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Teufeleien

I

Ich zeichne die nachfolgende seltsame Begebenheit auf, damit man dereinst über die verwundersamen Wege Gottes erstaune und damit die Wahrheit an den Tag komme, die ich liebe und immer geliebt habe, wenn ihr auch nicht leicht einer so böslich mitgespielt haben mag wie ich. Deshalb trage ich auch Sorge, daß niemand hinter diese Historie gerate, so lange ich lebe, denn sonst möchte mir meine Bemühung zu großer Trübsal ausschlagen. Was alles man desto besser begreifen wird, wenn man bis ans Ende dieser Chronika gediehen ist.

Es war im April des Jahres 1583, als es anhub. Damals wurde dem Rat hiesiger Stadt hinterbracht, auf der großen Wiese, des Seckelmeisters Hause gegenüber, habe man in der Nacht allerlei Ungewöhnliches und Unrichtiges wahrgenommen. Es habe etwas gerauscht und gemunkelt, hüpfende Lichtlein habe man gesehen, dazu Gestalten, die menschenähnlich erschienen wären, ja, es wollte sogar einer die Tochter des Seckelmeisters erkannt haben. Diese Meldung setzte die Herren vom Rate in nicht geringe Verlegenheit, da ein so hohes Haupt wie der Seckelmeister in bedenklich sich anlassender Weise darein verwickelt zu werden schien. Obschon ihm nämlich seines Reichtums und seiner Hoffart wegen viele mißgünstig waren, so hielten diese Herren dem Volke gegenüber doch zusammen wie Schwammpilze und setzten ihn insgeheim von dem Vorgang in Kenntnis, mit Andeutung, wenn eine verschwiegene Sache vorliege, wolle man sorgen, daß nichts davon unter die Leute komme. Indessen nahm der Seckelmeister die Mahnung übel entgegen und sagte als ein leicht aufbrausender Mann, ob man ihn oder sein Kind etwa eines Vergehens bezichten wolle? Es wüchse manch ein Grashalm auf der Wiese, der ihn nicht um Erlaubnis früge, und auch die Buben, die sich im Herbst Äpfel und Birnen von den Bäumen schüttelten, holten nicht zuvor seinen Rat ein. Seiner Tochter Bild tanze manchem vor den Augen, ohne daß sie's wisse noch wolle, ihm und ihr sei's leid genug, man möge kommen und ihm ins Angesicht klagen, wenn man den Mut habe, er wolle schon Rede stehen. Dieser Übermut verdroß die Ratsherren, und der Bürgermeister war nicht faul und gab ein herrliches Beispiel strenger Gerechtigkeit, denn er trachtete dem Ruhme nach, mit jenem alten Römer namens Brutus verglichen zu werden, welcher seine eigenen Söhne ohne Ansehen der Person köpfen ließ, als sie sich gegen das Staatswesen vergangen hatten. So erklärte er nun, möge daraus entstehen was da wolle, er werde der Sache auf den Grund kommen, und jedermann, der in besagter Nacht etwas gesehen oder gehört hatte, mußte es nochmals umständlich wiederholen. Sodann wurde des Seckelmeisters Tochter, die Trud, vorgeladen und je anmutiger sie unter die Herren trat, desto finsterer wurden deren Mienen, der Bürgermeister insbesondere sah aus, als ob er sich jeden Bestandteil ihrer weiblichen Lieblichkeit als schwerwiegenden Verdachtsgrund aufnotiere. Der Seckelmeister selbst war von dieser Sitzung ausgeschlossen, weil er als Vater der Angeschuldigten allzusehr mit dem Herzen beteiligt war. Ich hatte die Aussagen aller Personen schön formuliert in ein geheimes Büchlein einzutragen, was die Ursache ist, daß ich von diesen Dingen so ausführlich Bescheid weiß.

Da man nun die Trud fragte, ob sie in jener Nacht auf der Wiese ihres Vaters Hause gegenüber gewesen sei, machte sie ein hochmütiges Gesicht, worauf sie sich fast noch besser als er verstand, und sagte, darüber habe sie niemand Rede zu stehen als etwa ihrem Vater. Obwohl sie sich aber so stolz und kühl gebärdete, war es doch nicht zu verkennen, daß ihr die Frage unlieb gekommen war, und ich konnte mich des Gedankens nicht erwehren, als hätte sie sich am liebsten in ein Mücklein oder sonst ein kleines Flügeltier verwandelt, um geschwind und unbemerkt zu entwischen. Auf ihre vorlaute Antwort hielt nun der Bürgermeister eine nachdrückliche Rede über das Gesetz und die Gewalt der Regierung und die Gerechtigkeit und mehreres dergleichen, so herrlich und prächtig, daß auch dem Verstocktesten die Bedeutung dieser Dinge dadurch hätte klar werden müssen. Die Trud beobachtete inzwischen das würdige Haupt aus zwinkernden Augen, von denen man nicht recht wußte, ob sie lachten oder nicht; erst als der Bürgermeister mit den Worten schloß, sie werde nun wohl eingesehen haben, daß sie alles und jedes, Gutes oder Böses, sei es ihr Vorteil oder ihr Nachteil, eingestehen müsse, schien es ihr wieder bänglicher zumute zu werden, wenn sie es auch hinter einer trotzigen Miene zu verdecken suchte. Als ihr aber die Aussage des Zeugen vorgehalten wurde, welcher sie selber erkannt haben wollte und neben ihr eine männliche Gestalt – was er zwar nicht eidlich erhärten wollte, da des Nachts oft böse Geister ihr Spiel trieben und einen verblendeten und verwirrten –, geriet sie vollends in eine sichtbare Verlegenheit, die der Bürgermeister benutzte, um mit Ermahnungen und Aufmunterungen auf sie einzudringen. Plötzlich, nachdem sie eine Weile mit sich selber gekämpft zu haben schien, sah sie die Herren der Reihe nach an und sagte vernehmlich mit klarer Stimme: »Also will ich sagen, daß ich in der Nacht auf der Wiese war, und auch, wer jene andere Gestalt neben mir war: es war der Teufel.« Diese Worte riefen unter den versammelten Ratsherren die allergrößte Bestürzung hervor. Der Bürgermeister faßte sich zuerst, sprach ein kurzes Gebet und fragte mich, ob ich die Aussage des Fräuleins aufgeschrieben hätte. Da ich es verneinte, denn mir war vor Schrecken die Feder entfallen, sagte er, es sei gut, denn die Sache sei sehr ernst und peinlich und könne nicht ohne Hinzuziehung geistlicher Männer an Hand genommen werden. Der Trud kündigte er an, sie werde in ein anständiges Gewahrsam gebracht werden, bis man ihre weiteren Geständnisse entgegennehmen könne. Die Trud machte große Augen und sagte, man möge sie doch nur anhören, es habe gar nichts auf sich, sie habe den Teufel, wie es sich von selbst verstehe, sogleich mit harten Worten abgefertigt und sei überzeugt, er werde nicht wiederkommen; der Bürgermeister blieb dabei, es sei ein zum Teil geistlicher Fall, den der Rat nicht allein beurteilen könne.

In Bälde waren die beiden Pfarrer unserer Hauptkirchen herbeigeholt und an die beiden Enden des langen Ratstisches verteilt, da sie einander spinnefeind waren, was jedermann wußte. An dieser Feindschaft waren, abgesehen von Umständen persönlicher Art, ihre abweichenden Ansichten über theologische Fragen schuld, indem nämlich der Pfarrer an der Blasiuskirche die Glaubenslehre mehr mit dem Herzen auslegte, wie er es nannte, während der von der Anastasiuskirche behauptete, das Herz sei fleischlich und man müsse sich an das Wort halten, welches der Geist sei. Da nun der Blasius mit einem geschleckten Antlitz und einer honigträufelnden Stimme versehen war, auch mehr von den Gefühlen seines Busens als von verständigen Dingen redete, hatte er viel Zulauf von den Weibern und galt für einen Heiligen; hingegen war der Anastasius eine hochgeachtete Person, mit dem man sich freilich hütete in eine nähere Berührung zu kommen, denn er hätte ohne Federlesen sein eigenes Fleisch und Blut geschlachtet, wenn es Gottes Geheiß gewesen wäre. Das Volk sah deswegen den Anastasius mit dem Bürgermeister für die weltlichen und geistlichen Stützpfeiler des Staatswesens an, und der Bürgermeister, welcher das wohl wußte, ging mit Vorliebe neben dem Anastasius über die Straße, um der Menge den Anblick der beiden wandelnden Säulen zu gönnen. Des Anastasius innerlich verborgene Meinung war freilich, der Bürgermeister sei nur so viel wert wie eine Säule von Pappdeckel, die im Innern hohl sei.

Die zweite Sitzung eröffnete der Bürgermeister mit Worten voll würdiger Trauer und forderte darnach die Trud auf, nunmehr unverhohlen zu gestehen, was sich von Anfang bis zu Ende mit dem Teufel zugetragen habe. Die Trud warf einen suchenden Blick nach der Decke des Zimmers und einen andern aus dem Fenster und sagte dann leichthin, es sei weiter nichts zu erzählen, als daß sie auf die Wiese gegangen sei, um ein Schmuckstück zu suchen, dessen Verlust sie ihrem Vater habe verheimlichen wollen, und daß ihr plötzlich der Teufel in den Weg getreten, aber auf ihre standhafte Bedrohung hin völlig, wenn auch unter garstigem Schnauben und Pusten, wieder verschwunden sei. Auf die Frage, ob ihr der Teufel da zum ersten Male erschienen sei, erwiderte sie ja und beharrte darauf. Da man in sie drang, genau anzugeben, wie der Teufel ausgesehen und was er gesprochen habe, behauptete sie, gesprochen habe er nicht, sondern sie nur am Kleide gezerrt, ausgesehen habe er durch und durch feurig, mehr habe sie wegen der Dunkelheit und des Schreckens nicht erkennen können. Aber der Bürgermeister ließ sich nicht beirren und fragte mit einem triumphierenden Lächeln, warum die Jungfrau denn anfänglich die ganze Begegnung habe verleugnen wollen. Einen Augenblick stutzte die Trud, dann entgegnete sie freimütig, es habe nun einmal niemand gern mit dem Teufel zu tun, neulich seien erst mehrere Hexen verbrannt worden, das habe ihr im Sinne gelegen; dann aber habe sie sich gesagt, der unbestechlichen Gerechtigkeit des Bürgermeisters dürfe sie sich schon anvertrauen, und ihm gegenüber sei es ebenso töricht wie nutzlos, etwas anderes als die pure Wahrheit bekennen zu wollen. Hierauf machte der Bürgermeister ein noch viel ernsthafteres Gesicht als zuvor und sagte, daß er gerecht sei, werde sie allerdings erfahren; wenn sie unschuldig sei, zu ihrem Vorteil, wenn nicht, umgekehrt. Dann aber schlug er einen sanfteren Ton an, fragte die Trud, ob sie sich setzen wolle, und dann die beiden Geistlichen, ob sie eine Anmerkung zu machen wünschten. Es erhob sich nun zwischen diesen beiden ein Zwist über eine heikle und spitzfindige Sache, nämlich, ob es möglich sei, daß der Teufel ganz unschuldige Menschen anfalle, oder ob er sich nur an solche mache, von denen er wisse, daß sie seinen Verführungen früher oder später zugänglich sein werden. Der Blasius, welcher der Trud, die seine Kirche nicht besuchte, abgeneigt war, sagte, sie sei zwar keine ausgebildete, noch nicht einmal eine angehende Hexe, aber eine Hexe im Keime und ex facultate, sonst hätte ihr der Teufel gar nicht erscheinen können. Der Anastasius dagegen behauptete, zeigen könne sich der Teufel jedem, wem er wolle, ja es sei ihm sogar eine besondere Anreizung, die Unschuld zu Falle zu bringen, was er an vielen Beispielen erläuterte und erhärtete. Für die Trud war es ein glücklicher Umstand, daß der Anastasius, welcher als streng und unerbittlich in Glaubensfragen berühmt war, die dem Mädchen günstige Auslegung vertrat, denn nun glaubte ein jeder das gleiche tun zu dürfen, und im Grunde wäre es allen überaus unlieb gewesen, wenn die Obrigkeit durch solche Greuel in ihrem eigenen Schoße Aufsehen und Ärgernis erregt hätte.

Die Trud hörte dem Disput der beiden Pfarrherren aufmerksam zu, und indem ich sie betrachtete, kam mir der Gedanke, dem Aussehen nach könne sie wohl eine Hexe sein. Denn weil sie gerade vielleicht vor innerer Erregung von bleicher Farbe war, schienen ihre Lippen röter zu sein als sonst, und mit ihren Augen wußte sie so zu blicken, daß einem wundersame Gedanken dabei kommen konnten, bald listig und spöttisch, bald wieder so süß, daß man meinte, man habe sich vorher durch ein Spiel des Lichts in ihren Glanzaugen täuschen lassen. Etwa folgende Sätze brachte der Blasius vor: »Können wir das Überirdische mit unseren Sinnen sehen? Wir können Gott nur wahrnehmen mit den Gefühlen unseres Busens. Verhält es sich anders mit dem Teufel? Wer den Teufel sieht, der fühlt ihn auch in seinem Innern. Seht ein schlafendes Kindlein an, es träumt von Engeln, weil es selber ein Englein ist. Wer böse ist, dem träumt es von bösen Teufeln!« So schön dies auch zu klingen schien, war es doch nichts anderes als Unglauben und Faselei, wie der Anastasius sogleich nachwies. Denn, sagte er, es sei gefährlich und heidnisch, die Gebilde des Glaubens in Empfindungen auflösen zu wollen. Gott und der Teufel seien Personen so gut wie er selbst und der Blasius Personen seien, und so gut wie er und der Blasius in Erscheinung treten könnten, vor wem sie wollten, könne es auch der Teufel. Wenn man den Teufel zu einer Vision der Bösen und Gott zu einer Vision der Guten machen wolle, könne ein jeder kommen und an seine aberwitzigen Visionen glauben machen wollen, und dann sei das Chaos da. Auf diese Worte wiegten alle Ratsherren bedenklich den Kopf und warfen ernste Blicke auf den Blasius, welcher geschwind beteuerte, er habe keinerlei Zweifel an der Wirklichkeit des Teufels äußern wollen, seine Meinung sei nur, man müsse ein wachsames Auge auf des Seckelmeisters Tochter haben, denn wem der Teufel einmal erschienen sei, dem könne er auch ein zweites Mal erscheinen. Dieser Ansicht pflichteten alle bei, doch sei das dem Vater zu überlassen, der Jungfrau wolle man nur fleißigen Kirchenbesuch und überhaupt Wachen und Beten empfehlen, sie im übrigen Gott anheimstellen.

Der Seckelmeister, welcher doch in einige Angst und Sorge geraten war, gewann bei diesem Ausgange sogleich seinen vorigen Hochmut wieder und rümpfte die Nase zu den Ermahnungen, die seiner Tochter wegen an ihn gerichtet wurden. Dem Volke gegenüber beschloß man die Sache möglichst geheim zu halten und es verlautete nichts weiter, als daß die Unschuld der Seckelmeisterstochter klar erwiesen, das nächtliche Unwesen auf der Wiese aber wohl ein leeres Blendwerk gewesen sei, das sich bei gehörigem Gottvertrauen nicht wiederholen werde.

Hiermit schien die ganze Angelegenheit erledigt zu sein, da begegnete mir am nächstfolgenden Sonntag etwas Unerwartetes und Wunderbares. Während ich mit meinem zahmen Raben Balthasar nach meiner sonntäglichen Gepflogenheit allerhand Kurzweil trieb, hatte ich das Geläut zum Kirchengange überhört und konnte nicht darauf rechnen, noch vor der Predigt einzutreffen. Ich wußte aber wohl, daß der Anastasius, dessen Kirche ich besuchte, ein störendes Zuspätkommen mit strengen Blicken zu rügen pflegte, und fragte mich, ob die unsichere Möglichkeit, er könne mein völliges Ausbleiben bemerken, nicht der sicheren Beschämung vorzuziehen sei. Dies erwägend ging ich langsam durch die Straßen, die völlig menschenleer waren, da die gesamte Bürgerschaft dem Gottesdienste beiwohnte, und schlug in meinen Gedanken den schmalen Pfad ein, der über die Wiese dem Seckelmeistershause gegenüber führte. Die Wiese war um diese Jahreszeit über und über voll von gelbem Löwenzahn und in der Luft war ein unablässiges Gesumme von den zahllosen Bienen, die durch die blühenden Fruchtbäume angelockt wurden. Indem ich den reichen Segen der Bäume betrachtete, trafen meine Augen auf das allermerkwürdigste und schönste, was sie jemals gesehen hatten. Ein alter großer Birnbaum war so gebaut, daß ziemlich dicht über der Erde ein starker Ast vom Stamme abbog und ein Stücklein wagrecht fortwuchs, wodurch ein bequemer Sitz eingerichtet zu sein schien; in dieser Gabelung erblickte ich dicht nebeneinander einen Mann und ein Mädchen, die von unterdrücktem Gelächter so stark erschüttert wurden, daß der dicke Ast, auf dem sie saßen, sich ein wenig hin und her bewegte und weiße Blättlein auf die beiden herabfallen ließ. Sie gaben sich augenscheinlich Mühe, ihr Lachen nicht laut hinausschallen zu lassen, aber unversehens entwischte der Kehle ein heller Ton, was ihre Heiterkeit nur noch erhöhte, so daß sie sich gar nicht wieder beruhigen konnten. Während ich noch stand und staunte, drehte die Jungfrau den Kopf und ich erkannte deutlich des Seckelmeisters Trud, hörte sie auch mit halblauter Stimme etwa folgende Worte sagen: »und als sie mich fragten, wie der Teufel aussähe, hätte ich gerne geantwortet, gerade wie der Junker Claudius von Matten.« »Das würden sie dir aufs Wort geglaubt haben«, hörte ich den Mann erwidern, worauf sie sich gegeneinanderbogen, um sich zu küssen, und dann von neuem an zu lachen fingen. Ich hatte aber nicht sobald den Namen des Junkers Claudius vernommen, als ich gewaltig erschrak, denn mit dem hatte es folgende Bewandtnis: er hatte vor etwa zwei Jahren für den französischen Kriegsdienst ein Regiment in unserm Lande angeworben trotz dem Verbot unserer Regierung. Man würde zwar schon ein Auge zugedrückt haben, wenn nicht das ganze Kriegsunternehmen unglücklich ausgefallen und vorzüglich wenn nicht gerade damals eine große Partei im Rate dem französischen Bündnis abhold gewesen wäre. Also gab der Bürgermeister ein Exempel der Gerechtigkeit und der Junker wurde aus Stadt und Land verbannt, unter Androhung, daß ihn die Todesstrafe treffen würde, wenn er sich auf unserm Gebiete wiederum blicken ließe. Sein ärgster Widersacher war aber, wie es jedermann wußte, der Seckelmeister gewesen, der die Franzosen haßte und es vielmehr mit den Spaniern hielt, und er und sein Anhang hatten ein Gerücht verbreitet von des Junkers Wildheit, Grausamkeit und Rauflust, so daß ich mich nicht wenig verwunderte, ihn neben einer Jungfrau in einem Blütenbaum zu erblicken, mit kindischen Tändeleien beschäftigt. Indem ich voll Schrecken alles dieses überdachte, wurden die beiden meiner gewahr, und wir warfen entsetzte Blicke aufeinander, ohne ein Wort zu sagen. Zuletzt bog sich die Trud, welche ich ja von Kindesbeinen an kannte, aus dem Gezweig gegen mich vor und fragte, ob ich etwa ihr Gespräch vernommen hätte. Ich sagte: »Was ich vernommen habe, ist nicht viel, aber merkwürdig.« Sie richtete nun einen bangen, forschenden Blick auf mich, so recht, als wollte sie in mein Inneres damit eindringen, da das aber nicht anging, stieß sie einen nachdenklichen Seufzer aus und sah ihren Gefährten an, worauf sie beide wieder an zu lachen fingen, daß es mich gleichfalls ergriff und ich einstimmte. »Wenn Ihr wirklich der Junker Claudius von Matten seid,« sagte ich sodann, »tätet Ihr besser, Euch flink auf und davon zu machen, bevor die Bürgerschaft aus der Kirche kommt.«

Während die Trud den dunkeln Jünglingskopf rasch und fest an sich drückte, fügte ich noch hinzu, sie sollten keine Angst haben, verraten würde ich sie nicht, obgleich hier ein wirkliches Lügen und Trügen im Werke zu sein scheine, desgleichen mir noch nicht vorgekommen wäre. Die Trud sah mich daraufhin gar eigen trübselig und kläglich an, daß es einen Stein hätte erbarmen können, und sagte: »Was hätte ich denn tun sollen? Hätte ich sagen sollen: Der Junker Claudius von Matten war auf der Wiese? Wäre mir etwas besseres eingefallen, ihn zu retten, hätte ich das lieber vorgebracht, aber es kam mir nichts anderes in den Sinn. Glaubt Ihr, daß ich eine große Sünde begangen habe?« Ich sagte, wir seien allzumal Sünder und der Gnade Gottes bedürftig, sie möge aber seine Langmut, nun ihr dieser Streich geglückt sei, nicht allzuhäufig auf die Probe stellen oder ob sie etwa einer hohen Obrigkeit ihren Teufel einmal am lichten Tage vorstellen wolle. In diesem Augenblick begann das Ausläuten der Kirche und sogleich sprangen die beiden von ihrem lieblichen Sitz herunter, faßten sich beim Kopf, küßten sich, und weg war der Junker mit einer solchen Geschwindigkeit, daß man allenfalls hätte meinen können, er sei auf eine teuflische Art verschwunden. Sein Pferd stehe im nahen Gehölz und trage ihn im Umsehen über die Grenze, sagte die Trud und sah dazu so jämmerlich bekümmert aus, daß ich mich bewogen fühlte, ihr tröstlich zuzusprechen, und etwa folgendes sagte: »Seid doch seinetwegen nicht in Sorgen, Fräulein, denn wenn er auch nicht der Teufel selbst ist, so scheint er doch den Teufel im Leibe zu haben und wird das Stücklein schon gewinnen.« Sie nickte und lächelte, hing sich an meinen Arm und sagte schmeichelnd: »Liebster Potzmarterle, nimm mich ein wenig mit in dein Haus, damit ich den Leuten da nicht begegnen muß, die nun aus der Kirche kommen. Ich erzähle dir dann, wie alles das zusammenhängt.«

Ich will an dieser Stelle einige Worte über Bedeutung und Herkunft des Namens »Potzmarterle« einschalten, mit dem mich die Leute hierorts gemeiniglich zu nennen pflegen. Ich hatte lange das mühselige Amt eines Schulmeisters hiesiger Stadt bekleidet, dasselbe auch zu großer Zufriedenheit von Jugend und Alter versehen, abgesehen davon, daß ich bei manchen tugendliebenden Leuten Anstoß erregte durch meine Gewohnheit, nicht selten einen Fluch oder etwas derartiges als Potz Wetter! oder Potz Marter! oder Ins Teufels Namen! in meine Gespräche einzumischen. Auch wurde ich mehrfach von der Obrigkeit gemahnt, dies Fluchen und Schwören aufzugeben, konnte aber durchaus nicht davon lassen, wie ein anderer nicht vom Schielen oder Stottern lassen kann. Als es nun an den Tag kam, daß müßige Buben mir nach einem häufig von mir angewandten Fluch den Namen »Potzmarterle« gegeben hatten, und allmählich jedermann mich dabei nannte, als sei es mein Geschlechtsname, zeigte sich die Obrigkeit über die Maßen unzufrieden und ließ mir einen strengen geistlichen Vorhalt machen wegen dieses gotteslästerlichen Benehmens. Kurz und gut, das Ende davon war, daß ich meines Schulmeisteramtes enthoben wurde, was mir insofern lieb war, als es schwierig und mühselig ist, nichtsnutzigen Rangen Dinge beizubringen, von denen sie nichts wissen wollen, insofern aber leid, als ich mir diese Art der Lebensführung nun einmal angewöhnt hatte und außerdem mit der Veränderung ein beträchtlicher Rückgang meines Vermögens verbunden war. Zwar tat die Obrigkeit ein Einsehen und beauftragte mich oft mit feinen und sinnreichen Schreibereien, auf die sich kein anderer verstand, wie ich denn besonders bei gerichtlichen Verhandlungen meistens das Protokoll führte, und da ich mich solcher Aufträge bestens entledigte, wurde mir auch eine Behausung eingeräumt, die ich kostenfrei beziehen durfte. Freilich hätte dieselbe sonst leer und für die Mäuse dagestanden, denn im Grunde war es nichts als ein altes wackliges Lusthäuschen, in einer Ecke des Schulgartens gelegen, der zuvor der Park eines vornehmen Geschlechtes gewesen war. Ich hatte mir die Wohnung aber so lieblich eingerichtet, daß die Trud nicht wenig erbaut war über den angenehmen Aufenthalt, und vollends geriet sie außer sich vor Vergnügen, als sie meinen Raben Balthasar erblickte, der ihr sogleich auf die Schulter sprang und sein schwarzglänzendes Köpfchen an ihren weißen Wangen rieb. Sie schwang sich jubelnd in eines der offenen Fenster, die sehr breit und hoch waren, und ich setzte mich ihr gegenüber auf eine mit einem Tuch behangene Kiste und betrachtete sie, der Schönheit wegen. Denn die zahlreichen grünen Büsche im Garten füllten den Fensterrahmen ganz aus und umgaben ihr lichtes Haupt, daß es wie eine Blume aus grünem Kranze hervorleuchtete. Auch das war hübsch und merkwürdig zu beobachten, wie ihre wechselnden Empfindungen und Gedanken, während sie sprach, überall in ihrem Gesichte durchzuschimmern schienen, als ob es durchsichtig wäre. Während sie mir von ihrer Liebe, Furcht und Hoffnung erzählte, vergaß sie darüber den Raben Balthasar doch nicht, sondern liebkoste ihn und redete mit ihm, worauf er mit großer Verständigkeit einging, wie ich denn auch nicht zweifle, daß er sowohl den Sinn ihrer Worte verstand, als auch ihre junge, weibliche Sanftheit von meinem gerunzelten Antlitz und meiner rumpelnden Stimme wohl unterschied.

Im Verlauf unserer Unterhaltung bemerkte ich, es sei tollkühn von Junker Claudius, sich auf unser Gebiet zu wagen, was ihm doch das Leben kosten könne. Die Trud entgegnete, um ihn zu entschuldigen, er komme nur, wenn er es vor Sehnsucht nicht mehr aushalten könne. Ich sagte: »Dennoch ist es sehr selbstsüchtig, indem er dadurch auch Euren Frieden aufs Spiel setzt«, wozu sie halb listig und halb zaghaft auf ihre Art unbeschreiblich lächelte und sagte, sie könne es dann meistens gerade auch nicht mehr vor Sehnsucht aushalten, so daß er sie im Gegenteil immer vom Tode errette, dadurch daß er komme. Aus diesen und anderen Reden sah ich, daß da nicht zu raten und zu bessern war, erkundigte mich also nur noch, wie sie es künftig anzustellen gedächten, daß niemand sie bei ihren Begegnungen anträfe. Nun enthüllte sie mir die seltsamste und dreisteste Schelmerei, von der ich Zeit meines Lebens gehört habe, nämlich, daß sie die einmal aufgetauchte Teufelei benützen wollten, um hinter diesem Höllenvorhang in Zukunft ihre Liebesfeste zu feiern. Vielleicht, meinte sie, würden die geängstigten Leute den Platz meiden, wo Leib und Seele gefährdende Dämonen ihr Wesen trieben, so daß sie ihr Zusammensein unbehelligt genießen könnten. Nachdem sie mir dies voller Unbefangenheit anvertraut hatte, kam ihr plötzlich ein ängstliches Bedenken und sie schwebte von ihrem Sitz herunter, setzte sich auf einen Schemel dicht neben mich und sagte: »Liebster bester Potzmarterle, Ihr werdet uns doch gewiß nicht verraten?« Da ich aber nicht gleich antwortete, weil ich ein paarmal herzlich in mich hinein lachen mußte, leuchtete ein zutraulicher Glanz in ihren Augen auf und sie sagte: »Nein, Ihr tut es nicht, und ich schäme mich, daß ich mich einen Augenblick deswegen gefürchtet habe, denn ich weiß, Ihr seid gut.« Hier glaubte ich bemerken zu müssen, ob das gut sei oder nicht, sei mir nicht ganz klar, und wir fielen beide in ein ernstes Nachdenken, konnten aber zu keinem Schlusse gelangen. Indessen sagte ich, wie dem auch sei, wenn sie mit dem wahren Teufel im Bunde stände, würden mich keine Schätze der Welt vermögen, gemeinschaftliche Sache mit ihr zu machen, da aber in diesem Falle der Teufel nur ein Vorwand, eine Fabel sei, wollte ich sie nicht im Stiche lassen. Sie beteuerte mir, daß sie mit dem wahren Teufel nichts zu schaffen habe, sondern fromm und gut sei, ihrem Gefühle nach, und zur Bekräftigung sagte sie mir einen langen Psalm ohne Anstoß her, was durch zwei Umstände zu einer possierlichen Erinnerung für mich geworden ist. Balthasar der Rabe nämlich wurde durch das laute Aussagen der Trud gereizt, ein gewaltiges Knarren und Krächzen zu erheben, was eine seltsame Begleitung abgab; aber noch viel belustigender dünkte es mich, daß gerade in diesem Augenblick der Anastasius ins Zimmer trat, der meine Abwesenheit in der Kirche bemerkt hatte und der dachte, mich bei weltlichem Treiben irgendwelcher Art zu ertappen. »Ich wollte sehen,« sagte er, »ob Euch auch nicht eine leidige Krankheit vom Gottesdienst abgehalten hat«, und da mir nichts anderes einfiel, sagte ich, allerdings habe mich die Gicht arg geplagt und am Gehen verhindert, da sei die Fräulein Trud als eine Trösterin der Armen und Kranken gekommen, und wir hätten versucht, nach unsern schwachen Kräften eine häusliche Andacht zu halten. Der Anastasius, welcher den Vortrag des Psalms gehört hatte, war höchlichst erbaut und lobte unsern Eifer, und ich kann mir nicht anders vorstellen, als daß Gott selber das Zusammentreffen herbeigeführt hatte, so herrliche Folgen erwuchsen daraus für die Trud und für mich. Je weniger man zuvor von uns gedacht hatte, daß wir unsere Muße mit frommen Übungen zubrächten, desto mehr war man beschämt und gerührt zu sehen, daß es sich doch so verhielt, und das Rühmen und Loben des Anastasius verschaffte uns ein größeres Ansehen, als wir in Rücksicht auf diese Dinge vorher besessen hatten.

Der Plan der Trud die Teufelei betreffend wurde nunmehr mit Glück von uns ins Werk gesetzt. Wir hatten in kurzer Frist durch allerhand nächtliche Feuer- und Lichterscheinungen auf der Baumwiese dieselbe in Verruf gebracht, so daß sie niemand mehr in der Dunkelheit zu betreten wagte, vorzüglich nicht in solchen Nächten, wo die gespenstischen Anzeichen wahrzunehmen waren. Also konnten die beiden jungen Leute in Muße ihre Freude aneinander haben, während ich behaglich im Baum hockte und eine Fackel hin und her schwang oder in anderer Weise, durch Knistern, Prasseln, Rauschen oder Umherhüpfen unheimliche Erscheinungen ausführte. Zuweilen sorgten sie auch allein für das Unwesen, wenn Gesundheit oder Bequemlichkeit mir das nächtliche Vagieren verbieten wollten. Der Junker Claudius und die Trud fügten mir lauter Liebes und Gutes zu, unterließen aber nie zu sagen, daß sie mich dadurch keineswegs zum Schweigen und Mithalten bestechen, sondern nur ihrer Herzensfreundlichkeit gegen mich Ausdruck geben wollten.

Während wir uns auf diese Weise des holdseligen Frühlings erfreuten, entstand im Volke eine große Unruhe wegen der greulichen Heimsuchung durch Teufel und Gespenster auf der Gemeindewiese. Bürgermeister und Rat, sowie die Geistlichkeit versuchten anfänglich beschwichtigend zu wirken, meinten, man möge zuwarten, es vergehe wohl wieder und vor allen Dingen möge man behutsam sein und schweigen, damit nicht zur Schande der Stadt in den benachbarten Gebieten etwas davon bekannt werde. An einem ehrlichen Anstrich der Welt gegenüber war aber dem Volke wenig gelegen, wenn sie selbst großen Widerwärtigkeiten ausgesetzt werden sollten; es war nämlich ein erbärmliches Dahinsterben des Viehes eingerissen, und sie behaupteten, das sei eine Folge der teuflischen Erscheinungen, wovon sie durchaus befreit sein wollten. Ich will bemerken, daß mir diese angeblich plötzliche Hinfälligkeit des Viehs großes Nachdenken verursachte, indem ich mir nicht einbilden konnte, daß unser Hokuspokus den Ochsen und Kälbern in den Leib fahren sollte. Aber es sei nun, daß Gott oder die Teufel dieses Unheil angestiftet hatten, den immer zunehmenden Klagen des Volkes konnte die Obrigkeit in ihrer Mildherzigkeit auf die Dauer ihr Ohr nicht verschließen und ordnete an, es sei den Gespenstern mit Ernst und Frömmigkeit entgegenzutreten, was wohl am besten von der Geistlichkeit unternommen und gewagt werden könne. Also kam es zu dem Beschlusse, daß in einer Nacht, wo man das verdächtige Funkensprühen, Hüpfen und Huschen wieder wahrnehmen würde, ein Diener des Herrn in voller Amtstracht mitten unter den Greuel treten und ihn bedrohen sollte, wovon man sich eine gute Wirkung und gänzliches Wegbleiben der Höllenbrut versprach. Wie noch über diese Dinge verhandelt wurde, gab ich eines Tages dem Bürgermeister folgenden Gedanken an: am wenigsten wage man jedenfalls, wenn man den Blasius mit dieser heiligen Aufgabe betraue, welcher ja nicht an leibhaftige Teufel glaube, sondern der Meinung sei, daß ein unschuldiges Gemüt nur Engel, ein böses Gemüt dagegen Teufel wahrnähme. Daß der Blasius durch und durch voller Unschuld sei, daran werde niemand zweifeln und demnach werde er auch keine Furcht haben, unter die Wiesenteufel zu treten, die sich in seinen tugendhaften Augen vielleicht sogar als Engel abspiegeln, in keinem Falle aber ihm etwas zuleide tun werden. Dieser Gedanke schien dem Bürgermeister sowie dem ganzen Rate hochvernünftig zu sein, und es wurde sogleich dem Blasius ein diesbezügliches Ansinnen vorgetragen. Dieser beteuerte nun nach Kräften, er habe niemals die leibhaftige Existenz des Teufels zu bestreiten gedacht, aber er glaube, der häßliche Fürst der Hölle trage Bedenken, das hübsche weiße Kleid einer ganz tugendhaften Seele mit seinen Lasterhänden zu besudeln, und darum müsse der reinste und vollkommenste Mann den Dämonen entgegentreten, welches er nicht sei, vielmehr der Anastasius. Als dies dem Anastasius hinterbracht wurde, sagte er, gern habe er mit dem Teufel nichts zu schaffen, allein wenn's ihm aufgetragen werde und seine Pflicht sei, wolle er so lange mit ihm ringen und raufen, bis einer von beiden unterlegen sei. Diese Aussicht erregte nicht geringe Unlust in mir, denn wer konnte wissen, ob ich nicht zuletzt die Rolle des Teufels zu spielen haben würde? Darum war ich hocherfreut, als der Bürgermeister die fromme Bescheidenheit des Blasius nicht gelten ließ, sondern ihm kurz und gut bedeutete, man halte ihn für heilig genug, den Teufel zu bestehen, und trage ihm auf, das Vaterland von den Unholden zu befreien.

Ein Vorteil war es, daß es von uns abhing, wann das große Teufelsaustreiben beginnen sollte, und ich meinerseits wünschte, es möglichst lange hinauszuschieben. Aber die Trud klagte, die Sehnsucht verzehre sie fast, und der Junker vergehe vor Ungeduld, so daß uns nichts übrig blieb, als der Gefahr ins Auge zu sehen und unsere Vorkehrungen zu treffen. Wenn wir unsere Sache mit Glück und Ehren durchführen wollten, so mußten wir dem Blasius als rechte kenntliche Teufel entgegentreten, und ein zufälliger Umstand ermöglichte es uns, das trefflich ins Werk zu setzen. Zu der Zeit, als ich noch Schulmeister war, wurde einmal um die Osterzeit auf dem Markte das Spiel von den klugen und törichten Jungfrauen aufgeführt, wobei am Schlusse die klugen in die himmlische Herrlichkeit eingingen, während die törichten mit großer Pracht und feuriger Beleuchtung vom Teufel geholt wurden. Mir war die Rolle des Teufels übertragen gewesen, besonders auch deshalb, weil ich die gesamten Schulbuben zu kleinen Teufeln anstellen und abrichten sollte. Weil ich nun den Teufel so vorzüglich vorzustellen wußte, daß sich den Zuschauern vor Entsetzen die Haare sträubten, gab man mir nachher die Verkleidung aller Teufel zu meiner Verehrung, in der Meinung, daß ich den dazu gebrauchten Stoff verkaufe oder sonst nach Belieben verwende. Ich hatte fast alles aufbewahrt, mit einem Teil des lustigen roten Seidenzeugs meine Wohnung ausstaffiert und die Larven und Schwänze in einer Truhe versorgt, so daß wir aus diesem Vorrat unsere Kostüme ganz wohl zusammenstellen konnten. Eines Nachts kamen der Junker und die Trud unter großer Gefahr und Schwierigkeit in mein Wohngemach geschlichen, um alles in Augenschein zu nehmen und zu verabreden. Wir behingen uns gegenseitig mit den roten und schwarzen Tüchern, hielten uns die Masken vor und gewannen den Eindruck, daß wir gräßlich und teuflisch genug damit aussähen. Ich hatte nicht gewagt, Licht anzuzünden, um nicht Verdacht und Aufsehen zu erregen, aber der Mond schien ins offene Fenster, wenn ihn nicht gerade vorübereilendes Gewölk bedeckte; wir hüteten uns wohl, laut zu sprechen oder sonst Geräusch zu verursachen, obschon es uns sauer genug wurde, indem uns das Lachen fast erwürgte, wenn wir uns in der greulichen Höllentracht erblickten. Indem wir noch behutsam flüsternd übereinkamen, wann die Teufelsnacht sein sollte, saßen die beiden mir gegenüber auf der Truhe, in welcher ich den Kram verwahrt gehabt hatte. Dem Junker hing noch ein Stück scharlachroter Seide über die Schulter, und die Hörner steckten in seinen schwarzen Haaren, die Trud aber hatte den Raben Balthasar auf ihrer Hand sitzen, was ich alles in der Dunkelheit nicht deutlich sah, bis auf der Jungfrau weißes Gesicht und das feuerfarbige Zeug, das beides nebeneinander leuchtete. Wie wir nun so geheimnisvoll wisperten und rings alles so totenstill war, wurde es mir plötzlich unheimlich zumute und es kamen mir fremde Gedanken, den Junker und die Trud betreffend, ob sie nicht doch vielleicht mit bösen dämonischen Mächten verflochten seien. Die Trud merkte, was ich im Sinne hatte, und lächelte mich gar so süß und verführerisch an mit ihrem roten Munde, wonach mir nur immer bänger wurde: da fingen sie beide leise, leise ein Liedchen zu singen an, welches zwar nur von weltlicher Liebe und Torheit handelte, mich aber doch sogleich aller Furcht und Unruhe benahm, da ja der holdseligen Musik die bösen Geister nicht teilhaftig sind.

Die Trud und ich arbeiteten von nun an emsig an der Verfertigung der Trachten und es gelang uns, drei herzustellen, die voneinander verschieden und doch alle vollkommen teufelmäßig und schön waren. In der Nacht, welche der Haupthandlung voranging, lief ich einige Male mit einer brennenden Fackel über die Wiese, was auch den gewünschten Erfolg hatte. Denn sogleich verbreitete es sich in der Stadt, daß die Gespenster sich wiederum gezeigt hätten, und die nötigen Anstalten zur Austreibung wurden getroffen. Damit der Blasius sich zu seinem Gange sammeln und auferbauen könne, wurde ein Gottesdienst abgehalten, dem auch ich beiwohnte, da ich ja des Trostes und Anspruchs ebensosehr bedurfte wie jener. Bei einbrechender Nacht kleideten der Junker, die Trud und ich uns an, und ich trug Sorge, mir einzuprägen, an welchen Merkmalen der Verkleidung ich die beiden voneinander unterscheiden konnte. Ich selbst hatte eine geschnäbelte Larve, einem Papageien nicht unähnlich, große Fledermausflügel, welche ich auch bewegen konnte, dazu ein laubgrünes Kleid, mit roten Läppchen besetzt. Sowie wir auf der Wiese angekommen waren, fingen wir an umherzutanzen, bald Hand in Hand, bald jeder für sich, schwenkten die Fackeln, deren jeder von uns eine mitgenommen hatte, und gebärdeten uns überhaupt so wunderlich und unsinnig, als uns immer möglich war. Nach einer Weile fing ich stark zu schwitzen an, denn es war eine sehr warme Nacht und bei dem stillschweigenden Tanzen geriet meine Phantasie in einige Verwirrung, so daß ich, wenn ich die beiden andern in unvernünftigen Sprüngen an mir vorüberrasen sah, kaum glauben konnte, es seien menschliche Wesen. Ich hätte mich deshalb gerne vergewissert, ob es auch der Junker und die Trud waren, und da gerade der eine Teufel gewaltig hüpfend auf mich zukam, näherte ich mich ihm, um ihm zuzuflüstern: »Seid Ihr es, Junker Claudius? oder seid Ihr es, Trud?« Als mich aber seine buntgefleckte und stachliche Fratze zähnefletschend angrinste, entsetzte ich mich dermaßen, daß mir die Fackel aus der Hand fiel, und ich rannte spornstreichs davon, hätte mich auch ganz und gar aus dem Staube gemacht, wenn nicht von der andern Seite der dritte Teufel mir entgegengeflattert wäre, dessen heimliches Kichern hinter der Larve mir sofort verriet, daß es wirklich niemand anders als die Trud war.

Inzwischen hatte man unsere Gaukeleien bemerkt, und von einem großen Haufen Volks umgeben, nahte sich der Blasius in schwarzer Amtstracht, langsam und feierlich, daß wir wohl einsahen, es gelte jetzt Ernst. Sowie er die Wiese betreten hatte, flohen wir auseinander und fuhren in weiten Sprüngen hinüber und herüber, wobei wir die Fackeln, so schnell wir konnten, im Kreise wirbelten. Die Menschen, welche den Blasius begleitet hatten, waren in einer ziemlichen Entfernung zurückgeblieben, und er selbst verkleinerte seine Schritte desto mehr, je greulicher wir ihm in wachsender Nähe vorkamen, bis er schließlich ganz stehen blieb. Da aber das Ding doch einmal zu einem Ende kommen mußte, faßten wir uns ein Herz, das auszuführen, was wir zuvor verabredet hatten, sprangen auf ihn zu, faßten uns bei den Händen und fingen an, um ihn herumzutanzen. Die Fackeln hatten wir fortgeworfen, damit er uns nicht allzu genau betrachten könne, auch bewegten wir uns mit solcher Geschwindigkeit und in so mannigfacher Weise, daß er sich durchaus keine deutliche Vorstellung von uns hätte bilden können. Wir aber konnten trotz der Dunkelheit soviel aus seinem Gesicht ablesen, daß unser Aussehen, vereint mit den merkwürdigen Sprüngen, die wir ausführten, ein unsägliches Grausen in ihm hervorrief. Auch stieß er bald ein schwaches Angst- und Hilfegeschrei aus, murmelte auch Gebete, wovon wir aber nichts verstanden, denn wir hatten uns vorgenommen, ihn durch Hervorbringung gräßlicher teuflischer Laute zu verwirren und zu betäuben, und obwohl wir uns aus Vorsicht nicht darin hatten üben können, gelang es uns doch zum besten und wahrhaft vortrefflich. Sogar ich, der ich doch mit voller Kraft und Hingabe am Heulen beteiligt war, und deshalb keinen vollen Eindruck von dem Zusammenklang unserer Stimmen haben konnte, vernahm eine Mischung von Tönen, wie ich in ähnlicher Weise noch nie von natürlichen Wesen hatte hervorbringen hören. Es mochte wohl die starke Erregung, in der wir uns befanden, unsere Kräfte so übermenschlich gesteigert haben. Die Jungfrau Trud freilich schien in behaglichster Stimmung zu sein, wenigstens unterschied ich inmitten unsres Gekreisches zuweilen ihre abgerissenen Lachlaute, was übrigens keineswegs störend war, vielmehr in Begleitung der übrigen Jammertöne seltsam ergreifend und unheimlich wirkte.

In dem Augenblicke, als unsere Höllenmusik laut wurde, packte Schrecken und Angst die Volksmenge, die auf den Ausgang des segensreichen Unternehmens hatte warten wollen, dermaßen, daß sie in kurzer Zeit alle völlig verschwunden waren, ihren Hirten Gott und den vermeintlichen Teufeln überlassend. Nach einer Weile stellte sich bei uns das Gefühl ein, daß wir sowohl das Tanzen wie das Heulen in dieser Stärke und Kunstfertigkeit nicht allzulange würden fortsetzen können, und daß außerdem durch die plötzlich eingetretene Vereinsamung der für uns zur Flucht geeignetste Augenblick gekommen sein möchte. Deshalb umsausten wir den Blasius noch einmal mit blitzender Geschwindigkeit, stießen die grellsten und jämmerlichsten Töne hervor, die wir noch in der Kehle hatten, und um das Ganze glorwürdig zu beschließen, packten wir ihn bei den Händen, drehten ihn ein paarmal mit uns im Kreise herum und ließen ihn, den die wechselnden Gefühle seines Busens ohnehin schon schwindlig gemacht haben mochten, nicht unsanft in das Gras niedergleiten. Wie der Wind waren wir dann über die Wiese weg, jeder seinem verschiedenen Ziele zu, nicht ohne mitten im Lauf unsere Fackeln vom Boden aufgerafft und mitgenommen zu haben.

Nach dem Blasius hatten wir uns nicht weiter umgesehen, da wir auf unsere eigene Rettung aus dieser heikligen Sache mit Recht bedacht waren. Am andern Morgen hätte mich die Begierde, zu erfahren, was aus ihm geworden sei, früh herausgetrieben, wenn ich nicht den Vorwand einiger Unpäßlichkeit hätte benützen müssen, um zu erklären, warum ich in der Nacht beim Teufelaustreiben nicht zugegen war. Indessen brauchte ich nicht lange zu warten, bis die Trud bei mir eintrat und mir den Erfolg unserer Anstiftung mitteilte. Danach hatte der Schrecken dem Blasius durchaus keinen leiblichen Abbruch getan, auch seine Seele hatte über den erlebten Greueln bereits so sehr triumphiert, daß er sich seiner Unversehrtheit rühmte und laut frohlockte, er sei siegreich aus dem Rachen der Hölle hervorgegangen. Obrigkeit und Gemeinde indessen verdachten ihm diesen Übermut und meinten, wozu die Geistlichkeit denn tauge, wenn einer nicht einmal drei Teufel austreiben könne, ja, einige böswillige Mäuler deuteten an, man könne nicht wissen, was für ein Handgeld er von ihnen angenommen habe, um von ihnen abzulassen. Es zeigte sich nämlich, daß die Erscheinungen ihren gewöhnlichen Fortgang nahmen, denn der Junker und die Trud sahen die Gemeindewiese für einen Venusberg und rechten Tummelplatz ihrer ausgelassenen Liebe an und waren wohlauf und guter Dinge, während Viehseuche und Mißwachs und große Bekümmernis im Volke, vorzüglich aber im Rat zunahm. Diese Stimmung war so allgemein verbreitet, daß man sich ohne eine anständige Trübseligkeit ebensowenig wie ohne Wams oder Hut auf der Straße hätte zeigen mögen. Wunderlich erscheint es mir jetzt, wenn ich bedenke, wie ich gleichfalls so tiefsinnig umherging, was sich aber ganz von selber so einstellte, wenn ich das Gebaren der andern sah. Auf einen Sonntag war ein feierlicher Bußgottesdienst angesetzt, woran ich mich noch mit besonderer Lebhaftigkeit erinnere. Der Anastasius, welcher die Buß- und Strafpredigt hielt, ließ sich als christlicher und freimütiger Mann die Gelegenheit nicht entgehen, alle Gebrechen und Übel unseres Staatswesens durchzunehmen, die etwa an dem schmählichen Spuk schuld sein könnten. Da wurde dem Volke sein abscheuliches Prassen, Raufen und Gotteslästern und vieles mehr abgeschildert, ganz besonders aber der Regierung, den Bürgermeister nicht ausgenommen, ihre Unzulänglichkeit zu Gemüte geführt. Da nun die Mitglieder des Rates dem Gebrauche gemäß dicht unter der Kanzel saßen, nahm es sich aus, als schütte der Anastasius einen Eimer von Hagelkörnern nach dem andern über sie hinunter, auch saßen viele ganz geduckt und in sich zusammengezogen da, einzig der Bürgermeister trug sein Haupt steif aufrecht, um zu zeigen, daß er sich nicht getroffen fühle. Hätte es aber wirklich Hagelkörner statt Worte geregnet, so würde sein Haupt hernach wohl voller Beulen und blutrünstiger Stellen gewesen sein. In allen Gemütern war Reue und Zerknirschung, in dem meinigen dagegen eine große Verwunderung, indem ich bedachte, wie der treffliche Anastasius sich unmäßig ereiferte und die ganze Gemeinde voll Scham und Schande dasaß, des gräßlichen Teufelunfugs und Viehsterbens halber, das sie verschuldet haben sollte, während doch das Ganze nichts als ein listiger Schabernack zweier junger Liebesleute war. Während ich in diese verwundersamen Gedanken vertieft war, erblickte ich die Trud, welche im schwarzen Feiertagskleide unter den andern Frauen saß, und es war mir gerade so, als müsse ich ihr zublinzeln und zulächeln, wenn schon es in dieser Trauerversammlung kaum schicklich gewesen wäre. Aber nicht sobald waren ihre Augen auf mich gefallen, als sie dieselben auch schon wieder wegwandte und auf ihre gefalteten Hände senkte, und wie lange ich sie auch noch betrachtete, sie sah ernst und unveränderlich aus wie eine steinerne Äbtissin auf ihrem eigenen Grabdeckel. Also ließ ich meine unnützen Gedanken gleichfalls beiseite und betete so gut und viel ich vermochte, da es doch möglichenfalls gegen die Seuche und Mißernte, die von den Teufeln herkommen solle, gut sein konnte.

Kurz darauf gab der Bürgermeister wieder ein gewaltiges Beispiel von Gerechtigkeit, indem er eine völlige Umwälzung und Reinigung des Rates hervorbrachte, in der Art, daß viele hochvornehme Männer ohne Ansehen der Person austraten, um anderen, welche besser sein sollten, Platz zu machen. Als aber auch dieses Mittel nicht verfing, verfiel man auf einen neuen Ausweg, welcher so beschaffen war, daß er mir und der Jungfrau Trud keinen geringen Schrecken verursachte. Es war nämlich dem Bürgermeister zu Ohren gekommen, daß in einem nicht zu fern abliegenden Gebiet ein Teufelbeschwörer lebe, herzhaft und namentlich des Gespenstischen kundig, der gegen Entgelt alles höllische Wesen, wo es sich immer auf Erden vordränge, bannen und tilgen könne. Diesem Manne, der sich des besten Leumundes und vortrefflicher Zeugnisse erfreute, beschloß der Bürgermeister, als ein sorglicher Vater des Staates, zu schreiben, und bald genug vernahm ich aus seinem eigenen Munde, daß der Beschwörer zwar eine erkleckliche Summe gefordert habe, da es sich, wie aus allem erhelle, um drei besonders hartnäckige und listige Teufel handle, im übrigen aber sein Kommen mit Hoffnung auf glücklichen Erfolg in Aussicht gestellt habe. Die Trud und ich wußten uns bei diesem Stande der Dinge keinen Rat mehr, denn wir wagten diesem vielleicht mit übernatürlichen Gaben ausgerüsteten Manne nicht in derselben Weise mitzuspielen wie dem Blasius. Da kam aber ein Bericht des Junkers: jetzt müsse man einmal Mut fassen und alles zu einem guten Ende bringen, denn ohnehin komme der Winter bald, und die Wiese werde verschneit sein, dann sei es zu kalt zum Lieben. Den Beschwörer nehme er auf sich, die Trud und ich möchten uns unfehlbar auf der Wiese einfinden, wenn der Mann komme, es werde uns nichts zuleide geschehen. Die Jungfrau und ich wußten uns diesen Bericht nicht völlig zu erklären, und da ich des Junkers Handschrift noch niemals gesehen hatte, war ich nicht ohne Furcht und fragte die Trud zehnmal, ob es auch gewiß die seine sei, und gab ihr auch zu bedenken, daß er in seiner Tollheit vielleicht etwas ausgesonnen habe, was vernünftigerweise nicht ausgeführt werden könne. Davon wollte sie indessen nichts hören, behauptete vielmehr: und wenn der Junker mit uns zur Hölle fahren wollte, würde sie sich nicht sträuben, denn er würde uns schon mit heiler Haut wieder daraus hervorbringen. »So mögt Ihr wohl denken,« entgegnete ich, »da Ihr ja mit ihm in die Hölle der Ehe fahren wollt, ich dagegen will Leib und Seele nicht leichtfertigerweise zu Markte tragen.« Im Grunde war ich freilich bereits entschlossen, ihr wie bisher mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, wenn ich auch nicht leugnen will, daß mir bänglicher war als sonst, wenn wir den Junker an unserer Seite hatten.

Als sich an einem stürmischen Herbsttag die Nachricht verbreitete, der Beschwörer sei angekommen, begab ich mich sogleich in das Wirtshaus zu den drei Königen, woselbst er abgestiegen war, wie man mir sagte, um einen Imbiß einzunehmen. Ich wollte vorsichtig nach ihm hinspähen, wie er wohl geartet sei, und wessen man sich etwa von ihm zu versehen habe, auch hatte ich im Stillen die Hoffnung, er bringe eine Botschaft von unserm Junker. Kaum aber wurde ich seiner gewahr, wie er mit dunkeln Augen suchend über die neugierig versammelte Menge hinblitzte, als ich eine merkliche Erleichterung und Freude in mir verspürte, denn es war der Herr Claudius selber, wenn auch durch seltsame Tracht, langen Bart und Bemalung des Gesichtes in einen andern verstellt. Er zwinkerte mir, sowie er meiner ansichtig geworden war, mit den Augen zu, worauf ich ihm gleichfalls ein Zeichen gab, daß ich ihn erkannt habe. Dann hielt er mit bedeutendem Tone eine Ansprache an uns, die wir ihn gaffend umstanden, des Inhalts, daß er eines rechtlichen Mannes bedürfe, der ihm zur Seite stehe bei seinem Unternehmen; demselben dürfe aber sein Leben nicht zu lieb sein und ein fromm christlich Herz müsse er im Busen tragen, denn es gelte den Teufel zu bestehen. Auf diese bedenkliche Andeutung hin traten alle einige Schritte zurück, ich allein behauptete meinen Platz, so daß ich nun dem Junker am nächsten stand. Da wandte er das Wort geradeaus an mich und sagte, ich sähe wie ein Biedermann aus, der das Herz auf dem rechten Fleck habe, ob ich's wagen wollte. »Jedenfalls«, sagte ich, »ist es nicht allzu schade um mich, wenn's mich nimmt, denn ich habe, abgesehen von meinem Raben Balthasar, weder Weib noch Kind noch Amt.« Ich wollte aber nicht zu großen Mut an den Tag legen, damit sich die andern nicht gar zu sehr verwundern müßten, deshalb setzte ich noch vieles hinzu von meiner Abneigung gegen den Teufel und anderen Besorgnissen, die der Junker aber durch wackeres Zureden überwältigte.

Als wir miteinander allein waren – denn der Junker sagte, er müsse mich einweihen in die Beschwörungsdinge, soweit ich's verstände, und soweit es nötig sei – fragte ich: »Wie habt Ihr nur um Gottes willen, Junker Claudius, dies Stücklein ausgeführt und vollendet? Ich habe Euch immer für einen feinen und frechen Mann gehalten, dies aber sehe ich so wenig ein, daß ich meinen möchte, es gehe nicht mit rechten Dingen zu.« »Es ist sehr einfach,« sagte der Junker. »Wer der Teufelsbeschwörer war, und woher er kam, wußte ich von der Trud. Ich machte mich mit ein paar treuen und verschwiegenen Leuten auf, fiel ihn an wie ein Straßenräuber und ließ ihn nicht los, bis er mir sein Gewand und einige Kenntnis seiner Kunstgriffe anvertraute.« »Weigerte er sich denn dessen nicht?« fragte ich voller Verwunderung. »Wie sollte er,« sagte der Junker, »da ich ihm den gezogenen Degen vorhielt!« »Und wird er nicht sogleich alles kund und offenbar machen?« wandte ich ein, worauf der Junker seinen Arm um meine Schulter legte, lachte und sagte: »Ihr müßt mich für einen gar armseligen Tropf halten! Er ist wohlverwahrt und bewacht in meinem eigenen Hause und wird nicht eher losgelassen, bis ich wieder zurück bin und alles vollendet habe. Dann mag er, reichlich entschädigt, gehen wohin er will, einzig in unser Land erlaube ich ihm nicht zurückzukehren.« »Das wird ihm leid sein, so unversehens seine Heimat zu verlieren,« sagte ich; aber der Junker meinte, das gehe nun nicht anders, und das Teufelbeschwören sei ja ein Beruf, den man in jedem Lande ausüben könne. Auch übrigens war der Junker voll guter Laune und Zuversicht, hätte wohl gern die Trud gesprochen, was sich aber nicht einrichten ließ, einzig von ferne konnten sie einander sehen, da die Jungfrau sich unter das Volk mischte, das sich den ganzen Tag zudrängte, um den Beschwörer anzustaunen. Als ihrer sehr viele versammelt waren, führte der Junker noch einen ungemein sinnreichen Einfall aus: er vermahnte nämlich alle mit lauter Stimme, sie sollten sich, wenn es nachtete und Teufel oder andere Gespenster sich zeigten, still und geschwind in ihre Häuser begeben, jedenfalls der Wiese nicht nahe kommen, denn wenn die Dämonen durch seine Sprüche und Beschwörungen in Angst und Unruhe gerieten und nicht mehr wüßten wo aus noch ein, könne niemand voraussehen, was sie in ihrer höllischen Raserei und Wut anstifteten. Besonders wenn einer oder der andere in der Stadt schon einmal mit dem Teufel in etwelche Berührung gekommen sei, der möchte sich vorzüglich in acht nehmen, denn auf solche hätten die Ungeheuer eine besondere Lust, und auch mehr Gewalt über sie als über andere. Bei diesen Worten dachte nun wohl ein jeder an die Trud, aber aus Ehrfurcht vor dem Seckelmeister wagte keiner ein lautes Wörtlein davon zu sagen.

Als die Nacht einbrach, nahmen der Junker und ich ein gutes kräftiges Nachtessen ein, wobei uns jedermann ernst und mitleidig zusah, und zuletzt ging es an ein allseitiges Händeschütteln und Glückwünschen, wobei der Junker eine so andächtige Miene annahm, daß es mir wehmutsvoll aufs Herz fiel, als nähmen wir wirklich Abschied von der Zeitlichkeit. Wir begaben uns auf die Wiese, während sie noch dunkel war, und ließen dann sogleich mehrere Lichtlein umherhüpfen, erhoben auch ein vernehmliches Murmeln und Raunen, worauf sich die Leute, die etwa, als die beherztesten, noch in einiger Entfernung gewartet hatten, zurückzogen und nach Hause gingen. Immerhin stießen wir noch eine Weile grunzende, quäkende und andere seltsame Töne aus, bis die Trud herangeschlichen kam und sich an des Junkers Brust warf, bereit mit ihm auf und davon zu gehen. Nachdem wir uns überzeugt hatten, daß alles ringsumher totenstill war, nahmen wir Abschied voneinander, stumm und eilig, und die beiden strichen Hand in Hand davon, um des Junkers Pferd zu besteigen und das Weite zu gewinnen. Was ich nun zu vollführen hatte, war so eigen und schwierig, daß mir keine Muße blieb, mich der Bekümmernis, die ich empfand, hinzugeben. Zunächst fuhr ich noch eine Zeitlang mit Grunzen und Heulen fort, so laut ich irgend vermochte, dann, als ich damit aufs äußerste gekommen war, brach ich plötzlich ab und rannte mit natürlicher Stimme jammernd von der Wiese weg auf die nächststehenden Häuser zu. Als die erschreckten Bürger von allen Seiten herbeigeeilt waren, brach ich in ihren Armen zusammen, ächzte und stöhnte längere Zeit in unzusammenhängender Weise, wobei ich mich mehr und mehr teils erschöpfte, teils aufregte, so daß es mir desto leichter wurde, mich in meine Aufgabe hineinzuleben. Nachdem ich mich einigermaßen beruhigt hatte, erzählte ich, wie der Beschwörer mit seinem Stecken einen Kreis um mich beschrieben und anbefohlen habe, mich, was ich auch hören und sehen möge, nicht aus demselben herauszubewegen. Ich schilderte dann mit Genauigkeit das Aussehen der Teufel, und wie der Beschwörer mit vorgestreckten Armen und drohenden Sprüchen auf sie losgeschritten sei, wie sie dadurch in große Unzufriedenheit und Wut geraten seien, daß das lichte Feuer ihnen aus dem Leibe gelodert sei, wie aber alle seine Kunst an diesen Höllengeburten vergeblich ausgeübt sei. Denn da der arme Mann in seiner Bedrängnis einen Schritt vor ihnen zurückgewichen sei, hätten sie ein abscheuliches Geheul ausgestoßen und die Flammen seien hoch aufgeprasselt, und unter diesen schlimmen Zeichen seien sie mit ihm davongefahren. Vielleicht hätten sie ihn auch sogleich in Fetzen gerissen, ich hätte vor Schrecken die Besinnung verloren und die Einzelheiten des unchristlichen Vorganges nicht wahrgenommen. Es sei mir auch so gewesen, als habe ich ein menschliches Wesen weiblicher Art auf der Wiese hinter einem Baume versteckt gesehen, die mir des Seckelmeisters Trud habe gleichen wollen, man solle aber noch nichts davon verlauten lassen, denn ich hoffe zu Gott, daß es ein Irrtum oder Verblendung meiner Sinne gewesen sei. Davon wollten sie aber nichts hören, sondern fanden, man müsse sogleich den Seckelmeister benachrichtigen, denn nach dem, was der Beschwörer zum voraus von besonderer Gefährdung solcher, die schon einmal mit dem Teufel zu tun gehabt hätten, gesagt habe und in Anbetracht, daß die Trud von jeher eine trotzige und heimliche Person gewesen sei, sei es wohl möglich und wahrscheinlich, daß sie sich kecklich auf die Wiese gewagt habe und daß die Teufel in ihrem Zorn sie auch mit hinweggenommen hätten. Also wollten einige mit Laternen nach der Wiese, um nach etwaigen Überbleibseln des zerrissenen Beschwörers zu suchen, andere drangen vor das Haus des Seckelmeisters, der als ein vornehmer Mann sich still daheim gehalten hatte, und mahnten ihn, nach seiner Tochter zu sehen, ob sie auch heil und unversehrt in ihrem Bette läge. Da sie dort, wie leicht zu begreifen ist, nicht aufgefunden werden konnte, noch auch in einem befreundeten Hause, wo sie öfters über Nacht geblieben war, und es sich herausstellte, daß sie überhaupt in der Stadt nicht mehr anwesend, sondern verschwunden war, zweifelte keiner mehr daran, daß der Teufel sie geholt hatte. Der Seckelmeister hätte füglich lieber gesehen, sie wäre mit einem schlechten Vagabunden weggelaufen, als von einem höllischen Dämon entwendet, aber er vermochte keinen Beweis weder für jenes noch gegen dieses aufzubringen, und mußte sich der allgemeinen Meinung und offenkundigen Wahrscheinlichkeit gegenüber fügen, konnte wenigstens nicht dagegen aufkommen. Für diesen stolzen und prunkhaften Mann war die Schande, eine vom Teufel geholte Tochter zu haben, unleidlich, so daß er anfing ganz zurückgezogen zu leben, auch wurde er leutselig und demütig mit den Untergebenen, gegen mich legte er sogar Hinneigung und Zutraulichkeit an den Tag, weil die Trud oft bei mir gewesen war und wohl auch, weil ich ihn mit derselben Höflichkeit und Achtung behandelte wie früher, als setze es ihn in meinen Augen gar nicht herab, daß ihm seine Tochter auf so gottlose Art abhanden gekommen war. Es war für mich spaßhaft und angenehm, diese Umwandlung des sonst so hoch einherprunkenden Seckelmeisters zu beobachten, aber ich ließ es mir nicht merken. Vielmehr, weil er mich auch einigermaßen dauerte, war ich voll behutsamer Schonung gegen ihn, wodurch ich ihn immer mehr gewann und an mich fesselte. Eines Abends suchte er mich sogar in meiner eigenen Behausung auf, vorsichtig, daß ihn niemand sähe und allem Anschein nach in großer Niedergeschlagenheit. Mir ahnte sogleich, daß es den Junker Claudius angehe, der seit der Teufelsnacht nichts hatte von sich hören lassen, und wirklich zog der Seckelmeister einen umfangreichen Brief aus der Tasche, den er mir unter vielen Seufzern und Klagelauten vorlag. Der Junker schrieb etwa so: er habe dem Herrn Seckelmeister eine seltsame, völlig unaufgeklärte Sache vorzutragen, von der er annehme, daß sie ihm von hoher Wichtigkeit sei. Auf dem Rückweg von einer größeren Reise, die er im Auftrage des französischen Königs zu Pferde unternommen habe, sei ihm unfern seiner Heimstätte am Rande eines Wäldchens etwas in die Augen gefallen, das einer menschlichen Gestalt geglichen habe. Wie er näher herzugeritten sei, habe es sich gezeigt, daß es ein weibliches Wesen in vornehmer Tracht und von vornehmem Äußern gewesen sei, aber ob schlafend, ohnmächtig oder tot, das habe er nicht unterscheiden können. Er habe besagtes Wesen vor sich aufs Pferd genommen und in das Haus einer hochachtbaren Matrone getragen, das sich in der Nähe des seinigen befinde. Wie er das gefundene Frauenzimmer näher betrachtet habe, sei ihm in Erinnerung gekommen, daß es des Seckelmeisters Tochter sei, welche er vorzeiten, als er noch in Frieden und Freundschaft in seiner Heimat gehaust habe, hie und da in Gesellschaft ihres Vaters gesehen habe. Er habe sich nicht genug verwundern können, daß ein so vornehmes Fräulein in dieser Beschaffenheit in diese von ihrem Vaterlande so weit entfernte Gegend gekommen sei, und das sei das allerverwunderlichste, daß aus ihr selber, denn sie sei inzwischen wieder zu sich gekommen, kein Wort darüber herauszubringen sei. Indessen, da sie aus einem so alten und guten Geschlecht stamme, auch an sich selber einen sowohl tugendreichen als lieblichen Eindruck mache, sei er weit davon entfernt, etwas Arges über sie zu denken. Er habe den Vater nicht eher benachrichtigen wollen, bis ihr Zustand sich gebessert hätte, würde sie auch gern selbst in die Heimat zurückgeleiten, aber der Herr Seckelmeister wisse ja wohl, warum das nicht angehe. Ob der Herr Seckelmeister selbst kommen wolle, um das Fräulein abzuholen. Er sei begierig, von ihm die Lösung dieses unvergleichlichen Rätsels zu erfahren.

Nachdem der Seckelmeister mir dies vorgelesen hatte, ließ er den Brief sinken und sah mich mit Blicken voll ängstlicher Erwartung an. »Des Herren Wege sind vielfältig und wunderbar«, sagte ich, da mir nichts anderes einfiel, gab auch meiner Freude Ausdruck, daß die Trud noch am Leben und nicht von einem schadenfrohen Teufel zerfetzt sei, was doch immer eine klägliche, ja schauderhafte Vorstellung gewesen sei. Der Seckelmeister aber jammerte, bisher habe er der ganzen Geschichte keinen Glauben geschenkt, nun aber müsse er wohl einsehen, daß der leidige Satan sie wirklich entführt und sie in jenem Wäldchen niedergelassen habe. Da hätte er sie aber nur lieber gleich mit Haut und Haaren verschlucken sollen, denn was solle jetzt aus ihr werden? Ein Mädchen, das einmal in des Teufels Klauen gewesen sei, bekomme keinen rechten Mann mehr, noch wolle sonst irgend jemand mit ihr etwas zu schaffen haben. Und was würde der Junker Claudius sagen, wenn er die Wahrheit erführe! Zwar habe sie bis jetzt geschwiegen, was auch sein einziger Trost sei, aber ob sie damit fortfahren würde? Ich sagte, daran müsse ich zweifeln, denn ich kennte sie als aufrichtig und wahrheitsliebend, worauf der Seckelmeister sich ereiferte und sagte, man müsse wohl die Wahrheit, desgleichen aber auch seine Eltern lieben, und sie müsse bedenken, welche Schande sie auf das ehrenvolle Haupt ihres Vaters häufe, wenn das Gerücht dieser unerhörten Begebenheit weit und breit bekannt würde. Bald aber ging sein Zorn in ein klägliches Jammern über, und er drang in mich, etwas auszusinnen, was man dem Junker angeben könne, um zu erklären, wie die Trud allein und sinneberaubt in jene Gegend gekommen sei. Ich gab dem Seckelmeister nun allerlei Ratschläge, die er aber alle verwarf, wohl auch mit Recht, da sie ganz einfältig und untauglich waren. Schließlich kam er zögernd damit heraus, er habe etwas ersonnen, was ihm schicklich und klug dünke, ich solle ihm frei sagen, was ich davon halte. Seine Tochter habe in früherer Zeit Wohlgefallen an dem Junker Claudius gefunden, desgleichen er auch an ihr, wenigstens glaubte er, das bemerkt zu haben, aber wie die Verhältnisse derzeit gewesen seien, habe er ihr väterlich zugesprochen und sie ernstlich bedroht, sie müsse jeden Gedanken an ihn aufgeben, worauf er auch nichts weiter bemerkt habe, und der Junker sei ja bald hernach aus der Stadt verbannt worden und auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Nun wolle er dem Junker sagen, die Trud habe sich das alles zu Herzen genommen und sei in Tiefsinn verfallen, habe auch dem Vater ihre gefühlvolle Neigung für den Junker mit inständigem Flehen eingestanden, er aber habe sich unerbittlich gezeigt, worauf sie in verdunkeltem Gemütszustande das Vaterhaus heimlich verlassen habe, um dem Zuge ihres betrübten Herzens zu folgen. Es sei das zwar, sagte der Seckelmeister, eine unziemliche Handlungsweise, deren er seine Tochter damit bezichtige, und wohl geeignet, eines Mannes Herz von ihr abzuwenden, aber da es den Junker selber betreffe, werde er vielleicht milde über die Verirrung denken, jedenfalls aber als ein ritterlicher Mann darüber schweigen.

Ich äußerte zwar anfänglich Zweifel an der Ausführbarkeit dieses Planes, indem ich namentlich zu bedenken gab, ob sich das Fräulein diese Auslegung ihrer Höllenfahrt wohl gefallen lassen würde, billigte ihn aber doch zuletzt, indem ich sagte, die Zukunft der Trud sei nun doch einmal verkarrt und verfahren, und ich wisse selbst nichts besseres vorzuschlagen. Sogleich setzte der Seckelmeister ein Schreiben an den Junker auf, er werde kommen, um seine Tochter abzuholen und ihm seinen Dank abzustatten, ihm auch das Vorgefallene zu erklären. Er deutete an, daß das Fräulein um einer zarten Ursache willen den Grund ihres Dortseins verschweige, ja wohl niemals eingestehen oder etwa gar einen falschen anstatt des wahren angeben würde. Er, der Seckelmeister, glaube aber, dem Junker ein unverhohlenes Bekenntnis dieser Dinge schuldig zu sein.

Ich malte mir im Stillen aus, mit was für Spaß und Gaudierung der Junker und die Trud das väterliche Schreiben lesen würden, und dem Seckelmeister schwur ich, mich recht in die von ihm ausgesonnene Geschichte hineinzuleben, damit ich sie dem Junker gegenüber als ausgemachte Wahrheit vertreten, ja auch der Trud, wenn immer möglich, einbilden könne, die ganze Teufelei sei nur ein unglücklicher Wahn oder eigensinnige Vorschützung ihrerseits, woran niemand glaube, und was sie abtun müsse.

Nach einigen Tagen langten der Seckelmeister und die Trud wieder bei uns an, und man sah ihm von weitem an, daß er sich schon erleichtert und erhoben fühlte. Auch flüsterte er mir zu, sowie er in meine Nähe kam, es sei alles in gutem Gedeihen, nur sei die Trud noch etwas verworren und verstockt, ich möchte doch versuchen, ob ich nicht eine günstige Einwirkung auf sie ausüben könnte. Als die Trud zu mir in meine Behausung kam, fiel sie mir unter jubelndem Lachen um den Hals, daß ich nicht anders konnte als einstimmen, und so lachten wir eine Weile miteinander, ehe wir ein Wort hervorbringen konnten. Dann erzählte sie mir, wie der Junker den Eröffnungen ihres Vaters anfänglich mit Erstaunen und allmählich mit einer anständigen Rührung zugehört habe, und daß der Seckelmeister seitdem nichts anderes denke und trachte, als wie die Verbannung des Junkers aufzuheben sei, damit er zurückkehren und die Trud heimführen könne.

Dank des Anhangs von Anverwandten und Freunden, den der Seckelmeister in unserer Stadt hatte, und da außerdem durch die früher erwähnte Reinigung des Rates gerade die Partei zum großen Teil ausgeschieden war, die das französische Bündnis bekämpft hatte, gelang es bald, eine Mehrheit zu gewinnen, welche den Prozeß des Junkers Claudius noch einmal aufzunehmen beschloß.

Inzwischen richtete der Junker von Zeit zu Zeit ein höfliches Brieflein an den Seckelmeister, worin er sich nach dem Befinden des Fräuleins erkundigte. Darüber empfand dieser allemal großen Triumph und Genugtuung, welche Freude aber die Trud zu dämpfen pflegte, indem sie sagte, sie werde sich nie dazu hergeben, einen Ehrenmann so zu hintergehen, daß sie nicht nur die Angelegenheit mit den Teufeln verschweige, sondern sogar anstatt dessen noch eine andere auftische, die ihn an eine gewaltige Liebe ihrerseits glauben mache, welche sie doch nicht mit solcher Macht empfinde. Darüber erbitterte und erzürnte sich der Seckelmeister dann aufs heftigste und stellte der Jungfrau die Vorzüge des Junkers so hell dar, daß die ihrigen daneben völlig erblichen, rief mich auch oft an, ihm darin beizustehen, und wir priesen ihr beide mit leidenschaftlichen Worten alle erdenklichen Tugenden des Junkers an, bis sie uns Stillschweigen gebot, um nun auch einmal seine Laster aufzuzählen, was ihr aber der Seckelmeister als ein keckes unweibliches Betragen nachdrücklich verwies. Es ging alles so vollkommen den Wünschen des Seckelmeisters gemäß, daß bereits im Beginne des Frühlings das ehemals über den Junker gefällte Urteil aufgehoben wurde, worauf er sich sofort zu einem feierlichen Besuche in der wiedergewonnenen Heimat anmeldete. Bei dem Seckelmeister hatte er noch durch ein ernstliches Schreiben förmlich um die Trud geworben, indem er nichts anderes denken könne, so schrieb er, als daß ein Mädchen, welches die Sehnsucht nach ihm zu einem so außerordentlichen Unterfangen angetrieben habe, ihm eine treue und gehorsame Frau werden würde. Die Trud geriet in einen lichterlohen Zorn; das sei nun die Folge der Unwahrhaftigkeit, solche Voraussetzungen und Erwartungen habe der Junker, die sie doch nun und nimmer erfüllen könne; aber auf inständiges Zureden des Vaters erklärte sie sich schließlich bereit, den Junker zu ehelichen, ja sogar ihn mit einer gewissen Herzlichkeit zu bewillkommnen, damit er nicht, angesichts ihres steifen und kalten Betragens, noch zu guter Letzt an den väterlichen Angaben zweifle. Ich wußte es so einzurichten, daß ich mich zur Zeit der Ankunft des Junkers in des Seckelmeisters Hause befand, weil ich sowohl der Begrüßung gern beiwohnen, als auch den Jüngling sobald als möglich wiedersehen wollte. Sowie er nun die Schwelle betrat, flog die Trud mit einem hellen Jubelschrei auf und warf sich an seine Brust, daß sich der Seckelmeister nicht wenig entsetzte, denn er meinte, die Trud sei in der angestrengten Bemühung, seinem Wunsche nachzukommen, über das Ziel hinausgeschossen, und der Junker werde über eine so ungewöhnliche Wildheit erschrecken und Anstoß daran nehmen. Dieser preßte die Jungfrau schnell und heimlich an sich, ließ sie aber sogleich wieder los und sagte mit beschwichtigenden Worten, er freue sich, daß das Fräulein wieder wohlauf sei und seiner Werbung Gehör schenken wolle; letzteres glaube er nämlich aus ihrer zärtlichen Begrüßung schließen zu dürfen. Es entging mir nicht, daß der Seckelmeister besorgte, der Junker könne in seiner Vornehmheit den häufigen Verkehr mit mir mißbilligen, und darum zögerte, mich ihm vorzustellen, was aber nun an seiner Stelle die Trud bewerkstelligte. Der Junker reichte mir mit wohlabgewogener Freundlichkeit die Hand und sagte, er freue sich, meine Bekanntschaft zu machen, da seine Braut mich ihm als einen besonders frommen und würdigen Greis gerühmt habe. Ich erwiderte, im Alter wandle man schon mit einem Fuße im Jenseits, und bedenke daher, was man tue, übrigens habe ich mich gemäß der Forderung meines ehemals ausgeübten Berufes von jeher bestrebt, der Jugend ein gutes, nachahmungswürdiges Beispiel zu geben. Der Seckelmeister verwunderte sich einigermaßen, daß ich den Ruf eines heiligen Mannes zu genießen und auch für mich in Anspruch zu nehmen schien, aber da er den großen Ernst des Junkers sah, zweifelte er nicht, daß es so richtig sei, und befliß sich auch seinerseits immer wachsender Hochachtung gegen mich.

Die Bürger unserer Stadt waren davon unterrichtet und auch damit einverstanden, daß die Beziehungen der Trud zu den Teufeln dem Junker verschwiegen bleiben müßten; die Heimsuchung überhaupt aber vor ihm geheimzuhalten, erwies sich als völlig unmöglich, da die Gemüter alle noch viel zu sehr davon erfüllt waren. Seit die höllischen Erscheinungen sich so gänzlich verzogen hatten, blieben Vieh und Menschen gesund, und es verbreitete sich im Volke eine festliche Stimmung, verbunden mit dem Bewußtsein einer gebesserten Seelenbeschaffenheit, in welches Wohlgefühl sich aufs angenehmste ein Tröpflein christlicher Wehmut mischte im Andenken an den geopferten Teufelbeschwörer, auf den als einen Stadtfremden es die Unholde doch wohl nicht von Anfang an abgesehen haben konnten. Der Junker hörte die reichlichen Schilderungen von dem arglistigen Treiben der Teufel und von der erduldeten Trübsal mit Verwundung und Teilnahme an und erklärte eines Tages, da er ohnehin im Sinne habe, der Stadt ein Denkmal der Versöhnung zu stiften, wolle er auf der Wiese, die so lange der Tummelplatz eines greulichen Höllenzaubers gewesen sei, ein hübsches Kapellchen errichten lassen, mitten zwischen den alten und jungen Fruchtbäumen, die gerade wieder in der Frühlingsblüte standen. Durch diese großmütige Schenkung erwarb sich der Junker vollends die Herzen seiner Mitbürger, und seine Hochzeit gestaltete sich zu einem allgemeinen Volks- und Freudenfest. Die Trauung fand auf den besonderen Wunsch des Junkers, in der kleinen Kapelle statt, von der freilich noch nichts vorhanden war als das Gerüst, das man lustig mit Fahnentuch und Blumen umwunden hatte, damit es nicht einen gar zu hölzernen Anblick gebe. Als ich die beiden glücklichen Schelme in ihrer Schönheit und Wonne vor dem Altar stehen sah, von dem herunter der Anastasius ihnen mit wohlmeinender Strenge ins Gewissen predigte, gingen mir mancherlei Gedanken durch den Kopf, indem ich mich an alle die mutwilligen Stücklein erinnerte, die wir mitsammen ausgeführt hatten und die wohl manch einer nicht wenig tadeln würde, wenn er etwas davon erführe. Aber die Sonne schien durch die buntgeschmückten Holzbalken so freundlich auf sie hinein und die spielende Frühlingsluft wehte so vergnüglich in ihren Haaren, daß man nicht anders denken konnte, als der Herrgott habe selber seine Freude an ihnen, wie sie zugleich so glückselig und so erbaulich nebeneinanderstanden. Während die Gäste sich um die langen Tafeln sammelten, die auf der Wiese gedeckt waren – denn so hatte es sich die Trud von ihrem Vater erbeten, auch hätte man wegen der Menge der Geladenen in dem größten Saale nicht Platz gefunden – schmiegten sich die jungen Eheleute einen Augenblick verstohlen in den blühenden Birnbaum, wo ich sie zuerst gesehen hatte, und winkten mir lächelnd zu, da es niemand gewahr wurde.

Fast die ganze Stadt war auf der Wiese versammelt in bunten lustigen Gewändern, und das Lachen und Gläserklingen vermischte sich prächtig mit dem Gezwitscher der Vögel und Gesumme der Bienen und mannigfachem anderen Frühlingslärm. Der Bürgermeister hielt eine herrliche Festrede, in der er auch erwähnte, wie jetzt eine fromme Luft walte, wo im vorigen Jahre grausame Unholde ihren schädlichen Unfug getrieben hätten, welcher Wechsel namentlich mit der innerlichen Läuterung zusammenhänge, die die gesamte Bürgerschaft an sich vorgenommen habe. Während dieser Rede war dem Junker Claudius ein neckischer Einfall gekommen, und an die Rede anknüpfend, fing er an, von der Bosheit des Teufels im allgemeinen zu sprechen und wie er überall so vielfaches Unheil anrichte. So habe sich kürzlich in Frankreich auf dem Hofe eines Bauern solch ein feuriger Gesell einzuschleichen gewußt, habe auf einmal die Tochter des Bauern bei der Hand gefaßt, wovon sie noch lange nachher Blasen und Brennen verspürt habe, und einen Rundtanz mit ihr vollführt, obgleich sie sich heftig dagegen gesträubt habe. Danach sei er verschwunden, aber nach kurzer Frist sei die Tochter unversehens eines Kindleins genesen, das habe man anfangs für eine Mißgeburt angesehen, bald aber habe es sich gezeigt, daß es ganz einfach ein junges Teufelchen gewesen sei, mit Hörnern auf dem Kopfe, Fledermausflügeln und einem Schwänzlein, garstig und voll Bosheit. Denn als man einen frommen Pfarrer herbeigeholt habe, der es mit Weihwasser besprengen sollte, sei es dem heiligen Manne prustend und fauchend ins Gesicht gefahren, habe ihm mit dem Schnabel in jede Wange gehackt und sich dann funkensprühend mitten durch den Fußboden ein für allemal entfernt. Diese Geschichte hörten alle mit Furcht und Schrecken an, einzig die Trud lachte ganz kecklich und sagte, solch ein geschwänztes Büblein müsse seltsam und wunderniedlich anzusehen sein, was ihr aber der Junker sanft verwies, denn man solle mit solchen Dingen nicht seinen Spott treiben und den Teufel nicht an die Wand malen. Der Seckelmeister aber geriet in eine so große Angst und Unruhe, daß ihm der Schweiß die Stirne herunterperlte, und er zog mich heimlich beiseite und flüsterte mir zu, was nun daraus werden solle, wenn vielleicht auch die Trud binnen kurzem ein solches Scheusal ans Licht fördere, denn das sei doch, wie es der Teufel nun einmal treibe, keineswegs unmöglich. Ich sagte, man könne zwar nicht wissen, was noch für ein Teufelswerk an den Tag komme, aber wenn uns die Trud zeitig benachrichtige, was sie gewiß tun werde, könne vielleicht der Anastasius durch Beschwören oder andere geistliche Mittel des Höllenspukes Meister werden, durch welche Vertröstung es mir auch gelang, den geängstigten Mann wieder zu beruhigen.

Als es gegen den Abend ging, machten der Claudius und die Trud sich auf, um in ihre künftige Heimat zu reisen, denn der Junker wollte in Frankreich bleiben, was auch dem Seckelmeister lieb war, der immer fürchtete, in hiesiger Stadt möchten seinem Schwiegersohne doch einmal verfängliche Gerüchte über die Trud zu Ohren kommen. Grüße, Briefe und Geschenke habe ich von den beiden jungen Leuten noch oft und viel empfangen, aber gesehen habe ich meine guten Gesellen nie mehr, denn nachdem sie in ihrer fröhlichen Ehe mehrere Jahre voll Glück und Gesundheit gelebt hatten, fiel der Junker auf dem Schlachtfelde, und um dieselbe Zeit starb auch sein Gemahl, die Trud, eines plötzlichen Todes. Indessen getröste ich mich der Hoffnung, daß sie sich mittlerweile im Paradiese wieder getroffen haben, wo sie sich auf einer himmlischen Wiese inmitten unaufhörlich blühender Bäume ihrer Freundschaft und Liebe in Ewigkeit erfreuen können.

Ich wurde dazumal in meine Schulmeisterstelle mit Ehren wieder eingesetzt, namentlich auf Ansichten des Seckelmeisters und des Anastasius, habe aber jetzt wegen meines hohen Alters dieses mühselige Amt niederlegen müssen und bin gewärtig, demnächst in das selige Jenseits überzugehen. Wenn der Junker Claudius und die Trud noch so klug und schnell sind wie einst auf Erden, werden sie wohl Mittel und Wege finden, mich in die Paradiespforte hineinschlüpfen zu lassen, damit wir im Zustande der Verklärtheit uns miteinander der vielfältigen Prüfungen des irdischen Lebens erinnern.

 

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