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Das Märchen von Musje Morgenroth und Jungfer Abendbrod

Erstes Kapitel. Wie Musje Morgenroth in noble Verhältnisse kommt und wo er die Nacht darauf zubringt

Es war einmal ein gewisser Musje Morgenroth, der war Stiefelputzer, und zwar ein sehr vornehmer, denn er putzte nur die Stiefel von Geheimeräthen. Außerdem besaß er ein absonderliches Genie für die edle Musica, denn er war eines Organisten Sohn und hatte von seinem siebenten Jahr an Bälge treten müssen, war also von schönen alten Liedern voll und klimperte auf der Guitarre gar herzbrechend die Begleitung. Das Stöckchen von Pfefferrohr, ohne das kein ehrlicher Stiefelputzer sich durch die Welt schlagen kann, ließ er den ganzen Tag nicht von sich, und Nachts legte er's in ein Puppenbettchen, das von seinem jüngsten Schwesterlein her, Gott habe es selig! als Erbstück auf ihn gekommen war; denn er liebte beide sehr, Stöcklein und Schwesterlein. Er hatte nur einen Rock und einen Wunsch, die er beide schon sehr lange mit sich herum trug. Dem Rock ging es umgekehrt wie dem Wunsch; er wurde immer schäbiger und bequemer, während der Wunsch stärker ward und unbequemer. Dieser bestand aber in nichts geringerem, als ob's nicht möglich wäre, daß er einmal dahin käme, wo der Pfeffer wächst. Da müßte ja, meint' er, recht das Land für die Stiefelputzer sein, wo die Pfefferröhre wild wüchsen, und nicht so ein Heidengeld kosteten. Ja, wer doch da einmal hinkönnte!

Eines schönen Abends, da der Mond eben aufgegangen war, wanderte Musje Morgenroth zum Thor hinaus, an den Landhäusern der reichen Leute vorbei, hatte die Guitarre im Arm, das Pfefferröhrchen guckte ihm hinten aus der Rocktasche und der Hut saß recht windschief auf dem linken Ohre. Meiner Seel, sagte er und sah zu den Sternen hinauf, was der liebe Herrgott für Arbeit haben muß, bis er Sonne, Mond und Sterne blank geputzt hat! Wundert mich aber doch, daß er den Mond nicht blanker kriegt. Die dummen Flecken da scheinen sich schon lange eingenistet zu haben. – Er schüttelte den Kopf und that sich heimlich auf seine Stiefelputzerweisheit nicht wenig zu Gute. Es war nur sein Glück, daß er nicht mehr in die Höh' sah; denn der Mond schnitt ihm ein spöttisch Gesicht und die Sternlein warfen mit Schnuppen nach ihm, um ihn zu necken, von denen aber keine traf. Er nahm wieder seine Guitarre vor, schlug einige Accorde an und sang dann folgendes Lied:

Spazier' ich so die Gass entlang,
Wenn kaum der Tag verrauschet,
Dann heb' ich an einen trauten Sang,
Dem manch ein Dirnlein lauschet.
     Wo eins in Liebchens Armen ruht,
     Dem dünkt das Liedel wundergut;
     Wo einsam weint ein junges Blut,
     Dem soll's gar tröstlich frommen.

So weit der goldne Sonnenschein
Mag auf die Erde blicken,
Will sich zusammen nichts so fein
Als Lieb' und Musik schicken.
     Das wußt' auch König David wohl
     Und sang zur Harf' in Dur und Moll
     Höchst meisterlich und wundervoll
     Die allerbesten Lieder.

Und dies geschah vor Alters schon,
Ist dennoch wahr geblieben;
Ich mein', ich säß' auf Davids Thron,
Sing' ich ein Lied vom Lieben.
     Und wer dies Liedel hat erdacht,
     Der hat so manche liebe Nacht
     Ein Ständchen seinem Schatz gebracht.
     Die ließ ihn ein zum Danke.

Wie er eben fertig war und klimperte noch so eine Art von Nachspiel, wurde in einem kleinen Gartenhäuschen ein Fenster aufgemacht, hart bei ihm, und eine steinalte Frau lehnte sich heraus. »Guten Abend, Herr Minnesinger!« sagte sie ausnehmend freundlich. »Wo habt Ihr denn das schöne Lied her, das Ihr so wunderlieblich gesungen habt?« – Schönen guten Abend, gnädige Frau Geheimeräthin! erwiederte Musje Morgenroth – denn so nannte er aus langer Gewohnheit jede vornehme Dame, die ihm vorkam – mit dem wunderlieblichen Singen ist's wohl nicht weit her (das war aber die pure Bescheidenheit). Das Lied jedoch ist ein Erbstück in unsrer Familie; der Urgroßvater hat es gesungen, da er Bräutigam war. – Ei, sagte die alte Dame, wer seid Ihr denn? – Ich bin der Stiefelputzer Morgenroth, gab der mit dem schiefen Hut zur Antwort. – Das ist ja ein wunderhübscher Name und eine sehr ehrenwerthe Kunst, sagte die Dame wieder. Hättet Ihr wohl Lust, noch eine Stelle anzunehmen? – Ja, meinte Musje Morgenroth ganz stolz, ich putze nur die Stiefeln und die Schuhe in Geheimerathsfamilien! – Ach du lieber Gott! lachte die alte Dame, ich bin noch weit vornehmer. Ich bin eine Fee außer Dienst, und weil ich gar zu wackelig geworden bin, habe ich mich in dies Gartenhäuschen zurückgezogen und lebe von meinen Renten. – Musje Morgenroth zog seinen Hut und machte einen tiefen Bückling. Ich stehe ganz zu Diensten, sagte er. – Damit schien die Fee ganz zufrieden und sagte: Hört einmal! ich habe noch eine leere Kammer im Gartenhaus; da könntet Ihr wohnen. Müßt dann aber Eure andern Stellen aufgeben; denn bei mir habt Ihr Alles frei und einen neuen Anzug zu Geburtstag und Weihnacht, aber keinen Lohn, sondern wenn Ihr mir ein Jahr lang gedient habt, sollt Ihr einen Wunsch thun dürfen, den will ich Euch erfüllen, so groß er auch sein mag. – Das ist alles ganz schön, gab Musje Morgenroth zur Antwort; aber Ein Haus kann ich nicht aufgeben, dem Geheimerath von Fresco seins; da putz' ich schon seit meinen Schuljahren die Stiefel. – Auf das eine Haus soll mir's nicht ankommen, sagte die Fee. Aber habt Ihr sonst Anhang? – Musje Morgenroth wurde ganz roth und sagte dann: Ich wüßte nicht; nur die Jungfer Abendbrod, die Köchin bei Fresco's, die ist mein Schatz, und mit der geh' ich alle Sonntage zum Tanz. – Ich kann gegen eine aufrichtige Leidenschaft nichts haben, erwiederte die alte Dame; aber nur darf sie mir nicht ins Haus. – Schon gut, brummte Morgenroth, wenn ich nur den Sonntag Nachmittag frei habe und zuweilen in der Woche ein Stündchen bei ihr sitzen kann. – Das soll Euch vergönnt sein, sagte die Fee. Also morgen, hört Ihr wohl? kommt Ihr mit Euren Siebensachen und richtet Euch ein bei mir. Gute Nacht, Musje Morgenroth! – Sanfte Ruh, Excellenz! sagte der Stiefelputzer; denn so nannte er die Dame, weil sie noch vornehmer war als die Geheimeräthinnen. Oben das Fenster wurde zugeschlagen und er stand wieder allein. Nun besah er das Häuschen mit Muße. Es war einstöckig, hatte ein hohes spitzes Dach und lauter grüne Jalousieen und nach der Straße zu keine Thür, sondern eine im Zaun; daran hing eine Klingel und auf dem Klingelschilde stand: Claribella, Fee außer Dienst. Das las aber Musje Morgenroth im Mondschein, machte dann seelenvergnügt Kehrt und schlenderte der Stadt zu.

Bin ich doch auf einmal in noble Verhältnisse gekommen! sagte er zu sich selbst. Morgen im Vorbeigehn ruf' ich's gleich dem Fritz ins Fenster hinein; da wird er sehn, daß ich doch ein andrer Kerl bin, als er. – Den Fritz aber konnte er nicht leiden, weil der mit einem spanischen Rohr die Kleider klopfte und über sein Pfefferrohr ganz schnöde Dinge zu sagen pflegte. Dann griff er wieder in die Guitarre, klimperte und sang dazu und machte einen Luftsprung über den andern.

Es floß ein kleiner Graben durch die Stadt, gerade hinter dem Hause vorbei, wo Jungfer Abendbrod Köchin war. Das Kämmerlein aber, darin sie wohnte, lag neben der Küche im Erdgeschoß, und zwar nach dem Wasser zu. Musje Morgenroth löste nun einen Kahn, den die Wäscherinnen brauchten, vom Pfahl, stieg hinein und ruderte mit einer der hohen Trockenstangen, die in Menge dalagen, unter seiner Liebsten Fensterlein. Da fing er leise an zu präludiren und sang:

Spät im Mondenschein ich harre,
Ich verliebter armer Narre,
Seufze leise zur Guitarre:
Lieber Schatz, ich bitte dich,
Laß mich heute nicht im Stich!

Da that sich das Fensterlein auf und Jungfer Abendbrod sah gar freundlich heraus. Sie hatte ganz blondes Flachshaar, glatt gestrählt, und ein paar Wangen, die roth waren, wie die Aepflein am Baum. Das kam daher, daß sie den ganzen Tag in der Glut am Herde stehen mußte. Guten Abend, lieber Musje Morgenroth! sagte sie. Ich hab' Euch schon lange erwartet, denn ich hob eine prächtige Bratwurst und ein Weißbrod für Euch auf, dazu einen Milchweck mit Rosinen. – Viel tausend Dank, liebste Jungfer Abendbrod! sagte der im Waschkahn. Reicht mir nur die schönen Sachen heraus; denn ich habe einen grausamen Appetit. – Die Jungfer verschwand einen Augenblick; dann kam sie wieder zum Vorschein, gab ihm die Wurst in einer schönen blauen Düte hinab und das Weißbrod und den Milchweck auch, und Musje Morgenroth steckt's alles in seine Rocktaschen. Darauf fing er an und erzählte ihr, wie er nun in so noble Verhältnisse gekommen und daß die Excellenz gesagt habe, gegen eine aufrichtige Leidenschaft könne sie nichts haben; und wenn das Jahr um wäre, wolle er sich Haus und Hof wünschen, dann könne er sie heirathen. – Aber sagt einmal, fragte die Jungfer, wie alt ist wohl die Dame? – Schatz, erwiederte Musje Morgenroth, es braucht der Eifersucht nicht. Sie sieht einer Nachteule ähnlicher als einem Menschen, und ich glaube gar, sie hat keinen Zahn mehr. – Ach Gott, wie komisch! rief Jungfer Abendbrod und lachte, bloß um ihre blanken Perlenzähne zu zeigen; denn eigentlich ist das doch gar nicht komisch, wenn Jemand keinen Zahn mehr im Munde hat. Sie schwätzten noch eine Viertelstunde zusammen, wie sie ihr Häuschen einrichten wollten, und eine schöne große Küche werd' ich haben und viel blankes Kupfergeschirr, sagte Jungfer Abendbrod; dann hörten sie wahrhaftig Mitternacht schlagen. Ich muß nun aber fort, meinte Musje Morgenroth. Nur noch einen Kuß, liebste Jungfer! Sie bog sich ein bischen heraus und er kletterte an der Wand hinauf, hielt sich oben an Fensterkreuz fest und gab ihr einen herzhaften Gutnachtkuß. Wie er sich umsah, um in den Kahn zurückzuspringen, war der hinterlistiger Weise fortgeschwommen, und die Guitarre lag auf der Ruderbank und schwamm mit. Ach Himmel! rief Musje Morgenroth, was fang' ich nun an? – Jungfer Abendbrod bekam einen gewaltigen Schreck. Hier hangen bleiben könnt Ihr nicht, das hält ja Niemand aus die ganze Nacht; und wenn Euch am andern Morgen die Leute sähen, ich wär' des Todes! Wißt Ihr was, ich lass Euch in die Küche. – Damit half sie ihrem Liebsten durchs Fenster in ihr Kämmerlein, schob ihn aber eilig durch die Thür in die große dunkle Küche und schloß hinter ihm ab. Da stand nun Musje Morgenroth und wagte keinen Schritt zu thun. Endlich ging er ein wenig vorwärts, aber bauz! da stieß er an die Kante von dem großen Küchentisch. Er wußte zwar sonst ziemlich Bescheid hier; aber er war ganz verwirrt von dem Schreck, fand jedoch den Herd und streckte sich behaglich daneben hin, daß der Kopf auf einem Reisbündel zu liegen kam. Wie er nun so lag, fiel ihm ein, er hätte ja die Bratwurst noch in der Rocktasche und das Weißbrod nebst dem Milchweck mit Rosinen. Da fing er ganz vergnügt an zu essen, und das that ihm gar sanft. Hernach dachte er:

Willst doch einmal sehn, ob Jungfer Abendbrod schon schläft; und da sang er mit leiser, leiser Stimme:

Lieber Schatz, was machst du?
Schläfst du, oder wachst du?
Unten bei dem Feuerherde
Lieg' ich auf der blanken Erde,
Muß an dich so viel gedenken;
Will kein Schlaf sich niedersenken,
Weil die Sehnsucht immer wacht.
Gute Nacht! Gute Nacht!

Aus dem Kämmerlein nebenan gab Jungfer Abendbrod eben so leise zur Antwort:

Thät mich schon zu Bette legen,
Bet' nur noch den Abendsegen.
Mondschein zwischen Wolkenschäfchen
Dämmert mich wohl bald ins Schläfchen.
Lege dich fein still aufs Ohr!
Mach mir nicht so viel Rumor,
Daß im Hause Keins erwacht!
Gute Nacht! Gute Nacht!

Das nahm sich Musje Morgenroth zu Herzen, betete noch ein Vaterunser, aber eh er's zu Ende hatte, war er richtig schon eingeschlafen. Die kleinen Mäuslein, die aus den Löchern herausschlüpften, wunderten sich nicht wenig über die ungewohnte Gesellschaft, ließen sich aber nicht stören, sondern hielten in der Küche Ball, wie alle Nacht, pfiffen sich lustige Stücklein zum Tanz, und wenn sie ausruhten, naschten sie aus Jungfer Abendbrods Zuckerdose oder knabberten an dem Brode, das im Küchentisch lag. Eins aber kam aus Versehen über Musje Morgenroths Nase gelaufen; da schlug er im Traum um sich, daß die ganze Gesellschaft erschrak und sich wieder verkroch. Und so hatte er die übrige Nacht Ruhe vor ihnen.

 

Zweites Kapitel. Wie Musje Morgenroth sich einrichtet

Der Hahn hatte noch kaum gekräht, da stand Jungfer Abendbrod schon bei ihrem Liebsten und weckte ihn. Guten Morgen, Schatz! sagte der und richtete sich auf. Au weh! ich bin einmal brav zerschlagen. Ach, und mich schläfert noch gewaltig! – Hilft nix, sagte die Jungfer, Ihr müßt absolut aus dem Hause hinaus. Der Wächter hat eben aufgeschlossen, und wenn erst die Bäckerläden sich aufthun, kommt Ihr nimmer unbemerkt fort. – Jesus! schrie da mit einem Mal Musje Morgenroth, und meine Guitarre hab' ich ganz vergessen. Die ist am Ende gestohlen! Ich überleb's nicht! – Und so stürzte er aus der Küche, lief die Treppen hinab und war zur Hausthür hinaus.

Es war lieblich frisch draußen und still; kein Mensch ging auf der Gasse; nur die alten Mütterlein, die nicht schlafen konnten, saßen in den Nachthauben am Fenster und begossen die Blumen, oder gaben dem Vögelchen sein Futter, damit das verschlafne Enkelkind, wenn's endlich aufwachte, seine Blumen frisch und den Liebling im Bauer lustig fände. Musje Morgenroth lief, ohne darauf zu achten, an den Graben und ging dann suchend dem Wässerchen nach. Da war denn der Waschkahn bis zu einem Kameraden hinabgeschwommen, der sich recht breit machte und ihn anhielt, und so mögen sie die Nacht sich eins erzählt haben. Die Guitarre lag unversehrt auf der Ruderbank, die Trockenstange unten im Kahn, und Musje Morgenroth schlug vor lauter Fröhlichkeit ein Rad bis in den Kahn hinein. Darauf nahm er die Stange zur Hand und fuhr wieder den Graben hinauf, ganz stille, daß Keiner das Plätschern hören sollte, band das Fahrzeug am Pfahl wieder fest und sprang mit der Guitarre hinaus.

Wie er dann durch die alte Stadt ging, war ihm zu Muth, als wäre er nie so fröhlich gewesen. Nein, sagte er, ich will heut den Fritz nicht ärgern, will ihm lieber ein Lied singen. Da stellte er sich vor Fritzens Kammerfenster und sang:

Wenn die Hahnen frühe krähen,
Macht sich auf Herr Morgenwind,
Feget aus mit starkem Wehen
Stadt und Flur und Wald geschwind.

Allen Bäumen in der Runde
Schüttelt er das Haar zurecht,
Weckt die Blümelein im Grunde,
Daß sich keins verschlafen möcht'.

Nebel, die an Bergen hangen,
Jagt er ohne Gnade fort.
Kommt Frau Sonne dann gegangen,
Find't sie's sauber allerort.

Will sie ihrem treuen Winde
Geben schönen Dank zum Lohn,
Ist er, daß ihn keiner finde,
Ueber alle Berge schon.

Und daran nahm sich Musje Morgenroth ein Exempel und lief, als er den letzten Ton gesungen hatte, eilig fort in die Nebengasse. Da aber stand er still und sah um die Ecke, wie der Fritz ganz munter den Kopf hinaussteckte und sagte: Ei wer hat mir die schöne Morgenmusik gebracht? – Der Musikant aber lachte vergnügt in sich hinein und ging seiner Wege weiter.

So kam er an ein stattliches Haus, da wohnte eine von seinen Herrschaften drin. Geheimeraths Liese – so hieß die Köchin– stand vor der Thür und sagte: Schönen guten Morgen, lieber Musje Morgenroth! Ihr kommt ja zeitig heut! – Der aber wußte schon, was er darauf zu sagen hatte, stellte sich ganz ernsthaft hin und sprach:

Ich bin in noble Verhältnisse gekommen,
Eine Fee außer Dienst hat mich in Dienst genommen;
Nun muß ich jedoch aus dem Dienste treten
Bei Herr Geheimerath und Frau Geheimeräthen.
Doch Liese bestelle, daß ich bleibe bis in den Tod
Ihr gehorsamer Diener Musje Morgenroth.

Damit ging er fort und begegnete Geheimeraths Käthe; die fragte ihn ebenso, und der sagte er dasselbe. Dann kam Geheimeraths Dorthe, und dann Geheimeraths Annemarie, und dann Grete, Line und Cläre, und das waren alle Geheimerathsköchinnen, und all denen sagte er dasselbe. Zu allerletzt aber kam er zu Fresco's, und da setzte er sich bei Jungfer Abendbrod in die Küche und trank Kaffee, den sie ihm kochte und aß einen Weck dazu und putzte dann die Stiefel und Schuh von Herr Geheimerath und Frau Geheimeräthin und den zwölf Fräulein und Junkern, wobei er seiner Liebsten ein schönes Lied nach dem andern vorsang.

Mittlerweile war es acht Uhr geworden; da dachte er: Es wird wohl Zeit sein, daß ich in meine neue Wohnung ziehe; sonst denkt Excellenz Claribella, ich sei ein rechter Siebenschläfer. Beurlaubte sich also bei Jungfer Abendbrod und ging zum Thor hinaus. Wie er nun zu dem kleinen Häuschen kam, lag die alte Excellenz schon im Fenster und sagte gar freundlich: Guten Morgen, Musje Morgenroth! Wo hinaus? – Ich wollte schon zu Ew. Excellenz ziehn, sagte der. – Ah so, meinte die Fee, und die Wagen kommen wohl nach? – Welche Wagen, Excellenz? – Ich meine die Möbelwagen, die Eure fahrende Habe hierher bringen. – Ach du lieber Gott! sagte Musje Morgenroth und hätte fast gelacht, wenn's nicht unschicklich gewesen wäre; all meine fahrende Habe bring' ich mit, und drei Hemden und drei Paar Socken, die ich noch von der Mutter her habe, sind bei der Wäscherin, die wird sie morgen hier herausbringen! – Da fiel die Fee fast in Ohnmacht und schlug einmal über das andre die Hände überm Kopf zusammen vor großmächtiger Verwunderung. Endlich sagte sie: Hier nehmt den Schlüssel zur Gartenthür und klopft nur hinten an der Hausthür; sie geht schon von selbst auf. – Das that er denn, trat in den Garten ein und stieg die kleine Treppe hinten am Haus hinauf und trat hinein. Innen sah's gar wohnlich und hübsch aus; die alte Excellenz kam ihm im Flur entgegen und führte ihn in eine geräumige Kammer; drin stand ein Bett und rings lauter Kleiderschränke und Kommoden, aber alle leer. Ei, sagte Musje Morgenroth, da kann ich meine drei Hemden und die drei Paar Socken bequem unterbringen!– Die Fee that, als hörte sie's nicht, denn sie war filzgeizig; sonst hätte sie dem armen Menschen wohl die Kisten und Kasten mit hübschen Sachen füllen können. Laßt's Euch lieb sein, sagte sie, daß Ihr so viel Gelaß habt; man kann nicht wissen, wozu das einmal nutzt. Wenn's einmal Dukaten regnet oder Bratäpfel oder sonst was Guts, so wißt Ihr gleich, worin Ihr sie sammeln könnt, und dann kommen Die schlecht weg, die keinen Platz haben. – Das leuchtete ihm auch ein und er sagte: Ich will nur den einen Schrank ein bischen bei Seite schieben, sonst kann ich gar nicht zu meinem Bett; und daneben muß auch das Puppenbettchen stehn für mein Pfefferrohr. Das hatte er aber im Vorbeigehn von der Wittwe abgeholt, bei der er seine Schlafstelle hatte.

Da Ihr Euch nun eingerichtet habt, fing die alte Excellenz wieder an, will ich Euch sagen, was Ihr jeden Tag thun müßt. Morgens ganz früh müßt Ihr in den Garten und die Wege sauber machen, und die Eidechslein und Rosenkäfer beiseit kehren; denn die mag ich nicht leiden. Nachher putzt Ihr die Schuh, die vor meinem Schlafzimmer stehn, und wenn Ihr damit fertig seid, klopft Ihr dreimal an die Thür und sprecht dabei folgenden Vers:

Sonn' ist eben aufgegangen,
Spiegelt ihre goldnen Wangen
In den blitzeblanken Schuhen.
Wollten Excellenz geruhen,
Dero Schlaf nehm' jetzt ein End,
Weil der Kaffee sonst verbrennt.

Und dann bringt Ihr mir meine Kaffeemaschine an die Thür, die singt, wenn der Kaffee fertig ist: »Wie schön leucht't uns der Morgenstern.« Wenn ich gefrühstückt habe, mögt Ihr zu Fresco's gehn; aber zu Mittag seid wieder hier, da müßt Ihr mir das Essen kochen: ein Weinsüppchen, ein Rindsrippchen und ein Eierküchlein mit Pflaumen. Nach Tisch lest Ihr mir die Zeitungen vor und gebt meinem Papagei Geographiestunde. Dann ist der Tag Euer. – Ach, sagte Musje Morgenroth, aber meine Geographie geht nicht weiter als bis zum nächsten Kirchspiel. – Schadet nichts, sagte die Fee, es sind nur allgemeine Kenntnisse nöthig, daß der Lori nicht so gar viehdumm bleibt. Nun wißt Ihr, was Ihr zu thun habt. Zu essen bekommt Ihr, was ich übrig lasse; und da habt Ihr noch ein Tuch, das ist ein Hungertuch, und wenn's einmal nicht reichen sollte, Euch satt zu machen, könnt Ihr an dem Hungertuch nagen; dann haltet Ihr's aus. – Danke schön, sagte Musje Morgenroth; wenn ich einmal recht appetitlich bin, geh' ich zu Jungfer Abendbrod, meinem Schatz. – Wie Ihr wollt, sagte die Fee; aber heimlich war sie recht froh, denn sie war eine gute Wirthin und liebte die Dienstboten zumeist, die am wenigsten aßen.

Wie es nun Mittag wurde, ging Musje Morgenroth in die kleine Küche und kochte das Weinsüppchen, das Rindsrippchen und das Eierküchlein mit Pflaumen, und weil er eine Köchin zum Schatz hatte, machte er Alles gar urwürzig und gut, daß die Fee ihn nicht genug loben konnte. Nachher, als er das Geschirr gesäubert hatte, rief sie ihn in ihr Wohnstübchen. Ach, da sah es einmal wundernett aus! An den Wänden erblickte man die ganze Familie der Excellenz Claribella ausgehauen und gestochen, und über dem Sopha hing ihr Taufschein und Einsegnungsschein in goldnen Rahmen, die ganz erstaunlich glitzerten. Der Lori war auch da und schien ein sehr verwöhntes Thier zu sein, denn seine Herrin hielt ihm immer die Stange, auf der er saß. Als nun Musje Morgenroth hereintrat und ihm höflich seine Verbeugung machte, verzog er seinen Schnabel zu einem verbindlichen Lächeln und sagte: Bella, der Mensch gefällt mir. – Er soll dir auch Geographie beibringen, sagte die Fee, hieß Musje Morgenroth sich zu ihr auf einen Stuhl setzen und gab ihm die Staatszeitung und das Intelligenzblatt. Die las er von A bis Z vor, alle Dienstgesuche, Wohnungen, die zu vermiethen sind, vermischte Nachrichten und reelle Heirathsgesuche in einem Strich, und die Fee streichelte unterdeß den Papagei und sagte von Zeit zu Zeit: So! – Wie er nun fertig war, sagte die Fee: Ihr lest ganz erstaunlich gut, Musje Morgenroth. Es wird wohl mit der Geographie eben so gut gehn. Da faßte sich der arme Mensch ein Herz, und weil es nur das Allgemeine sein sollte, fragte er den Lori: Junger Herr, könnt Ihr mir sagen, wie die Erde eingetheilt ist? – Der Lori schwieg auf diese verfängliche Frage mäuschenstill, und Musje Morgenroth beantwortete sich selbst, wie er sich's vorher in der Küche zurecht gelegt hatte: Die Erde ist eingetheilt in Länder, Städte, Flecken und Dörfer. Dann fragte er weiter und schwitzte die hellen Tropfen vor Angst: Und wißt Ihr anzugeben, wie die Flecken eingetheilt werden? – Ja, sagte der Lori, in Tintenflecke, Obstflecke, Fettflecke und Baumflecke.– Hört Ihr? flüsterte die Fee dem Musje Morgenroth zu, er weiß doch gleich Bescheid. – Ach ja, sagte der schwitzende Magister, er hat nur die Marktflecken ausgelassen. – Was ich doch immer schon fragen wollte, sagte der Lori, wo liegt eigentlich das Land, wo der Pfeffer wächst? denn da bin ich geboren. – Ei, erwiederte Musje Morgenroth, und da möchte ich gar zu gern hin. Es muß da so ein hunderttausend Meilen hinterm Berge liegen. Wie er das aber heraus hatte, wurde ihm ganz schlimm; denn er meinte, die Fee wüßt' es besser; sagte also, er bekäme plötzlich heftiges Leibschneiden, er müsse für heut schließen. Damit schien der Lori ganz zufrieden, und die Fee, die ihm immer die Stange hielt, auch, und Musje Morgenroth machte daß er fortkam.

Er lief aber mit der Guitarre geraden Weges zu Jungfer Abendbrod; die fand er in der Küche sitzen und im Kochbuch lesen. Wie sie aber ihres Liebsten ansichtig ward, ließ sie das Lesen, holte ein Viertel von einem Kapaun hervor und ein Glas Wein und ein Stück Kuchen – denn es war dem Herrn Geheimerath sein Geburtstag gewesen – und das setzte sie Musje Morgenroth vor. Dem war das Leibschneiden schon unterwegs vergangen; saß also ganz froh nieder und aß. Dazwischen erzählte er der Jungfer, wie es ihm ergangen. Ach, schloß er, als er eben das letzte Knöchlein benagte, es will mir schon gefallen in den nobeln Verhältnissen, wenn nur die Geographiestunde nicht wär' und in der Kammer nicht so viel Gelaß wär', daß ich mich kaum umdrehn kann. Nu, sagte Jungfer Abendbrod, haltet nur ein Jahr lang aus! Hernach soll's uns schon desto besser gehn. Indem sie das sagte, räumte sie das Geschirr beiseit, und dann setzten sie sich zusammen auf den Küchentisch und sangen die wunderschönsten Lieder, wie: »Puthähnechen, Puthühnechen« &c. und »der Kukuk ist ein alter zisele bumbum basele besele« &c.; aber am schönsten war doch ihr Leibstückchen:

Pumpelnäs' und Singestert
Saßen auf dem Feuerherd
Ohne Kien und ohne Licht;
Pumpelnäschen, stoß dich nicht!

Und das sangen sie wohl ein Dutzend Mal, und Musje Morgenroth spielte dabei auf der Guitarre und Jungfer Abendbrod ließ ihre Füße im Takt an den Küchentisch baumeln, daß man weit und breit für schweres Geld nichts Schöneres hätte hören können.

 

Drittes Kapitel. Wie durch einen verunglückten Kaffee viel Glück zu Wasser wird

So ging das ein ganzes Jahr lang und Musje Morgenroth hatte nimmer nöthig an dem Hungertuch zu nagen, weil ihn sein Schatz nudelte, so viel sie konnte. Zu Geburtstag und Weihnacht bekam er eine neue Liverey, und die war ganz absonderlich schön, alter grüner Sammt von einem früheren Reitkleide der Fee Claribella, mit Schmetterlingsflügeln besetzt am Kragen und an den Aufschlägen, Turnhosen mit Gamaschen und einen Hut von veilchenblauer Seide, darum der Altejungfernkranz der Excellenz gewunden war. Musje Morgenroth sah gar stattlich in dem Aufzuge aus, so daß alle Leute auf der Straße stehn blieben und sagten: Ei was für eine schöne Liverey! Nun wußte er auch, wozu seine Schränke da waren. In den ersten hing er Abends die neue Liverey, in den zweiten seine alten Kleider, in den dritten das erste Hemd, in den vierten das zweite und so fort in jeden Kommodenkasten eins. Da war er vor Unordnung sicher.

Mit der Geographiestunde ging es auch besser, als er gedacht hatte. Er fing mit den nächstliegenden Dörfern an und erzählte dem Lori von jeder Kirms, auf der er getanzt, und von jedem Erntefest, das er mitgemacht hatte. Das war ein sehr nützlicher Unterricht, denn da bekam der Lori einen allgemeinen Begriff von Kuchenecken, Aepfelwein, Milchreis und Hirsenmus; und das ist für viele Menschen die Hauptsache; warum nicht für einen Lori, dem eine Fee außer Dienst die Stange hält?

Wie nun das Jahr fast um war – es war aber nur noch ein Tag dazwischen – erinnerte Musje Morgenroth die Excellenz an ihr Versprechen, ihm einen Wunsch, wie groß er auch wäre, zu erfüllen. Ja wohl, sagte die Fee, denkt Euch nur was Hübsches aus! Das war aber recht schlecht von ihr, daß sie das sagte; denn sie hatte doch vor, den armen Menschen zu betrügen, weil sie so filzgeizig war. Musje Morgenroth aber ging spornstreichs zu seiner Jungfer Liebsten, um ihr all sein Glück zu erzählen. Er fand sie am Herd stehen, und über dem Feuer hing ein großer Waschkessel. Was kocht Ihr da, Jungfer Abendbrod? sagte er.– Kaffee, liebster Musje Morgenroth. Unser ältestes Fräulein giebt heut einen großen Klatschkaffee, wozu hundert und ein Geheimerathsfräulein eingeladen sind. – Indem hörten sie etwas die Treppe heraufkommen. Horcht! sagte die Jungfer, da kommen sie. Musje Morgenroth aber war nicht faul, rückte einen Stuhl vor die Küchenthür und sah oben durch die Ritze. Da kamen die hundert und ein Geheimerathsfräulein richtig dahergewackelt – denn das Wackeln galt für vornehm – und alle trugen schwarzseidne Kleider mit silbernen Sternen und hatten Nähkästchen von schwarzem Ebenholz in der Hand, die auch mit silbernen Sternen eingelegt waren. In der Stadt herrschte nämlich der sogenannte Kastengeist; denn die Töchter in den verschiedenen Ständen unterschieden sich durch die Nähkasten, und eine Professorstochter mußte einen andern haben als eine Geheimerathstochter, und eine Schneiderstochter wieder einen andern als ein Professorsfräulein. Das war auch ganz in der Ordnung; denn es wäre doch entsetzlich gewesen, wenn die hohen Herrschaften nicht was Apartes gehabt hätten. Die Nähkästchen der Geheimerathsfräulein waren aber deshalb schwarz mit Sternen, weil das die Nacht vorstellt, die doch alle heimlichen Leiden der Menschheit beschützt und somit auch die Geheimenräthe.

Da sie nun vorüber waren, stieg Musje Morgenroth herunter und sagte: weißt du, Schatz? morgen ist das Jahr um; da thu' ich meinen Wunsch. Ei was ich fidel bin! Er setzte sich wieder auf den Küchentisch und stimmte die Guitarre. Ach laßt lieber das Singen! sagte die Jungfer; denn wenn ich nicht Acht gebe, verbrennt mir der Kaffee. Ihr Liebster aber sagte: Wir werden doch wohl den Vorabend vor unserm fabelhaften Glück eins singen dürfen! schlug ein paar Accorde an, und Jungfer Abendbrod mochte wollen oder nicht, sie mußte mitsingen, wie er folgendes Lied anstimmte:

Wie trag' ich doch im Sinne
So wunderfrohen Muth!
Das kommt von süßer Minne,
Die heimlich brennen thut.
Dadraußen lacht der Mai,
Nun geht's ans Wandern frei;
Und böt' man hundert Gulden mir,
Ich wär' nicht mit dabei.

Mein Schatz hat lichte Haare
Und Wänglein weiß und roth;
Von ihr will ich nicht fahren,
Es scheid' uns denn der Tod.
In aller weiten Welt
Mir nichts so wohl gefällt;
Seit ich mein'n Schatz zuerst erschaut,
Ist's Wandern mir vergällt.

Drei Wochen nach Michaele
Geht's an ein lustig Frei'n.
So froh mag keine Seele
Auf dieser Erde sein.
Ein eigen Haus und Herd
Ist Kaiserkronen werth,
Und kommt mir je das Wandern an,
Ich mach' schon zeitig Kehrt.

Das Lied war eben aus, da trat der Bediente herein und trug ein großmächtiges Brett, auf dem hundert und ein schwarze Kaffeetassen mit silbernen Sternen und eine riesenhafte Kanne stand. Jungfer Köchin, sagt' er, gießt mir flugs die Kanne voll; die Fräuleins haben sich schon die Zungen trocken geschwatzt. – Jungfer Abendbrod trat zu dem Waschkessel, aber mit einem lauten Schrei stürzte sie zurück. Ein unausstehlicher Brandgeruch stieg vom Kaffee in die Höh und durchräucherte die ganze Küche. Ach Gott, ach Gott! jammerte sie, was wird die Frau Geheimeräthin sagen! – Die aber trat in demselben Augenblick zur Thür herein und rief: Johann, wie lange wirds? Johann machte ein verlegenes Gesicht und deutete ausdrucksvoll nach dem Waschkessel und Jungfer Abendbrod. Da begriff die Geheimeräthin den ganzen Zusammenhang und rief: Den Augenblick packst du deine Sachen zusammen und scherst dich aus dem Hause! Und wie sie das gesagt hatte, wurde sie blau und roth vor Zorn, verließ die Küche und warf die Thür hinter sich zu, daß die kupfernen Kessel ganz erschrocken einander anstießen, als wollten sie sagen: habt ihr gehört? Die ist einmal böse!

Jungfer Abendbrod lehnte an der Wand und weinte die langen bittern Zähren. Musje Morgenroth saß noch immer auf dem Küchentisch und hatte Augen und Mund weit offen stehn vor Schreck; aber Johann hatte sich leise davon gemacht. Endlich trocknete die Jungfer ihre Thränen und fing an, in stummem Gram ihr bischen Kleider in ein Bündel zu packen. Aber, liebster Schatz, sagte Musje Morgenroth, was härmt Ihr Euch so gar grausam? Morgen thu' ich meinen Wunsch, und dann heirathen wir uns. – Ach nein! schluchzte Jungfer Abendbrod, daraus wird nichts; unsereins hat auch seine Ambition, und so ein fortgejagtes Ding ohne Schein, die den Kaffee hat anbrennen lassen, sollt Ihr nimmermehr freien. Das könnten wir nie verantworten vor unsern Kindern; die müßten sich ja schämen vor den Leuten. Ach Gott! – und da fing sie wieder an zu weinen. – Seid doch nur ruhig, liebste Jungfer! sagte Musje Morgenroth und sprang vom Küchentisch, ich habe Euch nicht minder lieb darum daß Ihr den Kaffee habt anbrennen lassen und fortgejagt werdet außer der Zeit und keinen Schein bekommt; denn an all dem bin ich ja Schuld! – Die Jungfer aber wollte sich nicht trösten lassen, sagte immerfort, er solle sich eine Andre suchen, die nicht so in Schimpf und Schande gekommen wäre, und hatte indeß ihr Bündel fertig geschnürt. – Und wo wollt Ihr nun hin? sagte ihr Liebster. – Ich habe noch die alte Cousine hier in der Stadt, Jungfer Gretchen Leisegang; die wird mich wohl aufnehmen in meinem Unglück. – Nun denn kommt in Gottes Namen! sagte Musje Morgenroth, machte die Thür auf, blieb aber wie versteinert stehn. Die hundert und ein Geheimerathsfräulein kamen nämlich eben wieder dahergewackelt; denn sie hatten in der höchsten Entrüstung Abschied genommen und wollten wieder nach Haus. Sie sahen alle bitterbös aus, und wie sie an der Küche vorbeikamen, warf eine jede der Jungfer Abendbrod einen verachtenden Blick zu und dann rauschten sie vorüber.

Ach Gott, lieber Musje Morgenroth! rief die Jungfer weinend aus, habt Ihr wohl die Blicke gesehn? – Der aber stand selbst wie versteinert. Verachtet von hundert und ein Geheimerathsfräulein! sagte er vor sich hin; das ist hart! – Und in stiller schweigender Verzweifelung stiegen sie die Treppen hinunter und gingen selbander zu Jungfer Gretchen Leisegang, die die weinende Jungfer Abendbrod mitleidig und tröstend aufnahm.

 

Viertes Kapitel. Wie es Musje Morgenroth wider seinen Willen nach Wunsch geht

Als Musje Morgenroth am andern Morgen in seiner Kammer saß, war ihm recht betrübt zu Muth. Seine schönsten Luftschlösser waren zerstört, seine jahrelange Mühe umsonst. Ach! seufzte er halb ärgerlich, halb traurig, ich wollt' daß ich wäre wo der Pfeffer wächst! – Der Wunsch soll Euch erfüllt werden, sagte Excellenz Claribella, die eben in die Kammer trat. Da fiel dem armen Musje Morgenroth erst wieder ein, daß heute das Jahr um sei und er einen Wunsch frei habe; aber so hatte er's gar nicht gemeint. Doch wußte er, daß die Fee ihren Willen haben mußte, auch wenn's einem Andern einmal nach Wunsch gehn sollte, sagte also, es wär' ihm ganz recht so; und halb recht war's ihm auch; denn es lag ihm an gar nichts mehr viel, seit er Jungfer Abendbrod nicht haben sollte. Die Fee aber war heimlich sehr froh, daß sie Musje Morgenroth so belauert hatte, führte ihn in eine Rumpelkammer, wo viele alte verstaubte Zaubersachen herumlagen, und nachdem sie einige diamantene Schwerter, Drachen, Wünschelruthen und Quecksilberseen bei Seite geschoben hatte, holte sie einen alten Stuhl hervor, der gar seltsam aussah. Statt der vier Beine hatte er vier Gänseflügel; ein kleiner Schornstein war an der Rückenwand befestigt, und unter dem Sitz saß eine ganz kleine Dampfmaschine. Auf der Lehne aber stand mit goldnen Buchstaben: Koncessionirter Dampfstuhl zur Reise ins Pfefferland.

Wie Musje Morgenroth des Dampfstuhls ansichtig ward, verschwand sein Trübsinn. Ei, sagte er, wie bequem muß sich's da reisen lassen! Aber wißt Ihr was, Excellenz? wollt Ihr einmal ein christlich Werk thun, so kümmert Euch, wenn ich fort bin, ein bischen um Jungfer Abendbrod und schreibt mir, wie ihr's geht. – Ich habe schon die ganze Geschichte im Morgenblatt gelesen, sagte die Fee. Wenn Ihr ein paar Zeilen an Euren Schatz schicken wolltet zum Valet, so könnt Ihr ihr vorschlagen, während Ihr auf Reisen geht, an Eurer Stelle in meinen Dienst zu treten. Nachher geb' ich ihr einen guten Schein; dann wird sie wohl nichts dagegen haben, Euch zu heirathen. Freilich bekommt sie keinen Lohn, hat aber alles frei, wie Ihr, und das Hungertuch laßt ihr nur auch hier. – Da war denn Musje Morgenroth wie im Himmel, und was das Hungertuch betraf, dacht' er: Sie hat ja die Cousine hier, die Jungfer Gretchen Leisegang, da wird sie's wohl nicht nöthig haben; setzte sich also hin und schrieb seinem Schatz folgenden schönen Brief:

Liebste Jungfer Abendbrod!
Dein getreuer Morgenroth
Reiset, weil du ihn nicht magst,
Dahin wo der Pfeffer wachst.
Woll' indessen dich bequemen,
Dienst bei Excellenz zu nehmen.
Was zu thun ist, weißt du schon;
Doch bekommst du keinen Lohn,
Aber Holz und Essen frei,
Auch das Hungertuch dabei.
Fürchte nicht die Geographie!
Lori ist ein gutes Vieh,
Und die Fee hält ihm die Stange;
Drum, mein Feinslieb, sei nicht bange!
Werd' ich einstens wiederkehren,
Darfst du dich nicht länger wehren,
Stell' ich mich als Freier ein;
Kriegst auch einen guten Schein.
Nun ade, herzliebster Schatz!
Habe nimmer Zeit noch Platz,
Bitt' indeß, noch vor dem Schließen,
Gretchen Leisegang zu grüßen.
Punktum. Streusand. Bis zum Tod
Dein getreuer Morgenroth!

Diesen Brief siegelte er zu, schrieb die Adresse drauf: »An Jungfer Abendbrod, Wohlgeboren, wohnhaft bei Jungfer Gretchen Leisegang, ihrer Cousine, Allhier«, und gab ihn einem kleinen zerlumpten Straßenjungen, und seinen letzten Dreier dazu, er sollt's auch pünktlich ausrichten. Denn, hatte ihm die Fee gesagt, Reisegeld braucht Ihr nicht; ich weiß, Ihr werdet im Pfefferland Euer Glück machen. Da trug denn Musje Morgenroth den Dampfstuhl in den Garten, heizte die Maschine, und als er Guitarre und Rohrstöckchen hatte und das Bündel mit den drei Hemden und drei Paar Socken, zog er die Liverey von Weihnacht an, setzte das Hütchen aufs linke Ohr und sich in den Stuhl, und nun – hast du nicht gesehn, so siehst du nicht – in die blaue Luft und in die weite Welt.

Der Dampfstuhl aber stieg so ein zweihundert Fuß senkrecht in die Höhe, dann machte er linksum und flog über den Berg fort immer in einem Strich. Hei, schrie Musje Morgenroth, das ist einmal eine flinke Fahrt! Es saß sich da ganz behaglich; freilich war's ein bischen warm unter dem Sitz und der Schornstein blies ihm den Rauch gerade in den Nacken; aber man konnte weit in die Thäler hineinsehn und die Häuserchen lagen gar sauber in den grünen Büschen. Wie er nun über das nächste Dorf flog, sah er da im Kruge das hübsche Anneli, die trug drei große Schoppen Landwein. Brrr! schrie er. Halt, Schwager! Halt! Will einen Schoppen mit auf die Reise nehmen! – Ja da schwagerte sich aber gar nichts; der Dampfstuhl flog seinen Weg unaufhaltsam weiter, und Musje Morgenroth mußte sich den Durst vergehen lassen, so viel er auch schimpfte, was das für eine grobe Wirthschaft sei, einen honnetten Reisenden nicht einmal aussteigen zu lassen! – So flog er eine Strecke weiter, gerade über einen großen Wald weg. Da sah er auf der Straße, die durchging, drei kleine Kinderchen kommen, barfuß, ein Jüngelchen und zwei Mädchen, und weil's so schöne Kinder waren, dachte er: willst ihnen was Liebes thun! zog die drei Paar Socken aus seinem Bündel und warf sie ihnen hinunter. Zwei kamen richtig zur Erde, gerade den Mägdlein vor die Füße. Dem Bübchen seine blieben oben in einer Tanne hängen, aber es war gar nicht faul und fing an hinaufzuklettern. Ob es sie noch erwischt hat, erfuhr Musje Morgenroth nicht; denn in der nächsten Minute war er schon weit, weit weg.

Da sah er wieder unten am See ein wunderhübsches Dirnlein stehn, die wusch Hemden in den klaren blauen Wellen. Sie hatte genau so flachsblonde Zöpfe, als wie Jungfer Abendbrod, und schöne rothe Wangen. Ach Himmel! seufzte Musje Morgenroth und dachte recht sehnsüchtig an seinen fernen Schatz. Unten das Dirnlein sah zufällig hinauf; wie sie aber das seltsame Fuhrwerk durch die Luft daherkommen sah, that sie einen lauten Schrei und das Hemd, daran sie eben wusch, glitt ihr aus den Händen und schwamm in den See hinaus. Das hatte Musje Morgenroth kaum gesehn, als er in sein Bündel griff, zwei Hemden herausholte und sie eilig hinabwarf. Wozu brauch' ich auch so viel Wäsche? sagte er bei sich; mach' ich doch im Pfefferland mein Glück! Er hatte aber eben nur Zeit, die Kußhände zu sehn, die das Dirnlein ihm nachwarf; dann trug ihn der Dampfstuhl wie der Wind aus dem Bereich ihrer blauen Veilchenaugen.

Er griff leise in seine Guitarre, und das nahm sich in der stillen Höhe gar eigen aus. Dann sang er:

All meine Herzgedanken
Sind immerdar bei dir;
Das ist das stille Kranken,
Das innen zehrt an mir.
Da du mich einst umfangen hast,
Ist mir gewichen Ruh und Rast;
All meine Herzgedanken
Sind immerdar bei dir.

Der Maßlieb und der Rosen
Begehr' ich fürder nicht;
Wie kann ich Lust erlosen,
Wenn Liebe mir gebricht!
Seit du von mir geschieden bist,
Hab ich gelacht zu keiner Frist;
Der Maßlieb und der Rosen
Begehr' ich fürder nicht.

Gott wolle Die vereinen,
Die für einander sind!
Von Grämen und von Weinen
Wird sonst das Auge blind.
Treuliebe steht in Himmelshut;
Es wird noch Alles, Alles gut.
Gott wolle die vereinen,
Die für einander sind!

Er hatte die letzten Verse immer leiser gesungen und sich schwermüthig zurückgelehnt. Wie nun das Lied verklungen war, schlief er ein, und berührte nur noch im Traum leise die Guitarre. Die prächtige Nacht zog herauf, die Sterne glitzerten und die alten Sterngucker stiegen aufs Dach und besahn sie mit den langen Fernröhren. Da sahn sie auch den Dampfstuhl durch den Himmel kutschieren, und weil sie nicht draus klug werden konnten, auch auf keiner Sternkarte ihn verzeichnet fanden, und ein Komet konnt' es nicht sein, weil er einen schwarzen Schwanz hatte, den Rauch nämlich: prophezeiten sie daraus Wunder und Zeichen, daß viele Menschen in dem Jahr sterben würden, und bei vielen Bäckern würde es kleines Brod geben, und in Spanien wär's wahrscheinlich, daß es zu blutigen Köpfen käme, was Alles nachher richtig eingetroffen; weiß aber nicht, ob zu Ehren Musje Morgenroths und seines Dampfstuhls. Die beiden jedoch kümmerten sich nicht um die Sterngucker und ihre Prophezeiungen, sondern flogen immer weiter in die stille dunkle Welt hinaus.

 

Fünftes Kapitel. Wie Musje Morgenroth zum Pikbuben kommt

Es war ganz früh, alle Vögel schliefen noch: da senkte sich der Dampfstuhl, dem das Holz ausgegangen war, ins weiche Gras nieder und Musje Morgenroth wachte davon auf. Es war eine überaus lustige Gegend, ein breiter grüner Grund, rings von gewaltigen Bergen umschlossen, und auf der einen Seite ging eine großmächtige Höhle tief ins Gebirg hinein, und das war eine Tropfsteinhöhle. In der Runde standen gar herrliche antike Bildsäulen, die hatte die Höhle allzusammen getropft, und andre waren noch in Arbeit. Vorn aber war ein lichterlohes Feuer gemacht; drüber hing ein Kessel, von dem viel Dampf in die Höhe stieg. Da sperrte nun Musje Morgenroth die Augen groß auf, wie er die Herrlichkeiten sah, stieg ganz munter von seinem Dampfstuhl ab und machte sich nahe herzu. Ei, sagte er, das ist ja eine bequeme Art, Bildsäulen zu machen! Wie er aber das sagte, bekam er einen gewaltigen Schreck; denn aus der Höhle trat ein Riese, der war wirklich ganz unwahrscheinlich groß. Guten Morgen, Kleiner! sagte der Riese und hatte für seine Größe eine gar liebliche Stimme. Großen Dank, Excellenz! sagte Musje Morgenroth und lupfte sein Hütchen. – Hört einmal, fing der Riese wieder an, wer mir hier einen Besuch macht, muß mir dienen; es kommt nur drauf an, ob er ein gebildeter Mann ist, oder so dem lieben Gott sein gar Nichts. Seid Ihr nun ein gebildeter Mann, so braucht Ihr nur Ein Jahr zu dienen; sonst müßt Ihr drei Jahr aushalten. – Verzeihen Excellenz, erwiederte Musje Morgenroth, ich reise in Geschäften in das Land, wo der Pfeffer wächst; denn ich soll da mein Glück machen. – Ach was! sagte der Riese ärgerlich, ich bin der Pikbube; Ihr müßt wissen, daß Ihr nur zu gehorchen habt, denn ich bin Trumpf. Dabei schnitt er ein fürchterliches Gesicht, und Musje Morgenroth sah nun erst, daß er nur ein Auge hatte; das saß ihm mitten auf der Stirn und sah gerade so aus, wie ein Pik-Aß. – Ja, sagte der Kleine, wenn's denn sein muß, thu' ich's von Herzen gern. Uebrigens wäre mir's doch lieb, wenn ich ein gebildeter Mann wäre; denn drei Jahr Ew. Excellenz zu dienen, ist ein bischen viel; unterdeß freit ein Andrer die Jungfer Abendbrod und ich habe das Zusehn. – Wir wollen's gleich herauskriegen, sagte der Pikbube; gebt nur gescheidt Antwort auf das, was ich frage. Damit setzte er sich gar gemüthlich nieder und hob den Musje Morgenroth auf sein Knie. Dem war dabei nimmer wohl; aber der Riese sprach ihm Muth ein und sagte, er würde wohl nicht durchfallen im Examen; er säh' ihm ganz aus, wie ein gebildeter Mann; und da war Musje Morgenroth wieder getrost und sagte: Fragen Sie nur immer drauf los, Excellenz!

Da fing also der Pikbube an und fragte: Was haltet Ihr von den stehenden Heeren? – Ich meine, daß es wackrer ist, sie stehn vorm Feinde, als sie laufen davon.

Dagegen wußte der Riese nichts einzuwenden, fragte also weiter: Warum haben die Chineser so schiefe Ansichten von der Welt? – Musje Morgenroth besann sich, sagte aber ganz munter: Ei, sie werden ja auch immer mit schiefen Augen abgemalt.

Gut, sagte der Riese. Nun kommt aber alte Geschichte: Wie urtheilt Ihr über Nero? – Er ist ein ganz gutes Vieh, sagte das Stiefelputzerchen; aber er frißt zu viel Fleisch weg aus Jungfer Abendbrods Küche, und hat mich einmal ins Bein gepackt, wie ich zu Fresco's kam. Es ist freilich schon eine alte Geschichte, setzte er hinzu; aber ich fühl's noch immer.

Weiter, fragte der Pikbube: Wer hat's Pulver erfunden? – Ich, weiß Gott, nicht! gab der Musje zur Antwort, kann mich auch nicht besinnen, wer's war; ich muß damals noch ganz klein gewesen sein.

In der Geschichte wißt Ihr nicht sonderlich Bescheid; woll'n was Anders fragen, sagte der Pikbube. – Wo wachsen die meisten Pflaumen? – Auf den Zwetschgenbäumen, war die Antwort. – Wie kann ein armer Schlucker in theuren Zeiten satt werden! – Er muß eine Köchin zum Schatz haben, wie ich Jungfer Abendbrod. – Wenn Einer aber viel Geld hat, was soll der am besten damit thun? – Was der Pfarrer Asmann that. – Nun, und was that der? – Was ihm halt gefiel. – Nun sagt noch zu guter Letzt: Was ist die Liebe? – Da weiß ich Euch genau Bescheid zu geben, antwortete Musje Morgenroth. Liebe ist, wenn ich Jungfer Abendbrod auf den Mund küsse und sage: Behüt dich Gott, du bist und bleibst mein herzallerliebster Schatz!

Wie er das gesagt hatte, schmunzelte der Riese und sagte: Ich sehe, Ihr seid überall gar bewandert und gelehrt; darum braucht Ihr nur Euer Jahr abzudienen. Aber wie heißt Ihr eigentlich und weß Standes seid Ihr? – Da nun Musje Morgenroth ihm das berichtet hatte, wollt' es der Riese erst gar nicht glauben, daß er Stiefelputzer sei; denn, sagt' er, ich hielt Euch zum wenigsten für einen Oberlehrer oder gar für einen Professor. Nachher aber meinte er: Es ist mir doch lieb; so werdet Ihr meine Siebenmeilenstiefel gehörig putzen; die haben die Herrn Professoren, wenn sie hier ihr Jahr abdienen mußten, nie blank machen können. Außerdem muß jeden Morgen die Höhle ausgefegt und die Tröpfe da (so nannte er nämlich die Bildsäulen, die die Höhle getropft hatte) sauber abgekehrt werden. Mittags macht Ihr Feuer an unter dem Kessel, darin wird das Essen gekocht, jedes Mal ein ganzes Rind; das giebt kräftige Fleischbrüh, die Euch wohl munden wird, und ein Hinterviertel mögt Ihr auch erhalten. Zu Abend trink' ich Kamillenthee, denn hier in der Gegend wächst nichts andres, und dann geh' ich zu Bett. Ihr müßt Euch aber schon bequemen, unter meiner hohlen Hand zu schlafen; denn sonst lauft Ihr mir einmal fort, und daraus wird nichts, bis das Jahr um ist.

Darauf setzte der Pikbube Musje Morgenroth von seinem Knie herunter, stand auf und ging in die Höhle, wohin ihm Musje Morgenroth folgen mußte. Drinnen war's gar so übel nicht; überall standen kleine niedliche Tröpfe, die Jungfrau von Orleans zum Exempel und der große Kurfürst und Schiller und Goethe und viele Andre. Ganz hinten stand das Bett; das war aber einmal lang und breit! da hätte ein ganz Regiment Dragoner sammt ihren Rößlein drin Platz gehabt. Hinter der Bettstelle standen die Siebenmeilenstiefeln. Der Tausend! sagte Musje Morgenroth, das wird viel Wichse kosten! – Seid ohne Sorgen, erwiederte der Pikbube, Ihr sollt Wichse genug kriegen. – Nachdem sie nun Alles gemustert und der Riese dem Kleinen noch genau gesagt hatte, wie er's haben wolle, sah er nach einer allerliebsten Thurmuhr, die er in der Westentasche trug, und sagte: Ihr mögt nur immer die Siebenmeilenstiefel vornehmen! trug sie ihm also hinaus ins Freie und sah ihm zu. Musje Morgenroth war nun wohl flink dabei; aber dennoch brauchte er ganzer fünf Minuten, um mit der Bürste von der Fußspitze bis zum Hacken zu fahren, und die Schäfte konnte er nicht anders erreichen, als mit einer Leiter. Doch war der Pikbube ausnehmend zufrieden; denn er macht's so blank, daß man's ohne Augenschmerzen gar nicht ansehn konnte.

Wie's nun gegen Mittag war, holte der Riese ein Rind von seiner Heerde, die im Gebirg weidete, drückte ihm mit dem kleinen Finger den Schädel ein, zog's ab und warf's in den Kessel. Das gab eine kräftige Bouillon, so daß Musje Morgenroth des Rühmens kein Ende wußte. Auch das Rindfleisch gefiel ihm; er dachte: ob jetzt Jungfer Abendbrod am Hungertuch nagen muß? und wenn ich ihr doch was abgeben könnte! Und da überkam ihn das Heimweh; er nahm die Guitarre vor und klimperte ein Liedchen. Das gefiel dem Riesen gar sehr, und er sang ihm zum Dank auch was vor und fragte ihn dann um sein Urtheil. Ihr habt eine schöne Fistel, sagte Musje Morgenroth, und singt mit viel Ausdruck. Aber das Piano will Euch nicht gelingen. – Es ist ein Erbfehler in unsrer Familie, sagte der Pikbube; wenn meine Mutter sang, die Pikdame, Gott habe sie selig, lief Alles davon; denn sie vermochten's nicht auszuhalten, so laut war's; und mein seliger Vater, der Pikkönig, konnte sie noch überschreien. – Danke schön, sagte Musje Morgenroth. Da wäre mir doch mein Trommelfell zu lieb gewesen!

Am Abend trank der Riese einen ganzen Kessel voll Kamillenthee; aber den mochte Musje Morgenroth nicht, weil er nicht durchgesiebt war. Er hatte sich noch Fleischbrühe vom Mittag aufgehoben, daran hatte er genug. Hernach stieg der Pikbube ins Bett; Musje Morgenroth streckte sich neben ihn, und sein Schlafkamerad legte ganz sacht die hohle Hand über ihn; da war er warm und hatte doch Raum genug, sich nach Lust zu bewegen und herumzuwälzen, wie er immer im Schlafe that. So schlief er bald ganz fidel ein und ließ sich von seiner Herzallerliebsten was Angenehmes träumen.

 

Sechstes Kapitel. Wie Musje Morgenroth das Wandern ankommt, ohne daß er Kehrt macht

Eine ganze Zeitlang lebten sie also mitsammen, und Musje Morgenroth ward gar wohlbeleibt, denn die kräftige Fleischbrühe schlug bei ihm gut an, besonders weil er von der Fee her nicht an allzunährende Kost gewöhnt war. Einen Tag um den andern mußt' er mit seinem Pfefferröhrchen die Kleider des Pikbuben ausklopfen, und das gab immer entsetzlich viel Staub. Es stand da ein großes Konterfei vom Pikbuben unter den andern Tröpfen; da hängte er den Rock und die Beinkleider des Originals an, stieg mit der Leiter hinauf und klopfte dann was er nur konnte. Nebenan, d. h. wenn man auf der einen Seite übers Gebirg stieg, war die große Wüste Sahara, und da zog der ganze Staub hinüber. Die armen Kameele und Reisenden meinten dann, es käme ein Wirbelwind, der den Sand aufwühle; es war aber nur der Staub aus des Pikbuben Garderobe.

Manchmal kamen auch des Pikbuben Vettern über die Berge. Der aber konnte sie nicht ausstehn, weil sie ihn den schwarzen Peter schimpften, und jagte sie wieder fort; denn er meinte, er wäre allein Trumpf, und der Cœurbube und Carobube und Trefle dürften sich nicht wichtig machen. Ja er hatte so seine Schrullen, und dann war er sehr schlimm und wüthig.

Eines schönen Morgens hatte er auch wieder so getobt und entsetzlich viel Staub gemacht, daß der erschrockene Musje Morgenroth sich sein Pfefferröhrchen an den Beinkleidern zu Schanden klopfte. Da saß er nun und war gar bekümmert. Ach, dachte er, wenn ich doch wär', wo der Pfeffer wächst! Und wie er so sann, kam ihn immer gewaltigeres Verlangen an, fortzulaufen, daß er den Finger an die Nase legte und nachdachte, wie es wohl anzustellen sei. Den Dampfstuhl hatte der Pikbube gleich wieder geheizt und leer weiterfliegen lassen. Gott weiß, wo der jetzt steckte! So bloß Reißaus nehmen, ging nimmer an; denn der Riese hätte mit den Siebenmeilenstiefeln das arme Stiefelputzerchen wohl eingeholt, und wenn es auch den Vorsprung einer ganzen Nacht gehabt hätte. Endlich fiel ihm eine List ein, um den Riesen auf einen falschen Weg zu leiten; denn da konnt' er in alle Ewigkeit laufen, ohne ihn einzuholen. Der Pikbube aber war gar einfältig, so wie man es bei gebildeten Leuten oft findet, wenn sie vor lauter Weisheit nicht klug sind. Denn weise war er, das mußte man ihm lassen, und hatte erstaunlich viel Gelehrsamkeit am Leibe. Musje Morgenroth also trat mit einem gar ehrlichen Gesicht zu ihm und sagte: Ich habe darüber nachgedacht, Excellenz, wie wohl es mir hier geht, und bin so zu sagen ordentlich gerührt dadurch. Ich könnte mich sogar entschließen, auf immer hier mein Jahr abzudienen. – Da schmunzelte der Pikbube und sagte: Ihr seid auch ein ganz ausnehmend gebildeter Mann, liebster Musje Morgenroth. Wer sonst bei mir war, hat sich trotz der menschenfreundlichen Behandlung fortgesehnt; ja einige haben sogar den Versuch der Flucht gemacht! – Excellenz scherzen! sagte Musje Morgenroth. – Nein, verlaßt Euch drauf, fuhr der Pikbube fort. Einer war schon weit in die schöne Gegend hineingelaufen; aber natürlich überholt' ich ihn mit den Siebenmeilenstiefeln.– Da that nun das kluge Stiefelputzerchen höchlich erstaunt, daß die Herrn Flüchtlinge nicht lieber durch die Wüste Sahara gelaufen wären. Es wär' so schöner gerader Weg, auch recht fest, absonderlich nach dem Regen, und auf der andern Seite, wo es in die schönen Thale hinabginge, lägen die fatalen Berge dazwischen. – Aha, dachte der Riese, er hat's doch schon heraus. Wollen uns nur in Acht nehmen, und wenn der Musje einmal vermißt wird, gleich über die Wüste ihm nachtraben. – Und wie er das dachte, strich er sich den Bart und meinte wunder wie fein er sei; und das war doch gerade die Einfalt.

Abends, als Beide zu Bett gingen, legte der Riese seine hohle Hand sorglicher als je über seinen Schlafkumpan und schlief dann ganz guter Dinge ein. Wie nun Musje Morgenroth ihn schnarchen hörte, zog er ein Federmesser heraus und piekte ihm tapfer in den kleinen Finger. Da wachte der Pikbube halb auf und fragte:

Warum hast du mich gestochen?
Morgen wird's an dir gerochen,
Ich zerbläu' dir alle Knochen!

Musje Morgenroth aber antwortete:

Es war ein Floh,
Der stach Euch so.
Ich armer Musje
Um Gnade fleh'.

Ich will mir's überlegen! brummte der Riese und schlief wieder ein. Da piekte ihm Musje Morgenroth wieder herzhaft in den kleinen Finger. Der Pikbube aber war schon tief eingeschlafen; weil er's aber im Traum fühlte, und dachte, es wär' ein Floh, hob er die Hand auf und legte sie unter seinen Kopf. Musje Morgenroth aber stand ganz leise auf, schlug dem schnarchenden Riesen ein Schnippchen und huschte aus der Höhle hinaus.

Es war wunderherrlicher Mondenschein; die Tröpfe standen wie weiße Gespenster, unheimlich und spukhaft, und das Conterfei des Riesen schien dem Entwischten ein böses Gesicht zu schneiden. Der aber war bald übers Gebirg und wanderte lustig in die monddämmerige Gegend hinaus. Er hätte gern ein Lied gesungen; aber er fürchtete, es könne ihn verrathen, und so fuhr er nur immer verstohlen über die Saiten der Guitarre, die er nicht dahinten gelassen hatte, daß die Vögel im Traum meinten, es wär' im Himmel Concert. Und so ging er, ohne auszuruhn, vorwärts bis zum lichten Morgen.

Wie der Riese am Morgen aufwachte und Musje Morgenroth nicht fand, merkte er gleich Unrath, stand aber gar nicht zu hastig auf und fuhr gemächlich in seine Siebenmeilenstiefeln. Dann nahm er den Weg zwischen die Beine und stapelte in die große Wüste hinein, und immer immer weiter, bis er dahin kam, wo die Welt mit Brettern vernagelt ist. Da merkte er wohl, daß er betrogen war; und noch dazu war so viel Sand in seine Stiefel gekommen, daß er die Füße nicht mehr heben konnte; und so ist er im Sande elendiglich umgekommen.

Musje Morgenroth jedoch wanderte gar guter Dinge fürbaß, blieb an jedem Wegweiser stehn, ob zu lesen stände, wo man nach dem Pfefferland kommt, und fragte jeden, der ihm begegnete; aber keiner konnt's ihm sagen. Wie es nun gegen Mittag war, bekam er doch Lust nach der Fleischbrühe beim Riesen und seufzte ganz traurig: Ach daß ich doch wäre, wo der Pfeffer wächst! denn wenn ich unterwegs verhungere, kann ich doch mein Glück nicht machen! – Er hatte aber keinen Heller Geld, überhaupt nichts, als was er auf dem Leibe trug; denn das Hemd, das ihm noch übrig gewesen, mußte er ganz zu Charpie verzupfen und dem Pikbuben in die Wunden legen, die ihm seine Vettern schlugen; – und seine Guitarre wollt' er nicht versetzen. Da ging gerade ein Mann vorbei, der hatte gehört was er seufzte, trat an ihn heran und sagte: Dahin sollt Ihr bald kommen; habt nur die Güte mir zu folgen. – Musje Morgenroth ging auch richtig, ohne sich zu besinnen, mit, und der fremde Mann führte ihn durch sein Haus in einen großen Garten, stellte ihn an ein Beet, darauf eben nichts zu schauen war als schöne fette Erde, und sagte: Hier, theurer Fremdling, wächst Pfeffer! – Aber ich sehe ja nichts, sagte Musje Morgenroth. – Die Saat ist erst seit einem Monat im Boden, erwiederte der Mann, aber sie keimt schon; und damit wühlte er wahrhaftig ein paar schöne schwarze Pfefferkörner hervor, die von der Feuchtigkeit beschlagen waren, und wies sie dem Musje Morgenroth. Der begriff den Mann nicht, sagte aber: Das ist eine sehr hoffnungsvolle Plantage, lieber Herr, und ein verdienstlich Werk, diesem Getreidebau Eingang zu verschaffen. – Das meine ich! sagte der Andre und strahlte vor Vergnügen. Ihr seid aber meiner Seel' der Erste, der Interesse dafür zeigt; die Meisten begreifen meine Pläne nicht, oder belachen sie gar. – Ei ei, sagte Musje Morgenroth, das ist ja recht unverständig, eine gute nützliche Unternehmung zu belachen! – Er merkte nun wohl, daß es nicht recht richtig mit dem Mann war, ließ sich aber von ihm in sein Haus zurückführen, wo sie denn gar köstlich aßen und tranken, und nach Tisch brachte der Wirth seinen Gast in eine Kammer, darin er sein Geld bewahrte und gab ihm einen ganzen Beutel voll Dukaten zur Reisezehrung mit auf den Weg; denn, sagte er, Ihr seid ein gebildeter Mann; und wenn ich Pfefferernte habe, gebe ich ein großes Volksfest; zu dem seid aber nur Ihr geladen, und die Ungläubigen müssen mit langen Nasen abziehn. – Da versprach ihm denn Musje Morgenroth, er werde ganz gewiß kommen zur Pfefferernte, bedankte sich höflichst und ging.

Er war schon wieder ein gut Stück weiter gewandert und sagte dabei immer vor sich hin: Ach wenn ich doch wäre, wo der Pfeffer wächst! Da gesellte sich ein Bursch zu ihm, sagte, er ginge des Weges, sie könnten selbander gehn. Der war aber seines Zeichens ein Spitzbube, und wie er nun den Beutel mit Gold sah, den Musje Morgenroth alle Augenblick zog, um einem Armen ein Almosen zu geben, dachte er: den Vogel willst du rupfen. Herr, fing er an, wenn Ihr gern wissen wollt, wo der Pfeffer wächst, dahin kann ich Euch weisen; kommt nur mit! So ging er linksab einen wilden Waldsteg, und Musje Morgenroth hatte kein Arg, sondern folgt' ihm auf der Ferse. Sie waren eine Weile gegangen und kamen endlich zu einer wilden Schlucht; da saßen noch so ein zehn oder elf Bursche um ein Feuer, schmauchten ihr Pfeifchen und spielten Würfel. Hier bring' ich Euch Einen, rief ihnen Musje Morgenroths Begleiter zu, der will gern wissen, wo der Pfeffer wächst. Er hat einen gespickten Beutel; das ist wohl genug Schulgeld, um's ihn zu lehren. Fangt nur die Lection an! Damit warf er das arme Stiefelputzerchen nieder, riß ihm den Beutel weg, und nun fiel die ganze Bande über ihn her, schlug ganz gottesjämmerlich auf ihn los und schrie dabei: Hier wächst der Pfeffer! Merkst du, wie er beißt? Hier wächst der Pfeffer! Und so schlugen sie den Aermsten, bis er stille war mit Schreien, und trugen ihn durch den dicken Wald wieder auf die Landstraße, wo sie ihn für todt liegen ließen.

 

Siebentes Kapitel. Ende gut, Alles gut

Er war aber nicht todt, sondern nachdem er ein paar Stunden da gelegen hatte, schlug er die Augen wieder auf, und war ihm kein Leids geschehn, außer daß er braun und blau war. Er schleppte sich mit Mühe ins nächste Dorf, da gab ihm eine gute Frau Wirthin einen Krug Bier und eine Butterbemme um Gotteswillen; und Nachts bekam er eine weiche Streu, darauf schlief er bis an den hellen Tag und war wieder frisch und gesund.

Eine geraume Zeit zog er nun herum und verdiente sein Brod mit Musiciren, forschte aber immer fleißig nach dem Land, wo der Pfeffer wächst. Da kam er eines Tags an eine große Mauer, in der war ein stattliches Thor, und über demselben stand mit goldnen Buchstaben: Durch dieses Thor kommt man ins Land, wo der Pfeffer wächst. Man kann leicht denken, wie froh Musje Morgenroth war. Er mußte sich einmal recht auslassen, nahm also die Guitarre vor und sang und spielte, während er die tollsten Luftsprünge machte. Das Lied lautete aber so:

Lustig Blut und frische Lieder,
So gebührt's dem Wandersmann;
Berg hinauf und Thal hernieder
Ficht ihn sonst das Heimweh an.
Ging ich singend sonder Ruh
Manche Meil' in lauter Wonnen.
Süßer klarer Liedesbronnen,
Riesele, riesele immerzu!

Wenn der Wald thut kühlig rauschen
In der warmen Sommerlust,
Müssen Eich' und Linde lauschen
Auf den Klang aus meiner Brust.
Ob auch reißen Rock und Schuh,
Jauchze doch im Schein der Sonnen.
Süßer klarer Liedesbronnen,
Riesele, riesele immerzu!

Aber so die Winde streichen
Und regieren über Feld,
Sing' ich allestund ingleichen,
Bis die Trübe sich erhellt.
Denke dann: Du Wetter du,
Bist vor meinem Sang zerronnen.
Süßer klarer Liedesbronnen,
Riesele, riesele immerzu!

Und in Dörflein und in Städtchen
Zieh ich nur mit Liedern ein;
Alle tugendlichen Mädchen
Nicken mir vom Fensterlein.
Habe gleich als wie im Nu
Einen herzigen Schatz gewonnen;
Süßer klarer Liedesbronnen,
Riesele, riesele immerzu!

Da that sich in der Mauer ein Fensterlein auf und ein Kopf erschien mit gar brummiger Miene und einer großen schwarzen Nase. Guter Freund, sagte der Mann – und der Kopf war nämlich des Zöllners Kopf – hier dürft Ihr nicht mit so viel Lärm Einzug halten, wie Ihr's sonst mögt getrieben haben. Hier im Land ist große Trauer; alle Welt läuft mit schwarzer Nase herum und lamentirt und weint, denn dem König seine Tochter ist schwer krank. – Was fehlt denn dem Fräulein Prinzeß? fragte Musje Morgenroth. – Ach, sagte der Zöllner, sie leidet am freiwilligen Hinken. Vor zwei Jahren ist ihr Einer begegnet, der war damit behaftet; und da sagte sie, sie wolle auch einmal ihren Willen haben und auch freiwillig hinken. Seitdem humpelt sie nun beständig, und kein Arzt weiß dem Ding abzuhelfen. Nun hat der König dem, der sie heilen könne, drei Wünsche zu thun erlaubt; die wolle er ihm erfüllen, wenn er's vermöchte, und wär's sein halbes Königreich. Das Land wünscht sehnlichst, es möchte Einer kommen, der's verstände; denn so lange die Prinzeß krank ist, müssen wir Alle schwarze Nasen tragen. – Ei, erwiederte Musje Morgenroth, schließt hurtig das Thor auf! ich will sie schon kuriren. – Der alte Zöllner sah ihn von oben bis unten an und schnitt ein ungläubiges Gesicht, öffnete ihm aber ungesäumt. Da trat nun Musje Morgenroth in das Land ein, wo der Pfeffer wächst, und wunderte sich ausnehmend, denn er hatte sich's viel kurioser vorgestellt. Sagt einmal, frug er, wo wächst denn eigentlich der Pfeffer? Ich bin von Haus aus Stiefelputzer und möchte mir so im Vorbeigehn ein Rohr abschneiden. – Ihr habt einen wunderlichen Glauben, lieber Mann, erwiederte der alte Zöllner. Hier wächst bei jedem Rohr der dazugehörige Stiefelputzer mit. – Ach du mein Gott, rief Musje Morgenroth, da ist ja nichts für unsereins zu holen! Nein, aber so eine närrische Einrichtung! Das ist einmal ein putziges Land! – Der Zöllner schien das im Stillen übelzunehmen, sagte aber nichts. Indem kam ein langer schwarzer Zug daher; vorne ging Einer mit schwarzer Nase und einem Pfefferrohr; dann kam ein Leichenwagen, den zwei Pferde mit schwarzen Nasen zogen; auf dem Sarg lag wieder ein Pfefferrohr und eine große Schaar Leidtragender folgte, alle mit schwarzen Nasen und Pfefferröhren. Seht Ihr, Herr? sagte der Zöllner, das ist ein Stiefelputzerbegräbniß. Musje Morgenroth riß Mund und Augen auf; das war ihm doch nie im Traum eingefallen. Uebrigens, sagt' er, scheint hier die edle Stiefelputzerkunst fabrikmäßig betrieben zu werden, und das ist doch eine unwürdige Art. – Der Zöllner schoß ihm giftige Blicke zu, sagte aber wieder nichts; denn er war ein gebildeter Mann, und wies Musje Morgenroth nach des Königs Palast.

Wie er nun in den Palast kam, ließ er sich beim König melden, und trug ihm sein Anerbieten vor: er wolle die Prinzessin kuriren. Ach lieber Herr Unterthan! sagte der König, es haben's schon so viele versucht und ist doch nicht gelungen; ich fürchte, Ihr kommt auch vergebens. – Laßt mich nur machen, sagte Musje Morgenroth; ich habe Praxis in solchen Dingen; nur muß ich Euch bitten, mir ein tüchtiges Pfefferrohr zu verschaffen. – Der König sah ihn verwundert an und fragte: Ihr wollt der Prinzeß doch nicht weh thun? – Behüte! sagte Musje Morgenroth, ich schneide das Pfefferrohr klein, nehme Salz und Essig und Oel und mache ein Tränklein; davon muß sie einnehmen, alle Stunde einen Eßlöffel voll. Da war denn der König beruhigt, sandte nach dem Kirchhof und ließ das Pfefferrohr holen, das auf des eben verblichenen Stiefelputzers Grab gelegt werden sollte. Es wurde auch nicht geweigert; denn die Pfefferaner waren gute Unterthanen, und der König konnte thun, was er wollte.

Musje Morgenroth aber ließ sich zur Prinzessin führen, nahm Salz und Essig und Oel mit, und riegelte sorgfältig hinter sich ab. Was da innen geschehen ist, weiß man nicht genau. Man hörte es nur im Zimmer klatschen, wie wenn ein Kleid ausgeklopft würde oder ein Kind die Ruthe bekäme, und klägliches Geschrei erscholl, und es war als ob sich Zwei im Zimmer herumjagten. Vielleicht machte die Zubereitung des Tränkleins so viel Lärm, vielleicht war auch ein anderer Grund; kurz man hat nie so recht klug daraus werden können. Die Kur war aber schnell gethan; denn nach einer Viertelstunde öffnete sich die Thür, die schöne Prinzessin kam freilich ein bischen verweint, aber doch ohne zu humpeln heraus, fiel ihrem Vater um den Hals und sagte: Ich bin kurirt, Papa! – Der war nun gar zu neugierig, wie es zugegangen sei. Das Tränklein war wohl eingerührt, aber es schien kaum ein Tröpfchen davon genossen zu sein. Die Prinzeß jedoch wollte nie sagen, wie die Kur geschehen sei, und Musje Morgenroth zeigte auch keine absonderliche Lust dazu. Sogar der Pfefferrohrstock war ganz geblieben; der Herr Doktor sagte, er habe ihn nicht gebraucht; das Salz und Essig und Oel sei schon allein kräftig genug gewesen. Weil man's nun nicht herausbringen konnte, dachte man nicht länger dran und war herzensfroh, daß die schöne Prinzessin nun gesund war. Im ganzen Land sang man Loblieder auf Musje Morgenroth, wusch sich die Nase wieder weiß und aß Gänsebraten, was sonst nur an hohen Festtagen geschah.

Musje Morgenroth aber ging zum König und sagte: Nun hätte ich aber auch Lust, meine drei Wünsche zu thun. – Wünscht immer drauf los! sagte der König; aber ich bitte Euch, seid nicht gar zu unverschämt; sonst macht Ihr mich zum armen Mann. – Seid ohne Sorge, Majestät, erwiederte Morgenroth; ich bin ein gebildeter Mann. Als solcher aber bin ich arm, und wünsche daher fürs erste schrecklich viel Geld, damit ich mich in Ruhestand setzen und Jungfer Abendbrod heirathen kann. – Schrecklich viel Geld sollt Ihr haben, sagte der König. – Zweitens, fuhr Musje Morgenroth fort, möcht' ich einen schönen goldnen Knopf auf mein Pfefferrohr. – Wenn's weiter nichts ist! sagte der König; aber nun nehmt Euch einmal zusammen beim dritten Wunsch; denn ich möcht' Euch gern was recht Liebes zu Gefallen thun. – So macht mich zum Geheimerath, platzte Musje Morgenroth verlegen heraus. – Wie Ihr denn wollt, sagte Se. Majestät; Ihr sollt gleich das Patent haben. Darauf rief er seinen Kanzler, der das Pergament dem Musje Morgenroth in einer goldnen Kapsel einhändigen mußte; und nun wurde auch der Hofseckelmeister gerufen, der mußte ihm schrecklich viel Geld geben, und der Hof-Goldschmied machte ihm einen wundervollen Knopf von purem Golde auf sein Pfefferrohr, daß Musje Morgenroth sich gar nicht zu lassen wußte vor übergroßer Freude. Er begehrte aber sehnlichst zu seiner Jungfer Abendbrod zurück, und da ließ der König Extra-Post kommen, so gern er ihn auch behalten hätte. Wie er nun schon im Wagen saß und Abschied nahm, stieg der König noch zu guter Letzt auf den Wagentritt und steckte ihm den Orden pour le mérite an, und die Prinzessin gab ihm ein schwarzes Nähkästchen von Ebenholz mit silbernen Sternen und ein schwarzes Sammetkleid, ebenfalls silbernbesternt; er sollt's seiner Frau Geheimeräthin bringen. Da traten dem guten Musje die Thränen in die Augen; er rief: Schwager, fahr zu! und die Pferde liefen was sie konnten, und der Schwager blies, und Musje Morgenroth hielt sein naßgeweintes Schnupftüchelchen zum Fenster hinaus und wedelte damit gar gerührt zum letzten Lebewohl.

Die Pferde liefen aber Tag und Nacht, und wie eine volle Woche um war, wachte Musje Morgenroth in der Frühe auf, rieb sich die Augen, und da hielt die Kutsche vor dem Gartenhäuschen der Fee. Jungfer Abendbrod aber, die eben im Garten war und die Rosenkäfer und Eidechslein auf die Seite kehrte, trat ganz erstaunt vor die Thür. Als sie aber ihren Liebsten herausspringen sah, warf sie den Besen weit weg und flog ihm in die Arme, und da die Fee eine Viertelstunde später zum Fenster hinausschaute, lagen sie noch immer einander in den Armen und konnten's gar nicht glauben, daß sie einander wieder hatten.

Gleich am andern Tag ward nun Hochzeit gehalten, und da trug Jungfer Abendbrod das schwarze Sammetkleid mit den silbernen Sternen, und die 101 Geheimerathsfräulein waren eingeladen und Fresco's und die Fee auch, und der Fritz, der dem Musje Morgenroth immer Grobheiten über sein Pfefferrohr gesagt hatte. Die Geheimerathssippschaft rümpfte freilich im Stillen die Nasen; aber was sollten sie thun? er war doch einmal Geheimerath und hatte noch dazu einen Orden, und beim König vom Pfefferland wären sie schön angekommen, wenn sie all das nicht respektirt hätten. Geheimerath Morgenroth aber lebte nun gar vergnügt mit seiner Frau Geheimeräthin, schrieb ein dickes Buch Reisebilder und bekam viele Kinder, die alle Geheimeräthe und Geheimeräthinnen wurden.

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