nickt. Denn ich bin doch wohl nicht dazu nur geschaffen. Ich müßte doch auch sonst noch etwas vollbringen können.

Rita. Und das war der Inhalt Deines ewigen Grübelns?

Allmers. Das zumeist.

Rita. Und deshalb also warst Du so unzufrieden mit Dir selbst in der letzten Zeit. Und mit uns anderen auch. Denn das warst Du, Alfred!

Allmers blickt vor sich hin. Da saß ich über den Tisch gebeugt und schrieb tagaus, tagein. Manchmal auch die halbe Nacht. Schrieb und schrieb an dem dicken Buch über »Die menschliche Verantwortung«. Hm!

Asta legt die Hand auf seinen Arm. Aber, mein Lieber, – das Buch soll ja das Werk Deines Lebens werden.

Rita. Ja, das hast Du doch oft genug gesagt.

Allmers. So habe ich gedacht. Schon zu einer Zeit, als ich noch kaum erwachsen war. Mit Wärme im Blick. Und dann hast Du, liebe Rita, es mir ermöglicht, ans Werk zu gehen, –

Rita. Ach, Unsinn!

Allmers lächelt ihr zu. – mit Deinen goldenen Bergen –

Rita halb lachend, halb ärgerlich. Kommst Du mir wieder mit dem dummen Zeug, dann kriegst Du eins.

Asta sieht ihn bekümmert an. Aber das Buch, Alfred?

Allmers. Das schien sich allmählich zu entfernen. Immer mehr aber faßte der Gedanke an die höheren Pflichten und ihre Ansprüche Wurzel in mir.

Rita ergreift freudestrahlend seine Hand. Alfred?

Allmers. Der Gedanke an Eyolf, liebe Rita.

Rita läßt enttäuscht seine Hand los. Ach so, – an Eyolf!

Allmers. Stärker und stärker hat der arme kleine Eyolf Besitz von mir ergriffen. Nach dem unglücklichen Fall vom Tische –. Und zumal, seit wir die Gewißheit haben, daß es unheilbar ist –

Rita eindringlich. Du nimmst Dich doch seiner an, so sehr Du nur kannst, Alfred!

Allmers. Wie ein Schulmeister, jawohl. Aber nicht wie ein Vater. Und ein Vater will ich Eyolf fortan sein.

Rita sieht ihn kopfschüttelnd an. Ich verstehe Dich gewiß nicht ganz.

Allmers. Ich meine, ich will mit allen Kräften versuchen, ihm das Unabänderliche so lind und leicht zu machen, wie möglich.

Rita. Wenn er es nun aber gottlob nicht so tief empfindet.

Asta bewegt. Doch, Rita, das tut er.

Allmers. Ja, sei überzeugt, daß er es tief empfindet.

Rita ungeduldig. Aber, Schatz, – was kannst Du denn noch mehr für ihn tun?

Allmers. Ich will versuchen, Klarheit zu bringen in all die reichen Möglichkeiten, die in seiner Kinderseele dämmern. Was er nur an edlen Keimen in sich trägt, das will ich zum Wachstum bringen, – es soll Blüten treiben und Früchte tragen. Immer wärmer, aufstehend. Und noch mehr will ich tun! Ich will ihn dabei unterstützen, seine Wünsche in Einklang zu bringen mit dem, was erreichbar vor ihm liegt. Denn so weit ist er jetzt noch nicht. Sein ganzes Dichten und Trachten ist auf das gerichtet, was ihm sein Lebenlang unerreichbar sein wird. Ich aber will Glücksgefühl in ihm erwecken.

Er geht einige Male auf und ab. Asta und Rita folgen ihm mit den Blicken.

Rita. Du solltest diese Dinge mit mehr Ruhe behandeln.

Allmers bleibt am Tische links stehen und sieht die beiden an. Eyolf soll mein Lebenswerk wieder aufnehmen. Wenn er will, heißt das. Oder er soll etwas wählen dürfen, was ganz und gar aus ihm kommt. Das wäre vielleicht das Beste. – Jedenfalls aber lasse ich mein Werk liegen.

Rita erhebt sich. Aber, Schatz, – kannst Du denn nicht für Eyolf und für Dich selbst arbeiten?

Allmers. Nein, das kann ich nicht. Unmöglich! Ich kann mich nicht teilen. Und darum weiche ich. Eyolf, der soll die Krone unserer Familie werden. Und ihn dazu zu machen, das eben soll meine neue Lebensaufgabe sein.

Asta ist aufgestanden und geht zu ihm hin. Das hat Dich einen furchtbar schweren Kampf gekostet, Alfred!

Allmers. Allerdings. Hier zu Hause hätte ich nie den Sieg über mich selbst gewonnen. Mich nie zur Entsagung durchgerungen. Hier nicht!

Rita. Darum also bist Du in diesem Sommer fortgegangen?

Allmers mit leuchtenden Augen. Ja! Und so kam ich hinauf in die unendliche Einsamkeit. Sah die aufgehende Sonne über die Gipfel leuchten. Fühlte den Sternen mich näher. Als ob wir uns verstünden und Kameraden wären. Da vermochte ich es.

Asta sieht ihn schwermütig an. Und an dem Buch über »die menschliche Verantwortung« wirst Du nun nie mehr schreiben?

Allmers. Nie mehr, Asta. Ich sage Euch ja, zwischen zwei Aufgaben kann ich mich nicht zersplittern. Aber die menschliche Verantwortung, die werde ich erfüllen, – in meinem Dasein.

Rita mit einem Lächeln. Glaubst Du tatsächlich, daß Du hier zu Hause so großartige Vorsätze wirst durchführen können?

Allmers ergreift ihre Hand. Mit Dir im Bunde kann ich es. Streckt die andere Hand aus. Und im Bunde mit Dir, Asta.

Rita zieht ihre Hand zurück. Mit Zweien also. Du kannst Dich also doch teilen.

Allmers. Aber, liebste Rita –!

Rita läßt ihn stehen und stellt sich unter die Gartentür. Es klopft leicht und schnell an der Tür rechts. Ingenieur Borgheim tritt rasch ein. Er ist ein junger Mann von etwa dreißig Jahren. Frisches, fröhliches Aussehen. Grade Haltung.

Borgheim. Gut'n Morgen, gut'n Morgen, gnädige Frau! Erblickt Allmers und bleibt freudig überrascht stehen. Ei, was sehe ich! Schon wieder da, Herr Allmers?

Allmers schüttelt ihm die Hand. Ich bin heut nacht angekommen.

Rita heiter. Er hatte nicht länger Urlaub, Herr Borgheim.

Allmers. Aber das ist ja gar nicht wahr, Rita –

Rita nähert sich. Doch ist es wahr. Sein Urlaub war abgelaufen.

Borgheim. Ei – ei, so stramm halten Sie Ihren Mann im Zaum, gnädige Frau?

Rita. Ich bestehe auf meinen Rechten. Und schließlich muß doch alles ein Ende haben.

Borgheim. Ach, – alles denn doch nicht, – hoffe ich. – Guten Morgen, Fräulein Allmers!

Asta zurückhaltend. Guten Morgen.

Rita blickt Borgheim an. Nicht alles, sagen Sie?

Borgheim. Nun, ich bin fest überzeugt, daß es in dieser Welt jedenfalls etwas gibt, das kein Ende nimmt.

Rita. Jetzt denken Sie gewiß an die Liebe – und dergleichen.

Borgheim mit Wärme. Ich denke an alles Liebe und Schöne.

Rita. Und was nie ein Ende nimmt. Schön, denken wir daran. Erhoffen wir es, wir alle hier.

Allmers tritt zu ihnen hin. Sie sind wohl bald fertig mit dem Straßenbau in unserer Gegend?

Borgheim. Ich bin schon fertig. Bin gestern fertig geworden. Lang genug hat es gedauert. Aber, Gott sei Dank, das hat doch wenigstens ein Ende genommen.

Rita. Und darüber sind Sie so von Herzen froh?

Borgheim. Ja natürlich!

Rita. Nun, da muß ich gestehen –

Borgheim. Was, gnädige Frau?

Rita. Schön ist das gerade nicht von Ihnen, Herr Borgheim.

Borgheim. So? Und warum nicht?

Rita. Nein, denn gar so oft werden Sie doch wohl nicht mehr in unsere Gegend kommen.

Borgheim. Da haben Sie recht. Daran habe ich nicht gedacht.

Rita. Na, dann und wann werden Sie uns doch noch einmal besuchen.

Borgheim. Leider wird mir das nun auf lange Zeit unmöglich sein.

Allmers. So? Und warum denn?

Borgheim. Ja, ich habe nämlich eine neue, große Arbeit übernommen, an die ich mich gleich machen muß.

Allmers. So wirklich? Drückt ihm die Hand. Das freut mich von Herzen.

Rita. Gratuliere, gratuliere, Herr Borgheim!

Borgheim. Pst, pst – ich dürfte eigentlich noch nicht laut davon reden! Aber ich kann es nicht auf dem Herzen behalten. – Es ist ein schwieriger Straßenbau – oben im Norden. Mit Gebirgsübergängen –, und die unglaublichsten Hindernisse sind zu überwinden! Erregt. O du große, schöne Welt, – und das Glück, Wegebauer zu sein!

Rita lächelt und sieht ihn neckisch an. Ist nur diese Arbeit daran schuld, daß Sie heute so ganz außer Rand und Band zu uns kommen?

Borgheim. Nicht sie allein. Auch die glänzenden und vielversprechenden Aussichten, die sich mir auftun.

Rita wie oben. Aha, dahinter steckt am Ende noch etwas viel Schöneres!

Borgheim blickt Asta verstohlen an. Wer weiß! Wenn das Glück erst einmal kommt, dann pflegt es zu kommen wie eine Frühlingsflut. Wendet sich an Asta. Fräulein Allmers, wollen wir beide nicht einen kleinen Spaziergang machen? Wie gewöhnlich?

Asta schnell. Nein, ich danke. Jetzt nicht. Heute nicht.

Borgheim. Ach so kommen Sie doch! Nur einen ganz kleinen Spaziergang! Mir ist, als hätte ich Ihnen noch vieles zu sagen, ehe ich reise.

Rita. Vielleicht etwas, wovon Sie noch nicht laut reden dürfen?

Borgheim. Hm, es kommt drauf an –

Rita. Nun, Sie können ja auch flüstern. Halblaut. Asta, so geh doch mit.

Asta. Aber liebe Rita –

Borgheim bittend. Fräulein Asta, – bedenken Sie, daß dies vielleicht der letzte Spaziergang ist – auf lange, lange Zeit.

Asta nimmt Hut und Sonnenschirm. Also schön, – gehen wir ein bißchen im Garten herum.

Borgheim. Wie bin ich Ihnen dankbar!

Allmers. Und gib zugleich ein wenig auf Eyolf acht.

Borgheim. Eyolf, – ja, richtig! Wo steckt denn Eyolf heut? Ich habe ihm etwas mitgebracht.

Allmers. Er spielt irgendwo da unten.

Borgheim. Wahrhaftig? Zu spielen hat er jetzt angefangen? Sonst hat er immer in der Stube gehockt und gelernt.

Allmers. Damit ist es vorbei. Ein richtiger Freiluftjunge soll er werden.

Borgheim. So ist es recht! Auch er soll hinaus in die freie Natur, der arme Kerl! Herrgott, etwas Gescheiteres kann einer doch nicht treiben in dieser schönen Welt als spielen. Mir kommt das ganze Leben vor wie ein Spiel! – Vorwärts, Fräulein Asta!

Borgheim und Asta gehen über die Veranda in den Garten hinunter.

Allmers ihnen nachblickend. Du, Rita, – meinst Du nicht, daß zwischen den beiden sich etwas anspinnt?

Rita. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Früher glaubte ich es. Aber Asta wird mir seit einiger Zeit immer rätselhafter, – immer unbegreiflicher.

Allmers. So? Wirklich? Während meiner Abwesenheit?

Rita. Ja, in den letzten Wochen, glaube ich.

Allmers. Und Du meinst, sie mag ihn jetzt nicht mehr?

Rita. Nicht ernstlich. Nicht ganz und ungeteilt – nicht rückhaltlos. Ich glaube, nein. Blickt ihn forschend an. Es wäre Dir wohl unangenehm, wenn sie ihn möchte.

Allmers. Unangenehm gerade nicht. Unstreitig wäre ja der Gedanke beängstigend –

Rita. Beängstigend?

Allmers. Ja, vergiß nicht, ich bin verantwortlich für Asta. Für ihr Lebensglück.

Rita. Ach was – verantwortlich! Asta ist doch erwachsen. Die weiß schon selbst zu wählen, sollte ich meinen.

Allmers. Hoffen wir es wenigstens, Rita.

Rita. Ich für mein Teil finde Borgheim gar nicht übel.

Allmers. Aber, Kind, – ich ja auch nicht. Im Gegenteil. Dennoch –

Rita fortfahrend. Und recht gern würde ich es sehen, wenn aus den beiden ein Paar würde.

Allmers mißvergnügt. Ja, warum denn eigentlich?

Rita in wachsender Erregung. Nun weil sie dann weit weg müßte mit ihm! Und weil sie dann nicht mehr so oft zu uns käme, wie jetzt!

Allmers starrt sie verwundert an. Was! Du möchtest Asta los sein?

Rita. Ja, Alfred, ja!

Allmers. Aber warum in aller Welt –?

Rita schlingt die Arme leidenschaftlich um seinen Hals. Weil ich Dich dann endlich für mich allein hätte! Aber nein, – auch dann noch nicht! Nicht ganz für mich! Bricht in krampfhaftes Weinen aus. Ach, Alfred, Alfred, – ich kann von Dir nicht lassen.

Allmers macht sich sanft von ihr los. Aber beste Rita, – so sei doch vernünftig!

Rita. Ach, was mache ich mir draus, ob ich vernünftig bin! Nur aus Dir mache ich mir etwas! Aus Dir einzig und allein! Wirft sich wieder an seine Brust. Aus Dir, aus Dir, aus Dir!

Allmers. So laß doch, laß doch, – Du erwürgst mich ja –!

Rita läßt ihn los. Ach könnte ich es nur! Sieht ihn mit funkelnden Augen an. O wüßtest Du bloß, wie ich Dich gehaßt habe –!

Allmers. Gehaßt!

Rita. Ja, – wenn Du da in Deinem Zimmer gesessen und über Deiner Arbeit gebrütet hast. Tief – tief in die Nacht hinein. Klagend. So lange, – so spät noch, Alfred. – O wie ich Deine Arbeit da gehaßt habe!

Allmers. Das hört ja doch nun auf.

Rita lacht schneidend auf. Ja freilich! Jetzt bist Du ja von etwas noch Ärgerem in Anspruch genommen.

Allmers empört. Ärgerem? Mit diesem Ärgeren,– meinst Du damit unser Kind?

Rita heftig. Allerdings. In seinem Verhältnis zu uns nenne ich es so. Denn das Kind, – das Kind, das ist ja noch obendrein ein lebendiges Wesen. Mit wachsender Leidenschaft. Aber ich ertrag' es nicht, Alfred! Ich ertrag' es nicht – das sage ich Dir!

Allmers sieht sie fest an und sagt leise: Manchmal, Rita, fürchte ich mich fast vor Dir.

Rita finster. Ich fürchte mich vor mir selber. Und gerade darum sollst Du das Böse in mir nicht aufwecken.

Allmers. Aber um Gottes willen, – tue ich denn das?

Rita. Ja, das tust Du, – wenn Du das Heiligste zwischen uns zerreißt.

Allmers eindringlich. Aber so bedenke doch, Rita. Es ist Dein eigen Kind, – unser einziges Kind, um das es sich hier handelt.

Rita. Das Kind gehört mir nur zur Hälfte. Wieder leidenschaftlich. Du aber sollst ganz mir gehören. Ausschließlich mir! Mit Fug und Recht fordere ich das von Dir!

Allmers mit einem Achselzucken. Ach, liebe Rita, – fordern, das nützt ja doch nichts. Alles muß aus freien Stücken gegeben werden.

Rita sieht ihn gespannt an. Und das kannst Du wohl fortan nicht mehr?

Allmers. Nein, – ich kann es nicht mehr. Du und Eyolf, Ihr müßt Euch in mich teilen.

Rita. Wenn nun aber Eyolf niemals geboren wäre? Was dann?

Allmers ausweichend. Ja, das wäre etwas anderes. Dann hätte ich ja nur Dich.

Rita leise, mit bebender Stimme. Dann wünschte ich, ich hätte ihn nie geboren.

Allmers fährt auf. Rita! Du weißt selbst nicht, was Du da sprichst.

Rita vor Gemütserregung zitternd. Ich brachte ihn zur Welt unter den unsäglichsten Qualen. Doch alles ertrug ich mit Jubel und Wonne Dir zuliebe.

Allmers mit Wärme. Gewiß, gewiß, das weiß ich wohl.

Rita entschlossen. Dabei aber muß es sein Bewenden haben. Mein Leben will ich leben. Zusammen mit Dir. Ganz mit Dir. Ich kann hier nicht immer nur Eyolfs Mutter sein – nur das und nichts anderes. Ich will nicht, sage ich! Ich kann es nicht! Nur Dein will ich sein! Nur Dein, Alfred!

Allmers. Aber, Rita, das bist Du ja. Durch unser Kind –

Rita. Ach, – abgeschmackte Phrasen das! – Nichts weiter. Nein, Du, zu so etwas bin ich nicht geschaffen. Mutter werden konnte ich allerdings. Aber Mutter sein, dazu tauge ich nun einmal nicht. Du mußt mich nehmen, wie ich bin, Alfred.

Allmers. Und doch hast Du früher Eyolf so innig lieb gehabt.

Rita. Es tat mir so leid um ihn. Denn für Dich war er so gut wie Luft. Er sollte nur immer lernen und büffeln. Sahst ihn ja kaum einmal an.

Allmers nickt langsam. Gewiß – ich war blind. Die Zeit war noch nicht gekommen –

Rita sieht ihn an. Nun aber ist sie gekommen?

Allmers. Ja, – endlich. Jetzt sehe ich ein, daß ich auf Erden keine höhere Aufgabe habe, als Eyolf wahrhaft ein Vater zu sein.

Rita. Und mir? Was wirst Du mir sein?

Allmers sanft. Dir werde ich immer zugetan bleiben – in stiller Innigkeit. Will ihre Hände ergreifen.

Rita weicht ihm aus. Aus Deiner stillen Innigkeit mache ich mir nichts! Ich will Dich ganz und gar besitzen! Für mich allein! So wie ich Dich besessen habe in der ersten, wunderschönen, entzückenden Zeit. Heftig und hart. Nie und nimmermehr lasse ich mich mit Resten und Überbleibseln abspeisen, Alfred!

Allmers sanftmütig. Mich dünkt, Rita, hier gäbe es reichlich Glück für uns alle drei.

Rita höhnisch. Du bist aber genügsam. Setzt sich an den Tisch links. Jetzt hör' mich an.

Allmers nähert sich. Was willst Du?

Rita sieht mit mattglänzenden Augen zu ihm auf. Als ich gestern abend Dein Telegramm erhielt –

Allmers. Nun, und –

Rita – da kleidete ich mich in Weiß –

Allmers. Ich habe es wohl gesehen, daß Du bei meiner Ankunft ein weißes Kleid trugst.

Rita. Das Haar hatte ich aufgelöst –

Allmers. Dein üppiges, duftendes Haar –

Rita. – daß es hinabfloß über Nacken und Rücken –

Allmers. Ich sah' es. Ich sah' es. O, wie warst Du reizend, Rita!

Rita. Über beiden Lampen waren rosenrote Schirme. Und wir waren allein, wir beiden. Sonst niemand wach im ganzen Haus. Und Champagner stand auf dem Tische.

Allmers. Ich trank nicht davon.

Rita blickt ihn mit Bitterkeit an. Nein, das ist wahr! Lacht herb auf. »Du hattest Champagner und ließest ihn stehn«, – wie es im Liede heißt. Sie steht vom Lehnstuhl auf und geht, als ob sie müde wäre, zum Sofa hin, auf dem sie sich in halb liegender Stellung niederläßt.

Allmers geht durchs Zimmer und bleibt vor ihr stehen. Ich war so erfüllt von ernsten Gedanken. Ich hatte mir vorgenommen, von unserem künftigen Leben mit Dir zu reden, Rita. Und vor allem von Eyolf.

Rita lächelt. Das hast Du ja auch getan, mein Lieber –

Allmers. Nein, ich bin nicht dazu gekommen. Denn Du begannst Dich zu entkleiden.

Rita. Ja, und während der Zeit sprachst Du von Eyolf. Besinn Dich doch! Du fragtest, wie es mit klein Eyolfs Magen stünde.

Allmers sieht sie vorwurfsvoll an. Rita –!

Rita. Und dann bist Du zu Bett gegangen. Und hast ganz ausgezeichnet geschlafen.

Allmers schüttelt den Kopf. Rita, – Rita!

Rita legt sich ganz aufs Sofa und blickt zu ihm auf. Du, Alfred?

Allmers. Ja?

Rita. »Du hattest Champagner und ließest ihn stehn.«

Allmers fast schroff. Nun ja, ich ließ in stehn.

Er geht von ihr weg und stellt sich unter die Gartentür. Rita liegt eine Weile mit geschlossenen Augen regungslos da.

Rita springt plötzlich auf. Aber eins will ich Dir sagen, Alfred!

Allmers wendet sich um. Nun?

Rita. Du solltest Dich nicht so sicher fühlen!

Allmers. Nicht so sicher?

Rita. Nein, Du solltest nicht gar so sorglos – nicht meiner gar so sicher sein!

Allmers nähert sich. Was meinst Du damit?

Rita mit bebenden Lippen. Niemals bin ich Dir auch nur in meinen Gedanken untreu gewesen, Alfred! Auch nicht eine Sekunde.

Allmers. Aber, Rita, das weiß ich ja! Ich kenne doch meine Rita.

Rita mit glühenden Blicken. Aber verschmähst Du mich –!

Allmers. Verschmähen –! Ich begreife nicht, wo Du hinaus willst!

Rita. O, Du weißt nicht, was alles in mir wach werden könnte, wenn –

Allmers. Wenn –?

Rita. Wenn ich jemals merken sollte, daß ich Dir gleichgültig bin. Daß Du mich nicht mehr so lieb hättest, wie früher.

Allmers. Aber, geliebte Rita, – des Menschen Wandlung mit den Jahren, – die muß ja doch in unserm Zusammenleben auch einmal eintreten. Bei uns wie bei allen anderen.

Rita. Bei mir niemals! Und auch bei Dir will ich von einer Wandlung nichts wissen. Ich könnte es nicht ertragen, Alfred. Ich will Dich für mich allein behalten.

Allmers sieht sie bekümmert an. Du bist von einer fürchterlichen Eifersucht –

Rita. Ich kann mich nun einmal nicht umschaffen. Drohend. Sollte ich Dich mit einem andern teilen müssen –

Allmers. Was dann –?

Rita. Dann räche ich mich an Dir, Alfred!

Allmers. Und womit könntest Du Dich rächen?

Rita. Das weiß ich nicht. – O doch, ich weiß es!

Allmers. Nun?

Rita. Ich gehe hin und werfe mich weg –

Allmers. Du wirfst Dich weg, sagst Du?

Rita. Ja, das tue ich. Ich werfe mich dem ersten besten an den Hals.

Allmers blickt sie mit Wärme an und schüttelt den Kopf. Das tust Du nie, – meine ehrliche, stolze, treue Rita.

Rita schlingt die Arme um seinen Hals. Ach, Du weißt nicht, wozu ich fähig wäre, wenn Du – wenn Du nichts mehr von mir wissen wolltest.

Allmers. Nichts mehr von Dir wissen wollte, Rita? Wie kannst Du nur so etwas sagen!

Rita halb lachend, indem sie ihn losläßt. Ich könnte ja mein Garn auslegen nach diesem Ingenieur, der bei uns aus- und eingeht.

Allmers erleichtert. Gott sei Dank, – Du scherzt also nur.

Rita. Keine Idee. Warum nicht ebensogut nach ihm wie nach jedem andern?

Allmers. Weil er gewiß schon so gut wie gebunden ist.

Rita. Um so besser! Dann nähme ich ihn ja einer andern weg. Hat doch Eyolf genau dasselbe mir angetan.

Allmers. Das hätte unser kleiner Eyolf getan?

Rita mit ausgestrecktem Zeigefinger. Siehst Du! Siehst Du wohl! Sobald Du nur Eyolfs Namen nennst, gleich wirst Du weich, und Deine Stimme bebt! Ballt drohend die Hände. O, fast wäre ich versucht zu wünschen –! Doch genug.

Allmers blickt sie ängstlich an. Was könntest Du wünschen, Rita –!

Rita heftig, indem sie vonihm weggeht. Nein, nein, nein – das sage ich nicht! Niemals!

Allmers nähert sich ihr. Rita! Ich flehe Dich an, – um Deinet- und um meinetwillen, – laß Dich zu nichts Bösem verleiten.

Borgheim und Asta kommen vom Garten herauf. Beide sind innerlich erregt, doch sie beherrschen sich. Sie sehen ernst und verstimmt aus. Asta bleibt auf der Veranda stehen. Borgheim tritt ins Zimmer.

Borgheim. So. Nun haben wir unsern letzten Spaziergang gemacht, Fräulein Allmers und ich.

Rita stutzt und sieht ihn an. Ah! – Und auf den Spaziergang folgt keine längere Reise?

Borgheim. Ja, für mich.

Rita. Für Sie allein?

Borgheim. Ja, für mich allein.

Rita wirft Allmers einen finsteren Blick zu. Hörst Du es, Alfred? Wendet sich zu Borgheim. Ich möchte wetten, Ihnen hat der böse Blick einen Streich gespielt.

Borgheim sieht sie an. Der böse Blick?

Rita nickt. Ja, der böse Blick.

Borgheim. Glauben Sie an den bösen Blick, Frau Allmers?

Rita. Ich habe unlängst angefangen, daran zu glauben. Besonders an den bösen Kinderblick.

Allmers flüstert ihr empört zu: Rita, – wie kannst Du –!

Rita halblaut. Du selbst machst mich schlecht und garstig, Alfred.

Fern vom Strande her hört man ein Durcheinander rufender und schreiender Stimmen.

Borgheim geht zur Glastür. Was ist das für ein Lärm –?

Asta in der Tür. Seht nur die vielen Menschen, die zur Landungsbrücke stürzen!

Allmers. Was kann da sein? Sieht einen Augenblick hinaus. Wahrscheinlich treiben die Gassenjungen wieder Unfug.

Borgheim über das Geländer hinausrufend. Heda, Jungens, was ist denn los?

Man hört mehrere Stimmen unverständlich durcheinander antworten.

Rita. Was sagen sie?

Borgheim. Sie sagen, ein Kind wäre ertrunken.

Allmers. Ein Kind ertrunken?

Asta unruhig. Ein kleiner Junge, sagen sie.

Allmers. Ach, die können ja alle schwimmen.

Rita mit einem Angstschrei. Wo ist Eyolf?

Allmers. Nur ruhig. Ruhig. Eyolf, der spielt doch im Garten.

Asta. Nein, im Garten war er nicht –

Rita mit aufgehobenen Armen. O, wenn er es nur nicht ist!

Borgheim horcht und ruft hinunter. Sagt mal, wessen Kind ist es?

Man hört undeutliche Stimmen. Borgheim und Asta stoßen einen unterdrückten Schrei aus und eilen in den Garten hinunter.

Allmers in Seelenangst. Es ist nicht Eyolf! Es ist nicht Eyolf, Rita!

Rita auf der Veranda, horchend. Pst! Sei Still! Ich muß hören, was sie sagen!

Rita flüchtet mit einem gellenden Schrei in die Stube zurück.

Allmers ihr nach. Was haben sie gesagt?

Rita sinkt am Lehnstuhl links nieder. Sie sagten: da schwimmt die Krücke!

Allmers fast gelähmt. Nein! Nein! Nein!

Rita mit heiserer Stimme. Eyolf! Eyolf! O, sie müssen ihn doch retten!

Allmers halb wahnsinnig. Unmöglich anders! Ein so teures Leben! Ein so teures Leben!

Er eilt in den Garten hinunter.


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