Ödön von Horváth
Himmelwärts und andere Prosa aus dem Nachlaß
Ödön von Horváth

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Tanzstunde

Als ich tanzen lernte, war der Weltkrieg noch kaum vorbei. Ich ging damals in die Oberrealschule in Budapest. Unsere Schule lag in einer Seitenstraße, gegenüber lag das Gefängnis und weiter vorn der Justizpalast, es war also eine Straße der Gerechtigkeit.

Ich erinnere mich noch an meinen Tanzmeister, er hatte eine Perücke auf seinem Sattelkopf. Mit mir gab er sich wenig ab. Sein Sohn ist im Krieg gefallen und mir sagte er, ich sehe seinem Sohne ähnlich, und deshalb war ich ihm unsympathisch, weil ich ihn immer an seinen einzigen Sohn erinnerte. Er wollte mich auch deshalb immer in einen anderen Kurs stecken, das war ein Anfängerkurs, aber ich protestierte dagegen.

Trotzdem gelang es ihm, mich zu degradieren. »Sie lahmen ja!« schrie er mich an, »eins zwei drei. Eins zwei drei!« Ich bin nur froh, daß der Krieg vorbei ist, was glauben Sie, was der Erzherzog Josef sein Wort halten wird, eins zwei drei, eins zwei drei? Er hat doch auf die Republik geschworen (der Erzherzog Josef hat natürlich sein Ehrenwort gebrochen).

In Budapest erschien damals eine Zeitung namens »Budapester Misthaufen«. Der Redakteur war ein verkommenes Subjekt, aber er hatte entschieden Humor. »Erscheint wenns nötig ist«, stand auf dem Blatt. Der Redakteur schnüffelte überall herum nach privaten Geheimnissen, ging dann auf die Redaktionen in die Familien und gab es preis. Was zahlen Sie, wenn ichs nicht bringe?


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