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Erster Akt: Der Krieg ist aus

Spätherbst 1918. Fronttheater in einer Baracke. Primitivste Künstlergarderobe. Zwei Soubretten, bereits etwas bejahrt, packen ihre Koffer. In weiter Ferne Trommelwirbel und Trompetensignal. Es regnet.

Erste Der Krieg ist aus und wir haben den Krieg verloren.

Zweite Ich find meine rote Perücke nicht.

Erste Der Direktor ist auf der Kommandantur. Der Nachschub hat gemeutert und der dicke Oberst ist abgesetzt. Es gibt keine Offiziere mehr. Ein Feldwebel ist General.

Zweite Ich wollt, ich hätt diesen Hundsvertrag niemals unterschrieben – Soubrett in einem Fronttheater, wo ich doch schon das Gretchen gestaltet hab! Glaubst du, daß wir heut abend noch spielen werden?

Erste Das steht bei Gott. Die Hauptsache ist, wir bekommen bald Frieden.

Zweite Ich bin nur neugierig, wie sich jetzt die Theaterverhältnisse entwickeln werden – da ist sie, die rote Perücke! Sie setzt sie sich auf, wie einen Hut; der Wecker läutet. Kusch! Sie stellt ihn ab.

Erste blickt auf den Wecker: Heut ist ein historisches Datum. Um zwölf beginnt der Waffenstillstand.

Zweite vor dem Spiegel: Also in zwanzig Minuten.

In weiter Ferne schlägt eine Granate ein.

Erste Wieviel mögen wohl noch fallen –

Zweite Mir tun nur die Weiber leid, die ohne Männer zurückbleiben.

Erste Wie du redest! Ist denn ein Mann kein Mensch?

Zweite Nein.

Don Juan tritt ein; er steckt in einer verdreckten Uniform, ohne Sterne, ohne Waffen.

Erste perplex: Sie wünschen?

Don Juan zur Zweiten: Ich suche Sie. Wir kennen uns.

Zweite Wir? Wüßte nicht, woher –

Don Juan Ich sah Sie in zwei Operetten.

Zweite plötzlich interessiert: In welchen?

Don Juan starrt sie an: Die hab ich vergessen. Ich weiß nur, Sie standen am Souffleurkasten und warteten. Sie wußten, daß er kommen wird. Die Gardinen waren weiß, erinnern Sie sich? Das war die erste Rolle. Dann schrieben Sie einen Brief, es war Nacht, und Sie wußten, daß er antworten wird. Das war die andere Rolle. Ihr Lächeln erinnerte mich an eine Frau, noch vor dem Krieg, und manchmal ist es mir, als wären schon hunderte Jahre vergangen – hm. Darf ich Ihnen ein kleines Geschenk als Dank dafür, daß Sie mich erinnerten – Er lächelt und überreicht ihr ein Päckchen. Zigaretten, meine einzige Eroberung. Echte ägyptische –

Er nickt ihr zu und ab. Stille.

Zweite Hast du Worte?

Erste Er ist verrückt geworden.

 

In der Heimat. Weiber stehen Schlange vor einem leerem Lebensmittelgeschäft.

Erste Kein Brot, kein Salz, kein Fett – ist das der Friede?!

Zweite Beruhigen Sie sich, Frau Hausmeister! Die Hauptsach ist, daß die Männer wieder da sind aus den Hekatomben der Front.

Erste Also meinem Herrn Gemahl hätt ich ruhig ein bißerl Trommelfeuer vergönnt, aber der hat Plattfüß und ist während der ganzen großen Zeit hinterm Ofen gehockt und wenn ich nur aufmuck, dann haut er mir eine hin – ob Krieg, ob Frieden: das ist mir wurscht!

Dritte Versündigen Sie sich nicht! Mein armer Joseph hockt in Sibirien und wer weiß, wann der wiederkommt. Sie werdens erst fühlen, wie Ihnen die Prügel abgehen werden, wenn Sie keinen Prügler mehr haben werden.

Erste Ich pfeif auf die Herren der Schöpfung!

Don Juan erscheint und wendet sich an die Weiber: Ich suche die Frau Hausmeister –

Erste fällt ihm resolut ins Wort: Die bin ich.

Don Juan Ihr Mann sagte mir, Sie wären hier, ich war gerade bei Ihnen –

Erste fällt ihm wieder ins Wort: Sie wünschen?

Don Juan Nur eine Auskunft – Er sieht sich um, als würde ihn wer verfolgen; langsam. Es war noch vor diesem Krieg, da wohnte bei Ihnen im dritten Stock links eine junge Dame – und diese Dame suche ich. Ihr Mann sagte mir zuvor, sie wäre fortgezogen, doch wußte er nicht, wohin –

Erste starrt ihn an: Eine Dame – Sie stockt plötzlich und erkennt ihn entsetzt. Jesus Maria Josef, jetzt erkenn ich den Herrn erst wieder! Gott steh mir bei, ich dachte, Sie wären tot!

Don Juan lächelt leise: Ich war nur vermißt.

Erste Es gibt noch Wunder. Also, das gnädige Fräulein, das ist fort. Die wohnt jetzt bei ihrer Frau Großmutter.

Don Juan horcht überrascht auf: Wo?

Erste Wie heißt denn nur das Nest? Sie sieht in ihrem Notizbuch nach. Richtig, da stehts. So heißt es – Sie zeigt ihm die Adresse.

Don Juan liest sie: So weit?

Erste Ja.

Stille.

Don Juan langsam: Wann ist sie denn fort?

Erste 1915. Ich erinner mich noch genau an den Tag, denn es war grad der große Sieg bei Gorlice und der Sturm hat unsere Fahne zerfetzt.

Don Juan Bei Gorlice war ich dabei.

Erste So? Na, hin ist hin!

Stille.

Don Juan Drum hat sie mir also nicht geantwortet, ich hab ihr nämlich geschrieben, vor sechs Wochen schon –

Erste Wir haben alles nachgesandt, aber in einem Krieg geht immer viel Post verloren.

Don Juan Ja. Er blickt empor. Wer wohnt denn jetzt im dritten Stock links?

Erste Eine praktische Dentistin. Es hat sich halt alles verändert durch diesen Krieg. Die Herren Dentisten sind gefallen und die Weiber haben studiert, aber ich persönlich hätt als Patient kein Vertrauen zu einem Weib.

Don Juan lächelt wieder leise: Warum nicht? Er sieht sich wieder um, als würde ihn wer verfolgen. Also dann fahr ich halt jetzt. Zur Großmutter – Ab.

Erste Glückliche Reise, gnädiger Herr! Glückliche Reise! Sie wendet sich rasch an die Weiber. Wißt ihr, wer das war? Das war mal eine stadtbekannte Persönlichkeit mit lauter erotischen Skandalaffairen! Der hat seine Braut verlassen, knapp vor der Hochzeit und knapp vor dem Krieg, und hat sich mit tausend miserablen Frauenzimmern herumgetrieben in Saus und Braus, derweil war seine Braut eine reine Seele, ein direkter Engel. Aber jetzt scheint ihn die Reue gepackt zu haben – na, wenn dieser Don Juan mein Bräutigam gewesen wär, den hätt ich erwürgt!

Dritte boshaft: Aber gepfiffen hätten Sie nicht auf ihn?

Erste grinst: Das ist ein anderes Kapital.

 

In einer kleinen Stadt. Dort sitzt die Großmutter in ihrem Sorgenstuhl und liest die neueste Zeitung.

Großmutter ruft: Anna! Anna!

Magd kommt.

In der Zeitung steht, seit gestern ruhen die Waffen, jetzt wird geplündert, auch bei uns. Sie haben den Metzger erschlagen und den Holzhändler verletzt. Schließ die Fenster, schließ die Türen, aber doppelt, dumme Gans!

Magd fährt sie an: Ich bin keine dumme Gans, verstanden?! Jetzt gibts eine andere Zeit, auch bei uns, und auch eine Magd will jetzt anders behandelt werden, verstanden?!

Großmutter kreischt: Ich werd mir wegen deiner neuen Zeit keinen anderen Ton angewöhnen! Sechsundsiebzig Jahr bin ich alt geworden und hab schon alles hinter mir, Kriege und Frieden und Revolutionen – ich änder mich nicht! Es wird alles verriegelt!

Magd höhnisch: Doppelt, doppelt! Ab.

Großmutter blickt ihr wütend nach; murmelt: Bestie –

Es läutet am Tor.

Großmutter zuckt zusammen und lauscht furchtsam; dann kreischt sie wieder. Anna! Anna! Wer läutet, wer läutet?!

Magd kommt mit einem Brief; fast feierlich: Hier ist ein Brief gekommen –

Großmutter Ein Brief? Wer schreibt mir denn noch?

Magd Er ist nicht für Sie, er ist für das Fräulein –

Großmutter Für wen? Sie erhebt sich entsetzt.

Magd Für das arme gnädige Fräulein.

Stille.

Großmutter Zeig her.

Magd gibt ihr den Brief: Er kommt noch aus dem Feld.

Großmutter starrt auf das Kuvert und überlegt.

Das arme Fräulein, zwei Jahre ist sie tot und bekommt einen Brief –

Großmutter fällt ihr ins Wort: Schick ihn zurück.

Magd In den Krieg?

Stille.

Großmutter erbricht den Brief mit plötzlichem Entschluß und liest: »Liebste« – Ach, er ist das – Sie überfliegt die Zeilen. – »ich werde kommen und gehöre nur Dir« – Sie horcht auf. Nur Dir? Einer Toten? Sie bekreuzigt sich. Gott steh ihm bei –

 

Straßenecke in der Nacht. Der Mond scheint auf ein Schild: »Wer weitergeht wird erschossen!« Darunter spanische Reiter. Zwei lose Mädchen kommen.

Erste reißt plötzlich die Zweite zurück; unterdrückt: Halt! Kannst denn nicht lesen?!

Zweite erblickt das Schild: Heiliger Strohsack!

Erste Einen Schritt und sie schießen scharf. Dort stehen die Roten. Stille.

Zweite Gestern war ein Weißer bei mir.

Erste Es ist alles nur lilablaßblau – Sie überfliegt apathisch ein Plakat an der Wand im Mondenschein. Frauen, Mütter, Töchter. Wo sind Euere Männer? Im Massengrab. Schluß mit der Vorherrschaft des Mannes – Sie wendet sich ab und grinst. Schluß.

Don Juan erscheint und will vorbei.

Zweite unterdrückt: Halt!

Don Juan hält.

Wer weitergeht wird erschossen.

Don Juan Warum?

Erste zur Zweiten: Der Mann gefällt mir. Er fragt, warum man ihn erschießt – Zu Don Juan. Bist du Ausländer?

Don Juan lächelt: Nein. Ich komme vom Mond.

Zweite Erzähl uns was vom Mond!

Don Juan Auf dem Mond ist alles tot – Er entdeckt erst jetzt das Schild und die spanischen Reiter. Wie komm ich denn hier zum Bahnhof?

Erste Der Bahnhof bildet einen rauchenden Trümmerhaufen. Er wurde bombardiert, mein Herr. Liest du denn keine Zeitung?

Don Juan Nein.

Erste Wo willst du denn hin?

Don Juan Nachhaus.

Zweite Zur Mutter?

Don Juan horcht auf: Das wär schön.

Erste Aber es fährt kein Zug. Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will. Bist du rot oder weiß?

Don Juan Ich bin garnichts – Er blättert in seinem Fahrplan. Einmal muß ich noch umsteigen, ein einzigesmal – Jetzt wär ich vielleicht schon dort.

In der Ferne fallen einige Schüsse. Zweite Sie schießen schon wieder.

Don Juan Das war ein leichtes Maschinengewehr. Wo kann man denn hier übernachten?

Erste Nur bei uns. In den Hotels liegen Bewaffnete.

Stille.

Don Juan Ich möchte schlafen und sonst nichts.

Erste Ist das alles? Wir arbeiten unter Tarif.

Don Juan lächelt: Ich bin kein Unternehmer.

Stille.

Erste Dann bleib ich lieber, wo ich bin.

Zweite zur Ersten: Sie werden dich noch erschießen!

Erste Betrunkene gibts immer.

Zweite zu Don Juan: Komm!

 

Kahles Zimmer mit Bett, Sofa und eisernem Waschtisch. Don Juan kommt mit der Zweiten.

Zweite macht Licht: Grüß Gott, tritt ein, bring Pech herein! Hier ist mein Schloß.

Don Juan Ich werd auf dem Sofa übernachten.

Zweite Du kannst auch im Bett –

Don Juan Danke. Er sieht sich wieder um, als würde ihn wer verfolgen. Es riecht nach Flieder.

Zweite Lach mich nur aus.

Don Juan Es riecht aber wirklich nach Flieder. Wie spät ist es denn schon?

Zweite Immer noch viel zu früh.

Don Juan setzt sich auf das Sofa: Mach das Fenster auf, bitte.

Zweite Das Fenster? Damit es noch kälter wird?

Don Juan Mir ist es heiß.

Zweite beobachtet ihn: Hast du Fieber? Gib acht, es grassiert eine geheimnisvolle Krankheit und die Leut sterben, wie die Fliegen. Es ist alles verseucht und die Bazillen liegen in der Luft, man nennts die Grippe, aber es ist die Pest. Fühlst du dich matt?

Don Juan Ja.

Zweite deutet auf ihr Herz: Sticht es da drinnen?

Don Juan Ja.

Zweite Komm, leg dich ins Bett, ich deck dich zu.

Don Juan lächelt müde: Du bist ein braves Mädchen.

Zweite Ich bin nur brav, weil du mir gefällst. So leg dich doch!

Don Juan erhebt sich: Nein, ich darf nicht krank werden –

Er geht auf und ab.

Zweite gekränkt-ironisch: Hast noch große Dinge vor?

Don Juan Wie mans nimmt.

Stille.

Zweite Bist du verheiratet?

Don Juan lächelt leise: Fast.

Zweite Also verlobt?

Don Juan Ich bin treu.

Zweite lächelt: Seit wann?

Don Juan Seit dem Krieg – Er grinst leise.

Zweite starrt ihn plötzlich an: Schad.

Don Juan Still! Er lauscht. Jetzt hat doch wer meinen Namen gerufen – Er blickt empor.

Zweite Wie heißt du?

Don Juan Wer wohnt denn da über uns?

Zweite Über uns ist nur das Dach und dann ist Schluß.

Don Juan Wirklich?

Zweite Ja.

Don Juan legt sich auf das Sofa.

Zweite sitzt auf dem Bett und betrachtet ihn. Warst du lang im Krieg?

Don Juan Solang er gedauert hat.

Zweite Auch im Osten?

Don Juan Überall.

Stille.

Zweite Mein Vater ist bei Gorlice gefallen.

Don Juan Bei Gorlice war ich auch dabei.

Zweite Vielleicht hast du dann meinen Vater gekannt? Er war beim hundertvierundzwanzigsten Landsturmregiment, ein auffallend Großer mit einem schwarzen Bart

Don Juan Ich hab ihn nicht gekannt.

Zweite Schad – Sie lächelt leise und legt sich hin. Stille.

Don Juan Wer liegt denn unter dem Bett?

Zweite schnellt entsetzt empor: Was?! Wo? – Sie sieht ängstlich nach. Da liegt doch nichts–

Don Juan Ich dacht, es wär ein großer Hund.

Zweite Mir scheint, du hast wirklich Fieber und phantasierst herum

Don Juan erhebt sich wieder: Ich bin nicht krank, ich fühl mich nur elend–

Zweite Leg dich lieber hin!

Don Juan Nein. Er geht auf und ab. Hast du Briefpapier?

Zweite perplex: Warum?

Don Juan Weil ich einen Brief schreiben möcht–

Zweite grinst: An deine Braut?

Don Juan Ja. Denn vielleicht hast du recht, daß ich krank bin, und dann wirds noch eine Zeit dauern – Er faßt sich ans Herz und setzt sich wieder auf das Sofa. Eigentlich wollt ich sie überraschen.

Zweite Habt euch lange nicht gesehen?

Don Juan Den ganzen Krieg über nicht.

Zweite ironisch: Und sie blieb dir treu?

Don Juan stutzt; dann bestimmt: Ja.

Zweite ironisch: Sie hat dir jeden Tag geschrieben?

Don Juan Nein. Nie. Mit Recht. Denn ich war schuld, daß wir uns trennten – aber sie wartet auf mich.

Zweite Wie sicher du das sagst

Don Juan Ich weiß es. Er legt sich wieder hin.

Stille.

Zweite Ich hab noch nie einen Solchen getroffen, wie dich. Aber vielleicht kenn ich auch keine richtigen Männer, weil die Richtigen alle im Krieg waren, wie ich angefangen hab.

Don Juan Wann?

Zweite Das hab ich vergessen – Sie grinst.

Don Juan Ich nicht.

Zweite Ich weiß nur, es hat geregnet. Da hast du dein Briefpapier – Sie legt es auf den Tisch.

Don Juan schwach: Danke.

Stille.

Zweite Wo wohnt denn deine Braut?

Don Juan Bei ihrer Großmutter.

Zweite gähnt und zieht sich mechanisch aus: Ihr Männer verdient keine Frauen – Oh Gott, was seid ihr doch alle neben meinem armen Vater! Nichts. Lauter nichts – Sie gähnt wieder. Man sollt euch wegwerfen. Eigentlich haß ich euch alle. – Hörst du mich?

Don Juan ist bewußtlos geworden.

Hallo. Hallo! – Was ist dir denn? Sie geht langsam zum Sofa, beugt sich über ihn und betrachtet ihn. Bist du tot?

 

Im Krankenhaus wacht die junge Schwester. Es ist Nacht. Die Oberin kommt und kontrolliert.

Oberin Ist etwas geschehen?

Schwester Schwester Oberin, der Mann, den wir schon aufgegeben haben, der ist wieder zu sich gekommen.

Oberin So?

Schwester Nur auf Minuten, aber der Medizinalrat meint, er ist jenseits der Gefahr.

Oberin Weiß man es schon, wer er ist?

Schwester Man weiß nur, er kommt aus dem Krieg, und der Medizinalrat meint, nach den Narben zu schließen, muß er mal schwer verwundet worden sein – Sie sieht sich ängstlich um. Schwester Oberin, der Mann ist vom Bösen besessen –

Oberin Was redest du da?!

Schwester Er sprach zuvor mit seiner Braut, er hätt alles bereut – es waren lauter Todsünden, so entsetzliche, wie ich noch nie welche gehört hab, aber während er sie aufzählte, wurde er wieder stolz und brüstete sich damit –

Oberin Er hat doch fast vierzig –

Schwester fällt ihr ins Wort: Nein, es war nicht nur das Fieber, es ist alles wahr, was er gesprochen hat, ich fühls – Schwester Oberin, er ist der Teufel!

Oberin Still!

Stille.

Schwester Ich hab ihn gepflegt, aber ich möcht ihn nicht mehr pflegen.

Stille.

Oberin Du mußt auch den Teufel pflegen, wenn er krank sein sollte – Sie will ab, wendet sich jedoch noch einmal an die Schwester. Du weißt, es gibt nur Einen, zu Dem du kommen kannst, wenn du dir entfliehen mußt.

Schwester fährt hoch und starrt sie an.

Friede sei mit dir – Ab.

 

Wieder in der kleinen Stadt. Die Großmutter sitzt in ihrem Sorgenstuhl und liest einen Brief. Die Magd scheuert den Boden.

Großmutter Er ist noch immer krank, sonst wär er schon da. Er schreibt, er war mal schwerverwundet gewesen und da hätt er es erst gefühlt, daß man nur einer gehört. Jaja, der Herr hatte Angst vor der Hölle und hat sichs vorgenommen, alles wieder gutzumachen – Sie kichert grimmig.

Magd Sollten Sie ihm nicht schreiben, daß das arme Fräulein längst nicht mehr ist?

Großmutter Kümmer dich um den Boden!

Magd Es ist schon der fünfte Brief –

Großmutter Er soll nur noch schreiben, bis ihn der Teufel holt! Sie blickt wieder in den Brief und grinst. Er sucht ja seine Seele –

Magd fährt sie plötzlich an: Lassen Sie die Toten ruhen!

Stille.

Großmutter Du weißt, was er ihr angetan hat, du weißt es, wie sie gestorben ist – jetzt soll er sie nur suchen, ich will es ihm selber sagen, daß er sie umgebracht hat. Nur das will ich noch erleben, daß er kommt –

Magd fällt ihr ins Wort: Er wird nicht kommen, wenn er keine Antwort kriegt.

Großmutter Er kommt.

Magd Nie!

Stille.

Großmutter lauernd: Woher weißt denn du das? Kennst du ihn denn?

Magd Nein. Aber ich kann ihn mir vorstellen.

Großmutter höhnisch: Wie sieht er denn aus?

Magd Auf das kommts nicht an. Er könnt auch einen Buckel haben.

Stille.

Großmutter Mit oder ohne Buckel, hier wird er vor mir stehen, du wirst es erleben, und wenn ich hundert Jahr warten müßt, ich werd es erwarten, denn ich will es erwarten –

Es läutet am Tor. Großmutter zuckt zusammen. Magd ab, um zu öffnen.
Großmutter lauscht furchtsam; kreischt
. Anna! Anna! Wer läutet, wer läutet?!

Magd kommt: Es war nur ein Bettler.

Großmutter Du hast ihm doch nichts gegeben?

Magd Nein. Sie scheuert wieder den Boden.

Großmutter liest die Zeitung: Deine neue Zeit ging rasch vorbei. Bettler bleibt Bettler. In der Zeitung steht, es kommen wieder die alten Zeiten –

Magd murmelt: Nicht für Sie –

Großmutter horcht auf: Hast du was gesagt?

Magd Nein. Nichts.


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