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Erster Akt

Appartement des Professor Bossard im Hotel Terminus. Salon Louis-seize. Links eine Türe nach den übrigen Zimmern, im Hintergrund Tür auf den Korridor. Rechts ein Fenster, davor ein prächtiger schwarzer Flügel, der in Kontrast steht zu der Architektur des Raumes und der Möbel.

An dem Flügel sitzt ein Pianist und phantasiert vor sich hin, besonders Akkorde in Moll; er ist ein junger sympathischer Mann und macht einen gewandten Eindruck. Ein anderer junger Mann (wir wollen ihn »Assistent« nennen) steht links vor einem Wandspiegel, betrachtet sich immer wieder und treibt mimische Studien; aus einem Köfferchen holt er sich Requisiten, Bärte und Kopfbedeckungen, wie ein Imitator im Varieté.

1. Auftritt

Pianist, Assistent.

Assistent  kämmt sich die Locke in die Stirne und setzt sich ein Kissen auf den Kopf: Napoleon!

Pianist  nickt ihm abwesend zu und phantasiert weiter.

Assistent  setzt sich eine Glatze auf und bindet sich ein Band um die Stirne. Julius Caesar!

Pianist  wie vorhin.

Assistent  nimmt die Glatze ab und setzt sich eine Richard-Wagner-Mütze auf. Wer ist das?

Pianist spielt das Gralsmotiv.

Richtig! Er nimmt die Mütze wieder ab, klebt sich rasch einen Offenbach-Bart, setzt Perücke und Zwicker auf, ergreift einen Taktstock und klopft damit nach Kapellmeisterart in den hölzernen Spiegelrahmen.

Pianist  blickt hin und hört momentan auf zu phantasieren. Assistent dreht sich ihm ruckartig zu mit erhobenem Taktstock.

Pianist  spielt leise Offenbach.

Assistent  dirigiert.

Es klopft an die Türe im Hintergrunde.

Pianist  bricht das Spiel mittendrin ab, erhebt sich rasch und klappt den Flügel zu.

Assistent  reißt sich hastig die Maske ab und verstaut alles schnell im Köfferchen.

Es klopft abermals.

Herein!

2. Auftritt

Assistent, Pianist, Zimmerkellner.

Zimmerkellner  erscheint in der Türe: Herr Generaldirektor Semper und Sekretär wünschen Herrn Professor Bossard!

Assistent  Schon?

Pianist  rasch ab durch die Türe links.

Assistent  zum Zimmerkellner. Wir lassen bitten!

Zimmerkellner zieht sich zurück und läßt Semper mit Huelsen ein.

3. Auftritt

Assistent, Semper, Huelsen.

Assistent  verbeugt sich: Herr Generaldirektor! Einen Augenblick nur, werde Herrn Professor sofort verständigen, bin sein Assistent – Ab mit seinem Köfferchen durch die Türe links.

4. Auftritt

Semper, Huelsen.

Alexander Semper ist ein dicker, jedoch beweglicher Herr von fünfzig Jahren, energisch mit rascher Auffassungs- und Kalkulationsgabe, überarbeitet und daher leicht hypochondrisch, gut angezogen und zu unrecht immer etwas ungepflegt wirkend. Ihm folgt sein Sekretär: Dr. Peter Huelsen, ein Literat Mitte Dreißig mit resigniertem Blick, doch zu guter Letzt praktischer Lebenseinstellung; überzeugt, daß die Welt von Plebejern terrorisiert wird, überschätzt er dennoch das Gewicht der schönen Literatur. Ein anständiger Mensch.

Semper  sieht sich um: Assistenten hat er auch. Was glauben Sie, was das für ein Professor ist?

Huelsen  deutet auf den Flügel: Vielleicht Musik –

Semper  Man hätt sich erkundigen sollen. Apropos erkundigen: – Er nimmt einen Brief aus seiner Brieftasche und überreicht ihn Huelsen, der ihn überfliegt. Da schreibt uns die Dianafilm! Das Geschäft wär perfekt, wenn man nur eine Soubrett hätt, aber ich seh keine auf weiter Flur!

Huelsen  Wie wärs mit der Carry?

Semper  Aber die hat doch keine Stimme!

Huelsen  Und die Montez?

Semper  Die kann wieder nicht tanzen! Und die Silvini wird operiert, schon seit Wochen! Großer Gott, man müßt direkt was Neues entdecken! Tief gesunken!

Huelsen  gibt sich einen Ruck und nimmt aus seiner Brieftasche eine Photographie heraus: Herr Direktor! Als Ihr Sekretär ist es zwar nicht meine Aufgabe, aber ich kenne eine junge Schauspielerin –

Semper  unterbricht ihn: Was Sie nicht sagen!

Huelsen  unangenehm berührt: Ich kenne sie nur so, als Künstlerin –

Semper  Er wird rot wie ein Mädchen!

Huelsen  Aber ich muß schon bitten!

Semper  Ihr Vorgänger hat auch immer entdeckt – Himmel tu dich auf, was der dahergebracht hat! Also zeigens schon her das Photo! Er nimmt ihm das Bild ab und betrachtet es. Hm, ganz hübsch. Hat sie schon gefilmt?

Huelsen  Nein. Sie war ein Jahr in der Provinz engagiert, aber ich bin überzeugt, daß sie außergewöhnlich begabt ist.

Semper  Werden sehen! Er will das Bild einstecken.

Huelsen  rasch: Bitte das Bild!

Semper  Das behalt ich.

Huelsen  Es steht was drauf. Hinten. Etwas Privates –

Semper  Also doch! Pardon Diskretion! Da habens Ihr Fräulein Braut! – Er gibt es ihm wieder.

Huelsen  steckt es ein und lächelt: Ich bin ein schlechter Manager.

Semper  Das spricht für Sie.

5. Auftritt

Semper, Huelsen, Bossard.

Professor Bossard ist ein sechzigjähriger Weltmann mit Hornbrille, groß und hager; manchmal hat er Bewegungen und eine Aussprache, als würde er eine Rolle spielen.

Bossard  kommt durch die Türe links und verbeugt sich kaum merkbar vor Semper: Bossard! Ich danke Ihnen, daß Sie gekommen sind –

Semper  Meinerseits! Er stellt vor. Doktor Huelsen, mein Sekretär!

Bossard  verbeugt sich noch steifer und bietet den Beiden stumm Platz an; man setzt sich; zu Semper: Ich weiß es zu schätzen, daß Herr Generaldirektor mich entgegenkommenderweise hier im Hotel besuchen und es mir also ersparen, Sie im Büro aufsuchen zu müssen, aber wie ich Ihnen bereits telefonierte, erheischt die ganze Angelegenheit peinlichste Diskretion, da ich mich gewissermaßen noch im Anfangsstadium befinde –

Semper  unterbricht ihn ungeduldig, jedoch höflich: Um was dreht es sich, bitte?

Bossard  Es dreht sich um einen Film.

Semper  Das dachte ich mir.

Bossard  Um einen klassischen Film –

Semper  fällt ihm rasch ins Wort: Also nur das nicht! An die Klassik hab ich grauenvolle Erinnerungen! Mein Macbeth-Film – brrr! Das einzig filmisch Hübsche war der wandernde Wald – aber wer geht schon in einen Film, um einen Wald wandern zu sehen! Unser Publikum besteht aus sechzig Perzent Weibern und vierzig Perzent Männern, und von diesen vierzig Perzent gehen neunzig Perzent in jenen Film, der ihnen von ihrer jeweiligen weiblichen Begleitung vorgeschlagen wird – ergo haben wir mit einem Publikum von über fünfundneunzig Perzent Weibern zu rechnen, und die wollen etwas ganz anderes wandern sehen, als ein paar Tannenbäum! – Verzeihen Sie, daß ich gleich zu Anfang in unserm beiderseitigen Interesse folgendes feststelle: ich bin als Filmproduzent bekannt dafür, daß ich mir prinzipiell alles anhör, anseh und persönlich prüfe, was mir angetragen wird. Ich les den Brief einer jeden kleinen Schauspielerin, jede Anregung, jedes Exposé, weil ich mir immer vorstell, vielleicht wills der liebe Gott, daß man was entdeckt, was sich verwerten läßt – es gibt aber leider niemals nix! Herr Professor, ich bin ein Skeptiker!

Bossard  lächelt: Ich bitte sogar um Ihre Skepsis. Wie ich Ihnen bereits telefonierte, bin ich auf Grund meiner wissenschaftlichen Forschungen in der Lage, Ihnen einige sensationelle Ergebnisse mitzuteilen –

Semper  unterbricht ihn abermals: Dreht sichs etwa um einen Kulturfilm?

Bossard  Nein. Um einen Spielfilm.

Semper  Sie haben ein Manuskript?

Bossard  Ich habe nur einen Fall, und – einen Menschen.

Semper  Ah, Sie wollen wen protegieren?

Bossard  lächelt wieder: Erraten.

Semper  hämisch, da er sich bereits über seine verlorene Zeit ärgert: Eine Frau, wie?

Bossard  wie vorhin: Gewiß. Eine junge Frau. Aber sie ist bereits tot.

Semper  perplex: Tot?

Bossard  Seit zirka dreißig Jahren.

Semper wirft einen hilfesuchenden Blick auf Huelsen.

Man nennt sie die Unbekannte der Seine.

Semper  zuckt mit den Schultern: Unbekannte der Seine –?

Bossard  Sie kennen sie nicht?

Semper  Was ist das? Ich kenne keine Toten!

Huelsen  zu Bossard: Verzeihung, dreht es sich um jene bekannte Totenmaske?

Bossard  Ja.

Huelsen  erleichtert: Achso.

Semper  zu Huelsen: Versteh kein Wort.

Huelsen  zu Semper: Wir hatten auch schon mal ein Exposé bekommen, vor zehn Tagen mit dem Titel »Die Unbekannte der Seine«, der Stoff wurde uns bereits angetragen, aber ich finde ihn unfilmisch –

Bossard  rasch: Finden Sie?

Huelsen  Ja. Der Verfasser jenes Exposés steht mir zwar persönlich nahe, sehr nahe sogar, trotzdem muß ich sagen, daß es miserabel ist.

Semper  Lobenswert, sehr lobenswert! Aber jetzt möcht ich es endlich wissen, um was es sich dreht?!

Bossard  Einen Augenblick! Erlauben Sie, daß ich in knappen Worten den Fall skizziere: vor einigen Jahrzehnten zog man eine Mädchenleiche aus der Seine, irgend eine junge Selbstmörderin, also eine ganz alltägliche Begebenheit. Man wußte nichts von ihr, nicht wie sie lebte, wie sie starb, wer sie war, wie sie hieß und warum sie ins Wasser ging – man hat es auch nie erfahren, und das junge Geschöpf wäre verscharrt worden, sang- und klanglos, hätte sie nicht zufällig ein junger Bildhauer erblickt, dem das unbeschreiblich rätselhafte Lächeln, das das Antlitz der Leiche überirdisch verklärte, derart anzog, daß er ihr die Totenmaske abnahm. So blieb uns dies ewige Antlitz mit seinem zarten, göttlich-traurigen Lächeln – und dies Lächeln eroberte die Welt. Er erhebt sich. Viele Dichter hat die Unbekannte angeregt, aber alle tappen im Dunkeln – Er nimmt die Totenmaske der »Unbekannten«, die auf dem Flügel liegt, und zeigt sie Semper, der sich ebenfalls erhoben hat. Hier. Sie kennen sie doch?

Semper  Nein.

Bossard  überreicht ihm den Abguß: Eine zweite Mona Lisa.

Semper  betrachtet den Abguß: Wie die lächelt –

Bossard  Aus einer anderen Welt.

Stille.

Semper  Was es alles gibt.

Bossard  In Millionen Exemplaren.

Semper  Schon gut! Aber man schaut halt nicht hin – Er betrachtet noch immer die Unbekannte.

Bossard  Erschütternd, was?

Semper  scheinbar keineswegs erschüttert: Ja. – Hier hat sie einen Sprung. Er legt die Totenmaske nieder auf den Flügel. Und man weiß wirklich nichts von ihr? Keinen Namen, keinen Stand, keine Nationalität?

Bossard  Nichts. Das heißt: ich bin der einzige Mensch, der etwas von ihr weiß.

Huelsen  Ach!

Bossard  Ich kenne ihr Leben und ihren Tod.

Semper  Woher?

Bossard  Sie hat es mir erzählt. Eine einfache Geschichte und dennoch so seltsam phantastisch –

Huelsen  unterbricht ihn: Sie haben mit ihr gesprochen?!

Bossard  Gewiß. Des öfteren sogar.

Semper  Seinerzeit?

Bossard  Nein. Erst gestern wieder –

Semper  Gestern?! Aber ich denk, die ist doch schon seit dreißig Jahren tot!

Bossard  lächelt: Das tut nichts zur Sache.

Semper  Ich werd verrückt! Verzeihung, Moment! Was sind denn Herr Professor überhaupt für ein Professor?

Bossard  Ich bin Mediziner. Irrenarzt.

Semper  schreckt etwas zusammen.

Bossard  lächelt leise. Ich leitete jahrelang die größte Privatheilanstalt in Rio – aber meine heimliche Liebe galt der Magiobiologie, vor allem der Metapsychologie, Paraphysiologie und Magiophysik. Meine theoretische Verarbeitung dieses Tatsachengebietes reicht Jahrzehnte zurück, meine experimentelle vierzehn Jahre. Ich habe, wohl auch vom Glück begünstigt, erstaunliche Resultate erzielt, so bei der Durchdringung der Materie, zahlreichen Apporten und im Spezialgebiet der vierten Dimension. Bis vor kurzem lehnte ich die spiritistische Hypothese radikal ab – muß aber heute gestehen, daß ich aus einem Saulus ein Paulus geworden bin. Ich sprach mit einem Alchimisten aus Padua, einem Leutnant, der bei Borodino fiel, ich sprach mit Ermordeten, die uns ihre unausgeforschten Mörder verrieten – die Polizei bestätigte mir hernach die Richtigkeit der Enthüllungen. So klärten wir einige kriminelle Fälle, und endlich wagte ich mich heran, ein ganzes unbekannt gebliebenes Leben klären zu wollen. Ich sprach mit der »Unbekannten der Seine«.

Er macht eine Kunstpause.

Vor drei Monaten gelang es mir durch mein Medium zum erstenmal mit ihr in Kontakt zu kommen. Anfangs kamen nur Klopfzeichen, doch bald materialisierte sie sich, und dann – dann, meine Herren, kam das stärkste Erlebnis meines Lebens: ich hörte ihre Stimme. Er erhebt sich. Herr Generaldirektor! Ich bat Sie hierher, um einer Seance beizuwohnen: Sie sollen selbst sehen und hören. Ich bin nur ein bescheidener Diener am Werke des menschlichen Geistes, der in das Rätselhafte dringt, immer in der edlen Hoffnung, einen kleinen Baustein zu liefern, auf daß die Vernunft die Welt einst beherrschen möge. Entschuldigen Sie mich einen Augenblick!

Ab durch die Türe links.

6. Auftritt

Semper, Huelsen.

Semper  Das also steckt dahinter! Hokuspokus, Tischerlrückerei.

Huelsen  So einfach darf man die Dinge nicht abtun. Er steht beeindruckt auf und geht hin und her. Es gibt gewiß Tatsachen, die wir noch nicht enträtselt haben, und diejenigen, die Neuland betreten und kühn vordringen, die haben immer schon Hohn und Spott erdulden müssen!

Semper  Was hör ich? Sie glauben an Gespenster?

Huelsen  Was wissen wir schon über den Tod!

Semper  Hin ist hin!

Huelsen  Sie meinen, daß Sie einfach aufhören?

Semper  Ich hoff es!

Huelsen  Ich nicht.

Pause.

Semper  Gelungen! Eine Intellektualität glaubt an Himmel und Hölle. Glaubens lieber mir: dieser Professor ist ein Scharlatan oder ein Narrenarzt, der selber ein Narr geworden ist!

Huelsen  Nein! Das Wort zuvor, das er sprach, von der ersehnenswerten Herrschaft der Vernunft, dies Wort hat mich verwandtschaftlich berührt. Jawohl, es ist unsere Aufgabe, Licht in das Dunkel zu bringen!

7. Auftritt

Die Vorigen, Bossard, Manuel, Assistent, Pianist. Manuel ist ein schmächtiger Jüngling mit rotunterlaufenen, wässerigen Augen und einer bläulich kranken Haut; er geht unsicher und Bossard führt ihn, indem er ihn am Oberarm stützt, durch die Türe links herein, gefolgt von den beiden Anderen.

Bossard  stellt vor: Meine beiden Assistenten! Und mein Medium Manuel Estraduros. Er ist Portugiese.

Semper  zu Manuel: Habla español?

Manuel sieht hilfesuchend auf Bossard.

Bossard  wechselt mit ihm einen raschen Blick: Nein. Manuel – ist stumm.

Semper  Großer Gott!

Assistent  zu Semper und Huelsen: Bitte die Herren – Er deutet auf Plätze neben dem Flügel im Vordergrunde.

Pianist  hat sich an den Flügel gesetzt und phantasiert seine Akkorde in Moll.

Bossard setzt den apathischen Manuel mitten im Raum auf ein Stühlchen, faßt ihn am Kinn, sieht ihm einige Sekunden routiniert in die Augen, streicht dann väterlich über das pomadig schwarze Haar, tritt hinter das Stühlchen und gibt dem Assistenten ein Zeichen, ohne sein Medium aus den Augen zu lassen.

Assistent  dreht auf das Zeichen hin das Licht aus, bis auf eine dunkelgrüne Birne; dann geht er auf Fußspitzen zur Türe links und öffnet weit ihre beiden Flügel, so daß Manuel in das stockdunkle Nebenzimmer starren muß; hierauf begibt er sich wieder ebenso leise auf seinen Platz beim Lichtschalter neben der Türe im Hintergrunde.

Semper  der mit Huelsen Platz genommen hat, leise zum Pianisten: Darf man rauchen?

Pianist  Ungeniert.

Semper  holt sich eine Zigarre hervor; leise zu Huelsen: Die Akkorde, die der da spielt, sind sehr stimmungsvoll, die müßt man sich merken für Titelvorspann, Einleitungsmusik – Er zündet ein Streichholz an.

Bossard  wendet sich ruckartig Semper zu und gibt ihm einen energischen Wink, sich richtig zu verhalten.

Semper  unterdrückt. Oh pardon! Er bläst das Streichholz hastig aus.

Pause.

Pianist  hört mittendrin auf zu spielen und lauscht, als hätte er etwas gehört. Stille – aber dann ertönt plötzlich, anfangs sehr leise, eine traurig-weiche Mädchenstimme, die eine Art wehmütiges Wiegenlied vor sich hinsummt.

Alle, außer Manuel, horchen gespannt auf das rätselhafte Organ, das aus dem Nebenzimmer zu dringen scheint; plötzlich bricht es jäh ab.

Manuel  stürzt von seinem Stühlchen und liegt bewußtlos auf dem Teppich.

Bossard  schnell zu ihm hin: Licht!

Assistent  dreht das Licht an, holt rasch ein Kästchen mit Injektionsspritzen und bemüht sich mit Bossard um das Medium.

Pianist  zu Semper und Huelsen, die aufgesprungen sind: Keine Angst, meine Herren! Manuel ist lediglich geschwächt durch die zahlreichen Seancen – einige Injektionen, und er ist wieder aktiv.

Semper  sehr blaß mit der Hand auf dem Herz: »Aktiv« nennt er das. »Einige Injektionen« – ein Gemütsmensch! Er setzt sich wieder langsam; zu Huelsen. Haben Sie auch gehört?

Huelsen  starrt fortgesetzt auf Bossard: Natürlich.

Semper  Nein, so singt niemand. Mir scheint, Doktor, Sie haben recht: das Sterben ist kein Schluß. Armer Portugiese! Schaut aus, als wär das Stummerl schon drüben!

Pianist  Die Wissenschaft fordert ihre Opfer.

Semper  Ja, mir ist auch übel – Er zündet sich eine Zigarre an.

Huelsen  betrachtet noch immer Bossard: Eigentümlich, aber wie mich zuvor der Professor ansah, war es mir, als hätt ich diese Augen schon irgendwo –

Semper  fällt ihm ins Wort: Vielleicht in einer Illustrierten. Ist ja ohne Zweifel eine Kapazität! Er bläst den Zigarrenrauch genießerisch von sich.

Huelsen  der Bossard nicht aus den Augen läßt: Ohne Zweifel hat er eine starke hypnotische Kraft.

Semper  Mich kann man nicht hypnotisieren! Er wendet sich, bereits wieder erholt, an den Pianisten. Sagen Sie, von wem waren die Akkorde zuvor, die Sie da gespielt haben?

Pianist  Von mir.

Semper  Bravo. Haben Sie schon mal Filmmusik?

Pianist  Nein, das heißt: ich interessiere mich sehr und würde gerne mal –

Semper  unterbricht ihn: Kommens morgen zu mir ins Büro!

Pianist  hastig: Sicher!

Semper  zu Huelsen: Ein begabtes Talent! Musikalisch!

Assistent dreht das Licht wieder aus, da Manuel wieder hergestellt auf seinem Stühlchen sitzt, bewacht von Bossard. Pianist fängt wieder an zu phantasieren.

Pause.

Manuel krümmt sich, als hätte er heftige Leibschmerzen.

8. Auftritt

Die Vorigen, Unbekannte.

In dem Licht der dunkelgrünen Birne erscheint nun die Unbekannte in der offenen Türe links; ihre Augen sind geschlossen, auf ihrem Antlitz liegt ein weißgrüner Schein; sie scheint schwarz gekleidet zu sein und ist kaum zu erkennen.

Alle außer Manuel, der halbtot zu sein scheint, starren sie fasziniert an, besonders natürlich Semper und Huelsen, aber auch der Pianist hat sich erhoben.

Unbekannte  öffnet die Augen und hebt langsam den Kopf, als würde sie zu einem großen Manne, der neben ihr steht, emporblicken; dann fängt sie an zu sprechen, doch ungemein leise, mit ihrem rätselhaften Lächeln: – Schau mich doch an – ich warte. Ich warte – mit grünen Augen im grünen Meer –

Huelsen  schnellt plötzlich empor und schreit: Halt! Halt um Gottes Willen!

Assistent  dreht sofort das Licht aus, einen Augenblick ist es stockdunkel, bevor es wieder ganz hell wird; die Unbekannte ist verschwunden und Manuel sitzt auf seinem Stühlchen mit dem Genick über der Lehne und verglasten Augen.

9. Auftritt

Die Vorigen, ohne Unbekannte.

Bossard starrt Huelsen entsetzt an.

Huelsen  außer sich: Was sprach sie da?! Was sprach sie, was sprach sie?!

Semper  Was denn los, Doktor?!

Huelsen  Nein, dieser Abgrund! Dieser Zynismus! Er läßt sich auf seinen Platz fallen und hält die Hände vors Gesicht.

Bossard  zu Semper: Es gibt leider Übernervöse, die derartige Seancen –

Semper  fällt ihm nervös ins Wort: Verstehe, verstehe!

Huelsen  schnellt plötzlich wieder empor: Professor oder wer Sie sind, wer war dieses Weib?!

Bossard  scharf: Das wissen Sie! Er fixiert ihn und ändert dann den Ton. Beruhigen Sie sich –

Huelsen  Ich hab es deutlich gesehen –

Bossard  unterbricht ihn scharf: Nichts haben Sie gesehen!

Nichts!

Huelsen  verzweifelt: Ich bin doch nicht blind!

Semper  Sie sind blind!

Bossard  ergreift Huelsens Handgelenk: Puls anormal –

Huelsen  reißt sich los: Lassen Sie das! Ich bin nicht krank!

Semper  Sie sind krank!

Huelsen  höhnisch zu Semper: Sie müssen es ja wissen!

Semper  Unerhört!

Bossard  beschwichtigt Semper: Er wird sich beruhigen –

Semper  Ist ja unvorstellbar! Absurd!

Huelsen  wie zu sich selbst: »Mit grünen Augen« – sie war es, sie war es!

Semper  grimmig: Natürlich war sie es! Zu Bossard. Professor, Sie haben mich bekehrt; so spricht kein Mensch!

Bossard  Es war die Stimme eines –

Huelsen  unterbricht ihn drohend: Sprechen Sie das Wort nicht aus, Sie nicht!

Semper  Warum soll er denn nicht?!

Bossard  fest: Es war die Stimme eines Engels.

Stille.

Huelsen  lächelt grimmig-wehmütig: Ja. Aber eines gefallenen Engels –

Bossard  deutet Semper mit einer Geste auf die Stirn an, daß Huelsen total verwirrt ist, und zieht ihn etwas weiter weg und zu sich: Und nun, Herr Generaldirektor, muß ich Ihnen noch eine Eröffnung machen. Der tiefere Grund, weshalb ich Sie hierher bat, dürfte Sie besonders interessieren: es ist mir bereits des öfteren gelungen, die Erscheinung der Unbekannten zu photographieren, ja wir haben sie sogar, natürlich nur mit einer Amateurkamera, gefilmt.

Semper  Gefilmt?!

Bossard  Herr Generaldirektor! Ich bin überzeugt, es muß uns gelingen, die Hauptrolle Ihres Filmes mit der herbeizitierten Unbekannten besetzen zu können – und ihr wahres Leben zu verfilmen, das sie uns allerdings leider nur bruchstückweise erzählt!

Semper  Das ist zuviel. Ich werd verrückt!

Bossard  zum Assistenten: Theodor! Bringen Sie die Probeaufnahmen!

Assistent, der mit Hilfe des Pianisten sich um Manuel bemüht hat, so daß jener nun apathisch wieder auf seinem Stühlchen sitzt, eilt in das Nebenzimmer und schließt bei dieser Gelegenheit die Türe links.

10. Auftritt

Die Vorigen, ohne Assistent.

Bossard  zu Semper: Ich muß Sie nur bitten, da sich unsere filmischen Versuche gewissermaßen noch im Rohstadium befinden, alles, was Sie hier sahen und hörten, unter strengster Diskretion –

Semper  unterbricht ihn: Ehrenwort!

Bossard  Danke! Ich bitte aber auch um das Ehrenwort Ihres Herrn Sekretärs –

Huelsen  der auf seinem Platz vor sich hinbrütete, zuletzt jedoch zuhörte, kurz: Geb ich aber nicht!

Semper  schluckt vor Wut; dann scharf: Vergessen Sie nicht, daß Sie als Festangestellter Pflichten haben!

Huelsen  Ist mir egal!

Semper  Mir aber nicht! Ein Festangestellter hat sich mit Leib und Seel und Ehrenwort für das Wohl und Weh seiner Firma einzusetzen, bitt ich mir aus!

Bossard  mit Betonung: Und für das Wohl und Wehe mancher Menschen!

Huelsen  zuckt zusammen, wendet sich ruckartig Bossard zu, lächelt ironisch, nickt vor sich hin, macht eine wegwerfende Geste und erhebt sich ernst; tonlos: Mein Ehrenwort – Langsam ab durch die Tür im Hintergrund.

11. Auftritt

Die Vorigen, ohne Huelsen.

Semper  sieht Huelsen nach: Was ist? Nicht einmal grüßen?!

Bossard  Lassen Sie ihn! Ich glaube, es ist eine vorübergehende Abulie, eine harmlose Form der Persönlichkeitsspaltung. Eine Art Besessenheit –

Semper  Großer Gott!

Bossard  Morgen ist er wieder gesund.

Semper  Hoffentlich! Er ist meine rechte Hand.

12. Auftritt

Die Vorigen, Assistent.

Assistent  kommt mit einer kleinen Filmrolle aus dem Nebenzimmer.

Bossard  nimmt sie ihm ab und überreicht sie Semper: Hier bitte, die Probeaufnahmen! Zu treuen Händen –

Semper  sehr aufgeregt: Millionen Dank! Ich werd sie mir selber allein vorführen! Schad, daß mein Privatapparat defekt ist, sonst tät ichs sofort, noch bevor ich zu diesem Filmball heut Nacht –

Bossard  fällt ihm ins Wort: Aber nur absolute Diskretion!

Semper  Heiligstes Ehrenwort! Und sollten die Aufnahmen was sein – Herr Professor! Für dieses Manuskript, diese Regie, diese Besetzung, für dieses Originalleben ist mir kein Honorar zu teuer!

Bossard  verbeugt sich steif: Würde mich freuen, wenn ich dadurch in die Lage versetzt werden könnte, meine kostspieligen wissenschaftlichen Forschungen weiter auszubauen –

Semper  Sie werden sie ausbaun, unberufen! Und wie gesagt: ich werd Ihr Vertrauen zu lohnen wissen! Herr Professor! Meine Herren! Wiedersehen morgen in aller Früh!

Ab durch die Tür im Hintergrunde, die der Assistent hinter ihm schließt.

Bossard  Meine Hochachtung!

13. Auftritt

Die Vorigen, ohne Semper.

Alle atmen befreit auf.

Assistent  Allerhand!

Bossard  Sperr zu!

Assistent  sperrt die Türe im Hintergrunde rasch zu.

Pianist  Er hat sie natürlich erkannt, wie ich es euch prophezeite!

Bossard  Er wird schweigen!

Pianist  Werden sehen!

Bossard  Keine Angst! Die erste Schlacht ist gewonnen, Semper ist fasziniert. Vorausgesetzt, daß wir zusammenhalten und keiner abspringt – Er wendet sich ruckartig an den Pianisten. Du wirst doch nicht extra verhandeln? Ich hab es gehört!

Pianist  Fällt mir nicht ein!

Assistent  etwas spöttisch: Unberufen!

Manuel  zu Bossard: Du warst herrlich! Und die schlagfertige Geistesgegenwart, ich sei ein stummer Portugiese! Ich hab mich so anstrengen müssen, daß ich nicht loslach! Er lacht nervös. Alle lachen ebenso mit.

14. Auftritt

Die Vorigen. Unbekannte.

Unbekannte  erscheint, noch immer weiß geschminkt, in der Türe links: Ich hör euch da lachen – ist er weg?

Pianist  Ah, unser Gespenst!

Manuel  Göttlich warst du!

Bossard  Vollendet! Ich gratuliere –

Unbekannte  Und ich kondoliere. Sie braust auf. Ihr seid ja unverantwortliche Trottel!

Pianist  Wie bitte?!

Bossard  beruhigt lächelnd seine Mitarbeiter: Ruhe! Unser Geist hat Temperament!

Assistent  grinst: Gefällt dir? Alter Sünder!

Manuel  Mir auch.

Unbekannte  zittert innerlich vor Wut; höhnisch: Wie interessant! Nein, was seid ihr doch für interessante Trottel –

Alle verbeugen sich spöttisch vor ihr. Unbekannte braust wieder los.

Verbeugt euch nur! Schad, daß ich nicht der Semper bin, ich tät euch heimleuchten. Da hetzt man sich ab mit der Unbekannten, und was ist dann?! Ein teuflischer Leichtsinn ist dann: kein Wort mir zu sagen, daß der Huelsen dabei ist!

Bossard  Absichtlich! Du wärest sonst befangen gewesen –

Unbekannte  fällt ihm ins Wort: Ich bin nie befangen! Das hab ich mir abgewöhnt!

Manuel  Walte Gott!

Unbekannte  Ich bitt dich, laß den lieben Gott aus unserem Spiel! Anstatt daß ihr hier überlegen lächelt, überlegt euch lieber unsere Situation!

Bossard  Ausgeschlossen, daß er dich erkannt hätte!

Unbekannte  Genauestens sogar!

Assistent  Bei dieser Beleuchtung? Er schaltet für einen Augenblick nur die dunkelgrüne Birne ein.

Unbekannte  Licht spielt keine Rolle!

Bossard  Und die Stimme allein sagt nichts!

Unbekannte  Allerdings! Aber ich habe seinen Text gesprochen.

Bossard  perplex: Was für einen Text?

Unbekannte  Gestern abend hat er mir aus seinem Roman vorgelesen und da hab ich mir diesen Satz mit den grünen Augen und dem grünen Meer gemerkt.

Pianist  schlägt einen Akkord an, als würde er damit ausdrücken wollen: »Himmel, tu dich auf, jetzt ist alles aus!« Er wird sich natürlich Gedanken machen.

Bossard  faßt energisch Mut: Soll er doch! Ich bin überzeugt, auch wenn er dich genauestens erkannt hätte: er wird dich nicht bloßstellen.

Unbekannte  Das weiß ich nicht!

Bossard  Er wird dich doch nicht verraten, wenn er dich liebt!

Manuel  Er ist doch kein Unmensch!

Unbekannte  Das nein – Aber bei dem steht die Pflicht an erster Stelle und dann kommt noch ewig nichts! Wie oft hab ich ihn schon gebeten, mich nur ein bisserl zu protegieren!

Pianist  Wenn ich Doktor Peter Huelsen wäre, dann würdet ihr alle Hauptrollen spielen.

Manuel  Ich Wilhelm Tell. Er deutet auf den Assistenten. Er Napoleon. Er deutet auf Bossard. Und jener den Pagen von Hochburgund.

Alle, außer der Unbekannten, lachen.

Unbekannte  Oh, diese Schauspieler! Ihr wißt anscheinend garnicht, was in dieser Sekunde über euch hängt!

Manuel  lustig: Doch nicht ein Damoklesschwert?

Unbekannte  Jawohl, denn Peter ist ein absoluter Pflichtmensch und traut einem immer gleich alles Schlechte zu.

Pianist  für sich: Hübsch!

Unbekannte  Ich habe ihm doch auch mein Exposé von der Unbekannten gegeben – zuerst sagte er, er täte es prinzipiell nicht weiterleiten, weil er bei der Firma angestellt ist, dann erklärt er es für unfilmisch und miserabel – nicht einmal versuchen will er es, wo ich es doch ohne Zweifel als Erste eingereicht habe!

Nun rüttelt es an der Türe im Hintergrunde und man hört Huelsens  Stimme von draußen:

»Aufmachen! Aufmachen!«

Unbekannte  entsetzt unterdrückt. Heiliges Känguruh!

Bossard  Rasch! Raus!

Unbekannte eilt in das Nebenzimmer.

Bossard gibt dem Assistenten ein Zeichen.

Assistent öffnet die Türe.

15. Auftritt

Bossard, Manuel, Assistent, Pianist, Huelsen.

Huelsen  stürzt verstört herein und hält dicht vor Bossard: Herr! Sie haben zuvor behauptet, ich sei verwirrt – Stimmt! Sie wissen genau, weshalb!

Bossard  mit hart erzwungener Ruhe: Ich weiß garnichts.

Huelsen  Ich fordere Aufklärung! Ihr Gespenst vorhin sprach meinen Text!

Bossard  Verstehe kein Wort.

Huelsen  Das Gespenst sprach Sätze aus meinem unveröffentlichten Roman, und es gibt nur ein Wesen, das ihn kennt – Sie wissen genau, wer das ist! Das Wesen steht mir nahe, sehr nahe, und es tut mir weh, sehen zu müssen, wie es unter Schwindler geraten ist! Jawohl, Betrüger und Schwindler!

Bossard  Mein Herr! Wenn ich nicht Irrenarzt wäre –

Huelsen  unterbricht ihn: Sie ein Irrenarzt?! Ich werde mich informieren!

Bossard  schluckt: Bitte! Übrigens: wir haben die Gewohnheit, alles was unsere Herbeizitierten sagen, peinlichst mitzustenographieren – Zum Assistenten. Theodor! Lesen Sie vor, was die Unbekannte heute sprach!

Assistent  Sogleich! Er holt einen Zettel hervor und tut, als würde er lesen. Oh komm, Geliebter. Warum bist du nicht ein Mann? Mein Mann mit starkem Arm und mildem Sinn.

Bossard  zu Huelsen: Ist das Ihr Text?

Huelsen  betreten: Nein. Aber das hat sie nicht gesagt!

Bossard  scharf: Das hat sie gesagt!

Stille.

Huelsen  fährt sich mit der Hand über die Augen und lächelt verlegen: Sollte ich so verwirrt sein? Ich bin allerdings überarbeitet – Entschuldigen Sie!

Bossard  erleichtert: Bitte, bitte!

Huelsen  starrt ihm plötzlich forschend in die Augen.

Bossard  unangenehm berührt; unsicher. Was haben Sie?

Huelsen  Jetzt hab ich Sie. Sie! Jetzt weiß ich, woher ich diese Augen kenne – natürlich, natürlich! Sie sind ein Statist von der Filmbörse!

Bossard  verfärbt sich und wankt etwas.

Manuel  schreit Huelsen plötzlich an: So schauns doch endlich, daß Sie verschwinden!

Huelsen  sehr leise, fast gehässig: Jetzt lass ich euch hochfliegen, noch heute Nacht. Jetzt ohne Rücksicht auf irgendeine Person – Er schreit. Ohne Rücksicht! Rasch ab durch die Türe im Hintergrunde, die er hinter sich krachend zuschlägt.

16. Auftritt

Bossard, Manuel, Assistent, Pianist, Unbekannte.

Unbekannte  stürzt aus dem Nebenzimmer und rast an die Türe im Hintergrunde: Peter! Sie reißt die Türe auf und ruft auf den Korridor hinaus. Peter! – Sie dreht sich langsam um. Weg ist er. Ich hab alles gehört.

Bossard  setzt sich.

Unbekannte  überlegt: Ich muß ihn sprechen, bevor er mit Semper spricht –

Mit einem Ruck, als hätte sie plötzlich einen Entschluß gefaßt, eilt sie vor den Wandspiegel und schminkt sich rasch ab.

Bossard  mutlos: Daß der mich erkannt hat – ich mach mir Vorwürfe!

Unbekannte  Lieber Alfred, du hast genug geleistet!

Manuel  Übermenschlich!

Bossard  winkt ab: Wieder nichts. Heut – morgen wird man zweiundsechzig – und diesmal wahrscheinlich noch Polizei.

Pianist  Ich war immer dagegen!

Bossard  Beginnt schon!

Unbekannte  immer noch vor dem Wandspiegel: Nichts beginnt, weil nichts beginnen darf! »Polizei« wär gelacht – so, fertig! Sie hat sich nun abgeschminkt und knöpft sich hastig die Bluse auf. Ihr müßt mir nur noch paar Groschen, damit ich mir ein Taxi – los, legts zusammen! Der Huelsen fährt immer nur Untergrund! Ich werd schon alles in Ordnung, zieh mich nur um!

Sie will in das Nebenzimmer eilen, sich die Bluse bereits ausziehend.

Assistent  Wohin?

Unbekannte  bereits in der Türe: Auf den Filmball.

Pianist  Ohne Karte, ohne Geld?

Unbekannte  Überlaß das mir! Ich komm durch den Notausgang hinein!

Rasch ab in das Nebenzimmer.


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