Hugo von Hofmannsthal
Der Kaiser und die Hexe
Hugo von Hofmannsthal

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Der Kaiser tritt auf, einen grünen, goldgestickten Mantel um,
    den Jagdspiess in der Hand, den goldenen Reif im Haar
.
Wohl, ich jage! ja, ich jage . . .
dort der Eber, aufgewühlt
schaukelt noch das Unterholz,
hier der Speer! und hier der Jäger!
    Er schaudert, lässt den Speer fallen.
Nein, ich bin das Wild, mich jagt es,
Hunde sind in meinem Rücken,
ihre Zähne mir im Fleisch,
mir im Hirn sind ihre Zähne.
    Greift sich an den Kopf.
Hier ist einer, innen, einer,
unaufhörlich, eine Wunde,
wund vom immer gleichen Bild
ihrer offnen, weissen Arme . . .
und daneben, hart daneben,
das Gefühl von ihrem Lachen,
nicht der Klang, nur das Gefühl
wie ein lautlos warmes Rieseln . . .
Blut? . . . Mein Blut ist voll von ihr!
alles: Hirn, Herz, Augen, Ohren!
in der Luft, an allen Bäumen
klebt ihr Glanz, ich muss ihn atmen.
Ich will los! Die Ohren hab' ich
angefüllt mit Lärm der Hunde,
meine Augen bohr' ich fest
in das Wild, ich will nichts spüren
als das Keuchen, als das Flüchten
dieser Rehe, dieser Vögel,
und ein totenhafter Schlaf
soll mir nachts mit Blei versiegeln
diese Welt . . . doch innen, innen
ist die Thür, die nichts verriegelt!
Keine Nacht mehr! Diese Nächte
brechen, was die Tage schwuren.
    Er rüttelt sich an der Brust.
Steh! es wird ja keine kommen,
sieben sind hinab, vorbei . . .
Sieben? Jetzt, nur jetzt nichts denken!
Alles schwindelnd, alles schwank,
jagen und nur immer jagen,
nur bis diese Sonne sank,
diesen Taumel noch ertragen!
Trinken hier, doch nicht besinnen.

Die Hexe, jung und schön, in einem durchsichtigen Gewand,
    mit offenem Haar, steht hinter ihm
.
Nicht besinnen? nicht auf mich?
nicht auf uns? nicht auf die Nächte?
auf die Lippen nicht? die Arme?
auf mein Lachen, auf mein Haar?
nicht besinnen auf was war?
und auf was, einmal verloren,
keine Reue wiederbringt . . .?

Der Kaiser.
Heute, heute ist ein Ende!
ich will Dir's entgegenschrein:
sieben Jahre war ich Dein,
war ein Kind, als es begann,
end' es nun, da ich ein Mann!
Wusstest Du nie, dass ich's wusste,
welches Mittel mir gegeben,
abzureissen meinem Leben
die Umklamm'rung Deiner Arme
sichrer als mit einem Messer?
    Verwirrt.
Sieh mich nicht so an . . . ich weiss nicht,
Du und ich, . . . wie kommt das her?
Alles dreht sich, alles leer!
    Sich ermannend.
Wusstest Du nie, dass ich's wusste?
immerhin . . . ich will nicht denken,
welch verschlungenen Weg dies ging,
fürchterlich wie alles andre . . .
ich steh hier! dies ist das Innre
eines Labyrinths, gleichviel
wo ich kam, ich weiss den Weg,
der hinaus ins Freie! Freie –
    Er stockt einen Moment unter ihrem Blick;
    dann plötzlich sehr laut
.
Sieben Tage, wenn ich Dich
nicht berührt! Dies ist der letzte!
Diese Sonne, dort im Wipfel
hängt sie, wie ein goldnes Ei,
nur so wenig muss sie fallen,
nur vom Wipfel bis zum Boden,
und hinab in ihren Abgrund
reisst sie Dich und ich bleib hier!
Sieben Tag' und sieben Nächte
hab ich Deinen Leib nicht anders
als im Traum berührt – der Traum
und der Wahnsinn wacher Träume
steht nicht in dem Pakt! – mit Händen
und mit Lippen nicht den Leib,
nicht die Spitzen Deiner Haare
hab ich angerührt in sieben
Tag' und Nächten – Traum ist nichts! –
Wenn die Sonne sinkt, zerfällst Du:
Kröte! Asche! Diese Augen
werden Schlamm, Staub wird Dein Haar,
und ich bleibe, der ich war.

Die Hexe, sanft.
Ist mein Haar Dir so verhasst,
hast doch in das End' davon
mit den Lippen einen Knoten
drein geknüpft, wenn wir dort lagen,
Mund auf Mund und Leib auf Leib,
und ein Atemholen beide
hob und senkte, und der Wind
über uns im Dunkel wühlte
in den Bäumen.

Der Kaiser.               Enden, enden
will ich dieses Teufelsblendwerk!

Die Hexe.
Wenn Du aufwachst in der Nacht
und vor Dir das grosse schwere
Dunkel ist, der tiefe Schacht,
den kein Schrei durchläuft, aus dem
keine Sehnsucht mich emporzieht,
wenn Du Deine leeren Hände
hinhältst, dass ich aus der Luft
niederflieg an Deine Brust,
wenn Du Deine Hände bebend
hinhältst, meine beiden Füsse
aufzufangen, meine nackten
Füsse, schimmernder und weicher
als der Hermelin, und nichts
schwingt sich aus der Luft hernieder,
und die beiden Hände beben
leer und frierend? Nicht die goldne
Weltenkugel Deines Reiches
kann sie fällen, nicht die Welt
fällt den Raum, den meine beiden
nackten Füsse schimmernd füllten?

Der Kaiser.
Welch ein Ding ist diese Welt!
Sterne, Länder, Menschen, Bäume:
ein Blutstropfen schwemmt es fort!

Die Hexe.
Jeden Vorhang hebst Du auf,
windest Dich in den Gebüschen,
streckst die Arme in die Luft,
und ich komm nie mehr! Die Stunden
schleppen hin! die Tage leer,
leer die Nächte! und den Dingen
ihre Flammen ausgerissen,
jede Zeit und jeder Ort
tot, das Glühen alles fort –

Der Kaiser, die Hand vor den Augen.
Muss ich denn allein hier stehen!
Gottes Tod! ich bin der Kaiser,
meine Kämm'rer will ich haben,
meine Wachen, Menschen, Menschen!

Die Hexe.
Brauchst die Wachen, Dich zu schützen,
armer Kaiser, vor Dir selber?
Droh ich Dir, rühr' ich Dich an?
Nein, ich gehe, und wer will
kommt mir nach und wird mich finden.
Armer Kaiser!
    Sie biegt die Büsche auseinander und verschwindet.

Der Kaiser.             Nicht dies Lachen!
Einmal hat sie so gelacht . . .
was dann kam, ich will's nicht denken!
Hexe, Hexe, Teufelsbuhle,
steh! Ich will Dich seh'n, ich will nicht
steh'n wie damals vor dem Vorhang.
Gottes Tod, ich will's nicht denken!
Faune, ekelhafte Faune
küssen sie! die weissen Hände
toter, aus dem Grab gelockter
Heiden sind auf ihr, des Paris
Arme halten sie umwunden:
ich ertrag es nicht, ich reisse
sie hinweg!

Tarquinius, aus dem Hintergrunde rechts auftretend.
                    Mein hoher Herr!

Der Kaiser.
Was? und was? wer schickt Dich her?

Tarquinius.
Herr, es war, als ob Du riefest
nach den Kämm'rern, dem Gefolge.

Der Kaiser, nach einer langen Stille.
Rief ich und Du hörtest, gut.
    Er hört ins Gebüsch.
Hier ist alles still, nicht wahr?

Tarquinius.
Herr, die Jagd zog dort hinunter,
jenseits des Fasangeheges.

Der Kaiser.
Lass die Jagd! Du hörst hier nichts?
nichts von Flüstern, nichts von Lachen?
wie?
    In Gedanken verloren, plötzlich.
        Abblasen lass die Jagd!
Ich will meinen Hof um mich:
meine Frau, die Kaiserin,
soll hierher, mein Kind soll her,
um mich her mein ganzer Hof,
ringsum sollen Wachen stehen,
und so will ich liegen, liegen,
auf den Knien die heilige Fahne,
zugedeckt, so will ich warten
bis die Sonne . . . wohin gehst Du?

Tarquinius.
Herr, zu thun, was Du befahlst,
Deinen Hof hierher zu rufen.

Der Kaiser, halblaut.
Wenn sie kommt vor meinen Hof,
sich zu mir hinschleicht und flüstert
und die Scham hält mich, ich muss
ihren Atem fühlen, dann
wird es stärker sein als ich!
Bleib bei mir, es kommen andre.
Du bleib da. Ich will mit Dir
reden, bis die andern kommen.
    Er geht auf und ab, bleibt schliesslich
    dicht vor dem Kämmerer stehen
.

Der Kaiser.
Bist der jüngste von den Kämm'rern?

Tarquinius, auf ein Knie gesunken.
Nicht zu jung, für Dich zu sterben,
wenn mein Blut Dir dienen kann!

Der Kaiser.
Heiss'st?

Tarquinius.
                Tarquinius Morandin.

Der Kaiser, streng.
Niemands Blut kann niemand dienen,
es sei denn sein eignes.

Tarquinius.                           Herr,
zürn' mir nicht, die Lippen brennen,
einmal Dir's herauszusagen.

Der Kaiser.
Was?

Tarquinius steht verwirrt.

Der Kaiser, gütig.
          Nun was?

Tarquinius.               Gnädiger Herr,
dass ich fühle, wie Du gut bist,
so mit Hoheit und mit Güte
wie ein Stern mit Licht beladen.

Der Kaiser.
Kämmerer, Du bist ein Kind
wenn Du nicht ein Schmeichler bist!
Junge Menschen sind nicht gut,
und ob älter auch wie Du,
bin ich jung. Nimm Dich in acht;
ich weiss nichts von Dir, weiss nicht
wie Du lebst, nur Seele seh ich,
die sich so aus Deinen Augen
lehnt, wie aus dem Kerkerfenster
ein Gefang'ner nach der Sonne;
nimm Du Dich in acht, das Leben
hat die rätselhafte Kraft,
irgend wie von einem Punkt aus
diesen ganzen Glanz der Jugend
zu zerstören, blinden Rost
auszustreu'n auf diesen Spiegel
Gottes . . . wie das alles kommt?
    Halb für sich.
Anfangs ist's in einem Punkt,
doch dann schiebt sich's wie ein Schleier
zwischen Herz und Aug' und Welt,
und das Dasein ist vergällt;
bist Du aussen nicht wie innen,
zwingst Dich nicht, Dir treu zu sein,
so kommt Gift in Deine Sinnen,
atmest's aus und atmest's ein,
und von dem Dir gleichen Leben
bist Du wie vom Grab umgeben,
kannst den Klang der Wahrheit hören,
so wie Hornruf von weither,
doch erwidern nimmermehr;
was Du sprichst, kann nur bethören,
was Du siehst, ist Schattenspiel,
magst Dich stellen wie Du willst,
findest an der Welt nicht viel,
wandelst lebend als Dein Grab,
Hexen Deine Buhlerinnen . . .
Kehr' Dich nicht an meine Reden,
wohl! wenn Du sie nicht verstehst.
Denk nur eins: ich will Dir Gutes!
Nimm's, als käm' es Dir von einem,
den Du sterbend wo am Wege
liegen findest; nimm's an Dich,
drück's an Dich wie eine Lampe,
wenn Dich Finsternis umschlägt;
merk Dir: jeder Schritt im Leben
ist ein tiefrer. Worte! Worte!
Merk Dir nichts als dies, Tarquinius:
wer nicht wahr ist, wirft sich weg!
. . . Doch vielleicht begreifst Du dies
erst, wenn es zu spät ist; merk'
dies allein: nicht eine einzige
Stunde kommt zweimal im Leben,
nicht ein Wort, nicht eines Blickes
ungreifbares Nichts ist je
ungescheh'n zu machen, was
Du gethan hast, musst Du tragen,
so das Lächeln wie den Mord!
    Nach einer kleinen Pause.

Der Kaiser.
Und wenn Du ein Wesen lieb hast,
sag' nie mehr, bei Deiner Seele!
als Du spürst. Bei Deiner Seele!
Thu' nicht eines Halms Gewicht
mit verstelltem Mund hinzu:
dies ist solch ein Punkt, wo Rost
ansetzt und dann weiter frisst.
Dort am Durchschlag hör' ich Stimmen:
Jäger sind es wohl, die kommen,
aber hier ist alles still . . .
oder nicht? . . . Nun geh' nur, geh',
thu', wie ich Dir früher sagte.

Tarquinius.
Hierher ruf ich das Gefolge.

Der Kaiser.
Ja! was noch.

Tarquinius.             Du hast befohlen.
    Geht.

Der Kaiser.
Irgendwo ist Klang der Wahrheit
wie ein Hörnerruf von weitem,
doch ich hab ihn nicht in mir;
ja, im Mund wird mir zur Lüge,
was noch wahr schien in Gedanken.
Schmach und Tod für meine Seele,
Dass sie in der Welt liegt wie ein
Basilisk, mit hundert Augen,
die sich drehen, nach den Dingen
äugend! dass ich Menschenschicksal
so gelassen anseh'n kann
wie das Steigen und Zerstäuben
der Springbrunnen! dass ich meine
eigne Stimme immer höre,
fremd und deutlich wie das Schreien
ferner Möwen! Tod! mein Blut
ist verzaubert! Niemand, niemand
kann mir helfen und doch bin ich
stark, mein Geist ist nicht gemein,
neugeboren trug ich Purpur,
diesen Reif, bevor die Schale
meines Kopfs gehärtet war –
    Er reisst sich den Reif vom Kopf.
und er schliesst das Weltall ein:
diese ganze Welt voll Hoheit
und Verzweiflung, voll von Gräbern
und von Aeckern, Bergen, Meeren,
alles schliesst er ein . . . was heisst das?
was ist mir dies alles? welche
Kraft hab ich, die Welt zu tragen?
bin ich mir nicht Last genug!
    Er zerbricht den Reif, wirft die Stücke
    zu Boden und atmet wild
.

Die Stimme der Hexe aus dem Gebüsch.

Der Kaiser horcht vorgebückt.

Die Stimme.
Komm, umschling mich mit den Armen,
wie Du mich so oft umschlungen!
Fühlst Du nicht, wie meine Schläfen
klopfen, fühlst Du's mit den Lippen?

Der Kaiser, sich zurückwerfend, mit emporgestreckten Armen.
Redet sie zu mir? zu einem
andern? ich ertrag es nicht!
Hat sie alles noch mit andern
wie mit mir? Dies ist so furchtbar,
dass es mich zum Wahnsinn treibt . . .
alles ist ein Knäu'l, Umarmung
und Verwesung einerlei,
Lallen von verliebten Lippen
wie das Rascheln dürrer Blätter,
alles könnte sein, auch nicht . . .
    Die Arme sinken ihm herunter,
    seine Augen sind starr zu Boden gerichtet.
    Er rafft sich auf und schreit
.

Der Kaiser.
Menschen, Menschen, ich will Menschen!

Die drei Soldaten mit dem Verurteilten treten von Rückwärts auf.
    Der Kaiser läuft auf sie zu
.

Der Kaiser.
Ihr seht aus wie Menschen. Hierher
tretet! hier!

Ein Soldat.         Was will der Mensch?

Zweiter.
Still, das ist ein Herr vom Hof!
Thu, was er uns heisst.

Der Kaiser.
Diesen hier macht frei! die Ketten
sind für mich! in mir ist einer,
der will dort hinein, er darf nicht
stärker werden! gebt die Ketten!
    Allmählich beruhigter.

Der Kaiser.
Zwar mich dünkt, nun ist es still . . .
und die Sonne steht schon tief! . . .
– Welch ein Mensch ist dies, wohin
führt ihr ihn?

Erster.                 Zu seinem Tod.

Der Kaiser.
Warum muss er sterben?

Der Soldat.                             Herr,
Lydus ist es.

Der Kaiser.           Lydus?

Der Soldat.                       Herr,
wenig weisst Du, was im Land,
was sich im Gebirg ereignet,
wenn Du nichts von diesem weisst.
Dieser ist der Fürchterliche,
der ein ganzes Land verbrannte,
Feuer warf in sieben Städte,
sich Statthalter Gottes nannte
und der Ungerechten Geissel,
selbst ein ungerecht Begehren
wie ein Rad von Blut und Feuer
durch das Land des Friedens wälzend.

Der Kaiser.
Doch die Richter?

Der Verurteilte, den Blick am Boden.
                              Einen Richter,
der das Recht bog, wollt' ich hängen,
so fing alles an.

Der Kaiser.                 Der Kaiser?
der doch Richter aller Richter?

Der Soldat.
Herr, der Kaiser, der ist weit.
    Eine kleine Stille.

Der Hauptmann, kommt gelaufen.
Hier ist nicht der Weg. Wir müssen
weg von hier. Des Kaisers Jagd
kommt bald hier vorbei.
    Erkennend.
                                      Der Kaiser!
    Kniet nieder, sogleich auch die drei Soldaten.

Der Kaiser zum Verurteilten.
Stehst Du, Mensch? die andern knien.

Der Verurteilte, den Blick am Boden.
Diese Spiele sind vorüber;
morgen Knie ich vor dem Block.

Der Kaiser.
Mensch, bei Gott, wie fing dies an?
wie der erste Schritt davon?

Der Verurteilte hebt seinen Blick
    und richtet ihn fest auf den Kaiser
.
Mensch, bei Gott, mit einem Unrecht.

Der Kaiser.
Das Du thatest?

Der Verurteilte, immer die Augen auf ihn geheftet.
                          Das ich litt!

Der Kaiser.
Und was weiter kam?

Der Verurteilte.                 Geschick.

Der Kaiser.
Und die Toten?

Der Verurteilte.     Gut gestorben.

Der Kaiser.
Und was morgen kommt?

Der Verurteilte.                       Das Ende,
das höchst nötige gerechte
Ende.

Der Kaiser. Doch gerecht?

Der Verurteilte, ruhig.     Jetzt wohl.

Der Kaiser geht auf und ab. Endlich nimmt er seinen
    Mantel ab, hängt ihn dem Verurteilten um,
    winkt den Soldaten, aufzustehen
.

Tarquinius, zurückkommend, verneigt sich.

Der Kaiser.
Kämm'rer, schliess dem Mann den Mantel
und mach ihm die Hände frei!
    Es geschieht.

Der Verurteilte blickt unverwandt, mit äusserster
    Aufmerksamkeit, beinahe mit Strenge den Kaiser an
.

Der Kaiser, Tarquinius zu sich, nach rechts vorne, heranwinkend.
Die Galeeren nach Dalmatien,
die Seeräuber jagen sollen,
warten, weil ich keinen Führer
noch genannt. Ich nenne diesen,
diesen Lydus. Wer sich selber
furchtbar treu war, der ist jenseits
der gemeinen Anfechtungen.
Als ich in der Wiege lag,
trug ich Purpur, um mich her
stellten sie im Kreise Männer,
und auf wen mit unbewusstem
Finger ich nach Kinderart
lallend deutete, der war
über Heere, über Flotten,
über Länder zum Gebieter
ausgewählt. Ein grosses Sinnbild!
Auf mein ungeheures Amt
will ich Kaiser mich besinnen:
meine Kammer ist die Welt
und die Tausende der Tausend
sind im Kreis um mich gestellt,
ihre Aemter zu empfangen.
Aemter! darin liegt noch mehr!
Kämm'rer, führ den Admiral!
Lydus heisst er, Lydus, merk.
Sonst ist nichts von nöten, geh'.
    Sie gehen ab, noch im Weggehen heftet der Mann
    seinen ernsten, beinahe strengen Blick auf den Kaiser
.

Der Kaiser.
Doch – wie eitel ist dies alles,
Und wie leicht, daran zu zweifeln,
wie so leicht es wegzuwerfen!
Dieses Hauchen lauer Luft
saugt mir schon die Seele aus!
Kommt nicht irgend etwas näher?
schwebt es nicht von oben her
unbegreiflich sanft und stark?
meinem Blut wird heiss und bang . . .
Wie soll dies aus mir heraus?
Nur mit meinen Eingeweiden!
Denn ich bin darin verfangen,
wie der Fisch, der allzugierig
eine Angel tief verschlang.
Sklave! Hund! was steh' ich hier?
Weiss, dass sie mich nehmen will,
steh' ihr selbst am Kreuzweg still!
Dies muss sein! Ich will mich selber
an den Haaren weiter schleppen
bis zum Sinken dieser Sonne!
Jagen! Jagd ist alles! Schleichen
auf den Zehen mit dem Spiess,
eigne Kraft in eines fremden
Lebens Leib so wie der Blitz
hineinschleudern . . . eine Taube!
wie sie an den Zweigen hinstreift,
trunken wie ein Abendfalter,
Kreise zieht um meinen Kopf!
Wo der Spiess? Doch hier der Dolch!
Hier und so!
    Er wirft den Dolch nach der Taube. Die Hexe,
    angezogen wie ein Jägerbursch, taumelt hervor.
    Sie presst die Hände auf die Brust und sinkt
    am Rand eines Gebüsches rechts nieder
.

Die Hexe.             Weh! getroffen!


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