Henrik Ibsen
Hedda Gabler
Henrik Ibsen

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Zweiter Akt

Das Zimmer bei Tesmans, wie im ersten Akt; nur daß das Piano nicht mehr da ist und an dessen Stelle ein eleganter kleiner Schreibtisch mit Bücherfach steht. An das Sofa links ist ein kleiner Tisch gestellt. Die meisten Blumenbuketts sind entfernt. Frau Elvsteds Bukett steht auf dem größeren Tisch im Vordergrunde. – Es ist Nachmittag.

Hedda, die jetzt Empfangstoilette trägt, ist allein im Zimmer. Sie steht an der offenen Glastür und ladet einen Revolver. Ein zweiter ganz gleicher liegt in einem offenen Pistolenkasten auf dem Schreibtisch.

Hedda sieht in den Garten hinunter und ruft: Zum zweiten Mal guten Tag, Herr, Assessor!

Brack wird unten aus einiger Entfernung vernehmbar. Gleichfalls, Frau Tesman.

Hedda erhebt die Pistole und zielt. Jetzt erschieße ich Sie, Herr Assessor.

Brack ruft unten: Nein – nein – nein! Zielen Sie doch nicht so direkt auf mich!

Hedda. Das kommt davon, wenn man versteckte Wege geht!

Sie schießt.

Brack näher. Sind Sie denn ganz verrückt –!

Hedda. Mein Gott, – habe ich Sie vielleicht getroffen?

Brack immer noch draußen. Lassen Sie doch die dummen Witze!

Hedda. So kommen Sie herein, Assessor!

Brack, gekleidet wie zu einer Herrengesellschaft, einen Sommerüberzieher über dem Arm, kommt durch die Glastür.

Brack. Donnerwetter – treiben Sie den Sport noch immer? Wonach schießen Sie denn eigentlich?

Hedda. O, ich stehe nur da und schieße in die blaue Luft hinein.

Brack nimmt ihr sanft die Pistole aus der Hand. Erlauben Sie mal, gnädige Frau. Betrachtet die Pistole. Ach, die, – die kenne ich gut. Sieht sich um. Wo haben wir denn den Kasten? So, hier. Legt die Pistole hinein und macht den Deckel zu. Für heute mag es nun genug sein des grausamen Spiels.

Hedda. Ja, was in Gottesnamen, glauben Sie denn, soll ich anfangen?

Brack. Haben Sie keinen Besuch gehabt?

Hedda schließt die Glastür. Keinen einzigen. Alle die Intimen sind wohl noch auf dem Lande.

Brack. Und Tesman ist am Ende auch nicht zu Hause?

Hedda am Schreibtisch, schließt den Pistolenkasten in die Schublade ein. Nein. Wie er das Essen herunter hatte, da lief er gleich zu den Tanten hin. Denn er erwartete Sie nicht so früh.

Brack. Hm, – hätt' es mir auch denken können. Das war dumm von mir.

Hedda wendet den Kopf und sieht ihn an. Wieso dumm?

Brack. Ach, sonst wär' ich noch ein bißchen – früher gekommen.

Hedda durchmißt das Zimmer. Ja, da hätten Sie aber erst recht niemand getroffen. Denn ich war nach Tisch auf meinem Zimmer und habe mich umgekleidet.

Brack. Und gibt es da nicht so einen ganz kleinen Türspalt, durch den man hätte verhandeln können?

Hedda. Sie haben ja vergessen, so etwas anbringen zu lassen.

Brack. Das war auch dumm von mir.

Hedda. Dann wollen wir uns also hier häuslich niederlassen. Und warten. Denn Tesman kommt gewiß so bald nicht wieder.

Brack. Ja-ja, mein Gott, ich werde die Geduld nicht verlieren.

Hedda setzt sich in die Sofaecke. Brack legt seinen Paletot über den Rücken des nächststehenden Stuhles und setzt sich, behält aber den Hut in der Hand. Kurze Pause. Sie sehen einander an.

Hedda. Nun?

Brack in gleichem Ton. Nun?

Hedda. Ich habe zuerst gefragt.

Brack beugt sich etwas vornüber. Na, dann wollen wir uns mal ein bißchen gemütlich unterhalten, Frau Hedda!

Hedda lehnt sich weiter zurück ins Sofa. Kommt es Ihnen nicht wie eine ganze Ewigkeit vor, seit wir uns zuletzt gesprochen haben? – Denn die paar Worte gestern abend und heut früh – die rechne ich nicht weiter mit.

Brack. So – allein? Unter vier Augen?

Hedda. Ja. So ungefähr.

Brack. Jeden lieben Tag habe ich gewünscht, Sie möchten nur erst wieder glücklich zu Hause sein.

Hedda. Und ich habe wirklich die ganze Zeit nur denselben Wunsch gehabt.

Brack. Sie? Wahrhaftig, Frau Hedda? Und ich glaubte doch, Sie hätten sich so wunderbar auf der Reise amüsiert!

Hedda. Jawohl, glauben Sie das nur!

Brack. Aber Tesman hat das doch immerzu geschrieben.

Hedda. Ja, er! Denn er weiß nun einmal nichts Schöneres auf der Welt, als in Bibliotheken herumzustöbern. Und sich hinzusetzen und alte Pergamentblätter abzuschreiben – oder sonst dergleichen.

Brack etwas boshaft. Na, das ist doch sein Beruf hier auf Erden. Zum Teil wenigstens.

Hedda. Ja, das ist wahr. Und da kann man freilich –. Aber ich! Ach nein, lieber Assessor – ich habe mich greulich gelangweilt.

Brack teilnahmsvoll. Meinen Sie das wirklich – in vollem Ernst?

Hedda. Ja, das können Sie sich doch selber sagen –! So ganze sechs Monate keinem Menschen zu begegnen, der ein bißchen was weiß von unserm Kreise. Und mit dem man über unsere eigenen Angelegenheiten reden kann.

Brack. Ja-ja, – das würde auch ich recht sehr vermissen.

Hedda. Und nun das Aller-, Allerunerträglichste.

Brack. Nun?

Hedda. – immer und ewig zusammen zu sein mit – mit einem und demselben.

Brack nickt beifällig. Früh, und spät – jawohl. Man denke bloß, – zu allen möglichen Zeiten.

Hedda. Ich sagte: immer und ewig.

Brack. Na schön. Aber mir scheint doch, mit unserm biedern Tesman, da müßte man –

Hedda. Tesman ist – ein Fachmensch, mein Lieber.

Brack. Unstreitig.

Hedda. Und mit Fachmenschen zu reisen ist durchaus kein Vergnügen. Wenigstens nicht auf die Dauer.

Brack. Nicht einmal – mit dem Fachmenschen, den man liebt?

Hedda. O weh, – brauchen Sie doch nicht das klebrige Wort!

Brack betroffen. Wie denn, Frau Hedda?

Hedda halb lachend, halb ärgerlich. Ja, Sie sollten es nur einmal probieren! Von Kulturgeschichte reden zu hören früh und spät –

Brack. Immer und ewig –

Hedda. Ja – ja – ja! Und dazu die Sache mit der Hausindustrie im Mittelalter –! Das ist gar das Allergräßlichste.

Brack sieht sie prüfend an. Aber, Sagen Sie mal, – wie soll ich mir denn eigentlich erklären, daß –? Hm –

Hedda. Daß aus mir und Jörgen Tesman ein Paar geworden ist, meinen Sie?

Brack. Na ja, wir wollen uns so ausdrücken.

Hedda. Guter Gott, scheint Ihnen denn das so merkwürdig?

Brack. Ja und nein, – Frau Hedda.

Hedda. Ich hatte mich wirklich müde getanzt, lieber Assessor. Meine Zeit war um – schrickt leicht zusammen. I nein, – das möchte ich denn doch nicht sagen. Auch nicht denken!

Brack. Dazu haben Sie auch ganz gewiß keinen Grund.

Hedda. Oh, – Grund –. Sieht ihn an wie auf der Lauer. Und Jörgen Tesman, – da muß man doch sagen, das ist ein in jeder Beziehung korrekter Mensch.

Brack. So korrekt wie solid. Das ist nun einmal wahr.

Hedda. Und etwas eigentlich Komisches kann ich nicht an ihm finden. – Oder finden Sie?

Brack. Komisches? Nei–n, – das will ich grade nicht sagen –

Hedda. Nun also. Aber ein riesig fleißiger Sammler ist er doch jedenfalls! – Da ist es doch nicht unmöglich, daß er es mit der Zeit noch einmal weit bringt.

Brack sieht sie etwas unsicher an. Ich habe geglaubt, Sie waren wie alle anderen der Meinung, es würde ein ganz hervorragender Mann aus ihm werden.

Hedda mit einem müden Ausdruck. Ja, das war ich. – Und da er nun durchaus mit aller Gewalt mich versorgen wollte –. Ich weiß nicht, warum ich es nicht hätte annehmen sollen?

Brack. Ja-ja. Von der Seite betrachtet –

Hedda. Es war doch wirklich mehr, als wozu meine anderen Verehrer bereit waren, lieber Assessor.

Brack lacht. Ja, ich kann selbstverständlich nicht für alle die anderen einstehen. Was aber mich selbst betrifft, so wissen Sie doch, ich hatte immer einen – einen gewissen Respekt vor den ehelichen Banden. So im großen Ganzen, Frau Hedda.

Hedda scherzend. Ach, auf Sie habe ich mir wahrhaftig keine Hoffnungen gemacht.

Brack. Alles, was ich begehre, das ist ein intimer Kreis von guten Bekannten, denen ich mit Rat und Tat dienen, und bei denen ich ein und aus gehen darf wie – wie ein erprobter Freund –

Hedda. Vom Hausherrn, meinen Sie?

Brack verbeugt sich. Offen gestanden, – lieber von der Hausfrau. Aber dann auch gleich vom Manne, versteht sich. Wissen Sie, – ein solches – ein solches, sagen wir, dreieckiges Verhältnis, – das ist im Grunde eine große Annehmlichkeit für alle Teile.

Hedda. Ja, ich habe manches liebe Mal auf der Reise den dritten Mann vermißt. Äh, – so unter vier Augen im Coupé zu sitzen –

Brack. Zum Glück ist die Hochzeitsreise ja nun überstanden –

Hedda schüttelt den Kopf. Die Reise dürfte noch lange, – lange dauern. Ich bin unterwegs erst bei einer Station angekommen.

Brack. Na, so hüpft man heraus. Und macht sich ein bißchen Bewegung, Frau Hedda.

Hedda. Ich hüpfe nie heraus.

Brack. Wirklich nicht?

Hedda. Nein, denn es ist immer jemand da, der –

Brack lachend. – der einem auf die Beine sieht, meinen Sie?

Hedda. Ja eben.

Brack. Na aber, lieber Gott –

Hedda mit abwehrender Handbewegung. Mag das nicht. – Da bleibe ich lieber sitzen, – wo ich nun einmal bin. Unter vier Augen.

Brack. Nun, so steigt eben ein dritter Mann bei dem Paar ein.

Hedda. Ja, sehn Sie, – das ist ganz etwas anderes!

Brack. Ein erprobter, verständnisvoller Freund –

Hedda. – unterhaltend auf allerlei Gebieten, wo's ausgelassen zugeht –

Brack. – und nicht die Spur Fachmensch!

Hedda mit einem hörbaren Atemzug. Ja, das ist freilich eine Erleichterung.

Brack hört, wie die Eingangstür geöffnet wird und blickt verstohlen hin. Zu ist das Dreieck.

Hedda halblaut. Und der Zug fährt weiter.

Tesman, in grauem Straßenanzug und mit weichem Filzhut, kommt herein durchs Vorzimmer. Er hat einen ganzen Stoß uneingebundener Bücher unter dem Arm und in den Taschen.

Tesman geht an den Tisch beim Ecksofa. Puh, – den ganzen Berg da zu schleppen, – dabei konnte einem wirklich heiß werden. Legt die Bücher hin. Ich schwitze förmlich, Hedda. Ei, sieh da, sieh da, – sind Sie schon da, lieber Assessor? Was? Davon hat Berte nichts gesagt.

Brack steht auf. Ich bin durch den Garten gegangen.

Hedda. Was sind das für Bücher, die Du da mitbringst?

Tesman steht und blättert darin. Es sind ein paar neue Fachschriften, die ich notwendig brauche.

Hedda. Fachschriften?

Brack. Aha, es sind Fachschriften, Frau Tesman.

Brack und Hedda wechseln ein verständnisvolles Lächeln.

Hedda. Brauchst Du noch mehr Fachschriften?

Tesman. Ja, liebe Hedda, davon kann man nie genug haben. Man muß doch das verfolgen, was geschrieben und gedruckt wird.

Hedda. Ja, das muß man wohl.

Tesman sucht in den Büchern herum. Und sieh mal her, – da habe ich auch Lövborgs neues Buch aufgetrieben. Reicht es ihr. Hast Du vielleicht Lust hineinzusehen, Hedda? Was?

Hedda. Nein, danke sehr. Oder – ja, vielleicht später.

Tesman. Ich habe unterwegs ein bißchen drin geblättert.

Brack. Na, und was sagen Sie – als Fachmann?

Tesman. Ich sage, es ist merkwürdig, wie maßvoll es gehalten ist. So hat er früher nie geschrieben. Rafft die Bücher zusammen. Aber jetzt will ich die ganze Geschichte da hineintragen. Das Aufschneiden, das wird eine wahre Lust sein –! Und dann muß ich ein bißchen Toilette machen. Zu Brack. Wir brauchen doch wohl nicht gleich auf der Stelle zu gehen? Was?

Brack. I bewahre, – es eilt noch gar nicht.

Tesman. Na, so laß' ich mir also Zeit. Geht mit den Büchern ab, bleibt aber bei der Türöffnung stehen und wendet sich um. Ja so, Hedda, – Tante Julle kommt heut abend nicht zu Dir.

Hedda. Nicht? Ist vielleicht die Geschichte mit dem Hut schuld?

Tesman. Ach, keine Spur. Wie kannst Du nur so etwas von Tante Julle glauben! Denk nur –! Aber Tante Rina geht's so furchtbar schlecht, weißt Du.

Hedda. So geht es ihr doch immer.

Tesman. Ja, aber gerade heut geht es ihr ganz besonders schlimm, der armen Person.

Hedda. Na, dann gehört es sich auch so, daß die andre bei ihr bleibt. Ich werde mich schon drein finden.

Tesman. Aber Du kannst Dir gar nicht vorstellen, wie seelenvergnügt Tante Julle trotz alledem war, – weil Du Dich so herausgemacht hast auf der Reise.

Hedda steht auf, halblaut. Oh, – diese ewigen Tanten!

Tesman. Was?

Hedda geht zur Glastür. Nichts.

Tesman. Na also denn.

Er geht durch das Hinterzimmer hinaus nach rechts.

Brack. Was war das für ein Hut, von dem Sie gesprochen haben?

Hedda. Ach, das war eine Geschichte mit Fräulein Tesman heut früh. Sie hatte ihren Hut abgenommen und da auf den Stuhl gelegt. Sieht ihn an und lächelt. Und da tat ich, als ob ich ihn für den Hut des Dienstmädchens hielte.

Brack schüttelt den Kopf. Aber, beste Frau Hedda, wie konnten Sie ihr das nur antun, der biedern alten Dame!

Hedda nervös, geht durchs Zimmer. Ja, sehen Sie, – so was kommt über mich, ehe ich mich dessen versehe. Und dann kann ich nicht widerstehen. Wirft sich in den Lehnstuhl beim Ofen. Oh, ich weiß selbst nicht, wie ich es mir erklären soll.

Brack hinter dem Lehnstuhl. Sie sind nicht so recht glücklich, – das ist die Sache.

Hedda sieht vor sich hin. Ich wüßte auch nicht, warum ich – glücklich sein sollte. Oder können Sie mir es vielleicht sagen?

Brack. Ja, – unter anderm deshalb, weil Sie doch nun das Heim haben, das Sie sich gewünscht hatten.

Hedda sieht ihn an und lacht. Glauben Sie auch an die Wunschgeschichte?

Brack. Ist denn nichts daran?

Hedda. Ja doch – etwas ist dran.

Brack. Nun?

Hedda. So viel ist dran: ich ließ mich doch im vorigen Sommer von Tesman aus den Abendgesellschaften nach Haus begleiten –

Brack. Leider, – ich hatte doch einen ganz andern Weg.

Hedda. Das ist wahr. Sie gingen freilich andere Wege im vorigen Sommer.

Brack lacht. Schämen Sie sich, Frau Hedda! – Na – also was war mit Ihnen und Tesman –?

Hedda. Ja, also wir kamen hier eines Abends vorbei. Und Tesman, der arme Kerl, wußte sich vor Verlegenheit nicht zu lassen. Es fiel ihm nämlich kein Gesprächsthema ein. Da hatte ich Mitleid mit dem gelehrten Menschen –

Brack lächelt zweifelnd. Sie? Wirklich? Hm –

Hedda. Ja, ganz wahrhaftig. Und da – um ihm aus der Not zu helfen – da sagte ich aus purem Leichtsinn, ich hätte wohl Lust, hier in dieser Villa zu wohnen.

Brack. Mehr nicht?

Hedda. An dem Abend nicht.

Brack. Aber später?

Hedda. Ja. Mein Leichtsinn hatte Folgen, lieber Assessor.

Brack. Leider, – unsre Leichtsinnigkeiten haben das nur allzu oft, Frau Hedda.

Hedda. Danke sehr! In der Schwärmerei für die Falksche Villa also, sehen Sie, trafen sich Jörgen Tesman und ich verständnisinnig! Das führte zu Verlobung und Heirat und Hochzeitsreise, und zu was weiß ich. Ja, ja, lieber Assessor, – wie man sich bettet, so liegt man, – hätte ich fast gesagt.

Brack. Das ist köstlich! Und im Grunde haben Sie sich vielleicht aus der ganzen Geschichte hier nicht das Allergeringste gemacht.

Hedda. Nein, weiß Gott nicht.

Brack. Ja, aber was nun? Wo wir doch alles so hübsch gemütlich für Sie eingerichtet haben?

Hedda. Äh, – mir ist, als röche es hier in allen Zimmern nach Lavendel und getrockneten Rosen. – Aber den Geruch hat vielleicht Tante Julle mitgebracht.

Brack lacht. Nein, da glaube ich eher, der ist noch von der seligen Staatsrätin.

Hedda. Ja, etwas Verwestes ist dabei. Es erinnert an Ballblumen – den Tag drauf. Faltet die Hände hinter dem Nacken, lehnt sich in den Stuhl zurück und sieht ihn an. Ach, lieber Assessor, – Sie können sich nicht vorstellen, wie schauderhaft ich mich hier draußen langweilen werde.

Brack. Sollte Ihnen denn das Leben nicht irgend eine Aufgabe zu bieten haben, Frau Hedda?

Hedda. Eine Aufgabe, – die etwas Verlockendes haben könnte?

Brack. Eine solche am liebsten, natürlich.

Hedda. Gott weiß, was das für eine Aufgabe sein sollte. Manchmal denke ich daran – abbrechend. Aber das geht gewiß auch nicht.

Brack. Wer weiß? Lassen Sie hören.

Hedda. Wenn ich nun Tesman bewegen könnte, sich auf Politik zu werfen?

Brack lacht. Tesman! Nein, hören Sie mal, – so etwas wie Politik, das liegt ihm gar nicht – aber ganz und gar nicht.

Hedda. Ja, das will ich gern glauben. – Aber wenn ich ihn nun trotzdem dahin bringen könnte?

Brack. Ja, – was für eine Befriedigung würde Ihnen das gewähren? Wenn er nun doch nicht dazu taugt. Warum wollen Sie ihn denn dazu bewegen?

Hedda. Weil ich mich langweile, hören Sie doch. Nach einer kleinen Pause. Sie halten es also für ganz unmöglich, daß Tesman einmal Minister werden könnte?

Brack. Hm, – sehen Sie, liebe Frau Hedda, – um das zu, werden, müßte er zunächst mal ein einigermaßen reicher Mann sein.

Hedda steht ungeduldig auf. Da haben wir's! Es sind diese dürftigen Verhältnisse, in die ich hineingeraten bin –! Geht durchs Zimmer. Und die eben machen das Leben so erbärmlich, – so geradezu lächerlich! – Denn das ist es.

Brack. Ich glaube, die Schuld liegt wo anders.

Hedda. Wo denn?

Brack. Sie haben noch nie etwas so recht Aufrüttelndes erlebt.

Hedda. Etwas Ernstes, meinen Sie?

Brack. Ja, man kann es auch ganz gut so nennen. Doch das könnte vielleicht jetzt kommen.

Hedda wirft den Kopf zurück. Ach, Sie denken an die Widerwärtigkeiten mit dieser dummen Professur! Aber das mag Tesmans Sache bleiben. Dem opfere ich wahrhaftig auch noch nicht einen Gedanken.

Brack. Jaja, also sehen wir davon ab. Doch wenn nun das, – was man – so im höhern Stil – ernste und – und verantwortungsvolle Ansprüche nennt, an Sie heranträte? Lächelt. Neue Ansprüche, kleine Frau Hedda.

Hedda böse. Schweigen Sie! So etwas werden Sie nie erleben!

Brack behutsam. Wir sprechen uns wieder in Jahresfrist – allerhöchstens.

Hedda kurz. Ich habe keine Anlage zu so etwas, Herr Assessor. Nur nicht so etwas wie Ansprüche!

Brack. Sollten Sie nicht, wie die meisten andern Frauen, Anlage haben zu einem Beruf, der –?

Hedda an der Glastür. Ach, schweigen Sie doch, sage ich! – Manchmal glaube ich, ich habe Anlage nur zu einer Sache auf der Welt.

Brack geht näher. Und das ist, wenn ich fragen darf?

Hedda blickt hinaus. Mich zu Tode zu langweilen. Nun wissen Sie es. Wendet sich um, sieht nach dem Hinterzimmer und lacht. Richtig, na ja! Da ist der Herr Professor.

Brack leise warnend. Aber, aber Frau Hedda!

Tesman im Gesellschaftsanzug, Hut und Handschuhe in der Hand, kommt von der rechten Seite durchs Hinterzimmer.

Tesman. Hedda, – ist von Ejlert Lövborg keine Absage gekommen? Was?

Hedda. Nein.

Tesman. Na, dann wirst Du sehen, ist er gleich da.

Brack. Glauben Sie wirklich, er kommt?

Tesman. Ja, ich bin davon überzeugt. Denn das sind ja doch bloß lauter leere Gerüchte, was Sie heut früh erzählt haben.

Brack. So?

Tesman. Ja, wenigstens Tante Julle hat gesagt, sie glaubt im Leben nicht, daß er sich mir künftig in den Weg stellen würde. Denken Sie mal!

Brack. Na, dann ist ja alles schön und gut.

Tesman legt Hut und Handschuhe auf einen Stuhl zur Rechten. Aber Sie müssen schon gestatten, daß ich hier noch so lange wie möglich auf ihn warte.

Brack. Dazu haben wir noch reichlich Zeit. Bei mir kommt keiner vor sieben – halb acht.

Tesman. Na, dann können wir ja Hedda so lange Gesellschaft leisten. Und abwarten. Was?

Hedda trägt Bracks Überzieher und Hut hin aufs Ecksofa. Und schlimmsten Falls kann ja auch Herr Lövborg hier bei mir bleiben.

Brack will die Sachen selbst nehmen. Aber ich bitte, gnädige Frau! – Was verstehen Sie unter schlimmsten Falls?

Hedda. Wenn er nicht Lust hat, mit Ihnen und Tesman zu gehen.

Tesman sieht sie unschlüssig an. Aber liebe Hedda, – meinst Du, es geht an, daß er hier bei Dir bleibt? Was? Vergiß nicht, Tante Julle kann nicht kommen.

Hedda. Nein, aber Frau Elvsted kommt. Und dann trinken wir drei zusammen den Tee.

Tesman. Ja, sieh mal, dann geht es!

Brack lächelt. Und das dürfte vielleicht auch das Gesündere für ihn sein.

Hedda. Wieso?

Brack. Herrjeh, meine gnädige Frau, Sie haben sich doch schon oft genug über meine kleinen Junggesellenschmäuse mokiert. Die eigneten sich ausschließlich für wirklich prinzipienfeste Mannsleute, meinten Sie.

Hedda. Aber Herr Lövborg ist doch wohl jetzt hinreichend prinzipienfest. Ein bekehrter Sünder –

Berte kommt durch die Vorzimmertür.

Berte. Gnädige Frau, da ist ein Herr, der gern herein möchte –

Hedda. Lassen Sie ihn eintreten.

Tesman leise. Ich bin sicher, er ist es. Denk nur!

Ejlert Lövborg kommt durch das Vorzimmer. Er ist schlank und mager; im gleichen Alter wie Tesman, sieht aber älter und etwas abgelebt aus. Haar und Bart sind dunkelbraun, das Gesicht ist länglich und bleich und hat nur auf den Backenknochen ein paar rötliche Flecken. Er trägt einen eleganten schwarzen, ganz neuen Besuchsanzug. Dunkle Handschuhe und einen Zylinder in der Hand. In der Nähe der Tür bleibt er stehen und verbeugt sich hastig. Scheint etwas verlegen.

Tesman geht ihm entgegen und schüttelt ihm die Hand. Lieber Ejlert, – so sehen wir uns doch endlich einmal wieder!

Lövborg spricht mit leiser Stimme. Ich danke Dir sehr für Deinen Brief! Nähert sich Hedda. Darf ich auch Ihnen die Hand geben, Frau Tesman?

Hedda ergreift die dargereichte Hand. Willkommen, Herr Lövborg. Mit einer Handbewegung. Ich weiß nicht, ob die beiden Herren –?

Lövborg verbeugt sich leicht. Herr Assessor Brack, wenn ich nicht irre.

Brack ebenso. Habe die Ehre. Vor mehreren Jahren –

Tesman zu Lövborg, legt ihm die Hände auf die Schultern. Und nun tu grade so, als ob Du zu Hause wärst, Ejlert! Nicht wahr, Hedda? – Du willst Dich doch wieder in der Stadt niederlassen, höre ich? Was?

Lövborg. Das will ich.

Tesman. Na, das ist auch vernünftig. Du, hör' mal, – ich habe mir Dein neues Buch besorgt. Aber ich habe wahrhaftig noch keine Zeit gefunden, es zu lesen.

Lövborg. Die Mühe kannst Du Dir auch sparen.

Tesman. Wieso meinst Du?

Lövborg. Weil nichts weiter dran ist.

Tesman. Nein – was Du nicht sagst!

Brack. Aber es wird doch so riesig gelobt, höre ich.

Lövborg. Das wollte ich ja grade. Und ich schrieb das Buch so, daß alle mitgehen könnten.

Brack. Sehr vernünftig.

Tesman. Ja aber, lieber Ejlert –!

Lövborg. Denn nun will ich versuchen, mir wieder eine Stellung zu schaffen. Von vorn zu beginnen.

Tesman etwas verlegen. Ja, das kann ich von Dir verstehen! Was?

Lövborg lächelt, legt den Hut hin und zieht ein in ein Papier eingeschlagenes Paket aus der Rocktasche. Aber wenn das da herauskommt, – Jörgen Tesman – das sollst Du lesen. Denn das ist erst das Wahre. Das, worin ich selber bin.

Tesman. So? Und was ist es denn eigentlich?

Lövborg. Es ist die Fortsetzung.

Tesman. Die Fortsetzung? Wovon?

Lövborg. Von meinem Buch.

Tesman. Von dem neuen?

Lövborg. Versteht sich.

Tesman. Aber lieber Ejlert, – das geht doch schon bis zu unserer Zeit!

Lövborg. Allerdings. Und das hier handelt von der Zukunft.

Tesman. Von der Zukunft! Herrjeh, aber von der wissen wir doch gar nichts!

Lövborg. Nein. Aber es läßt sich immerhin eins und das andre von ihr sagen. Öffnet das Paket. Da sieh mal –

Tesman. Das ist ja nicht Deine Handschrift.

Lövborg. Ich habe diktiert. Blättert in den Papieren. Es ist in zwei Abschnitte eingeteilt. Der erste handelt von den Kulturmächten der Zukunft. Und hier der andere – blättert weiter hinten – der handelt von der Kulturentwicklung der Zukunft.

Tesman. Merkwürdig! Über so etwas zu schreiben, das könnte mir nie einfallen.

Hedda an der Glastür, trommelt auf die Scheiben. Hm –. Nein – nein.

Lövborg steckt die Schriftstücke in den Umschlag und legt das Paket auf den Tisch. Ich hab' es mitgebracht, weil ich Dir heut abend ein wenig draus vorlesen wollte.

Tesman. Ja, Du, das wäre riesig nett von Dir. Aber heut abend –? Sieht zu Brack hin. Ich weiß nicht recht, wie sich das anstellen ließe –

Lövborg. Na, also dann ein andermal. Es eilt ja nicht.

Brack. Ich will Ihnen sagen, Herr Lövborg, – heut abend ist eine kleine Fête bei mir. In erster Reihe für Tesman, verstehen Sie –

Lövborg sieht nach seinem Hut. Ah, – dann will ich nicht länger –

Brack. Aber so hören Sie doch. Möchten Sie mir nicht das Vergnügen machen, uns zu begleiten?

Lövborg kurz und bestimmt. Nein, das kann ich nicht. Danke Ihnen recht sehr.

Brack. Ach was! Tun Sie es doch! Wir sind ein kleiner, auserwählter Kreis. Und Sie dürfen glauben, es wird »ausgelassen«, wie Frau Hed –, wie Frau Tesman sagt.

Lövborg. Daran zweifle ich nicht. Trotzdem –

Brack. Dann könnten Sie Ihr Manuskript mitnehmen und bei mir Tesman daraus vorlesen. Denn ich habe Zimmer genug.

Tesman. ja, denk Dir nur, Ejlert, – das könntest Du doch! Was?

Hedda tritt dazwischen. Aber, mein Lieber, wenn Herr Lövborg doch nun einmal nicht will! Ich bin überzeugt, Herr Lövborg hat weit mehr Lust, hier zu bleiben und mit mir zu Abend zu essen.

Lövborg sieht sie an. Mit Ihnen, gnädige Frau!

Hedda. Und mit Frau Elvsted.

Lövborg. Ah – leichthin. Der bin ich heut Mittag flüchtig begegnet.

Hedda. So? Ja, sie kommt her. Und darum ist es beinah eine Notwendigkeit, daß Sie bleiben, Herr Lövborg. Denn sonst hat sie niemand, der sie nach Haus begleitet.

Lövborg. Das ist wahr. Besten Dank, gnädige Frau, – ja, dann bleibe ich also.

Hedda. So will ich nur dem Mädchen noch einen kleinen Auftrag geben –

Sie geht zur Vorzimmertür und klingelt. Berte tritt ein. Hedda spricht leise mit ihr und deutet nach dem Hinterzimmer. Berte nickt und geht wieder hinaus.

Tesman gleichzeitig zu Lövborg. Du, Ejlert, – die Sache hier über die Zukunft, – das ist wohl das neue Thema, – worüber Du Vorträge halten willst?

Lövborg. Ja.

Tesman. Denn beim Buchhändler hörte ich, Du wolltest im Herbst hier eine Reihe von Vorträgen halten.

Lövborg. Das will ich. Du darfst es mir nicht verdenken, Tesman.

Tesman. I Gott bewahre! Aber –?

Lövborg. Ich verstehe ja, daß es Dir einigermaßen in die Quere kommt.

Tesman verzagt. Ach, ich kann doch nicht verlangen, daß Du um meinetwillen –

Lövborg. Aber ich warte, bis Du Deine Ernennung hast.

Tesman. Du wartest! Ja aber, – aber – willst Du denn nicht mit konkurrieren? Was?

Lövborg. Nein. Ich will nur über Dich siegen. In der Anschauung der Leute.

Tesman. Herrjeh – aber dann hatte Tante Julle doch recht! Ach ja, – das hab' ich ja gewußt! Hedda! Denk Dir nur, – Ejlert hat gar nicht die Absicht, uns in den Weg zu treten!

Hedda kurz. Uns? Laß mich doch aus dem Spiel!

Sie geht ins Hinterzimmer, wo Berte steht und ein Servierbrett mit Karaffen und Gläsern auf den Tisch stellt. Hedda nickt beifällig und kommt wieder nach dem Vordergrund. Berte geht hinaus.

Tesman gleichzeitig. Aber Sie, Assessor, – was sagen denn Sie dazu? Was?

Brack. Na, ich sage, – Ehre und Sieg, – hm, – das mag ja etwas Wunderschönes sein –

Tesman. Ja, allerdings. Aber trotzdem –

Hedda sieht Tesman mit kaltem Lächeln an. Ich finde, Du siehst aus wie vom Blitz getroffen.

Tesman. Ja, – ungefähr so, – glaube ich fast –

Brack. Aber es war doch auch ein Gewitter, was über uns hingezogen ist, Frau Tesman.

Hedda zeigt nach dem Hinterzimmer. Wollen die Herren nicht hineingehen und ein Glas kalten Punsch trinken?

Brack sieht auf seine Uhr. Ein Abschiedsgläschen? Ja, das wäre gar nicht so übel.

Tesman. Ausgezeichnet, Hedda! Ganz ausgezeichnet! In so freier, leichter Stimmung, wie ich jetzt bin –

Hedda. Bitte schön, auch Sie, Herr Lövborg.

Lövborg abwehrend. Nein, ich danke sehr. Für mich nicht.

Brack. Herrgott, – aber kalter Punsch ist doch kein Gift, soviel ich weiß.

Lövborg. Für manchen vielleicht doch.

Hedda. Ich werde schon Herrn Lövborg so lange Gesellschaft leisten.

Tesman. Jaja, liebe Hedda, tu das nur.

Er und Brack gehen ins Hinterzimmer, setzen sich, trinken Punsch, rauchen Zigaretten und unterhalten sich lebhaft während des Folgenden. Lövborg bleibt am Ofen stehen. Hedda geht zum Schreibtisch.

Hedda mit etwas erhobener Stimme. Da will ich Ihnen einige Photographien zeigen, wenn es Ihnen recht ist. Tesman und ich – wir haben nämlich auf der Heimreise einen kleinen Abstecher nach Tirol gemacht.

Sie kommt mit einem Album, das sie auf den Tisch beim Sofa legt, und setzt sich in die obere Sofaecke. Lövborg tritt näher, bleibt stehen und sieht sie an. Dann nimmt er einen Stuhl und setzt sich an ihre linke Seite, mit dem Rücken gegen das Hinterzimmer.

Hedda schlägt das Album auf. Sehen Sie die Gebirgsgruppe da, Herr Lövborg! Das ist der Ortler. Tesman hat es drunter geschrieben. Hier steht es: Die Ortlergruppe bei Meran.

Lövborg, der sie unverwandt betrachtet hat, sagt leis und langsam: Hedda – Gabler.

Hedda wirft ihm schnell einen verstohlenen Blick zu. Na! Pst!

Lövborg wiederholt leise: Hedda Gabler!

Hedda sieht ins Album. Ja, so hieß ich früher. Zu der Zeit – als wir beiden miteinander bekannt waren.

Lövborg. Und fortan, – und fürs ganze Leben – muß ich mir also abgewöhnen zu sagen: Hedda Gabler.

Hedda blättert weiter. Ja, das müssen Sie. Und ich meine, Sie sollten sich beizeiten üben. Je früher, desto besser, scheint mir.

Lövborg mit zornerfüllter Stimme. Hedda Gabler verheiratet? Und noch dazu mit – Jörgen Tesman.

Hedda. Ja, – so geht's.

Lövborg. Ach, Hedda, Hedda, – wie konntest Du Dich so wegwerfen!

Hedda blickt ihn unwirsch an. Na? Nichts davon!

Lövborg. Wovon, meinst Du?

Tesman kommt herein und geht aufs Sofa zu.

Hedda hört ihn kommen und sagt gleichgültig: Und das hier, Herr Lövborg, das ist aus dem Ampezzotal unten. Sehen Sie nur die Bergspitzen! Sieht freundlich auf zu Tesman. Sag' mal, wie heißen sie doch, diese seltsamen Bergspitzen?

Tesman. Laß mal sehen. Ach, das sind ja die Dolomiten.

Hedda. Richtig, ja! – das sind die Dolomiten, Herr Lövborg.

Tesman. Du, Hedda, – ich wollte bloß fragen, ob wir nicht doch ein bißchen Punsch hier hereinstellen sollen. Wenigstens für Dich. Was?

Hedda. Sehr freundlich. Ja. Und vielleicht auch ein paar Kuchen.

Tesman. Keine Zigaretten?

Hedda. Nein.

Tesman. Schön.

Er geht ins Hinterzimmer und ab nach rechts. Brack sitzt drinnen und beobachtet Hedda und Lövborg von Zeit zu Zeit.

Lövborg mit gedämpfter Stimme, wie oben. So antworte mir doch, Hedda, – wie konntest Du das nur tun?

Hedda anscheinend ins Album vertieft. Wenn Sie fortfahren, Du zu mir zu sagen, dann rede ich mit Ihnen nicht mehr.

Lövborg. Darf ich auch nicht Du sagen, wenn wir allein sind?

Hedda. Nein. Sie können es meinetwegen denken. Aber sagen dürfen Sie es nicht.

Lövborg. Ah, ich verstehe. Das gibt Ihrer Liebe – zu Jörgen Tesman einen Stoß.

Hedda blickt verstohlen zu ihm hin und lächelt. Liebe? Sie sind wirklich gut!

Lövborg. Also nicht Liebe?

Hedda. Aber auch nicht so etwas wie Untreue! Davon will ich nichts wissen.

Lövborg. Hedda, – beantworten Sie mir nur das Eine –

Hedda. Pst!

Tesman, mit einem Servierbrett, kommt aus dem Hinterzimmer.

Tesman. So! Da kommen die guten Sachen.

Er stellt das Brett auf den Tisch.

Hedda. Warum kommst Du selbst und servierst?

Tesman füllt die Gläser. Weil es mir so riesigen Spaß macht, Dich zu bedienen, Hedda.

Hedda. Aber Du hast ja beide Gläser gefüllt. Herr Lövborg will ja doch nichts haben –

Tesman. Nein, ist ja wahr, – aber Frau Elvsted kommt wohl gleich.

Hedda. Richtig, ja, – Frau Elvsted –

Tesman. Hattest Du sie vergessen? Was?

Hedda. Wir sitzen hier so in die Bilder vertieft. Zeigt ihm ein Bild. Denkst Du noch an das kleine Städtchen da?

Tesman. Ach, der Ort am Fuß des Brenner! Da war es ja, wo wir übernachtet haben –

Hedda. – und die vielen lustigen Sommerfrischler getroffen haben.

Tesman. Gewiß – freilich. Denk nur an, – wenn Du hättest bei uns sein können, Ejlert! Was?

Er geht wieder hinein und setzt sich zu Brack.

Lövborg. Beantworten Sie mir nur die eine Frage, Hedda –

Hedda. Nun?

Lövborg. War in den Beziehungen zu mir auch keine Liebe? Auch darin nicht eine Spur, – nicht ein Schimmer von Liebe?

Hedda. Ja, wer kann das wohl sagen? Mir kommt es vor, wir wären wie zwei gute Kameraden gewesen. Zwei so recht vertraute Freunde. Lächelt. Sie besonders waren äußerst offenherzig.

Lövborg. Sie wollten das doch so haben.

Hedda. Wenn ich dran zurückdenke, so scheint mir, es lag doch etwas Schönes, etwas Verlockendes, – etwas Kühnes über – über dieser heimlichen Vertraulichkeit – dieser Kameradschaft, von der keine Menschenseele eine Ahnung hatte.

Lövborg. Ja, nicht wahr, Hedda! Das meine ich doch auch. – Wenn ich hinaufkam zu Ihrem Vater, so in den Nachmittagstunden –. Und der General saß hinten am Fenster und las die Zeitung, – den Rücken uns zugewandt –

Hedda. Und wir beide auf dem Ecksofa –

Lövborg. Immer in dasselbe illustrierte Blatt vertieft –

Hedda. In Ermanglung eines Albums, ja.

Lövborg. Ja, Hedda, – und wenn ich Ihnen dann beichtete –! Ihnen von mir erzählte, was kein andrer damals wußte. Dasaß und gestand, daß ich durchrast hatte ganze Tage und Nächte. Durchrast Stunde um Stunde – ohne Unterlaß. Ach, Hedda, – was war doch für eine Macht in Ihnen, die mich zwang so etwas zu gestehen.

Hedda. Glauben Sie, es war eine Macht in mir?

Lövborg. Ja, wie soll ich mir es denn sonst erklären? Und all diese – diese verhüllten Fragen, die Sie an mich richteten –

Hedda. Und die Sie so großartig verstanden haben –

Lövborg. Daß Sie solche Fragen stellen konnten! Ganz unbefangen!

Hedda. Verhüllt, wenn ich bitten darf.

Lövborg. Ja, aber doch unbefangen. Daß Sie mich ausfragen konnten über – über solche Dinge!

Hedda. Und daß Sie antworten konnten, Herr Lövborg.

Lövborg. Ja, das ist's ja eben, was ich nicht begreife – jetzt hinterher. Aber sagen Sie mir doch, Hedda, – war auf dem Grunde dieses Verhältnisses nicht doch Liebe? War nicht auf Ihrer Seite etwas wie das Streben, mich rein zu waschen, – wenn ich mich zu Ihnen flüchtete mit meinem Bekenntnis? War es das nicht?

Hedda. Nein, nicht ganz.

Lövborg. Was trieb Sie denn?

Hedda. Finden Sie das so ganz unerklärlich, daß ein junges Mädchen, – soweit es sich machen läßt – in aller Heimlichkeit –

Lövborg. Nun?

Hedda. Daß man dann gern ein bißchen hineingucken möchte in eine Welt, in der –

Lövborg. In der –?

Hedda. – in der man nicht Bescheid wissen darf?

Lövborg. Das war es also?

Hedda. Das auch. Das auch, – glaube ich beinah.

Lövborg. Kameradschaft im Lebensverlangen. Aber warum hätte die nicht wenigstens Dauer haben können?

Hedda. Daran sind Sie selber schuld.

Lövborg. Sie haben doch mit mir gebrochen.

Hedda. Ja, als Gefahr im Verzuge war, es könnte Wirklichkeit in das Verhältnis kommen. Schämen Sie sich, Lövborg, wie konnten Sie sich vergreifen – an – an Ihrem unbefangenen Kameraden!

Lövborg preßt die Hände zusammen. Ach, warum haben Sie nicht Ernst gemacht! Warum haben Sie mich nicht niedergeschossen, wie Sie mir gedroht hatten.

Hedda. Solche Angst habe ich vor dem Skandal.

Lövborg. Ja, Hedda, Sie sind feig im Grunde.

Hedda. Entsetzlich feige. Ablenkend. Aber das war ja doch ein Glück für Sie. Und nun haben Sie sich so hübsch getröstet oben bei Elvsteds.

Lövborg. Ich weiß, was Thea Ihnen anvertraut hat.

Hedda. Und Sie haben ihr vielleicht etwas anvertraut von uns beiden.

Lövborg. Kein Wort. Um so etwas zu verstehen, dazu ist sie zu dumm.

Hedda. Dumm?

Lövborg. In derlei Dingen ist sie dumm.

Hedda. Und ich bin feige. Beugt sich näher zu ihm hin, ohne ihm in die Augen zu sehen, und sagt leiser: Doch jetzt will ich Ihnen etwas anvertrauen.

Lövborg gespannt. Nun?

Hedda. Wenn ich nicht den Mut hatte, Sie niederzuschießen –

Lövborg. Ja?!

Hedda. – so war das nicht meine ärgste Feigheit – an jenem Abend.

Lövborg sieht sie einen Augenblick an, begreift und flüstert leidenschaftlich: Ach, Hedda! Hedda Gabler! Jetzt sehe ich einen verborgenen Grund hinter der Kameradschaft! Du und ich –! Es war doch der Lebenstrieb in Dir –

Hedda leise mit einem unwirschen Blick. Nehmen Sie sich in acht! Glauben Sie so etwas nicht!

Es hat begonnen zu dunkeln. Berte öffnet die Vorzimmertür von außen.

Hedda klappt das Album zu und ruft lächelnd: Na endlich! Liebste Thea, – so komm doch herein!

Frau Elvsted kommt vom Vorzimmer. Sie ist im Gesellschaftsanzug. Die Tür wird hinter ihr geschlossen.

Hedda, ins Sofa gelehnt, streckt ihr die Arme entgegen. Reizende Thea, – Du kannst Dir nicht denken, wie ich auf Dich gewartet habe!

Frau Elvsted wechselt im Vorübergehen einen leichten Gruß mit den Herren im Hinterzimmer, geht dann hin zum Tisch und reicht Hedda die Hand. Lövborg hat sich erhoben. Er und Frau Elvsted begrüßen einander mit stummem Kopfnicken.

Frau Elvsted. Ich sollte doch vielleicht hinein und ein paar Worte mit Deinem Manne reden?

Hedda. Ach, kein Gedanke. Laß die zwei nur sitzen. Die gehen ohnehin bald.

Frau Elvsted. Sie gehen?

Hedda. Ja, sie wollen zu einer Kneiperei.

Frau Elvsted schnell zu Lövborg. Aber Sie doch nicht?

Lövborg. Nein.

Hedda. Herr Lövborg – der bleibt hier bei uns.

Frau Elvsted nimmt einen Stuhl und will sich neben ihn setzen. Ach, wie schön ist es hier!

Hedda. Halt, meine kleine Thea! Nicht da! Du kommst hübsch hier zu mir herüber. Ich will in der Mitte sein.

Frau Elvsted. Ja, ganz wie Du willst.

Sie geht um den Tisch herum und setzt sich aufs Sofa rechts von Hedda. Lövborg setzt sich wieder auf den Stuhl.

Lövborg nach kurzer Pause, zu Hedda. Ist sie nicht reizend anzusehen?

Hedda streicht ihr leicht übers Haar. Bloß anzusehen?

Lövborg. Jawohl. Denn wir beide, – sie und ich, – wir sind zwei richtige Kameraden. Wir glauben unbedingt aneinander. Und deshalb können wir dasitzen und so unbefangen zusammen reden –

Hedda. Unverhüllt, Herr Lövborg?

Lövborg. Nun –

Frau Elvsted leise, schmiegt sich an Hedda. Ach, wie glücklich ich bin, Hedda! Denk Dir nur, – er sagt, ich hätte ihn auch begeistert.

Hedda sieht sie mit einem Lächeln an. So, sagt er das, mein Kind?

Lövborg. Und dann den Mut zur Tat, den sie hat, Frau Tesman!

Frau Elvsted. Ach Gott, – ich Mut!

Lövborg. Unbegrenzten Mut, – wenn es sich um den Kameraden handelt.

Hedda. Ja, Mut, – ja! Wer den hätte!

Lövborg. Was dann, – meinen Sie?

Hedda. Dann vermöchte man vielleicht doch das Leben zu ertragen. Lenkt plötzlich ab. Aber jetzt, meine beste Thea, – jetzt mußt Du wirklich ein Glas schönen kalten Punsch trinken.

Frau Elvsted. Nein, danke sehr, – ich trinke nie so etwas.

Hedda. Aber Sie doch, Herr Lövborg.

Lövborg. Danke, ich auch nicht.

Frau Elvsted. Nein, er auch nicht!

Hedda sieht ihn fest an. Auch nicht, wenn ich es haben will?

Lövborg. Hilft nichts.

Hedda lacht. Ich habe also gar keine Macht über Sie, ich Arme?

Lövborg. Nicht in diesem Punkt.

Hedda. Im Ernst gesprochen, ich meine, Sie sollten es doch tun. Ihrer selbst wegen.

Frau Elvsted. Aber Hedda –!

Lövborg. Wieso?

Hedda. Oder, besser gesagt, der Leute wegen.

Lövborg. So?

Hedda. Die Leute könnten ja sonst leicht auf den Gedanken kommen, Sie fühlten sich – im Grunde – nicht so recht unbefangen – nicht so recht sicher Ihrer selbst.

Frau Elvsted leise. Aber nicht doch, Hedda –!

Lövborg. Die Leute können meinetwegen glauben, was sie wollen, – vorläufig.

Frau Elvsted froh. Ja, nicht wahr!

Hedda. Ich sah es dem Assessor Brack vorhin ganz deutlich an.

Lövborg. Was denn?

Hedda. Er lächelte so höhnisch, wie Sie sich nicht getrauten, sich drin mit an den Tisch zu setzen.

Lövborg. Mich nicht getraute! Ich wollte natürlich lieber hier bleiben und mich mit Ihnen unterhalten.

Frau Elvsted. Das war doch ganz natürlich, Hedda!

Hedda. Aber das konnte doch der Assessor nicht ahnen. Und ich sah auch, daß er den Mund verzog und mit Tesman einen verstohlenen Blick wechselte, wie Sie sich nicht getrauten, in die kleine harmlose Gesellschaft mitzugehen.

Lövborg. Getraute! Sie sagen, ich getraute mich nicht?

Hedda. Ich habe das nicht gesagt. Aber der Assessor hat es so aufgefaßt.

Lövborg. Meinetwegen.

Hedda. Sie gehen also nicht mit?

Lövborg. Ich bleibe hier bei Ihnen und Thea.

Frau Elvsted. Ja, Hedda, – das kannst Du Dir doch denken!

Hedda lächelt und nickt Lövborg beifällig zu. Also Grundsätze – prinzipienfest für alle Zeit. Ja, so soll ein Mann sein! Wendet sich zu Frau Elvsted und tätschelt sie. Na, habe ich es Dir nicht gesagt, als Du heut morgen so ganz verstört hier hereinkamst –

Lövborg betroffen. Verstört!

Frau Elvsted in Angst. Hedda, – Hedda –!

Hedda. Nun siehst Du es selbst! Es ist ganz unnötig, daß Du in dieser Todesangst umherläufst – abbrechend. So! Jetzt wollen wir alle drei recht ausgelassen sein!

Lövborg ist zusammengefahren. Ah, – was soll das heißen, Frau Tesman!

Frau Elvsted. Ach Gott, ach Gott, Hedda! Was sagst Du da! Was tust Du da!

Hedda. So sei doch still! Der eklige Assessor sitzt drin und beobachtet Dich.

Lövborg. In Todesangst also. Um mich.

Frau Elvsted leise jammernd. Ach Hedda, – wie unglücklich hast Du mich nun gemacht!

Lövborg sieht sie eine Weile unverwandt an. Sein Gesicht ist verzerrt. Das also war des Kameraden unbefangener Glaube an mich.

Frau Elvsted flehend. Ach, liebster Freund, so hör' doch nur erst –!

Lövborg nimmt das eine gefüllte Punschglas, hebt es hoch und sagt leise mit heiserer Stimme: Auf Dein Wohl, Thea!

Er leert das Glas, stellt es hin und nimmt das andere.

Frau Elvsted leise. Ach Hedda, Hedda, – daß das Deine Absicht sein konnte!

Hedda. Absicht? Meine Absicht? Bist Du nicht bei Trost?

Lövborg. Und auch auf Ihr Wohl, Frau Tesman! Schönen Dank für die Wahrheit! Sie lebe!

Er trinkt aus und will das Glas wieder füllen.

Hedda legt die Hand auf seinen Arm. So, – für jetzt nicht mehr. Vergessen Sie nicht, daß Sie in Gesellschaft sollen.

Frau Elvsted. Nein, nein, nein!

Hedda. Pst! Sie sitzen drin und wenden kein Auge von Dir.

Lövborg stellt das Glas hin. Du, Thea, – nun sei aber einmal aufrichtig –

Frau Elvsted. Ja!

Lövborg. Wußte Elvsted davon, daß Du mir nachgereist bist?

Frau Elvsted ringt die Hände. Ach Hedda, – hörst Du, was er fragt?

Lövborg. War es eine Verabredung zwischen Dir und ihm, daß Du zur Stadt fahren und mir aufpassen solltest? Hat vielleicht Elvsted selbst Dich dazu veranlaßt? Aha! So! – Er brauchte mich wohl wieder in seiner Kanzlei. Oder hat er mich am Spieltisch vermißt?

Frau Elvsted leise, in Qual. Ach, Lövborg, Lövborg –!

Lövborg ergreift ein Glas und will es füllen. Der alte Schultheiß, der soll auch leben!

Hedda abwehrend. Lassen Sie jetzt. Vergessen Sie nicht, Sie sollen noch ausgehen und Tesman vorlesen.

Lövborg ruhig, stellt das Glas hin. Das – das war eine Dummheit von mir, Thea. Es so aufzufassen, meine ich. Sei mir drum nicht böse, Du lieber, lieber Kamerad. Du sollst sehn, – Du wie die anderen, – wenn ich auch einmal gesunken war, so –. Jetzt habe ich mich wieder aufgerafft! Mit Deiner Hilfe, Thea.

Frau Elvsted freudestrahlend. Ach, Gott sei Lob und Dank –!

Brack hat unterdessen auf seine Uhr gesehen. Er und Tesman stehen auf und kommen in den Salon.

Brack nimmt seinen Hut und Überzieher. Frau Tesman, nun hat unsere Stunde geschlagen!

Hedda. Das hat sie wohl.

Lövborg steht auf. Meine auch, Herr Assessor.

Frau Elvsted leise und bittend. Ach Lövborg, – tu es nicht!

Hedda kneift sie in den Arm. Sie hören Dich!

Frau Elvsted schreit schwach auf. Au!

Lövborg zu Brack. Sie waren so freundlich, mich einzuladen.

Brack. Na, Sie kommen also doch mit?

Lövborg. Ja, ich bin so frei.

Brack. Freut mich außerordentlich –

Lövborg steckt das Paket im Umschlag zu sich und sagt zu Tesman: Ich möchte Dir nämlich gern noch allerlei zeigen, ehe ich es abliefere.

Tesman. Denk nur, – das wird hübsch! – Aber, liebe Hedda, wer bringt denn nun Frau Elvsted nach Hause? Was?

Hedda. Ach, das wird sich schon finden.

Lövborg sieht zu den Damen hin. Frau Elvsted? Ich komme natürlich wieder und hole sie ab. Näher. So gegen zehn Uhr, Frau Tesman? Paßt Ihnen das?

Hedda. Ja, gewiß. Das paßt ausgezeichnet.

Tesman. Na, dann ist ja alles in schönster Ordnung. Aber mich darfst Du nicht so zeitig erwarten, Hedda.

Hedda. Ach, mein Lieber, bleib Du nur so lange, – solange Du willst.

Frau Elvsted in verhaltener Angst. Herr Lövborg, – ich warte also hier, bis Sie kommen.

Lövborg mit dem Hut in der Hand. Versteht sich, gnädige Frau.

Brack. So! Nun geht der Vergnügungszug ab, meine Herren! Ich hoffe, es wird ausgelassen werden, wie eine gewisse schöne Frau sagt.

Hedda. Ach, könnte doch diese schöne Frau unsichtbar zugegen sein –!

Brack. Warum unsichtbar?

Hedda. Um etwas von Ihren unverfälschten Ausgelassenheiten zu hören, Herr Assessor.

Brack lacht. Das möchte ich der schönen Frau denn doch nicht geraten haben.

Tesman lacht auch. Nein, Du bist aber gut, Hedda. Denk nur!

Brack. Also adieu, adieu, meine Damen!

Lövborg verbeugt sich zum Abschied. Also um zehn herum.

Brack, Lövborg und Tesman gehen hinaus durch die Vorzimmertür. Gleichzeitig kommt Berte aus dem Hinterzimmer mit einer brennenden Lampe, die sie auf den Salontisch stellt; dann geht sie denselben Weg wieder hinaus.

Frau Elvsted ist aufgestanden und geht unruhig durch das Zimmer. Hedda, – Hedda, – was soll aus alledem werden!

Hedda. Um zehn – dann kommt er also. Ich sehe ihn vor mir. Mit Weinlaub im Haar. Heiß und voll Freude –

Frau Elvsted. Ja, wenn es doch nur so wäre!

Hedda. Und, sieh mal, dann – dann hat er über sich selbst wieder Macht bekommen. Dann ist er ein freier Mann für sein ganzes Leben.

Frau Elvsted. Ach Gott, ja, – wenn er nur so kommen möchte, wie Du ihn Dir vorstellst.

Hedda. So und nicht anders kommt er! Steht auf und nähert sich ihr. Zweifle Du an ihm, so viel Du willst. Ich glaube an ihn. Und nun werden wir einmal sehen –

Frau Elvsted. Du führst etwas im Schilde, Hedda!

Hedda. Allerdings. Ich will ein einziges Mal in meinem Leben die Herrschaft haben über ein Menschenschicksal.

Frau Elvsted. Hast Du das denn nicht?

Hedda. Habe es nicht – und habe es nie gehabt.

Frau Elvsted. Aber doch über das Deines Mannes?

Hedda. Das wäre wohl der Mühe wert! Ach, könntest Du nur begreifen, wie arm ich bin. Und Dir soll es vergönnt sein, so reich zu sein! Umarmt sie leidenschaftlich. Ich glaube, ich senge Dir doch noch das Haar ab!

Frau Elvsted. Laß mich! Laß mich los! Ich habe Angst vor Dir, Hedda!

Berte in der Türöffnung. Der Teetisch ist gedeckt drin im Speisezimmer, gnädige Frau.

Hedda. Gut. Wir kommen.

Frau Elvsted. Nein, nein, nein! Lieber will ich allein nach Haus gehen! Jetzt auf der Stelle!

Hedda. Unsinn! Erst sollst Du Tee trinken, Du Närrchen. Und dann, – um zehn, – kommt Ejlert Lövborg – mit Weinlaub im Haar.

Sie zieht Frau Elvsted fast mit Gewalt hin zur Türöffnung.


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