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Zweiter Akt

Breiter Gratrücken. Gletscher ringsum. Rechts Arbeiterbaracke Nummer vier der Bergbahn A.& G. Davor Quelle und primitive Bank. An einer Leine hängt buntgeflickte Wäsche.

Links Felskanzel. Vor Sonnenaufgang. Windstill.

Ingenieur steht auf der Kanzel und blickt empor. Oberle tritt lautlos aus der Baracke und stellt sich neben den Ingenieur.

Ingenieur zuckt zusammen: Ach Sie sind es, Oberle!

Oberle San Sie jetzt erschrockn?

Ingenieur Wer?

Oberle Sie!

Ingenieur Ich? Er lacht.

Oberle Sie san halt nervös.

Ingenieur spitz: Finden Sie?

Oberle Sie san halt überarbeit. Sie solltn net alls allein machn wolln.

Ingenieur Ich verbiete es Ihnen, sich mit meiner Person zu beschäftigen. Stille. Der Herr wünschen?

Oberle I wollt bloß nachschaun. Wies werd.

Ingenieur Was denn?

Oberle Das Wetter. – Sie passen doch auch aufs Wetter, oder?

Ingenieur immer spöttisch aus Unsicherheit: Ich bewundere Ihre Beobachtungsgabe.

Alle Arbeiter und Veronika kommen nach und nach aus der Baracke; waschen sich am Brunnen, holen ihr Werkzeug herbei; Veronika verteilt Tee.

Oberle Das Wetter is nix. Und werd nix.

Ingenieur Das Wetter hält.

Oberle Man sieht net durch die Wand. Vielleicht schneits scho drübn, hinterm Grat. Es gfallt mir net, daß so still is. Stille.

Ingenieur fast zu sich: Es hält, es hält, es hält. Ich habe eine Idee verkauft. Habe ich mich verrechnet? Ein miserabler Vertrag. Es dreht sich hier nicht um Geld. – Warum erzähle ich Ihnen das?

Oberle lächelt: Manchmal muß man halt redn. Sie san ja allweil allein.

Ingenieur scharf: Was geht Sie das Wetter an?

Maurer Herr Ingineur!

Ingenieur Was gibts?

Maurer Wir hättn nur a Frag. Es heißt, daß wanns Wetter umschlagt, die Arbeit eingstellt werd, hier obn. Stimmts?

Ingenieur Stimmt.

Maurer Und daß wir nacher net etwa weiter untn oder anderswo beschäftigt werdn, sondern weggschickt.

Ingenieur Und?

Maurer Ja, des is nämli a so: des Wetter hält sie höchstns no drei Tag, länger net. Und nacher darfst gehn. Wann wir aber gleich gingen, kenntn wir no leicht unterkommen, druntn beim Straßnbau zwischn Reith und Neukirchn – nacher aber nimmer. Und, wanns halt bloß vom Wetter abhängt, nacher gingen wir halt gleich.

Ingenieur Seid ihr verrückt geworden?

Simon Werdn wir abgbaut, oder net?!

Ingenieur Erstens: das Wetter hält.

Hannes Is des so sicher?

Ingenieur Zweitens: Keiner wird entlassen.

Simon Is des so sicher?

Ingenieur Wir müssen es schaffen! Niemand wird entlassen!

Stille.

Oberle Sie san a gscheiter Mann, Herr Ingineur. – Is des wahr, daß nur Sie zu bestimmen habn? Nur Sie?

Ingenieur Das Wetter hält. Es muß. Er steigt empor.

Schulz Wie lange haben wir zu steigen?

Reiter So zwa Stund.

Schulz Wie?

Sliwinski gewollt hochdeutsch: Zwei Stunden.

Schulz Sind es wirklich nur zwei Stunden?

Oberle Ja.

Schulz Manchmal vergehen zwei Stunden rasch.

Veronika zu Moser: Warum schaust mi denn net an? Schau mi an!

Moser I schau ja.

Veronika Was hast denn?

Moser Nix.

Veronika Lüg net!

Moser Laß mi!

Veronika Mann, was hast denn? Was is denn? Was hab i dir denn getan?!

Moser I weiß, was i gtan hab.

Stille.

Veronika leise: I kann do nix dafür, daß du den gschlagn hast.

Moser Meinst?

Veronika Wannst mi so anschaust, glaub i schier, i hätt wen umbracht.

Moser Mögli.

Veronika Moser, tu net als warst a Tier.

Moser gehässig: Fürchte dich nicht! Er läßt sie stehen.

Simon zu Veronika: So laßn!

Veronika Was hab i denn nur gtan?

Simon Du brauchst nix gtan zu habn und es gschieht was.

Veronika I kann do nix dafür.

Simon Des is an Moser gleich. Der geht unter die Apostl. I hab dirs scho mal gsagt, wies kommen werd. Daß aus werd, ganz plötzli. I kenn an Moser. Und di.

Veronika Ja, jetzt fallts mir wieder ein.

Simon Werst es wieder vergessn?

Veronika Na. Ab in die Baracke. Simon, Xaver, Hannes steigen nach links empor.

Maurer zu Schulz: Zu! Zu! Es pressiert!

Schulz Moment! Man muß es gewohnt sein.

Sliwinski Jetzt kimmt d'Sonn.

Schulz Wie?

Maurer gewollt hochdeutsch: Die Sonne.

Schulz Wo?

Reiter lacht kurz: Wo? Wo? Jetzt fragt der, wo d'Sonn aufgeht!

Maurer Wo geht denn d'Sonn auf bei dir zhaus?

Schulz Im Osten.

Sliwinski Hergott Sakarament! Jetzt ist d'Sonn scho da, und wir san no allweil net drobn! I geh! I mag da net naufschwitzn in der Hitz! Heut is so so dumpf – als war die ganz Welt a Kasemattn.

Er steigt empor. Reiter, Oberle, Maurer folgen ihm nach. Schulz stiert müde vor sich hin; will den Anderen nach.

Moser Halt! Schulz erblickt ihn und zuckt etwas zusammen; will weiter. Halt! – Du, hör her – i bin extra etwas hint bliebn, weil i di hab sprechn wolln, weil i mit dir hab redn wolln, wegen gestern. Mancher werd halt leicht wütend, des ist Veranlagungssach, net? Verstehst, aber man meints ja gar net so drastisch. Des gestern, des war – horch! I will di net um Verzeihung bittn, i war ja im Recht, verstehst? Wenn da so a Fremder über dei Mensch kimmt, ha? I hab scho ganz recht ghabt! Net? Oder? – Aber da plärrt gleich alls und Jeder, man is a Rohling, und man hat do recht, das sakrische Recht is do auf meiner Seitn, net? Des versteht do jeder! – Aber, weißt, was i net versteh? Daß i im Recht bin und daß es mir trotzdem is, als hätt i Unrecht gtan – verstehst du des? Kann des a Mensch verstehn?!

   

Steiler Grat. Gletscher ringsum. Ziehende Wolken. Stoßweise Sturm. Vormittag.

Simon, Xaver, Hannes ziehen ein Kabel, das über eine Walze aus der Tiefe nach der Höhe rollt, empor: »Ho ruck! Ho ruck! Ho ruck!« verschnaufen ab und zu; wechseln wenige Worte.

Simon Der sakrische Sturm! Da kannst schier nimmer schnaufn!

Xaver Die Sonn glitzert wie a Seifenblasn.

Simon Lang hält sichs nimmer.

Xaver Schau, wie die Wolkn runterdruckn. Als bügelt der Himmel die Berg platt. Zu an Pfannkuchen! »Ho ruck! Ho ruck! Ho ruck!«

Simon Zieh zu, Hannes! Fester!

Hannes I zieh ja!

Xaver An Dreck ziehst! I spürs!

Simon Wenn wer auslaßt, kimmt kaner vom Fleck!

Xaver Zu! »Ho ruck! Ho ruck! Ho ruck!« – Auf Punkt 3018 wird gesprengt.

Simon Gsprengt.

Hannes Die Stein! Die Stein! Des donnert runter, wie beim Jüngstn Gricht.

Xaver Glaubst du an des Jüngst Gricht?

Hannes Ja.

Xaver Unmögli wars ja net.

Simon Hin is hin.

Hannes Na! Wir auferstehn!

Simon Du scho! I net! I mag net! I laß mei Arsch lieber von Die Würm zernagn, als daß ihn dei Jüngst Gricht auf ewig ins höllisch Feuer steckt! Is ja auch nur a Klassengricht! Nebn an gutn Gott spitzelt der Gendarm und dir stellns an Verteidiger, der an sei Schellensolo denkt, net an di! Es gibt kane Gerechtigkeit! »Ho ruck! Ho ruck! Ho ruck!«

Xaver Des war net recht vom Moser. Gestern. Na, des war net recht, des Theater mit dem Schulz, oder wie er si schreibt.

Hannes Theater! Hihihi! De Vroni markiert an Unschuldsengel und is do a läufigs Luder!

Xaver Im Schlaf hat der scho so danebngredt, als hätt ihn a toller Hund bißn, direkt wild. Und gwinselt, die ganz Nacht. Habts denn bloß gschnarcht und nix ghört?

Hannes Den werds halt von lauter Abortdeckl gträumt habn! Vom Moser seine Prankn! Wie a Löw! Hihihi!

Xaver Halts Maul, Dorftepp damischer! »Ho ruck! Ho ruck! Ho ruck!« Sakradi! Die Kalt reißt an d'Haut vo der Hand! Des Scheißkabl schneidt wie a Rasiermesser.

Simon Hast kane Handschuh?

Xaver San a scho zerfetzt!

Hannes Und schwaar is des Zeig!

Simon Aufn Bindfadn hängt man kan Waggon! Für dreißig Personen mit Sitzgelegenheit. »Ho ruck! Ho ruck! Ho ruck!« No zehn Meter.

Hannes Einmal, wanns ferti is, möcht i scho damit fahrn. Rauf und runter.

Simon Da werst net weni Taler brauchn! A Bergbahn werd ja bloß für Direkter baut, für lauter Direkter! – Aufn Gipfel kimmt no a Hotel mit Bad und Billard. Auf Punkt 3018 wird wieder gesprengt: zweimal.

Hannes Scho wieder! Und no mal!

Xaver Wenns nur des ganz Klump in d'Luft sprengen tatn!

Simon Wartn, Xaverl, wartn! Kimmt scho no! Kimmt scho! Es gibt bereits welche, die mehr sprengen, als a Bergbahn braucht samt Hotel mit Bad und Billard! Die sprengen die ganzn Paläst und Museen, alles, von dem der arbeitende Bürger nix hat! Die Moskowiter, sag i euch, hint im riesign Rußland, die habn alles anbohrt, auch an härtestn Marmor, Pulver neigsteckt und angsteckt! Piff! Paff!

Schweigen.

Xaver No zehn Meter. »Ho ruck! Ho ruck! Ho ruck!«

   

Vor der Arbeiterbaracke. Es ist zehn Uhr und die Sonne scheint. Gelbes Licht.

Aufsichtsrat sitzt in der Sonne vor einem kleinen Tische und ißt Koteletts, Kartoffel und Salat; Thermosflaschen in verschiedenen Größen stehen vor ihm, aus denen er ab und zu trinkt.

Ingenieur kommt von links herab.

Aufsichtsrat Na guten Morgen! Hören Sie, bequem ist anders. Meine armen Knie. Nein, schrecklich! Überall Sport. Aber, glauben Sie mir: trotz aller Anstrengung beneide ich selbst unseren letzten Arbeiter. Immer in herrlicher Höhenluft, inmitten gewaltiger Natur! – Wollen Sie nicht mithalten?

Ingenieur Danke.

Aufsichtsrat Sie haben schon gefrühstückt?

Ingenieur Ja.

Aufsichtsrat Übrigens: nettes Mädel das hier. Frisch! Aber dreckig! Die kommen ja nie zum Baden. Er lacht. Wissen Sie, ich habe mich nämlich so gefragt: wie halten Sie das aus, so vier, fünf Monate ohne Weiblichkeit? Pardon, ich wollte nicht indiskret –

Ingenieur Oh, bitte.

Aufsichtsrat Ich glaube, Sie können gar nicht lieben. Sie sind so ein Höhlenheiliger, was?

Ingenieur Ich weiß nicht, was Sie unter »Liebe« verstehen.

Aufsichtsrat Ich habe Sie im Verdacht, daß Sie nicht wissen, was Liebe ist. Liebe ist das Köstlichste, ein Geschenk des Himmels. Gott! Jeder Mensch hat doch einen, dem sein Herz gehört – ich hänge sehr an meinen Kindern, aber ich sehe sie nie, man ist zu sehr im Joch. – Sie haben keinen Familiensinn. Sie sind trotz Ihrer Arbeit ein destruktiver Mensch, haha, guter Witz!

Ingenieur Verzeihen Sie, daß ich Sie im Essen störe. Ich muß leider wieder fort. Darf ich bitten?

Aufsichtsrat erhebt sich und folgt dem Ingenieur. Hier bietet sich einem die beste Sicht über die letzte Strecke der Anlage. Sie sehen: dort unten, oberhalb jener vermurten Gletscherzunge Stütze vier. Der helle Fleck. Höhe 2431.

Aufsichtsrat durchs Fernglas: Jawohl!

Ingenieur Nach rund 1200 Metern erreicht die Bahn Stütze fünf: dort oben, links der schwarzen Wände, jene rostbraune Stelle. Gesprengt. Höhe 3018. 587 Meter Höhe in knapp sieben Minuten.

Aufsichtsrat Rekord! Und Hochachtung! – Unter uns: in der letzten Aufsichtsratssitzung fiel der Satz: Sie seien besessen von Ihrer Arbeit, Ihre Besessenheit ist kapital! Im wahren Sinne des Wortes: Kapital! Und Geheimrat Stein sagte, wenn das Vaterland lauter solche Männer hätte, stünde es besser um uns. Ich füge hinzu: dann wäre dieses Wunderwerk, Ihr Wunderwerk, in drei Wochen fahrtbereit!

Ingenieur Bis dato war uns der Oktober freundlich gesinnt. Nur noch vier Tage, und das Hilfskabel hängt auf Hilfsstütze fünf, das Pensum rollte sich planmäßig ab. Dann dürfte es wettern. Tag und Nacht.

Aufsichtsrat betrachtet die Landschaft durchs Fernglas: Wir verringern natürlich die Belegschaft.

Ingenieur Alles wird entlassen, bis auf die vierzehn Mann der Talstation.

Sturmstoß.

Aufsichtsrat Teufel, dieser Sturm! Durch und durch!

Ingenieur Würden wir gezwungen, die Vorarbeiten vorzeitig abzubrechen, so folgerte freilich hieraus –

Aufsichtsrat unterbricht ihn: Herr! Weitere Verzögerungen wären untragbar!

Ingenieur Ob man sie tragen muß, entscheidet der Sturm. Die kommenden vier Tage. Denn schlägt das Wetter im Oktober um, dann kommt der Winterschlaf. Und setzt gar das Frühjahr spät und schlecht ein, so dürfte sich die Inbetriebnahme leicht um ein volles Jahr verzögern.

Aufsichtsrat Wie? Was?! Mensch, was reden Sie da! Ein Jahr?!

Ingenieur Vielleicht!

Aufsichtsrat Ist nicht wahr! Ist nicht wahr! Das ist ja der Tod! Das Nichts! Die Pleite!

Ingenieur Wenn ich nicht falsch unterrichtet worden bin, hat die A.& G. die Bodenbank interessiert.

Aufsichtsrat Man hat Sie unterrichtet?

Ingenieur Ja.

Aufsichtsrat Wer?

Ingenieur Die Bodenbank ist beteiligt. Seit sechs Wochen. Mit 45 %. Stimmts? Ja oder nein?

Aufsichtsrat Es stimmt. Auffallend! Und?

Ingenieur Es stimmt! Und ich lasse mich nicht hetzen! Herr, ich gebe mein Letztes her, doch gen Elemente kann keiner kämpfen! Aber die Bodenbank kann zahlen. Auch zwei Jahre länger!

Aufsichtsrat Auch zwanzig Jahre länger!

Ingenieur Sehen Sie!

Aufsichtsrat Ich sehe. Doch Sie scheinen blind zu sein! Der A. G. ist es völlig piepe, ob sie an Konserven, Spielwaren oder Bergbahnen verdient. Mann, es geht um die A. G. und nicht um Ihre Beschäftigung! Jeder Tag mehr kostet uns Herzblut. Wir verlieren die Mehrheit und unsere Millionen werden Nullen vor der Zahl.

Ingenieur Das dürfte übertrieben sein.

Aufsichtsrat Ihnen dürfte es freilich gleichgültig sein, wer sein Geld für Ihre Pläne riskierte!

Ingenieur Nichts war riskiert!

Aufsichtsrat Das sagen Sie!

Ingenieur scharf: Und Sie?

Aufsichtsrat Hahaha! Sie entpuppen sich ja als Idealist! Sie bauen tatsächlich in die Wolken! Hahaha! – Mein lieber Herr! Merken Sie sich: Wir sind Kaufleute. Also nicht naiv.

Ingenieur Mein Werk ist kein Geschäft.

Aufsichtsrat Großer Gott! Wir finanzieren doch nicht Ihren Ruhm!

Ingenieur Über der Person steht das Werk.

Aufsichtsrat Um unser Geld!

Ingenieur Aber die Person fordert Bewegungsfreiheit, um schaffen zu können! Man ist doch in keinen Käfig gesperrt!

Aufsichtsrat grinst: Sie verkennen Ihre Lage.

Ingenieur Um das Werk zu vollenden, werde ich rücksichtslos!

Aufsichtsrat Richtig! Ditto! Um das Geld nicht zu verlieren, sagt die A. G. »Hören Sie! Wir haben Ihr Patent erworben. Und die Konzession!«

Ingenieur Was soll das?

Aufsichtsrat Aha! Erraten! Es gibt nur wenige A. G.'s, aber zahlreiche Ingenieure. Ingenieure, gleichtüchtige, die sich aber auch gerne hetzen ließen, wenn – Und die auch gegen die Arbeiterschaft energischer einschreiten! Eine Unerhörtheit dieser letzte Streikversuch!

Ingenieur Wann?

Aufsichtsrat Voriges Jahr. Zwei Wochen schlecht Wetter und schon Drohung mit Lohnerhöhung! Pack kennt keine Pflicht. Mehr Energie, Herr! Mehr Faust! Wann haben Sie –

Ingenieur unterbricht ihn: Wann habe ich nicht? Was habe ich nicht? So denken Sie doch nach! Da ist der Fall Klaus, und die Geschichte der drei – Habe ich etwa Schlappschwanz markiert?

Aufsichtsrat Die unter allen Umständen ungerechtfertigten, jeder Grundlage entbehrenden Beschwerden der Belegschaft sind strikte zurückzuweisen. Wir müssen zwingen. Und sollte es Schwefel schneien!

Ingenieur Jetzt reden wir aneinander vorbei.

Aufsichtsrat Freut mich! Aufrichtig! Es wäre doch auch zu traurig, wenn man im zwanzigsten Jahrhundert noch derart vom Wetter abhängen müßte! Sollte sich also die Inbetriebnahme wieder verzögern, selbst nur um paar Tage, sind Sie entlassen.

Ingenieur Hahaha! – Und unser Vertrag?

Aufsichtsrat Prozessieren Sie!

Ingenieur Das können Sie nicht!

Aufsichtsrat Das können Sie nicht! Wir können! Und noch mehr!

Ingenieur Gratuliere!

Aufsichtsrat Danke! – Sie sind Fanatiker. Um Ihr Ziel zu erreichen, schritten Sie über Existenzen. Über Leichen!

Ingenieur Und Sie? Aus ferner Höhe tönt ein »Huuu!« sechsmal hintereinander; der Nebel hüllt alles in Grau: unheimlich still und düster.

Aufsichtsrat entsetzt, feige: Was war das?

Ingenieur Sechsmal in der Minute. Das Notsignal!

Aufsichtsrat Die Leichen!

Ingenieur Vielleicht! – Guten Appetit! Ich sehe nach! – Nur keine Angst!

Aufsichtsrat Ich hab keine Angst, Sie! Ingenieur lacht ihn aus und eilt nach links empor.

Veronika tritt aus der Baracke: Hat da nit wer grufn? – Es war doch, als hätt wer grufn.

Aufsichtsrat sieht auf die Uhr: Zehn auf elf. Er überlegt; setzt sich wieder und fängt an mechanisch zu essen.

Veronika sieht ihm zu: Schmeckts?

Aufsichtsrat nervös: Sie sollten mal im Adlon essen!

Veronika Wo?

Aufsichtsrat Im Adlon. – Zum Donnerwetter, was glotzen Sie denn so?! Haben Sie noch nie jemanden essen sehen?! So ein Geglotze! Ist ja widerlich! Die Rufe ertönen wieder.

Veronika Da is was gschehn!

Aufsichtsrat Was soll denn schon geschehen sein?! Was? Wie?

Veronika Es san scho paar runter –

Aufsichtsrat wird immer nervöser: Wo runter? Was runter?! So machen Sie doch Ihr Maul auf, gefälligst, ja!

Veronika Schreins nit so mit mir!

Aufsichtsrat brüllt: Was erlauben Sie sich für einen Ton?! Freches Frauenzimmer! – Nichts ist geschehen. Es darf nichts geschehen! Basta!

Sturmstoß.

Veronika Nur kane Angst!

Aufsichtsrat Ich habe keine Angst, Sie!


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